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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.07.2006
Aktenzeichen: 1 W 373/05
Rechtsgebiete: PStG, ZPO


Vorschriften:

PStG § 14 Abs. 1 Nr. 3
PStG § 15 Abs. 2
ZPO § 631 Abs. 4
ZPO § 632
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 373/05

In dem Personenstandsverfahren

betreffend die Ablehnung einer Amtshandlung des Standesbeamten bei dem Standesamt Snnnn -Znnnnn von Bnnn (Eintragung in das beim Standesamt Snnnn -Znnnnn von Bnnn geführte Familienbuch Snnn Bnnnn geb. Hnnnn )

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 5. September 2005 am 6. Juli 2006

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert beträgt 3.000,00 EUR.

Gründe:

Die gemäß §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 Satz 2 PStG, 27 Abs. 1, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. hat in der Sache keinen Erfolg.

Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass Amtsgericht und Landgericht die Voraussetzungen für die Eintragung der beantragten Änderung in das Familienbuch bejaht haben.

1. Nach § 15 b Abs. 2 PStG ist eine Änderung in das Familienbuch einzutragen, wenn der Standesbeamte die entsprechende Tatsache für erwiesen erachtet. Eingetragen werden soll hier die Tatsache der Feststellung des Nichtbestehens der Ehe durch das seit dem 12.11.2004 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Tnnnn -Knnnn . So hat das Amtsgericht den Antrag der Beteiligten zu 1. zutreffend ausgelegt.

2. Geht es darum, als Tatsachen bestimmte Rechtsverhältnisse , wie etwa eine Adoption, aus den primären Eintragungen in einem anderen Personenstandsbuch in das Familienbuch zu übernehmen, so soll dem Standesbeamten aufgrund des sekundären Charakters des Familienbuchs kein eigenes materielles Prüfungsrecht zustehen (Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht § 15 b PStG Rdnr. 50; § 13 PStG Rdnr. 6, 7). Um einen solchen Fall geht es hier jedoch nicht, sondern um die erstmalige Eintragung in ein Personenstandsbuch. Das Urteil des Familiengerichts ist keine Personenstandsurkunde, es hat nicht die Bedeutung der Eintragung in einem Personenstandsbuch. Nach § 15 b Abs. 2 PStG hat der Standesbeamte daher auch eine eigene Prüfungspflicht, vgl. BGH FamRZ 1991, 300 f.. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es um die Wirksamkeit einer einzutragenden Eheschließung. Der BGH hat ausgeführt, der Standesbeamte habe auch die materiellen Voraussetzungen einer rechtswirksamen Eheschließung zu prüfen. Der BGH weist darauf hin, dass das Familienbuch an der Beweiskraft des § 60 PStG beteiligt ist und die Allgemeinheit ein Interesse an objektiver Richtigkeit der Personenstandsregister hat. Dem Einwand des OLG Schleswig (StAZ 67, 96), ein materielles Prüfungsrecht des Standesbeamten führe dazu, dass das Amtsgericht über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zu entscheiden habe, obwohl hierfür nach § 606 ZPO a. F. ausschließlich die Zuständigkeit des Landgerichts begründet gewesen sei, hat der BGH entgegengehalten, das Amtsgericht greife nicht in die Zuständigkeit des nach § 606 ZPO berufenen Gerichts ein, "da es nicht mit Wirkung gegen Jedermann über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe urteilt, sondern nur darüber entscheidet, ob die Eheschließung in ein Familienbuch einzutragen ist". Den beteiligten Eheschließenden werde nicht die Möglichkeit genommen, ein Verfahren nach § 638 ZPO (a. F.) durchzuführen. Der Standesbeamte und die Vorinstanzen hätten daher die materiellen Voraussetzungen einer Eheschließung zu Recht geprüft (BGH a.a.O.).

3. Im vorliegenden Fall ist zweifelhaft, ob die zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. am 19. August 1993 geschlossene Ehe, wie das Amtsgericht Tnnnn /Knnnn - Familiengericht - in seinem Urteil vom 10. August 2004 (176 F 3620/04) entschieden hat, unwirksam war. Das Familiengericht ist zu der Auffassung gelangt, die Ehe sei nicht wirksam geschlossen, weil die fehlende Registrierung der Eheschließungsstelle beim Generalkonsulat "nach irnnnn Vorstellung ... keine Formvorschrift, sondern die unmittelbare Anwendung von Gottes Wort aus dem Koran" betreffe. Dies führe dazu, dass die Frage der Wirksamkeit der Eheschließung nicht nach Art. 13 Abs. 3 EGBGB, der auf die Formvorschriften des deutschen Ortsrechts abstellt, sondern gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB nach dem Personalstatut der Eheschließenden, hier also nach iranischem Recht zu beurteilen sei. Dabei hat das Amtsgericht die Qualifikation nach iranischem Recht vorgenommen, was durchgreifenden Bedenken begegnet.

