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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.06.2003
Aktenzeichen: 1 W 55/03
Rechtsgebiete: GKG, KostVfg


Vorschriften:

GKG § 58 Abs. 2 Satz 1
KostVfg § 33
Der Kostenbeamte ist aufgrund der Mitteilung der Justizkasse, dass eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint, ohne vorherige Überprüfung der von der Justizkasse unternommenen Maßnahmen befugt, die Gerichtskosten gegen den Zweitschuldner anzusetzen, sofern ihm keine der Annahme der Aussichtslosigkeit entgegenstehenden Tatsachen aus den Gerichtsakten oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind.
Kammergericht Beschluss

1 W 55/03

in Sachen

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 2002 in der Sitzung vom 10. Juni 2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Aufgrund des Versäumnisurteils des Landgerichts Berlin vom 2.Februar 2001, durch das der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden, sind die nach Abzug des von der Klägerin geleisteten Vorschusses verbleibenden Gerichtskosten zunächst gegen die Beklagte festgesetzt worden. Nach einer Mitteilung der Justizkasse, dass eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Beklagten erfolglos geblieben ist, sind die restlichen Gerichtskosten - abzüglich einer Zahlung der Beklagten - gegen die Klägerin als Zweitschuldnerin angesetzt worden. Auf die mit allgemeinen Erwägungen und der Behauptung, dass die Schuldnerin keinesfalls mittellos sei, begründete Erinnerung der Klägerin hat das Landgericht den Kostenansatz aufgehoben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin als Vertreterin der Landeskasse Berlin, die sie unter Bezugnahme auf die von ihr beigefügte Kassenschrift der Justizkasse näher begründet hat. Demnach hatte vor der Inanspruchnahme der Klägerin ein Vollstreckungsversuch in das bewegliche Vermögen der Beklagten stattgefunden und diese bereits zuvor die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist gemäß § 5 Abs. 2 GKG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat den gegen die Klägerin gerichteten Kostenansatz der Kostenbeamtin des Landgerichts zu Unrecht auf deren Erinnerung hin aufgehoben. Die Klägerin ist als Antragstellerin der Instanz gemäß § 49 Satz 1 GKG Kostenschuldnerin der im Verfahren vor dem Landgericht entstandenen allgemeinen Verfahrensgebühr gemäß KV Nr. 1201 (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG), die nach dem festgesetzten Streitwert von 87.944 DM mit 2.685 DM zutreffend berechnet worden ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind auch die Voraussetzungen gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG für die Inanspruchnahme der Klägerin als Zweitschuldnerin für den sich nach Abzug des von ihr geleisteten Vorschusses von 1.985 DM und der von der Beklagten am 6.November 2001 geleisteten Zahlung von 108,73 DM ergebenden Restbetrag von (umgerechnet) 302,32 EUR gegeben.

1. Die Beklagte ist ebenfalls Kostenschuldnerin als Entscheidungsschuldnerin gemäß § 54 Nr. 1 GKG aufgrund des Versäumnisurteils des Landgerichts vom 2.Februar 2001, durch das ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden. Gemäß § 58 Abs. 1 GKG haften mehrere Kostenschuldner als Gesamtschuldner. Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG soll im Umfang der Haftung eines Kostenschuldners nach § 54 Nr. 1 oder 2 GKG die Haftung eines anderen nur geltend gemacht werden, wenn die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des ersteren erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint.

a) Nach allgemeiner Auffassung genügt es zur Annahme der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung im Sinne der 1.Alternative des § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG, wenn ein einmaliger Vollstreckungsversuch in bewegliches Vermögen des Schuldners gemäß §§ 803-863 ZPO (körperliche Gegenstände oder Forderungen) stattgefunden hat und erfolglos geblieben ist. Mehrerer fruchtloser Vollstreckungsversuche bedarf es nicht. Auch ist nicht erforderlich, dass der Schuldner die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat (vgl. zu Vorstehendem SchlHOLG SchlHA 1984, 167; OLG Oldenburg JurBüro 1992, 810; OLG Koblenz MDR 2000, 976; Hartmann, KostG, 32. Aufl., GKG, § 58 Rdn. 11; Markl/Meyer GKG, 5. Aufl., § 58 Rdn. 16, 20f.; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand: März 2002, § 58 Rdn. 9f.).

