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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.07.2005
Aktenzeichen: 1 W 243/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 98 Satz 2
ZPO § 103
ZPO § 104
Wird gegen ein Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und alsdann über die Hauptsache ein Vergleich geschlossen, so ist die Kostenentscheidung des Versäumnisurteils auch dann keine geeignete Grundlage der Kostenfestsetzung, wenn im Vergleich nur eine Bestimmung über die "weiteren Kosten des Rechtsstreits" und die Kosten des Vergleichs getroffen wird.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 243/05

In Sachen

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 13.5.2005 - 19.O.1/05 - in der Sitzung vom 18.7.2005 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit er gegen den Beklagten zu 1. ergangen ist.

Der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin vom 11.2.2005 wird, soweit er gegen den Beklagten zu 1. gerichtet ist, zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 1.623,80 EUR zu tragen.

Gründe:

I.

Mit der vor dem Landgericht Göttingen erhobenen Klage nahm die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 10.225,84 EUR in Anspruch. Der Beklagte zu 1) zeigte Verteidigungsbereitschaft an und rügte die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wurde das Landgericht Berlin zum zuständigen Gericht bestimmt. Dieses ordnete - erneut - das schriftliche Vorverfahren an und erließ am 8.2.2005 gegen beide Beklagten ein Versäumnisurteil, nach dessen Ziffer 2 die - zu 1. als Gesamtschuldner verurteilten - Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch des Beklagten zu 1) beschloss das Landgericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen den Beklagten zu 1) ohne Sicherheitsleistung, da gegen ihn ein Versäumnisurteil nicht hätte ergehen dürfen.

Im Termin vor dem Landgericht am 8.4.2005 schlossen die Klägerin und der Beklagte zu 1) einen Vergleich, nach dessen Ziffer 1 - 3 der Beklagte an die Klägerin zum Ausgleich der Klageforderung 5.100,00 EUR nebst Zinsen in näher bestimmten Raten zu zahlen hat. Ziffer 4 lautet:

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits und die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

II.

Mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 11.2.2005 hat die Klägerin beantragt, die Kosten aufgrund der Kostenentscheidung des Versäumnisurteils gegen die Beklagten festzusetzen, und mit Schriftsatz vom 9.5.2005 an die Erledigung dieses Antrags erinnert. Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat den als Einzelrichter amtierenden Vorsitzenden um "kurze Klarstellung hinsichtlich der Kostenentscheidung im Vergleich vom 8.4.2005" gebeten. Dieser teilte mit, die Kostenentscheidung des Versäumnisurteils habe weiter Bestand, da die "Kostenentscheidung des Vergleichs" nur die "danach entstandenen weiteren Kosten des Rechtsstreits" betreffe.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.5.2005 hat das Landgericht die Kosten gegen beide Beklagten als Gesamtschuldner festgesetzt, und zwar entsprechend dem Antrag der Klägerin nach einem Gegenstandswert von 10.225,84 EUR die 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV, eine 0,5 Terminsgebühr gem. Nr. 3104,3105 VV sowie die von der Klägerin verauslagten Gerichtskosten nach KV 1210 GKG a. F..

Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1), mit der dieser geltend macht, die Kosten des Versäumnisurteils seien ihm nicht aufzuerlegen, da dieses nicht in gesetzlicher Weise ergangen sei; hinsichtlich der Gerichtskosten sei vereinbart, diese gegeneinander aufzuheben, so dass eine Festsetzung zugunsten der Klägerin nicht erfolgen könne.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Eine Ermäßigung der Gerichtskosten nach KV 1211 GKG a. F. komme aufgrund des Versäumnisurteils nicht in Betracht. Ob dieses zu Recht ergangen sei, sei im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen. Das gelte auch für die im Kostenfestsetzungsantrag vom 11.2.2005 ausgewiesenen Anwaltsgebühren, die nach bindender Auskunft des Vorsitzenden von der Kostenentscheidung vom 8.2.2005 umfasst und daher den Beklagten aufzuerlegen seien.

III.

Das zulässige Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg. Die beantragte Kostenfestsetzung durfte gegen den Beklagten zu 1) nicht ergehen.

1. Grundlage der Kostenfestsetzung ist nach § 103 Abs. 1 ZPO nur ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel. Das Versäumnisurteil vom 8.2.2005 war nach dem gemäß § 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergangenen Einstellungsbeschluss kein zur Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten zu 1) geeigneter Titel.

Der Einstellungsbeschluss hat seine Wirkung mit der Entscheidung zur Hauptsache verloren. Diese Entscheidung, die durch den prozessbeendenden Vergleich vom 8.4.2005 erfolgte, hat das Versäumnisurteil gegen den Beklagten zu 1) aber nicht aufrechterhalten. Vielmehr wurde dessen Anspruch zu 1., nämlich die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 10.225,84 EUR, dahin abgeändert, dass der Beklagte zu 1) lediglich - als Teilschuldner - den etwa hälftigen Betrag zu zahlen hat; auch die Zinsen wurden um 3 Prozentpunkte ermäßigt.

Durch die Abänderung des Titels in der Hauptsache wurde die der Hauptsachenentscheidung folgende Entscheidung über den Kostenpunkt (§ 308 Abs. 2 ZPO) gegenstandslos, ohne dass es einer formellen Aufhebung bedurfte (vgl. Zöller/Herget, ZPO § 104 Rn. 21 "Wegfall des Titels"). Es kommt also nicht darauf an, dass die Parteien im Vergleich vom 8.4.2005 die Kostenentscheidung im Versäumnisurteil hinsichtlich der von dieser erfassten - "bis dahin entstandenen" - Kosten nicht abgeändert haben. Der gerichtliche Vergleich beseitigt ohne Weiteres ein noch nicht rechtskräftiges Urteil; dieses ist als Kostentitel auch dann nicht geeignet, wenn die Kostenentscheidung im Vergleich wiederholt wird (Senat, JurBüro 1979, 767).