Die deutschen Kollisionsnormen umschreiben ihren jeweiligen Anwendungsbereich mit Begriffen, die dem deutschen materiellen Recht entlehnt sind, z. B. Form von Rechtsgeschäften, Güterstand, Scheidung usw. Die Auslegung dieser Begriffe entscheidet über Reichweite und Abgrenzung der verschiedenen Kollisionsnormen. Dabei ist von derjenigen Rechtsordnung auszugehen, welche die jeweilige Kollisionsnorm aufgestellt hat; für die Qualifikation maßgebend ist daher grundsätzlich die lex fori (Palandt-Heldrich, BGB, 65. Aufl., Einleitung vor Art. 3 EGBGB Rdnr. 27 m.w.N.). Die Frage, ob eine Vorschrift des fremden Rechts nach ihrem Zweck- und Sinngehalt als Formvorschrift oder als sachlich-rechtliche Bestimmung aufzufassen ist, hat der deutsche Richter daher grundsätzlich nach deutschem Recht zu entscheiden (BGHZ 29, 137, 139 für die sog. Handschuh-Ehe). Für die Frage, ob die fehlende Registrierung der Ehe der Beteiligten zu 1. und 2. eine Formvorschrift darstellt, mit der Folge, dass Art. 13 Abs. 3 EGBGB Anwendung findet, oder ob es sich um eine materiell-rechtliche Vorschrift im Sinne des Art. 13 Abs. 1 EGBGB handelt, ist also gerade nicht auf das iranische, sondern auf das deutsche Rechtsverständnis abzustellen. Hierzu hat der Senat schon früher entschieden, dass die Registrierung einer von irnnnn Staatsbürgern in Deutschland geschlossenen Ehe bei der ständigen irnnnn Auslandsvertretung eine Formvorschrift darstellt, deren Nichtbeachtung - vorausgesetzt die deutschen Formvorschriften wurden beachtet - lediglich zu einer sog. hinkenden Ehe führt (Senat, Iprax 1960/61 Nr. 91, Seiten 318, 323 f.). Das bedeutet, dass die Ehe gemäß Art. 13 Abs. 3 EGBGB im Inland wirksam ist, auch wenn der Heimatstaat die Ehe mangels Beachtung der dortigen Formvorschriften nicht anerkennt (vgl. BGHZ 19, 266, 267; BGHZ 73, 370, 372; Senat, OLGZ 1976, 149, 150 f. für das ehemalige Jugoslawien).