b) Hinsichtlich der weiteren Voraussetzung der Inanspruchnahme des Zweitschuldners nach der 2.Alternative des § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG ist allgemein anerkannt, dass die Zwangsvollstreckung bereits dann im Sinne dieser Bestimmung aussichtslos erscheint, wenn mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu vermuten ist, dass mit einer raschen und sicheren - auch nur teilweisen - Verwirklichung des Anspruchs der Justizkasse gegen den Schuldner nicht zu rechnen ist. Ein vorheriger erfolgloser Vollstreckungsversuch ist dazu ebenso wenig erforderlich wie die sichere Feststellung, dass die Vollstreckung aussichtslos ist (vgl. Senat JurBüro 1979, 735/737 = AnwBl. 1979, 433/435; Hartmann a.a.O. Rdn. 13; Markl/Meyer a.a.O. Rdn. 22 ff.; Oestreich/Winter/Hellstab a.a.O. Rdn. 11). Aussichtslosigkeit ist zu vermuten, wenn der Schuldner bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat (vgl. Markl/Meyer a.a.O. Rdn. 23; Hartmann a.a.O.; Oestreich/Winter/Hellstab a.a.O. Rdn. 11).

c) Hinsichtlich der an die Feststellung der Aussichtslosigkeit der Vollstreckung im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 2.Alt. GKG zu stellenden Anforderungen hat der Senat a.a.O. S. 737f. ausgeführt, dass der Kostenbeamte die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erstschuldners zu ermitteln, dabei die Aussichtslosigkeit unter Würdigung aller greifbaren Umstände zu prüfen und im Falle deren Bejahung seine Beurteilungsgrundlagen offenzulegen hat, um dem Zweitschuldner Gelegenheit zu geben, die Richtigkeit und die Intensität der Ermittlungsbemühungen und damit auch den Wahrscheinlichkeitsgrad der getroffenen Prognose nachvollziehen zu können (ähnlich bereits Senat JurBüro 1970, 170/171, s.a. Markl/Meyer a.a.O. Rdn. 22). Hieraus leitet das Landgericht seine im Nichtabhilfebeschluss bekräftigte Auffassung ab, die Inanspruchnahme des Zweitschuldners gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG nach beiden Alternativen sei nur rechtmäßig, wenn der Kostenbeamte die gesetzlichen Voraussetzungen selbst geprüft habe und dies dem Zweitschuldner nachprüfbar darlege. Dem kann nicht gefolgt werden.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass beide Entscheidungen des Senats zu Sachverhalten ergangen sind, in denen von einer Inanspruchnahme des Erstschuldners im Hinblick auf die ihm bewilligte Prozesskostenhilfe (damals: Armenrecht) abgesehen worden war, jedoch Anhaltspunkte für eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bestanden und eine Nachzahlungsanordnung in Betracht kam, wobei dem Kostenbeamten (Rechtspfleger), der über eine etwaige Nachzahlungsanordnung zu befinden hatte, zugleich die Prüfung der Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Zweitschuldners oblag. Unter diesen Umständen erscheint es gerechtfertigt zu verlangen, dass der Kostenbeamte das Ergebnis der von ihm im Rahmen der Prozesskostenhilfe in eigener Zuständigkeit vorgenommenen Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Erstschuldners dem nunmehr in Anspruch genommenen Zweitschuldner mitteilt.

Im Regelfall obliegt dem Kostenbeamten jedoch eine solche Prüfung nicht. Gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 2 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO obliegt die Einziehung der Gerichtskosten der Justizkasse als Vollstreckungsbehörde. Diese hat die Vollstreckung gemäß § 6 JBeitrO in eigener Zuständigkeit unter sinngemäßer Geltung der Vorschriften der ZPO vorzunehmen, wobei an die Stelle des Gläubigers die Vollstreckungsbehörde und an die Stelle des Gerichtsvollziehers der Vollstreckungsbeamte tritt. Welche Aufgaben demgegenüber dem Kostenbeamten im Zusammenhang mit der Vollstreckung zukommen, kann nicht ohne Berücksichtigung der in § 33 der Kostenverfügung geregelten Aufgabenzuweisung beurteilt werden. Danach hat er gemäß § 33 Abs. 1 KostVfg auf Ersuchen der Gerichtskasse in den Sachakten Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen und zum Vorhandensein pfändbarer Ansprüche zu treffen. Gemäß § 33 Abs. 2 KostVfg hat er bei Rückgabe der Kostenrechnung wegen nach Kenntnis der Gerichtskasse bestehender Zahlungsunfähigkeit des darin genannten Kostenschuldners diese Beurteilung seiner weiteren Prüfung zugrunde zu legen, wenn ihm nicht Tatsachen bekannt sind, die deren Auffassung entgegenstehen, insbesondere solche, aus denen sich eine nur vorübergehende Zahlungsunfähigkeit ergibt. Schließt er sich der Auffassung an, prüft er das Vorhandensein weiterer Kostenschuldner. Bleibt er dagegen bei seiner Auffassung, dass der ursprüngliche Kostenschuldner zahlungsfähig ist, gibt er die Kostenrechnung der Gerichtskasse mit einer kurzen Begründung zurück.

