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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 13.10.2003
Aktenzeichen: 10 U 160/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 263
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 543 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 5
BGB §§ 145 ff.
BGB §§ 164 ff.
BGB § 635 BGB a. F.
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 10 U 160/01

verkündet am: 13. Oktober 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Neuhaus, den Richter am Kammergericht Frey und die Richterin am Landgericht Dr. Müller-Magdeburg für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. April 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 2.O.549/00 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention, welche der Nebenintervenientin zur Last fallen, sowie mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des früheren Klägers, welche diesem selbst zur Last fallen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Gründe:

I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil wird zunächst gemäß §§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Ergänzend: Die Klägerin ist Inhaberin der Firma ..., ..., ... und ... und trat als solche auch gegenüber der Beklagten auf. Seit 1999 bezeichnet sie sich auf Briefbögen des Unternehmens als "Inhaberin".

Die Beklagte greift das Urteil des Landgerichts in vollem Umfange mit folgenden Rügen an: Die Klägerin sei nicht wirksam in den Prozess eingetreten. Sie sei auch nicht Inhaberin des geltend gemachten Werklohnanspruches, weil Zeitpunkt und Umstände des Betriebsübergangs unklar seien. Im Übrigen habe die Beklagte der Klägerin keinen Auftrag erteilt.

Die Beklagte beantragt,

das am 27. April 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin- 2.O.549/00 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nachdem die ... GmbH einen erstrangigen Teilbetrag der Klageforderung teilweise gepfändet hat, beantragt die Klägerin nunmehr,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte zur Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages der Klageforderung in Höhe von 4.013,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 18. Juli 2003 an die ... GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer .... Im ... Loitsche, verurteilt wird.

Sie tritt dem angefochtenen Urteil bei und behauptet: Die Beklagte habe ihr am 19. Juni 2000 vertreten durch ihren Mitarbeiter N den Auftrag zu Mängelbeseitigungsarbeiten erteilt. Zu einer solchen Auftragserteilung habe die Beklagte ihren Mitarbeiter N auch bevollmächtigt.

Das Gericht hat Beweis erhoben auf Grund des Beweisbeschlusses vom 27. Januar 2003 über die Behauptung der Klägerin, der Mitarbeiter der Beklagten, Herr ... sei von der Beklagten bevollmächtigt gewesen, der Klägerin im Namen der Beklagten einen Auftrag zur Mängelbeseitigung zu erteilen, durch Vernehmung des Zeugen .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Oktober 2002.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO. Sie hat in der Sache auch Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin wirksam in den zunächst von Herrn ... erhobenen Rechtsstreit eingetreten. Es hat ein Parteiwechsel stattgefunden mit der Folge, dass die Herr ... aus dem Rechtsstreit ausschied und die Klägerin eintrat. Dieser Parteiwechsel erfolgte durch den Schriftsatz vom 19. Dezember 2000 der Rechtsanwälte M welche sowohl für die Klägerin als auch für Herrn ... bevollmächtigt waren. Eine Zustimmung der Beklagten zu diesem Parteiwechsel war nicht notwendig, da er vor Beginn der mündlichen Verhandlung stattfand (§ 263 ZPO analog; vgl. BGH NJW 1996, 2799).

Die Klage ist auch in ihrer geänderten Fassung zulässig. Die Umstellung des Klageantrages auf teilweise Zahlung an die Pfändungsgläubigerin ist im Sinne des § 263 ZPO in der wegen § 26 Nr. 5 EGZPO bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung sachdienlich, weil durch die Umstellung in Ansehung der - im Übrigen - bereits entscheidungsreifen Klage ein neuer Prozess vermieden wird.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistung des mit der Klage geltend gemachten Werklohns. Zwar ist sie Gläubigerin des Anspruches, dessen sie sich mit der Klage berühmt. Darüber besteht zwischen den Parteien trotz der Rüge der Beklagten im Ergebnis kein Streit, da sie sich darüber einig sind, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Beauftragung Inhaberin des Betriebes war, als welche sie sich ab Ende 1999 auf den Briefbögen auswies und die Beklagte sie auch für die Inhaberin hielt. Dann aber kommt es nicht mehr darauf an, wann genau und unter welchen Umständen sie den Betrieb ihres Vater übernommen hat.

Ein vertraglicher Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte scheidet aus, weil ein Vertrag über die hier in Rede stehenden Mängelbeseitigungsarbeiten zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist. Nach §§ 145 ff. BGB kommt ein Vertrag durch Antrag und Annahme zustande. Vorliegend fehlt es an einer auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung der Beklagten. Es kann dahinstehen, ob - was zwischen den Parteien streitig ist - der Mitarbeiter der Beklagten N der Klägerin einen Auftrag erteilt hat. Für die Beklagte konnte dessen Willenserklärung nur unter den Voraussetzungen der Stellvertretung, §§ 164 ff. BGB, Wirkung entfalten. Diese sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Nach § 164 BGB wirkt die Erklärung des Stellvertreters, welche dieser im Namen des Vertretenen abgibt, (nur) dann gegen jenen, wenn er die Willenserklärung innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht abgibt. Gerade eine solche Vertretungsmacht aber, die Beklagte im Rahmen eines Mängelbeseitigungsauftrages gegenüber der Klägerin zu verpflichten, besaß der Mitarbeiter N nicht. Davon ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auszugehen. Die Vernehmung des Zeugen ... nämlich hat nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass jener eine entsprechende Vollmacht besaß. Im Gegenteil war die Beweisaufnahme insoweit negativ ergiebig. Der Zeuge hat deutlich und ausdrücklich verneint, für eine Auftragserteilung bevollmächtigt gewesen zu sein. Eine Vertretungsmacht, Aufträge zu erteilen, sei - so die Bekundungen des Zeugen - bei der Beklagten allein deren Geschäftsführern vorbehalten.

