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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 23.08.2007
Aktenzeichen: 1 W 50/07
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG-VV Nr. 3400 Abs. 1
ZPO § 924
ZPO § 925
ZPO § 128 Abs. 3
Eine Terminsgebühr entsteht nicht, wenn das Gericht über einen auf die Kosten beschränkten Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 3 ZPO durch Urteil entscheidet (Anschluss an OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 20. Juni 2006 - 6 W 102/06 -, RVG-Letter 2006, 88 = MDR 2007, 56 = AGS 2007, 70; Beschluss vom 30. Oktober 2006 - 6 W 181/06 -, GRUR-RR 2007, 62 = RVGreport 2007, 146).
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 50/07

23.08.2007

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 24. November 2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 31. Oktober 2006 durch den Richter am Kammergericht Müller als Einzelrichter am 23. August 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird bei einem Wert in Höhe von bis zu 300,00 EUR auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Das Landgericht erließ am 16. Juni 2005 eine einstweilige Verfügung gegen die die Antragsgegnerin am 21. Juli 2005 einen auf die Kosten beschränkten Widerspruch einlegte. Auf Anregung der Parteien hob das Landgericht in der Folge einen bereits anberaumten Termin unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 3 ZPO auf und änderte mit Urteil vom 1. November 2005 die einstweilige Verfügung dahin, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Antragsgegnerin hat am 31. Mai 2006 einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt, dem das Landgericht mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31. Oktober 2006 bis auf die Absetzung einer Terminsgebühr nebst anteiliger Umsatzsteuer entsprochen hat. Gegen diesen, ihr am 10. November 2006 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 24. November 2006, dem der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat.

B.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden; §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO.

2. In der Sache hat die Antragsgegnerin keinen Erfolg. Ihre sofortige Beschwerde ist unbegründet, weil der Rechtspfleger zu Recht die beantragte Terminsgebühr abgesetzt hat.

Da die Antragsgegnerin weder in einem Termin von ihren Prozessbevollmächtigten vertreten wurde und es auch keine außergerichtlichen Besprechungen gegeben hat, konnte eine Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG in Verbindung mit Vorbemerkung 3 zu Teil 3 RVG-VV nicht entstanden sein. Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht.

Die Voraussetzungen von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV liegen ebenfalls nicht vor. Danach entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gemäß § 307 Abs. 2 ZPO oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Für das Verfahren vor dem Landgericht war eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben. Bis zum Erlass der einstweiligen Verfügung folgt dies aus §§ 937 Abs. 2 ZPO. Die Erhebung des Widerspruchs durch die Beschwerdeführerin hat hieran nichts geändert, weil sie ihn auf die Kostenentscheidung beschränkt hat. Hat das Gericht nur noch über die Kosten zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen, § 128 Abs. 3 ZPO. Diese Vorschrift findet auch auf den sogenannten Kostenwiderspruch Anwendung (OLG Frankfurt, MDR 2007, 56; GRUR-RR 2007, 62, 63). Dem steht § 924 Abs. 2 S. 2 ZPO, wonach das Gericht nach Erhebung des Widerspruchs Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen hat, nicht entgegen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 128 Abs. 3 ZPO (Hartmann, in: Baumbach/Lau-terbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 925, Rdn. 4) und außerdem auch aus den Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber wollte mit § 128 Abs. 3 ZPO den bis dahin bestehenden Zwang, allein wegen eines Kostenausspruchs mündlich verhandeln zu müssen, beseitigen (BT-Drs. 14/4722, S. 76, li.Sp.). Ausdrücklich hat er als Beispiel das Schlussurteil benannt, bei dem nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden ist. Deshalb konnte es entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht darauf ankommen, dass in § 924 Abs. 2 S. 2 ZPO keine Differenzierung nach der Art des Widerspruchs erfolgt. Das ist bei einem Schlussurteil, bei dem es sich letztlich um nichts anderes als ein Endurteil handelt, ebenfalls nicht der Fall. Für ein solches Urteil gilt wie sonst auch der Mündlichkeitsgrundsatz, § 128 Abs. 1 ZPO. Nur wenn sich die zu treffende Entscheidung auf die Kosten beschränkt kann das Gericht von der mündlichen Verhandlung absehen. Dies gilt allgemein für solche Entscheidungen und ist deshalb im Buch 1 der Zivilprozessordnung geregelt. Der Sache nach geht es bei einem Kostenwiderspruch um nichts anderes als bei einem Kostenschlussurteil. Der Antragsgegner strebt mit dem Widerspruch allein eine Korrektur der getroffenen Kostenentscheidung gemäß § 93 ZPO an (Schmukle, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kapitel 54, Rdn. 22; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kapitel 55, Rdn. 9).