Aus alledem folgt, dass die vom Kostenbeamten selbst anzustellenden Ermittlungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen und zum Vorhandensein pfändbarer Ansprüche des Kostenschuldners auf die Durchsicht der Sachakten (und etwa von ihm beizuziehender weiterer Gerichtsakten), die der Vollstreckungsbehörde nicht zur Verfügung stehen, beschränkt sind. Keinesfalls hat er eine eigenständige Überprüfung der von der Justizkasse unternommenen Maßnahmen anhand der von dieser geführten Vorgänge vorzunehmen. Diese Aufgaben sind vielmehr kraft Gesetzes der Justizkasse zugewiesen und von dieser eigenverantwortlich wahrzunehmen. Der Kostenbeamte kann daher auch nicht als verpflichtet angesehen werden, die Vollstreckungsvorgänge der Justizkasse anzufordern und sich über die vorgenommenen Maßnahmen zu unterrichten, bevor er eine Inanspruchnahme des Zweitschuldners prüft.

Anders wird nur zu verfahren sein, wenn sich die Mitteilung der Justizkasse darauf beschränkt, dass eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners aussichtslos erscheint (§ 58 Abs. 2 Satz 1 2.Alt. GKG), ohne dass ein konkreter Anlass für diese Annahme angegeben wird. Hier wird der Kostenbeamte jedenfalls auf eine Erinnerung des Zweitschuldners die Justizkasse um Mitteilung der Gründe für ihre Annahme zu ersuchen haben, um die ihm gemäß § 8 KostVfg obliegende eigene Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Zweitschuldners sachgerecht vornehmen und diesen entsprechend bescheiden zu können. Die Beiziehung der Vollstreckungsvorgänge der Justizkasse erscheint auch in diesem Fall nicht erforderlich und wäre zudem unzweckmäßig, da sie die weitere Vollstreckung gegen den Erstschuldner beeinträchtigen würde.

2. Vorliegend konnte die Kostenbeamtin des Landgerichts demnach aufgrund der Mitteilung der Justizkasse vom 24.Januar 2002, dass eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Beklagten erfolglos geblieben war, und der damit verbundenen Mithaftanfrage ohne weiteres davon ausgehen, dass ein erfolgloser Vollstreckungsversuch tatsächlich stattgefunden hatte. Da ihr weder aus den Akten noch ersichtlich aus sonstigen Vorgängen entgegenstehende Tatsachen bekannt geworden waren, konnte sie weiter davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin als Zweitschuldnerin gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 1.Alternative GKG gegeben waren. Sie war daher gehalten, die restlichen Kosten gegen die Klägerin als Zweitschuldnerin anzusetzen.

Zu einer Aufhebung des Kostenansatzes auf die Erinnerung der Klägerin bestand kein Anlass, zumal diese keinerlei konkrete Umstände angegeben hatte, auf die sie ihre Vermutung stützte, dass die Beklagte "keinesfalls mittellos" sei. Auch brauchte die Kostenbeamtin nicht anhand der Kassenschrift nachzuprüfen, ob ein ordnungsgemäßer Vollstreckungsversuch stattgefunden hatte, sondern durfte davon ausgehen, dass die Justizkasse entsprechend ihrer Mitteilung einen solchen unternommen hatte. Dazu ergibt sich im Übrigen aus der von der Bezirksrevisorin zu diesem Verfahren inzwischen beigezogenen Kassenschrift, dass am 6.November 2001 ein erfolgloser Pfändungsversuch in der Wohnung der Beklagten stattgefunden hatte.

3. Darüber hinaus war der eingeholten Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis zu entnehmen, dass die Beklagte bereits am 13.Juni 2001 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, wobei das vorliegende Protokoll und das Vermögensverzeichnis keine pfändbaren Ansprüche ergeben hatten. Damit war hinreichend festgestellt, dass die Inanspruchnahme der Zweitschuldnerin auch nach § 58 Abs. 2 Satz 1 2.Alternative GKG gerechtfertigt war, weil eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Erstschuldnerin aussichtslos erscheint.

Ergänzend ist dazu zu bemerken:

Der inhaltlichen Berücksichtigung der Kassenschrift in diesem Verfahren steht nicht entgegen, dass die Akteneinsicht von der Justizkasse als aktenführender Behörde bisher nicht bewilligt worden ist und daher der Klägerin seitens des Senats nicht gewährt werden konnte. Denn die Bezirksrevisorin hat deren Inhalt insoweit in ihren Stellungnahmen wiedergegeben. Die Klägerin als über einen Vollstreckungstitel gegen die Schuldnerin verfügende Drittgläubigerin kann im übrigen Akteneinsicht in die Zwangsvollstreckungsakte, in der diese die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, gemäß § 299 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung nehmen (vgl. Senat NJW 1989, 534; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 900 Rdn. 38 m.w.N.).

Nach alledem erweist sich die Erinnerung der Klägerin als unbegründet und ist zurückzuweisen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).

Ende der Entscheidung

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