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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.06.2008
Aktenzeichen: 1 W 425/05
Rechtsgebiete: RVG, RVG-VV, InsO


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. 1
RVG-VV Nr. 2504
InsO § 305 Abs. 1 Nr. 1
1. Die Entstehung der Gebühr nach RVG-VV Nr. 2504 setzt voraus, dass zunächst ein Plan zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO erstellt wurde, auf dessen Grundlage eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern herbeigeführt werden soll.

2. Ein solcher Plan muss schriftlich vorliegen und als Schuldenbereinigungsplan erkennbar sein. Inhaltlich gehört in den Plan eine Erklärung darüber, inwieweit Sicherheiten der Gläubiger vorhanden sind.

3. Ob es bei Vorliegen eines solchen Plans genügt, dass die außergerichtliche Einigung mit nur einem - dem einzigen - Gläubiger angestrebt wird, bleibt offen.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 425/05

In der Beratungshilfesache

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Antragsteller vom 29. September 2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 24. August 2005 am 17. Juni 2008 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

1. Die weitere Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG statthaft und auch im übrigen zulässig.

2. In der Sache hat die weitere Beschwerde keinen Erfolg. Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Entstehung einer Gebühr nach Nr. 2604 VV-RVG a. F. (Nr. 2504 in neuer Zählung) in Höhe von 224,00 EUR verneint.

a)Es kann dahinstehen, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2604 VV-RVG a. F. bereits durch eine Tätigkeit des Rechtsanwalts mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit nur einem Gläubiger entsteht. Gegen diese Auslegung spricht der Wortlaut des Gebührentatbestandes, der von einer "Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung" spricht. Zwar geht die heute wohl herrschende Meinung im Bereich des Insolvenzrechts von der Zulässigkeit eines Insolvenzantrages, in dessen Vorfeld die Durchführung einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO gefordert wird, auch bei Vorhandensein nur eines Gläubigers aus, weil der Schuldner anderenfalls unzulässigerweise von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen würde (Pape ZVE 2003, 624 m. w. N.). Doch ist in der Rechtsprechung zum Insolvenzrecht auch die Auffassung vertreten worden, ein Insolvenzantrag sei nur bei Vorhandensein mehrerer Gläubiger zulässig (vgl. die Nachweise bei Pape a.a.O. Fußnote 3). Aus der Bezugnahme auf § 305 Abs. 1 Nr. 1 in Nr. 2604 VV-RVG a. F. bzw. § 132 Abs. 4 BRAGO kann daher nicht ohne weiteres auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, eine Erhöhung der Gebühren gegenüber der einfachen Geschäftsgebühr solle auch dann eintreten, wenn der Schuldner nur einen einzigen Gläubiger hat und der Rechtsanwalt mit diesem Verhandlungen über die Schuldenbereinigung führt. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht eher für die gegenteilige Auffassung. Eine erhöhte Gebühr für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Rahmen der Beratungshilfe zur Herbeiführung einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans ist erstmals mit der Regelung des § 132 Abs. 4 BRAGO in der Fassung vom 01. Januar 1999 eingeführt worden (BGBl. 1998 I 2030 f.). In der gesetzlichen Begründung (BT-Drs. 13/10871 S. 13) heißt es hierzu, eine besondere Problematik ergebe sich im Falle der Beratungshilfe hinsichtlich der an den im Rahmen der außergerichtlichen Schuldenbereinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO tätigen Rechtsanwalt zu zahlenden Gebühren. Die Höhe der Gebühren hänge entscheidend davon ab, ob die außergerichtliche Schuldenbereinigung als eine Angelegenheit im Sinne von § 13 BRAGO anzusehen oder ob von mehreren Angelegenheiten auszugehen sei, weil gesonderte Verhandlungen mit jedem Gläubiger geführt würden. Im Fall einer Auslegung des Begriffs "Angelegenheit" in der Weise, dass von mehreren Angelegenheiten auszugehen sei, würde eine erhebliche Kostenlast auf die Landeskassen zukommen. Bei der anderen denkbaren Auslegung würden die Anwälte unzureichende Gebühren erhalten. Eine ausdrückliche Regelung in § 132 BRAGO sei deshalb geboten. Der Gesetzgeber wollte also mit der Gebührenerhöhung den Mehraufwand des Rechtsanwalts ausgleichen, der sich aus Verhandlungen mit mehreren Gläubigern ergibt. Die ab dem 01. Januar 2002 geltende Änderung des § 132 Abs. 4 BRAGO, nach der sich die Gebühr in Höhe von 224,00 EUR bei mehr als 5, mehr als 10 und mehr als 15 Gläubigern um jeweils 112,00 EUR erhöht, hat der Gesetzgeber damit begründet, dass sich die Höhe der Vergütung für die nach außen gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts zur Herbeiführung einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern als unzureichend erwiesen habe, wenn der Schuldner eine Vielzahl von Gläubigern habe (BT-Drucks. 14/5680 S. 34). Die Erhöhung der Gebühr rechtfertigt sich also mit dem Mehraufwand, der sich für den Rechtsanwalt daraus ergibt, mit einer Mehrzahl von Gläubigern - dementsprechend erschwerte - Verhandlungen führen zu müssen. Dann aber ist es kaum gerechtfertigt, dass ein Rechtsanwalt, der im Rahmen der Beratungshilfe Vergleichsverhandlungen mit einem von mehreren Gläubigern führt, nur die einfache Geschäftsgebühr nach Nr. 2603 VV-RVG in Höhe von 70,00 EUR erhält, während er dann, wenn es sich bei dem Gläubiger um den einzigen Gläubiger des Schuldners handeln, mehr als den dreifachen Betrag der Gebühr nach Nr. 2603 VV-RVG, nämlich 224,00 EUR erhalten soll, lediglich weil die Verhandlungen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung geführt werden.