Die mit der Anwendung von § 128 Abs. 3 ZPO verbundene Versagung einer Terminsgebühr steht auch mit dem Zweck des Gebührentatbestands in Übereinstimmung. Damit soll der besondere Aufwand des Rechtsanwalts für die Vorbereitung einer nach dem Gesetz grundsätzlich zu verhandelnden Sache abgegolten werden, wenn ausnahmsweise ohne eine mündliche Verhandlung entschieden werden kann (BGH, NJW 2007, 158, 160). Ein solcher erhöhter Aufwand entsteht aber nicht, wenn der Widerspruch auf die Kostenentscheidung beschränkt wird. Der Antragsteller musste sich bis zu einer Entscheidung über seinen Antrag nicht auf eine mündliche Verhandlung einstellen, § 937 Abs. 2 ZPO; die Antragsgegnerin hatte von dem Verfahren bis zur Zustellung der einstweiligen Verfügung ohnehin noch keine Kenntnis. Nach Erhebung des Widerspruchs kam nach den obigen Ausführungen § 128 Abs. 3 ZPO zur Anwendung. Zwar war danach eine mündliche Verhandlung nicht ausgeschlossen und das Landgericht hatte einen solchen zunächst auch anberaumt. Im Anwendungsbereich der Fälle, in denen das Gericht nach billigem Ermessen entscheiden kann, ob es mündlich verhandeln will, kann eine Terminsgebühr jedoch immer nur entstehen, wenn ein Termin auch tatsächlich stattgefunden hat (Müller-Rabe, Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 3101, 3104, Rdn. 19). Im Übrigen ist der Aufwand des Rechtsanwalts bei Beschränkung des Widerspruchs auf die Kosten auch nicht mit dem Aufwand bei einem unbeschränkten Widerspruch zu vergleichen. Schließlich verzichtet der Antragsgegner bei einem beschränkten Widerspruch auf die Überprüfung der in der einstweiligen Verfügung getroffenen Sachentscheidung; der Streit der Parteien wird allein - und im Rahmen dieses Verfahrens auch endgültig - auf die Frage konzentriert, ob der Antragsgegner Anlass zur Antragstellung gegeben hat (Schmukle, a.a.O., Rdn. 22). Insofern besteht ein wesentlicher Unterschied zum Anerkenntnis im Hauptsacheverfahren, so dass ein von der Antragsgegnerin geforderter "struktureller Gleichklang" auf der Kostenseite gerade nicht geboten ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Veranlassung, das Verfahren dem Senat zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zu übertragen, bestand nicht. Die Sache weist weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf; sie hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, § 568 ZPO. Dass im Anwendungsbereich von § 128 Abs. 3 ZPO und RVG-VV Nr. 3400 Abs. 1 eine Terminsgebühr nicht entsteht, wenn kein Termin stattgefunden hat, ist nicht zweifelhaft (Müller-Rabe, a.a.O., VV 3103, 3104). Soweit es um die Anwendung von § 128 Abs. 3 ZPO bei einem auf die Kosten beschränkten Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung geht, weicht der Senat auch nicht von der Rechtsprechung anderer Gerichte ab, sondern schließt sich vielmehr derjenigen des OLG Frankfurt (vgl. a.a.O.) an. Der dort vertretenen Auffassung hat sich auch die gebührenrechtliche Literatur angeschlossen (Schneider, AGS 2007, 71; Mayer, RVG-Letter 2006, 89; Hansens, RVGreport 2007, 146, 147). Vor diesem Hintergrund kam eine Übertragung auf den Senat auch nicht im Hinblick auf die in der wettbewerbsrechtlichen Literatur - noch - überwiegend vertretene gegenteilige Auffassung (Nachweise bei OLG Frankfurt, GRUR 2007, 62, 63) in Betracht, zumal es auch insoweit gewichtige Gegenstimmen (Schmukle, a.a.O., Rdn. 28) gibt die von der zivilprozessualen Literatur überwiegend geteilt wird (Hartmann, a.a.O.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 925, Rdn. 1; Drescher, in: MüKo, ZPO, 3. Aufl., § 925, Rdn. 2). Von einer, der hiesigen Auffassung abweichenden herrschenden Lehre kann deshalb keine Rede sein.

Ende der Entscheidung

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