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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.05.2003
Aktenzeichen: 1 W 35/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
1. Die Einschaltung einer Detektei ist erstattungsrechtlich erforderlich, wenn aus vernünftiger Sicht der Partei ein konkreter Anlass oder Verdacht besteht, es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung auf die Bestätigung der Verdachtsmomente durch nachvollziehbare Einzeltatsachen ankommen kann und diese nur durch eine Detektei sachgerecht ermittelt werden können.

2. Die dadurch entstehenden Aufwendungen sind regelmäßig durch Vorlage eines Ermittlungsberichts und einer danach aufgegliederten Kostenrechnung glaubhaft zu machen. Sie dürfen nicht außer Verhältnis, zum Streitgegenstand stehen.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 35/01

in Sachen

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 19. Dezember 2000 in der Sitzung vom 6. Mai 2003 beschlossen:

Tenor:

In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem inzwischen rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Berlin vom 16.Oktober 2000 von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten anderweit auf nur 10.795,46 EURO (in Worten: zehntausendsiebenhundertfünfundneunzig 46/100 EURO) nebst 4 % Zinsen seit dem 21.Oktober 2000 festgesetzt.

Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 20.Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde auf Kosten der Klägerin nach einem Wert von 12.000,- bis 14.000,- DM zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben nach einem Wert von 14.000,- bis 16.000,- DM die Klägerin 86% und die Beklagten 14% zu tragen.

Gründe:

Das ausschließlich gegen die festgesetzten Detekteikosten gerichtete Rechtsmittel ist gemäß § 11 Abs. 1 RpflG in Verbindung mit § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig. Es hat in der Sache jedoch nur hinsichtlich der festgesetzten Mehrwertsteuer von insgesamt 1.971,31 DM Erfolg. Im Übrigen ist es zurückzuweisen.

Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Einschaltung der Detektive im vorliegenden Fall zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war und die dadurch entstandenen Kosten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO von der Klägerin zu erstatten sind. Auch die im Einzelnen durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen waren aus Sicht der Beklagten im maßgebenden Zeitpunkt der Auftragserteilung notwendig. Die hierfür von dem Detektivbüro berechneten Honorare sind nicht zu beanstanden. Jedoch waren die jeweils hinzugesetzten Mehrwertsteuerbeträge im Hinblick darauf abzusetzen, dass die Beklagte zu 1. erklärt hat, zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, und die eingereichten Rechnungen der Detektei ausschließlich an sie adressiert sind, so dass davon auszugehen ist, dass sie als Auftraggeberin der Detektei die Rechnungen auch allein bezahlt hat.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind der Partei solche Aufwendungen, die ihr durch die Einschaltung einer Detektei entstanden sind, gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu erstatten, wenn sie ihr im Zeitpunkt der Beauftragung bei vernünftiger Beurteilung der damaligen Prozesslage als zur Förderung des Prozesserfolgs notwendig erscheinen mussten, unabhängig davon, ob den Ermittlungen der Detektei auch bei rückschauender Betrachtung im Zeitpunkt der Kostenfestsetzung ein prozessfördernder Einfluss zukam oder nicht. Da für die Beurteilung der Notwendigkeit der Zeitpunkt der Auftragserteilung maßgebend ist, kommt es auch nicht darauf an, inwieweit die Ermittlungen in den Prozess eingeführt worden sind. Allerdings ist bei der Anerkennung der Notwendigkeit solcher Kosten Zurückhaltung geboten, um zu vermeiden, dass entgegen dem Grundsatz der kostensparenden Prozessführung dem Unterlegenen kostspielige Aufwendungen lediglich für die Ausforschung aufgrund bloßer Mutmaßungen aufgebürdet werden. Die Einschaltung einer Detektei ist daher nur dann erstattungsrechtlich als erforderlich anzusehen, wenn aus vernünftiger Sicht der Partei ein konkreter Anlass oder Verdacht besteht, es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung auf die Bestätigung der Verdachtsmomente durch nachvollziehbare Einzeltatsachen ankommen konnte und diese nur durch ein Detektivbüro sachgerecht ermittelt werden konnten. Auch dürfen die dadurch entstandenen Aufwendungen nicht außer Verhältnis zum Streitgegenstand stehen (vgl. zu Vorstehendem Senat JurBüro 1970, 315 und 1971, 91; OLG Hamm AnwBl. 1994, 93; OLG Karlsruhe JurBüro 1996, 430/431; OLG München JurBüro 1994, 226; Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 91 Rdn. 90 und 274; Zöller/Herget, ZPO, 3. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichwort "Detektivkosten, jew.m.w.N.; s.a. BGHZ 111, 168/177 ff.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Aufgrund des Inhalts der Klageschrift insbesondere des detaillierten Vortrags zum Unfallhergang unter Beweisantritt durch den Zeugen sowie unter Berücksichtigung der polizeilichen Ermittlungsakten bestand aus vernünftiger Sicht der Beklagten der begründete Verdacht, dass der Zeuge der im polizeilichen Ermittlungsverfahren nicht bekannt geworden war, den Unfallhergang tatsächlich nicht beobachtet hatte und aufgrund seiner Bekanntschaft mit dem zunächst als Geschäftsführer der Klägerin bezeichneten Zeugen eine Falschaussage machen würde. Die Beauftragung der Detektei diente der erforderlichen Bestätigung dieses Verdachts anhand von Ermittlungen, die sachgerecht nur durch eine Detektei durchgeführt werden konnten und für die ein einfacherer Weg nicht zur Verfügung stand. Sie ist daher als zur Förderung des Prozesserfolgs notwendig anzusehen.