b)Die weitere Beschwerde ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil das Landgericht im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines Plans im Sinne des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO verneint hat.

Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass die Entstehung des Gebührenanspruchs nach Nr. 2504 ff. VV-RVG (Nr. 2604 ff. VV-RVG a.F.) voraussetzt, dass zunächst ein Plan zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung erstellt wurde. Mit der gegenüber Nr. 2503 (Nr. 2603 a. F.) erhöhten Gebühr wird auch der erhöhte anwaltliche Arbeitsaufwand, der mit der Aufstellung eines Plans nach § 305 InsO verbunden ist, abgegolten (AG Hannover JurBüro 2006, 78 f.).

Die Anforderungen, die an einen Schuldenbereinigungsplan im Sinne des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu stellen sind, unterscheiden sich nicht von denjenigen, die an einen Plan zu stellen sind, der die Grundlage für das gerichtliche Verfahren bildet (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Schuldenbereinigungsplan, der Grundlage für das gerichtliche Verfahren ist, Leitfaden für den Inhalt des außergerichtlichen Plans (Uhlenbruck-Vallender, InsO, 12. Aufl. § 305 Rdn. 11). Auch der Plan für den außergerichtlichen Einigungsversuch hat die Gläubigerinteressen sowie die Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners zu berücksichtigen (Braun-Buck, InsO, 3. Aufl. § 305 Rdn. 10). Auch hinsichtlich des möglichen Inhalts unterscheidet sich der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan nicht vom Schuldenbereinigungsplan gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO (MK-Ott, InsO, § 305 Rdn. 12).

aa) In formeller Hinsicht ist erforderlich, dass der Plan als Schuldenbereinigungsplan überhaupt erkennbar ist (Glomski, DZWIR 2000, 485, 488). Der oder die Gläubiger müssen zweifelsfrei erkennen können, ob sie an einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan gebunden sein sollen (Glomski a.a.O. S. 489). Die vom Antragsteller verfassten Schriftsätze vom 03. und 21. Dezember 2004 sowie vom 14. Januar 2005 enthalten keinen Hinweis auf einen Schuldenbereinigungsplan. Aus Sicht des Inkassobüros handelte es sich um einfache Vergleichsverhandlungen.

Auch reicht es nicht aus, wenn ein Plan aus mehreren nicht miteinander verbundenen Blättern besteht (Glomski a.a.O. S. 488). Denn unter einem Plan ist schon dem Wortlaut nach eine zusammenfassende, die Einzelheiten integrierende und ergebnisorientierte Gesamtdarstellung eines Komplexes zu verstehen (LG Hannover, JurBüro 2007, 251, 252). Hier hat der Antragsteller sich darauf beschränkt, die mit dem Inkassobüro geführte Korrespondenz vorzulegen. Keines der nicht miteinander verbundenen Schreiben erfüllt für sich genommen die Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan im Sinne des § 305 InsO. Soweit der Antragsteller mit der weiteren Beschwerde geltend macht, die vom Landgericht vermissten Angaben zu etwaigem Vermögen des Herrn M habe er bei einem Telefonat vom 14. Dezember 2004 gegenüber dem gegnerischen Anwaltsbüro gemacht, verhilft das der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil bloß mündliche Angaben die formellen Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan nicht erfüllen können. Das folgt schon daraus, dass der Plan nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO dem schriftlich einzureichenden Antrag "beizufügen" ist.

bb) Inhaltlich muss ein Schuldenbereinigungsplan gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO zwingend Angaben darüber enthalten, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden sollen (Glomski a.a.O. S. 486). In jeden Plan gehört eine Erklärung darüber, ob überhaupt Sicherheiten einzelner Gläubiger des Antragstellers vorhanden sind oder nicht (Glomski a.a.O.). Auch diesen Anforderungen an einen Plan im Sinne des § 305 InsO genügen die vom Antragsteller eingereichten Schriftsätze nicht. Das Landgericht hat daher zu Recht die Festsetzung einer Gebühr nach Nr. 2604 VV-RVG abgelehnt.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).

Ende der Entscheidung

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