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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.05.2008
Aktenzeichen: 1 W 168/07
Rechtsgebiete: RVG VV, ZPO


Vorschriften:

RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3
RVG VV Nr. 3104 (1) Nr. 1
ZPO § 269 Abs. 4
ZPO § 936
ZPO § 937 Abs. 2
ZPO § 925 Abs. 1
Die Terminsgebühr entsteht nicht bei einer telefonischen Besprechung der Anwälte nach Erlass einer einstweiligen Verfügung und vor Einlegung des Widerspruchs, wenn der Bevollmächtigte des Antragstellers lediglich mitteilt, der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung solle zurückgenommen werden, und der Bevollmächtigte des Antragsgegners daraufhin die Kostenfolgen der Antragsrücknahme erörtert.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 168/07

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts am 7. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch sowie den Richter am Kammergericht Hinze beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 5. Februar 2007 in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 6. März 2007 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die nach dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. Oktober 2006 und dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2007 von dem Antragsteller an den Antragsgegner zu erstattenden, in dem Antrag vom 26. Dezember 2006 berechneten Kosten werden auf 609,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2007 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Mit seinem als Erinnerung bezeichneten Rechtsbehelf vom 13. Februar 2007 wendet sich der Antragsteller gegen den ihm am 12. Februar 2007 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin - 26.0.346/06 - vom 5. Februar 2007, mit dem zunächst eine 1,3 Verfahrensgebühr sowie eine 1,2 Terminsgebühr zum Streitwert von 15.000,00 EUR zugunsten des Antragsgegners festgesetzt worden waren. Die Rechtspflegerin am Landgericht hat dem Rechtsmittel teilweise abgeholfen und die Verfahrensgebühr mit Beschluss vom 6. März 2007 auf eine 0,8 Gebühr herabgesetzt.

Im Ausgangsverfahren hatte der Antragsteller den Antragsgegner mit Schreiben vom 19. September 2006 unter Fristsetzung zum 2. Oktober 2006 aufgefordert, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr bestimmte AGB-Klauseln zu verwenden. Bei einem Telefonat vom 29. September 2006 wurde zwischen einer Mitarbeiterin der Antragstellerin und dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners über eine Verlängerung der Frist zum 11. Oktober 2006 verhandelt. Die Einzelheiten sind streitig. Am 11. Oktober 2006 ging eine Unterlassungserklärung des Antragsgegners ohne Begleitschreiben bei dem Antragsteller ein. Unter dem 16. Oktober 2006 beantragte der Antragsteller beim Landgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf die Unterlassung des Gebrauchs der vom Antragsteller gerügten AGB-Klauseln durch den Antragsgegner. Die einstweilige Verfügung wurde am 20. Oktober 2006 antragsgemäß erlassen und am 30. Oktober 2006 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2006 bestellte sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners beim Landgericht Berlin und behielt sich die Erhebung des Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung vom 20. Oktober 2006 vor. Am 13. November 2006 fand ein Telefongespräch zwischen den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers und des Antragsgegners statt. Der Antragstellervertreter hatte über den Antragsteller vom Eingang der Unterlassungserklärung erfahren und erkannt, dass dieser vor Beantragung der einstweiligen Verfügung beim Landgericht Berlin erfolgt war. Deshalb war er entschlossen, den Antrag zurückzunehmen. Der Bevollmächtigte des Antragsgegners rief beim Bevollmächtigten der Antragstellerin an, um anzufragen, ob im Hinblick auf die Unterlassungserklärung der Antrag zurückgenommen werde; in diesem Fall würde kein Widerspruch erhoben werden. Bevor der Bevollmächtigte des Antragsgegners hierauf zu sprechen kommen konnte, erklärte der Bevollmächtigte des Antragstellers, er habe sich seinerseits bei diesem melden wollen, da ihn die Nachricht über die abgegebene Unterlassungserklärung erreicht habe; der Antrag werde nicht aufrechterhalten. Der Bevollmächtigte des Antragsgegners sprach daraufhin die Kosten an und erklärte, er werde lediglich eine 1,0 Gebühr abrechnen, sofern der Antrag umgehend zurückgenommen und die Kostentragung akzeptiert werde. Dies lehnte der Bevollmächtigte des Antragstellers ab.

Mit Schriftsatz vom 12. November 2006 nahm der Antragsteller den Antragsgegner auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurück. Auf widerstreitende Kostenanträge hat das Landgericht dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Mit dem Rechtsmittel wendet sich der Antragsteller zum einen gegen die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr. Er meint, es müsse eine 0,65 Geschäftsgebühr in Abzug gebracht werden, so dass nur noch eine 0,15 Verfahrensgebühr verbleibe. In diesem Zusammenhang trägt er unwidersprochen vor, auf Seiten des Antragsgegners sei eine außergerichtliche Geschäftsgebühr entstanden. Weiterhin wendet sich der Antragsteller gegen die Festsetzung einer 1,2 Terminsgebühr für das Telefongespräch vom 13. November 2006. Insoweit vertritt er die Auffassung, eine Verfahrensgebühr könne nur für solche Gespräche festgesetzt werden, die tatsächlich ursächlich für eine Erledigung geworden sind. Dies ergebe sich aufgrund verfassungskonformer Auslegung der Gebührenvorschriften.

Der Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 7. März 2008 auf das Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.

II.

Der als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsbehelf ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff ZPO zulässig. In der Sache hat er teilweise Erfolg.

1) Zu Recht wendet sich der Antragsteller mit seinem als sofortige Beschwerde auszulegenden Rechtsbehelf gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr in dem angefochtenen Beschluss.