Die Beklagten haben das Ermittlungsergebnis auch mit Schriftsatz vom 13. Juli 2000 in den Prozess eingeführt. Die darin enthaltenen Angaben zu der Geschäftspartnerschaft der Zeugen ... und ... und ... deren Bestehen seit 1996/1997 beruhen ersichtlich auf dem Ermittlungsbericht der Detektei vom 7.3.2000, insbesondere über das an diesem Tage mit dem Zeugen geführte Gespräch.

2. Gegen die Höhe der geltend gemachten und dem Grunde nach erstattungsfähigen Detektivkosten bestehen keine Bedenken, jedenfalls nachdem die Beklagten zu den bereits dem Landgericht vorgelegten Rechnungen der Detektei im Verfahren vor dem Senat auch die ihr erteilten schriftlichen Aufträge einschließlich der dabei vereinbarten Geschäftsbedingungen und die Ermittlungsberichte der Detektei vorgelegt haben, wie es nach der eingangs zitierten Rechtsprechung zur Nachprüfung der Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten erforderlich ist.

a) Gegen die Notwendigkeit der im Einzelnen veranlassten und durchgeführten Ermittlungsschritte wendet sich die Klägerin ohne Erfolg. Insbesondere kann ihr Einwand, nur das am 7.3.2000 von der ermittelnden Detektivin mit dem Zeugen geführte Gespräch habe zum Ergebnis geführt, nicht durchgreifen. Dem steht schon entgegen, dass dieses Gespräch überhaupt erst aufgrund der vorangegangenen Ermittlungsschritte geführt werden konnte, was sich aus den vorgelegten Ermittlungsberichten nachvollziehbar ergibt. Zudem ist - wie dargelegt - für die Beurteilung der Notwendigkeit der einzelnen Ermittlungsmaßnahmen auf den Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen.

Die aufgrund des am 14.1.2000 dem Detektivbüro erteilten Auftrags zu ermitteln, ob sich die Zeugen und schon vor dem 16. September 1998 (Datum des Verkehrunfalls) kannten, durchgeführten ersten Ermittlungen hatten gemäß dem Ermittlungsbericht der Detektei vom 26.1.2000 Anhaltspunkte für mögliche geschäftliche Beziehungen hinsichtlich des Betriebs von Spielotheken bzw. des Handels mit Spielgeräten ergeben. Dies genügte als beweiskräftiges Indiz für eine Bekanntschaft noch nicht, gab aber Anlass zu weiteren Ermittlungen. Diese führten gemäß dem folgenden Ermittlungsbericht vom 7.2.2000 zu Erkenntnissen darüber, dass der Zeuge ... Einkünfte aus einer Spielothek bezogen hatte, für die sich der Zeuge als Beauftragter meldete. Gemäß dem Ermittlungsbericht vom 11.2.2000 wurden weitere Ermittlungen zu den fraglichen Spielotheken, zum Zeugen ... und zum Jahr der Einkünfte des Zeugen ... daraus (1997, also vor dem Unfall) angestellt. Schließlich konnten gemäß dem Ermittlungsbericht vom 7.3.2000 über den Zeugen die für den Prozess wesentlichen Informationen über die Geschäftspartnerschaft der Zeugen ... und ... und deren Bestehen seit 1996/1997 erlangt werden.

