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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 14.10.2008
Aktenzeichen: 1 W 392/08
Rechtsgebiete: BGB, VBVG


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 1 S. 3
VBVG § 2
VBVG § 9
Die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen eines Berufsbetreuers beginnt mit dem Ablauf des Abrechnungsquartals zu laufen (Anschluss an OLG Dresden, FamRZ 2008, 1285).
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 392/08

14.10.2008

In der Betreuervergütungssache betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 4. August 2008 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch und den Richter am Kammergericht Müller am 14. Oktober 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Juli 2008 - 87 T 167/08 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beteiligten zu 1 wird für ihre Tätigkeit als Berufsbetreuerin für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 14. September 2006 eine aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung in Höhe von 756,80 EUR bewilligt.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 ist Rechtsanwältin. Sie wurde mit Beschluss vom 22. Juni 2006 zur Berufsbetreuerin für die nicht in einem Heim lebende Betroffene bestellt und am 30. Juni 2006 durch die Rechtspflegerin verpflichtet.

Mit am 17. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz hat die Beteiligte zu 1 die Bewilligung einer Vergütung für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 30. November 2007 in Höhe von 3.740,00 EUR beantragt. Das Vormundschaftsgericht hat mit Beschluss vom 11. April 2008 eine aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung in Höhe von 2.962,08 EUR bewilligt und den darüber hinausgehenden Antrag mit der Begründung abgewiesen, für den Zeitraum vor dem 17. September 2006 seien Vergütungsansprüche erloschen. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit dem angegriffenen Beschluss eine weitere Vergütung in Höhe von 21,12 EUR bewilligt, das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen, die die Beteiligte zu 1 mit am 6. August 2008 eingegangenem Schriftsatz vom 4. August 2008 erhoben hat.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist auf Grund ihrer Zulassung durch das Landgericht statthaft, § 56g Abs. 5 S. 2 FGG. Sie ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht erhoben worden, §§ 29 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 4, 22 Abs. 1 FGG.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet.

a) Das Landgericht hat die Bewilligung einer Vergütung für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 14. September 2006 abgelehnt, weil Ansprüche der Beteiligten zu 1 erst nach 15 Monaten geltend gemacht worden seien. Der Anspruch auf Vergütung entstehe ab der Bestellung des Berufsbetreuers mit der Entfaltung der Tätigkeit.

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass der Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird, § 2 S. 1 HS 1 VBVG. Entgegen der in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Frankfurt/Main und Düsseldorf (FamRZ 2008, 304; FamRZ 2008, 1284) stehenden Auffassung des Landgerichts ist die fünfzehnmonatige Ausschlussfrist aber nicht taggenau zu ermitteln. Dies ist zwischenzeitlich höchstrichterlich geklärt. Der BGH hat entschieden, dass die Ausschlussfrist frühestens mit dem Ablauf des einzelnen Betreuungsmonats zu laufen beginnt (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2008 - XII ZB 53/08 - FamRZ 2008, 1611).

Das bedeutet für den vorliegenden Fall zunächst, dass der Anspruch auf Vergütung für den Monat September 2006 bei Antragseingang am 17. Dezember 2007 noch nicht erloschen sein konnte, weil noch keine 15 Monate seit seiner Entstehung vergangen waren. Vorliegend sind die Abrechnungsmonate nach § 5 Abs. 2 S. 2 VBVG identisch mit den Kalendermonaten, weil die Beteiligte zu 1 am Monatsletzten als Berufsbetreuerin verpflichtet worden war, §§ 5 Abs. 4 S. 1 VBVG, 187 Abs. 1 BGB. Der Vergütungsanspruch für September 2006 entstand damit erst mit Ablauf dieses Monats. Nachdem das Vormundschaftsgericht eine Vergütung ab dem 17. September 2006 und das Landgericht eine weitere anteilige Vergütung für den 15. und 16. September 2006 bewilligt hatten, war durch den Senat eine darüber hinausgehende Vergütung vom 1. bis zum 14. September 2006 zu bewilligen.