2. Die Kostenfestsetzung erfolgt nur aufgrund eines wirksamen Festsetzungsantrages gemäß § 104 Abs. 2 ZPO. Durch Aufhebung des Titels hat der Festsetzungsantrag der Klägerin vom 11.2.2005 jedoch seine Wirkung verloren. Denn ein verfahrensrechtlich wirksamer Antrag auf Kostenfestsetzung setzt, wie sich aus §§ 103 Abs. 1, 104 Abs. 1 ZPO ergibt, eine vorgängig errichtete vollstreckbare Kostengrundentscheidung voraus (Senat, NJW 1967, 1569), was allerdings nicht ausschließt, in dem erneuten Kostenfestsetzungsgesuch nach Vorliegen eines neuen Titels auf ein bereits nach einem inzwischen weggefallenen Titel eingereichtes Gesuch Bezug zu nehmen (Senat, JurBüro 1976, 814/815). Das ist hier aber nicht geschehen. Insbesondere stellte der Schriftsatz vom 9.5.2005, in dem lediglich an die Erledigung des Antrages vom 11.2.2005 erinnert wurde, nicht die Anbringung eines neuen Festsetzungsantrages auf der Grundlage der im vollstreckbaren Vergleich vom 8.4.2005 getroffenen Kostenregelung dar.

3. Die Anbringung eines wirksamen Kostenfestsetzungsantrages ist von der Klägerin im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt worden, was auch nicht zulässig sein dürfte.

Im Verfahren der sofortigen Beschwerde sind neue Angriffsmittel zwar grundsätzlich zugelassen (§ 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO), auch ist bei der Kostenfestsetzung das Nachschieben von Posten im Rahmen des gestellten Antrages gestattet (Senat, JurBüro 1991, 560; Zöller/Herget, a.a.O., "Austausch von Kosten"), worin auch kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot liegt, vgl. Zöller/Gummer, § 572 Rn. 40. Eine Grenze bildet aber der Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens, der durch den Ausgangsantrag bestimmt wurde. Ein Auswechseln dieses Antrags ist im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht möglich (Zöller/Gummer, § 571 Rn. 4).

4. Eine Kostenfestsetzung aufgrund der Kostenregelung im Vergleich vom 8.4.2005 begegnete im Übrigen durchgreifenden Bedenken. Der Vergleich enthält in Ziffer 4. eine Regelung nur hinsichtlich der "weiteren Kosten des Rechtsstreits" und der Kosten des Vergleichs. Diese Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Ein Gleiches gilt nach § 98 Satz 2 ZPO aber auch für die übrigen Kosten des durch den Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist und - § 98 Satz 1 - "wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben". Die Kostenentscheidung des Versäumnisurteils vom 8.2.2005 ist gegen den Beklagten zu 1) aber nicht rechtskräftig geworden, die Parteien haben auch nicht die ausdrückliche Bestimmung getroffen, dass es hinsichtlich der dort ausgeurteilten Kosten bei der Kostenentscheidung des Versäumnisurteils auch gegenüber dem Beklagten zu 1) verbleiben solle. Dass insoweit keine neue Regelung getroffen wurde, kann auch darauf beruhen, dass es mit der Kostentragungspflicht des Beklagten zu 2), der keinen Einspruch eingelegt hatte, sein Bewenden haben sollte.

Eine andere Auslegung ergibt sich für die Kostenfestsetzung nicht daraus, dass der erkennende Richter der Auffassung war, die Kostenentscheidung des Versäumnisurteils habe nach der Kostenregelung des Vergleichs auch gegenüber dem Beklagten zu 1) weiter Bestand haben sollen. Für die Auslegung eines Prozessvergleichs als Grundlage der Kostenfestsetzung durch den Rechtspfleger und die nachgeordneten Instanzen ist allein maßgeblich, inwieweit die Kostenerstattung aufgrund des im Kostentitel verlautbarten Willens der Parteien gerechtfertigt ist (Senat, JurBüro 1979, 767).

Die von der Rechtspflegerin aufgrund der richterlichen Stellungnahme zugrunde gelegte Auslegung des Prozessvergleichs ist unter den Parteien auch nicht unstreitig. Zwar ist die Klägerin ihr beigetreten. Der Beklagte zu 1) wendet sich mit der sofortigen Beschwerde aber gerade dagegen, dass die Kostenfestsetzung gegen ihn so erfolgen könne, als habe das Versäumnisurteil auch ihm gegenüber weiterhin Bestand. Insbesondere gilt das für den zugrundegelegten Streitwert von 10.225,84 EUR, den Ansatz der Gebühr für den Antrag auf Erlass des - unzulässigen - Versäumnisurteils und die auch gegen den Beklagten zu 1) in Ansatz gebrachte volle gerichtliche Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung der Ermäßigung nach KV 1211 GKG a. F.. Eine Kostenfestsetzung gegen beide Beklagten nach Maßgabe der Kostenentscheidung des Versäumnisurteils war mit dem Inhalt des Vergleichs vom 8.4.2005, durch den die Teilschuldnerhaftung des Beklagten zu 1) anerkannt wurde, nicht vereinbar. Das Gericht hatte in seinem Einstellungsbeschluss außerdem bestätigt, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen war, so dass der Beklagte zu 1) mit den darauf beruhenden Mehrkosten nicht zu belasten war.

5. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist, soweit er den Beklagten zu 1) betrifft, wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung aufzuheben und der gegen ihn gerichtete Kostenfestsetzungsantrag vom 11.2.2005 zurückzuweisen.

6. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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