Wie in den Ermittlungsberichten erwähnt wird und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ohne Weiteres plausibel erscheint, mussten die Detektive zur Erlangung dieser Informationen schrittweise unter Einsatz von Legenden vorgehen, wobei das am 7.3.2000 erzielte Ergebnis nur aufgrund der vorangegangenen Ermittlungen zustande kommen konnte. Ebenso ist es nicht als überflüssige Vorsichtsmaßnahme zu beanstanden, wenn sie nicht einzeln, sondern jeweils zu zweit tätig wurden. Dass Anlass zur Vorsicht bestand, macht nicht zuletzt das aus dem Sitzungsprotokoll vom 13.9.2000 ersichtliche Verhalten des Zeugen deutlich.

b) Soweit die Beklagten die Zeugin ... beauftragt hatten, sich während des Termins vor dem Landgericht am 13.3.2000 im Gericht aufzuhalten, um sie gegebenenfalls als Zeugin ... stellen zu können, durften sie diese Vorgehensweise ebenfalls als notwendig ansehen. Zu diesem Termin war das persönliche Erscheinen des in der Klageschrift noch als Geschäftsführer benannten Zeugen ... angeordnet und der Zeuge ... gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geladen worden. Die Beklagten mussten daher damit rechnen, dass in dem Termin eine Beweisaufnahme stattfinden würde. Da sie den ihnen erst aus dem Ermittlungsbericht vom 7.3.2000 bekannt gewordenen Zeugen nicht stellen konnten, musste es ihnen geboten erscheinen, wenigstens die Zeugin ... als präsente Zeugin zu stellen, damit diese zu dem Ergebnis ihrer Ermittlungen aussagen könnte.

Die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichte weitere Rechnung der Detektei vom 13.12.2000 betreffend den Gerichtstermin am "19." (richtig: 17.)7.2000 ist nicht Gegenstand der angefochtenen Kostenfestsetzung und daher nicht zu erörtern.

c) Die durch die Ermittlungen der Detektei entstandenen und mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 20. Oktober 2000 geltend gemachten Kosten sind durch Einreichung der drei Kostenrechnungen hinreichend glaubhaft gemacht. Die in Ansatz gebrachten Positionen ergeben sich aus dem erteilten Auftrag und den damit vereinbarten Geschäftsbedingungen der Detektei sowie den vorgelegten Ermittlungsberichten und erscheinen nicht überhöht. Auch von der Klägerin sind sie nach Vorlage der Ermittlungsberichte nicht mehr im Einzelnen angegriffen worden. Die Einholung einer Auskunft oder eines Sachverständigengutachtens zur Üblichkeit und Angemessenheit der vereinbarten Konditionen ist daher nicht erforderlich.

Schließlich stehen die insgesamt angefallenen Detektivkosten von netto 12.320,70 DM auch nicht außer Verhältnis zu der Klageforderung von 124.691,80 DM.

3. Da von den festgesetzten Detektivkosten von 14.292,01 DM im Hinblick auf die Vorsteuerabzugsberechtigung der Beklagten zu 1. die Mehrwertsteuer mit insgesamt 1.971,31 DM abzuziehen ist, sind als erstattungsfähige Kostender Beklagten neben den nicht angefochtenen Anwaltskosten von insgesamt 8 793,38 DM nur 12.320,70 DM, zusammen 21.114,08 DM, umgerechnet 10 795,46 EURO, festzusetzen. Auf diesen Betrag ist der angefochtene Beschluss herabzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Zur Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO besteht kein Anlass. Zwar haben die Beklagten die Notwendigkeit der geltend gemachten Detektivkosten im Einzelnen erst im Verfahren vor dem Senat durch Einreichung der Ermittlungsberichte, der Aufträge und der Geschäftsbedingungen der Detektei hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Jedoch hatte die Klägerin trotz der ihr gewährten Gelegenheit zur Stellungnahme im Verfahren vor dem Landgericht die ihr schon damals möglichen Einwendungen erst mit dem Rechtsmittel gegen die erfolgte Festsetzung geltend gemacht.

Die Wertfestsetzung erfolgt in DM, weil die Gebühren noch nach der bis 31. Dezember 2001 geltenden DM-Tabelle zu berechnen sein werden.

Ende der Entscheidung

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