c) Offen gelassen hat der BGH, ob die Ausschlussfrist nach § 2 S. 1 VBVG nicht sogar erst nach Ablauf des nach § 9 VBVG vorgegebenen Abrechnungsquartals zu laufen beginnt. Diese Auffassung wird von dem OLG Dresden vertreten (FamRZ 2008, 1285; ebenso Fröschle, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 9 VBVG, Rdn. 8; Maier, in: Jurgeleit, Betreuungsrecht, § 2 VBVG, Rdn. 2 und § 9 VBVG, Rdn. 7; Palandt/Diederichsen, BGB, 67. Aufl., Anh zu § 1836, § 2 VBVG, Rdn. 2). Würde für die Anspruchsentstehung an einen früheren Zeitpunkt angeknüpft, so liefe die Ausschlussfrist schon zu einem Zeitpunkt, zu dem die Vergütung von dem Berufsbetreuer noch gar nicht beansprucht werden könne. Werde für die Entstehung des Vergütungsanspruchs auf das Ende des Abrechnungsquartals abgestellt, so korrespondiere dies zudem mit den Regelungen über die Verjährung von Ansprüchen gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wobei es auf den Zeitpunkt ankomme, zu dem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Weg der Klage durchgesetzt werden könne. Der Senat schließt sich dieser überzeugenden Argumentation an.

Die Anknüpfung des Beginns der Ausschlussfrist an das jeweilige Ende eines Abrechnungsquartals steht auch in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen des Gesetzgebers des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes. Durch die Pauschalierung der Vergütung der Berufsbetreuer sollte u.a. ein einfaches und streitvermeidendes Abrechnungssystem geschaffen werden (BT-Drs. 15/2494, S. 31 re. Sp.). Durch die Verbindung des Beginns der Ausschlussfrist mit dem Ende des Abrechnungsquartals wird dies erreicht, weil die Berufsbetreuer und Vormundschaftsgerichte den Ablauf der Ausschlussfrist nach den abzurechnenden Quartalen bestimmen können.

Ein Gleichlauf von Ausschlussfrist und Abrechnungsquartal ist auch mit der Entstehungsgeschichte der Ausschlussfrist in Übereinstimmung zu bringen. § 2 VBVG entspricht sinngemäß der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Regelung in § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB (BT-Drs. 15/4874), die vor allem im Interesse der Staatskasse geschaffen worden war (BT-Drs. 13/7158, S. 23, re. Sp.). Der Vormund soll zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche angehalten werden, um zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit des Mündels überfordert, dessen Mittellosigkeit begründet und damit eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Mündels nicht begründet gewesen wäre (BT-Drs. 13/7158, S. 27, li. Sp.). Diese Zielrichtung des Gesetzgebers wird nicht verfehlt, wenn der Lauf der Ausschlussfrist für den Betreuer erst mit dem Ende des Abrechnungsquartals beginnt und er somit insgesamt 18 Monate zur Verfügung hat, bevor sein Vergütungsanspruch erlischt. Bereits nach der o.g. Entscheidung des BGH vom 28. Mai 2008 (NJW 2008, 1611) erlöschen Vergütungsansprüche für den ersten Monat der Betreuerbestellung frühestens nach Ablauf von 16 Monaten. Bei einem Gleichlauf von Ausschlussfrist und Abrechnungsquartal stehen dem Betreuer zur Geltendmachung seiner Abrechnung zwei weitere Monate zur Verfügung. Selbst im Fall eines nicht im Heim lebenden bemittelten Betreuten können danach lediglich 9 weitere abrechenbare Stunden nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 VBVG (= 2 x 4,5 Stunden) auflaufen, was bei einem Betreuer der höchsten Vergütungsstufe einen Betrag in Höhe von 396,00 EUR (= 9 Stunden x 44,00 EUR/Stunde) ausmacht. Die Leistungsfähigkeit eines bemittelten Betreuten wird in der Regel bei einem solchen Betrag noch nicht gefährdet.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Beteiligte zu 1 ihre Ansprüche auf Vergütung für die Monate Juli und August 2006 noch bis Ende des Monats Dezember 2007 bei Gericht geltend machen konnte, so dass die Ausschlussfrist bei Eingang ihres Antrags am 17. Dezember 2008 noch nicht abgelaufen war.

Ende der Entscheidung

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