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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 08.09.2009
Aktenzeichen: 1 W 403/08
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 18 Abs. 2
Zur Zulässigkeit des Firmenbestandteils "Bau" bei einem Unternehmensgegenstand "Durchführung von Akustik- und Trockenbauarbeiten".
Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 403/08

In der Handelsregistersache betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 21. Juli 2008 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 12. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht B. Becker, den Richter am Kammergericht Müller und die Richterin am Kammergericht Dr. Rieger am 8. September 2009 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit das Landgericht die Erstbeschwerde zurückgewiesen hat. Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 20. Dezember 2007 wird auch im Übrigen aufgehoben.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27 ff. FGG) und begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einem Rechtsfehler (§ 27 Abs.1 FGG i.V.m. § 546 ZPO).

Es bedarf keiner Erörterung, ob sich die Zulässigkeit der Firma einer Gesellschaft englischen Rechts (EEEEEEEEEEEE ) - soweit sie wie hier auch für die nach §§ 13d, 13e und 13g HGB anzumeldende Zweigniederlassung verwandt werden soll - nach deutschem Recht richtet (vgl. dazu Senat, NJW-RR 2004, 976, 977 f.; OLG München, NJW-RR 2007, 1677, 1678). Denn die angemeldete Firma erweist sich auch nach deutschem Recht als zulässig. Die Annahme des Landgerichts, der Firmenbestandteil "Bau" verstoße angesichts des angemeldeten Gegenstands der Zweigniederlassung "Durchführung von Akustik- und Trockenbauarbeiten" gegen § 18 Abs.2 S.1 HGB ist rechtlich zu beanstanden.

Gemäß § 18 Abs.2 S.1 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über wirtschaftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Das Landgericht hat schon keine Feststellung dazu getroffen, welche Verkehrskreise von der Beteiligten angesprochen werden. Wird diese z.B. ausschließlich als Subunternehmerin tätig, kommt es vorrangig auf die Sicht anderer Unternehmer in der Baubranche an. Aber auch für den Fall, dass sich die Beteiligte an Verbraucher wendet, lässt sich den Ausführungen des Landgerichts nicht entnehmen, warum bei verständiger Würdigung aus Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises (vgl. BT-Drucks. 13/8444 S. 53; Baumbach/Hopt, 33. Aufl., § 18 Rn. 13) eine Täuschung über wirtschaftliche Verhältnisse i.S.v. § 18 Abs.2 S.1 HGB nahe liegt. Wesentlich bezüglich geschäftlicher Verhältnisse sind Angaben über deren Art und Größe, deren Branchenbezug und die Struktur des Betriebs (BayObLG, NJW-RR 2000, 111). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Eignung zur Irreführung durch den Firmenbestandteil "Bau" hier nicht ersichtlich (§ 18 Abs.2 S.2 HGB). Dieser deutet - in Übereinstimmung mit dem Gegenstand der Zweigniederlassung - auf ein bauausführendes Unternehmen hin (vgl. OLG Hamm, DB 1974, 868), also eine Tätigkeit in der Baubranche.

Auch das Landgericht geht nicht davon aus, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Bestandteil "Bau" nach dem Gesamteindruck der Firma bei verständiger Würdigung dahin verstehen könnten, die Beteiligte führe sämtliche Gewerke aus, die zur Errichtung eines Gebäudes erforderlich sind. Warum es dennoch meint, mit der Firma würden umfassendere Leistungen angedeutet als tatsächlich geboten, erschließt sich nicht. Entgegen der Ansicht des Landgerichts handelt es sich beim Akustik- und Trockenbau um ein zur Bauausführung typisches Gewerk; Wohnungstrennwände und abgehängte Decken aus Gipskarton u.ä. sowie Dämmungen und Isolierungen aus Mineralfasern u.ä. sind in Neubauten üblich. Auch der Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer vom 16. November 2007 lässt sich nicht entnehmen, dass der Akustik- und Trockenbau keine Bauausführung darstellt; dort heißt es lediglich, hierzu gehöre "in erster Linie" der Maurer-Betonbau. Schließlich ist die Annahme des Landgerichts, auf die umgangssprachliche Bedeutung der Silbe "Bau" komme es nicht an, rechtlich unzutreffend. Der in Bezug genommenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (a.a.O.) liegt das bis zum 30. Juni 1998 geltende Recht zu Grunde, das geringere Anforderungen an die Irreführungsgefahr stellte (vgl. BT-Drucks. 13/8444 S. 53; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 18 Rn. 13). Jedenfalls für den durchschnittlichen Verbraucher dürfte es bei objektivierter Sicht für das Verständnis der Firma auch auf die Umgangssprache ankommen.

Der Senat kann entsprechend § 563 Abs.3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, da weitere Ermittlungen nach § 12 FGG nicht erforderlich sind. § 18 Abs.2 S.2 HGB konkretisiert den Grundsatz der Amtsermittlung dahin, dass das Registerverfahren auf ein "Grobraster" bei der Prüfung der Eignung zur Irreführung beschränkt ist, und schließt zumindest eine umfangreiche Beweisaufnahme aus (vgl. BT-Drucks. 13/8444 S. 54; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 18 Rn. 20). Die zur Eintragung angemeldete Firma ist aus den zuvor genannten Gründen nicht ersichtlich geeignet, über den Gegenstand des Unternehmens irrezuführen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Handelsrechtsreformgesetz die Anforderungen an die Firmenwahrheit gesenkt und die Firma nun nicht mehr vorrangig die Funktion hat, Informationsträger über den Inhaber oder den Gegenstand des Unternehmens zu sein, § 18 Abs.1 HGB. Die für den Aussagewert einer Unternehmensbezeichnung maßgebende Verkehrsauffassung ist einem ständigen Wandel unterworfen und passt sich den geänderten Verhältnissen an (vgl. Hefermehl/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 5 Rn. 5.3). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der angesprochene Adressat bei verständiger Würdigung allein auf Grund der pauschalen Angabe "Bau" ein abschließendes Urteil über den konkreten Unternehmensgegenstand fällen und insbesondere annehmen wird, die Beteiligte sei auch auf dem Gebiet des Maurer-Betonbaus tätig, bestehen nicht.

Danach kommt es auf eine europarechtskonforme Auslegung des § 18 Abs.2 S.1 HGB (vgl. dazu OLG München, a.a.O.) nicht mehr an.



Ende der Entscheidung

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