Die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses i. V. m. Nr. 3104 Abs. 1 Nr.1 VV RVG scheidet im vorliegenden Fall deshalb aus, weil eine Terminsgebühr - auch durch ein Gespräch zwischen den Rechtsanwälten der Parteien zur Erledigung des Verfahrens - nicht entstehen kann, wenn für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und das Gericht durch Beschluss entscheidet (BGH NJW 2007, 2644). Auch nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG ist die Terminsgebühr nicht zu einer von den einzelnen Gebührentatbeständen losgelösten Gebühr für anwaltliche Besprechungen in Streitigkeiten umgestaltet worden, in denen eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht vorgesehen ist (BGH a.a.O.). Vielmehr soll mit der Terminsgebühr erreicht werden, dass der Prozessbevollmächtigte, der im 1. Rechtszug des Zivilprozesses an sich erwarten kann, in der mündlichen Verhandlung eine Terminsgebühr zu verdienen, keinen Gebührennachteil erleidet, wenn durch eine andere Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (BGH, NJW 2008, 668; NJW 2006, 157). Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht die beantragte einstweilige Verfügung am 20. Oktober 2006 ohne mündliche Verhandlung erlassen. Ein Widerspruch war zum Zeitpunkt des Telefonats vom 13. November 2006 noch nicht erhoben worden. Erst nach Einlegung des Widerspruchs hätte das Gericht nach § 924 Abs. 2 Satz 2 ZPO Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen müssen.

Die Terminsgebühr zugunsten der Bevollmächtigten des Antragsgegners ist nicht nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG dadurch entstanden, dass das streitgegenständliche Telefongespräch auf die Erledigung des Verfahrens unter Vermeidung der Einlegung des Widerspruchs gerichtet war. Eine auf eine Erledigung gerichtete Besprechung setzt als mündlicher Austausch von Erklärungen die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten, wobei an die mündliche Reaktion des Gegners über die Kenntnisnahme und Prüfung des Vorschlags hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen sind (Senat, AGS 08, 27 m. w. N., OLG Köln, AGS 08, 28). Dient ein Telefonat zwischen zwei Prozessbevollmächtigten lediglich der Klärung der Frage, ob ein Rechtsmittel oder ein Antrag - einseitig - zurückgenommen wird, so löst dies keine Terminsgebühr aus (OLG Köln a.a.O.). Das gleiche gilt nach der Rechtsprechung des Senats (a.a.O.) auch dann, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei die Gegenseite lediglich über das weitere prozessuale Vorgehen informiert. So liegt der Fall hier. Zwar mag es sein, dass der Anruf des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners bezweckte, den Bevollmächtigten der Antragstellerin zur Antragsrücknahme zu bewegen und so den sonst beabsichtigten Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung zu vermeiden. Nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 29. Mai 2007 hatte jedoch der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin gleich zu Beginn des Telefonats von sich aus erklärt, die Nachricht über die abgegebene Unterlassungserklärung habe ihn erreicht. Daraus habe sich für ihn ergeben, dass die Unterlassungserklärung bereits vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei der Antragstellerin eingegangen war. Unter diesen Umständen verblieb für eine weitere auf die Vermeidung der Einlegung des Widerspruchs gerichtete Besprechung kein Raum. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners konnte von vornherein nicht damit rechnen, in der auf seinen Widerspruch an sich anzuberaumenden mündlichen Verhandlung noch eine Terminsgebühr zu verdienen. Es ging nur noch darum, ob der Satz für die ihm erwachsene Verfahrensgebühr bei 0,8 blieb oder sich durch die Einlegung des Widerspruchs auf 1.3 erhöhte. Das Angebot des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, vor der Rücknahme des Verfügungsantrags keinen Widerspruch mehr einzulegen, erfolgte in Vorbereitung des Vorschlags, anschließend über die Kosten des zurückgenommenen Antrags einverständlich abzurechnen.

Ob über diesen Vorschlag eine Besprechung stattgefunden hat - was allerdings durch das Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 13.11.2006 glaubhaft gemacht erscheint - ist unerheblich. Denn für die Entscheidung über die Kosten nach Antragsrücknahme war eine mündliche Verhandlung durch das Gericht nicht vorgeschrieben.

2.) Ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass die Rechtspflegerin in dem Abhilfebeschluss vom 6. März 2007 noch eine ermäßigte 0,8 Verfahrensgebühr zugunsten der Antragsgegnerin festgesetzt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats (AGS 2007, 439 ff), die in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (OLG Saarbrücken, AGS 2008, 46; OLG Schleswig, AGS 2008, 42; OLG Stuttgart AGS 2008, 43; OLG Rostock, AGS 2008, 46; Schneider, AGS 2007, 441; Hansens, ZfSch 2007, 586; derselbe AGS 2008, 1 ff) ist im Festsetzungsverfahren der Einwand, auf die festzusetzende Verfahrensgebühr sei nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV eine Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2300 anzurechnen, nur zu berücksichtigen, wenn die Geschäftsgebühr durch Urteil tituliert oder - was dem gleichsteht - unstreitig bezahlt worden ist. Daran hält der Senat fest (vgl. im einzelnen des Beschluss des Einzelrichters vom 31.3.2008 - 1 W 111/08 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

3) Mithin ergibt sich folgende Berechnung:

 0,8-Verfahrensgebühr, Streitwert 15.000,00 EUR452,80 EUR
1,3-Verfahrensgebühr für Kostenantrag, Wert 1.500,00 EUR (§ 15 Abs. 3 RVG berücksichtigt)136,50 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte20,00 EUR
Insgesamt609,30 EUR

4) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die nach wie vor streitige und ungeklärte Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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