4. Gleichwohl ist hier die durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Tnnnn /Knnnn vom 10. August 2004 getroffene Feststellung des Nichtbestehens der Ehe zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. in das Familienbuch einzutragen. Nach der erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 1991, 300) ist die vom Gericht zu treffende Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe von der Entscheidung darüber zu unterscheiden, ob die Eheschließung in ein Familienbuch einzutragen ist. Für den Fall des Nichtbestehens der Ehe bestimmt § 14 Abs. 1 Nr. 3 PStG jedoch, dass "die Feststellung des Nichtbestehens der Ehe" in das Familienbuch einzutragen ist. Diese Vorschrift versteht unter Feststellung des Nichtbestehens einer Ehe "nur die im Verfahren nach §§ 606 f. ZPO getroffene allgemein bindende Feststellung" (Hepting/Gaaz, a.a.O. § 14 Rdnr. 40). Zwar ist die Vorschrift des § 638 Abs. 2 ZPO a. F., wonach das Urteil über das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe materielle Rechtskraft für und gegen Jedermann entfaltet, ersatzlos gestrichen worden, weshalb im Schrifttum ganz überwiegend die Auffassung vertreten wird, dass die Rechtskraft nur noch zwischen den Parteien des Rechtsstreits wirkt (MK Bernreuther, ZPO, 2. Aufl., § 632 Rdnr. 3; Musielak-Borth, ZPO, 4. Aufl., § 632 Rdnr. 5; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 632 Rdnr. 10; Habscheid/Habscheid, FamRZ 1999, 480, 482). Da die zuständige Verwaltungsbehörde nicht gemäß §§ 632 Abs. 3, 631 Abs. 4 Satz 2 ZPO an dem Verfahren vor dem Amtsgericht Tnnnn /Knnnn beteiligt war - offenbar weil die gebotene Unterrichtung unterblieben ist -, kann das Urteil des Amtsgerichts Tnnnn /Knnnn gegenüber der Beschwerdeführerin nicht die auf die Verfahrensbeteiligten beschränkte Rechtskraft entfalten. Andererseits steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Tnnnn /Knnnn zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. das Nichtbestehen der am 19. August 1993 geschlossenen Ehe fest. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen Sachverhalt, über den der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung (a.a.O.) zu entscheiden hatte. Im dortigen Fall lag kein rechtskräftiges Urteil eines Familiengerichts vor, in dem die Wirksamkeit der Eheschließung festgestellt wurde, während hier die Rechtsunwirksamkeit der Ehe in dem allein dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren nach § 632 ZPO rechtskräftig festgestellt ist. Dementsprechend stellt das Personenstandsgesetz, anders als bei Eintragung der Eheschließung, bezüglich des Nichtbestehens einer Ehe auf dessen Feststellung und damit auf das vorangegangene gerichtliche Verfahren ab. Die in diesem Verfahren getroffene Feststellung ist einzutragen (vgl. LG Bochum, StAZ 83, 31 f.). Das rechtskräftige Urteil hat für die Eintragung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 PStG demnach eine Tatbestandswirkung, die die Überprüfung auf seine materielle Richtigkeit nicht zulässt. Der Standesbeamte würde - anders als im Fall des BGH bei Anlegung des Familienbuches aufgrund einer vorgelegten Heiratsurkunde - in die Entscheidungskompetenz des Familiengerichts eingreifen, wenn er die Eintragung der Feststellung des Nichtbestehens der Ehe nach eigener Prüfung der Rechtslage verweigern dürfte. Denn die Rechtskraft des Urteils hindert die Parteien daran, eine erneute Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Rechtskraft des Urteils über das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe nach Aufhebung des § 638 ZPO Dritte, die am Verfahren nicht beteiligt waren, nicht hindere, das Gegenteil des Festgestellten geltend zu machen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO 64. Aufl., § 632 Rdn. 6), während die Eintragung im Personenstandsbuch nach § 60 PStG Beweiskraft für und gegen alle habe. Zum einen ist nach § 60 Abs. 2 der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen zulässig. Zum anderen ist als "Tatsache" nur das Vorliegen des rechtskräftigen Urteils beurkundet, in dem die Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe getroffen wurde. Die Beweiskraft der Eintragung geht mithin nicht weiter als die Rechtskraft des Urteils.

Nach alledem rechtfertigt die fehlende Erstreckung der Rechtskraft auf Dritte es nicht, die Eintragung der gerichtlichen Feststellung von einer materiell-rechtlichen Überprüfung abhängig zu machen.

5. Soweit die Beschwerdeführerin der Sache nach geltend macht, das Urteil des Amtsgerichts Tnnnn /Knnnn sei nicht der Rechtskraft fähig, weil es grundlegend gegen geltendes deutsches Recht verstoße, kann dem nicht gefolgt werden. Grundsätzlich sind alle Zivilurteile der Rechtskraft fähig, soweit sie wie hier das Urteil des Amtsgerichts Tnnnn -Knnnn vom 10. August 2004 eine Rechtslage feststellen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., vor § 322 Rdnr. 8). Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin, dass sie vom Amtsgericht Tnnnn /Knnnn entgegen § 632 Abs. 3, 631 Abs. 4 ZPO nicht über den Antrag, das Nichtbestehen der Ehe zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. festzustellen, unterrichtet wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach der Regelung des § 638 Satz 2 ZPO a. F. hatte die fehlende Beteiligung der Behörde keine Auswirkung auf den Umfang der Rechtskraft oder die Wirksamkeit des Urteils ( MK-Bernreuther, a.a.O., § 632 Rdnr. 13 m.w.N. auch zur Gegenansicht). Anhaltspunkte dafür, dass sich durch die Neuregelung des Gesetzes hieran etwas geändert haben könnte, sind nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin hatte i. Ü. die Möglichkeit, das Urteil des Amtsgerichts Tnnnn /Knnnn mit der Berufung anzugreifen. Sie hat ihr fehlerhaft eingelegtes Rechtsmittel auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts zurückgenommen. Auf die Rechtskraft des Urteils und damit dessen Eintragungsfähigkeit im Familienbuch hat dies alles keinen Einfluss.

Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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