Gründe, an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen zu zweifeln, bestehen nicht. Seine Aussage ist auch entgegen den Befürchtungen der Klägerin nicht etwa allein deshalb unglaubhaft, weil er bei der Beklagten angestellt ist und deshalb in deren Lager steht. Zusätzliche Umstände, welche darauf deuten, dass die Anstellung bei der Beklagten den Zeugen zu einer unwahren Aussage veranlasst haben könnten, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen käme es hierauf auch nicht an. Selbst wenn das Gericht derartige Zweifel hegen würde - was tatsächlich nicht der Fall ist und wofür auch keine Anhaltspunkte bestehen - stünde damit noch nicht das Gegenteil, nämlich positiv seine Bevollmächtigung durch die Beklagte fest. Für diese Behauptung aber trägt die Klägerin die Beweislast. Den geschuldeten Beweis ist sie fällig geblieben. Andere Zeugen waren von ihr für das Bestehen der Vollmacht nicht benannt.

Da schon eine Stellvertretung des Herrn ... für die Beklagte und damit eine für die Beklagte wirkende Willenserklärung nicht bewiesen ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beklagte mit einer Auftragserteilung eine eigene Verpflichtung oder eine der Bauherrin hätte erreichen können und wollen.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte kann aber auch nicht aus Bereicherungsrecht hergeleitet werden. Insbesondere scheidet ein Anspruch aus der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. aus. Danach ist zur Herausgabe verpflichtet, wer durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Als Erlangtes kommt die Befreiung der Beklagten von einer Verbindlichkeit zur Leistung von Schadensersatz aus § 635 BGB a. F. gegenüber der Streithelferin in Betracht, wobei der Mangel des Architektenwerkes möglicherweise aus der mangelbehafteten Bauausführung durch die Firma ... auf Grund mangelhafter Bauüberwachung (§ 15 Nr. 8 HOAI) herzuleiten wäre (vgl. BGH NJW 1999, 1705). Die Beklagte hätte allerdings dann nichts erlangt, wenn die Forderung gegen sie im Zeitpunkt der Erfüllung (durch die Klägerin) bereits verjährt und die Beklagte entschlossen war, die Einrede der Verjährung zu erheben (OLG Frankfurt am Main WM 1987, 602).

Letztlich kann der Senat es für die Entscheidung des vorliegenden Falles dahinstehen lassen, ob - was zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist - die Beklagte von der Klägerin etwas in diesem Sinne erlangt hat. Jedenfalls ist ein Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB ausgeschlossen, weil die Beklagte nicht durch eine Leistung der Klägerin bereichert worden ist. Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB ist die bewusste zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens (st. Rspr. z.B. BGH WM 199, 484, 485). Ob eine Leistung vorliegt, ist dabei zunächst nach der Zweckbestimmung der Beteiligten, also danach zu beurteilen, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der Beteiligten -wie hier- nicht überein, so ist eine objektive Betrachtungsweise der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten (BGH WM 1999, 484, 485 m.w.N.; OLG Hamm NJR-RR 1991, 1303). Dabei verbietet sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung. Vielmehr sind in erster Linie die Besonderheiten des einzelnen Falles für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung zu beachten (BGH WM 1999, 484, 485 m.w.N.; OLG Hamm NJW-RR 1991, 1303).

Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ergibt sich für die Beurteilung der vorliegenden Situation Folgendes: Aus der Sicht der Beklagten lag keine Leistung der Klägerin an sie vor, da sie - wie die Beweisaufnahme ergeben hat - die Klägerin nicht mit der Mängelbeseitigung und zwar auch nicht zur Befreiung von ihrer eigenen Schadensersatzpflicht beauftragt hat.

Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte kann auch nicht aus der sog. Eingriffskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB hergeleitet werden. Danach ist zur Herausgabe verpflichtet, wer auf sonstige Weise auf Kosten eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Beklagte ist in diesem Sinne nicht in sonstiger Weise bereichert; vielmehr ist die Eingriffskondiktion des § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB schon nicht anwendbar. Die Anwendbarkeit ist nämlich dann ausgeschlossen, wenn eine Abwicklung über die Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB) in Betracht kommt, weil letztere vorrangig ist (vgl. hierzu: BGH JZ 1962, 404; BGHZ 36, 30; BGH WM 1999, 484, 485 m.w.N.).

Dies ist in dem Verhältnis zwischen den Parteien dieses hiesigen Rechtsstreits der Fall. Die Abwicklung über die Leistungskondiktion im Verhältnis der Klägerin zu der Streithelferin hat Vorrang, so dass die Klägerin mit ihrer Rückforderung unter dem Gesichtspunkt der Eingriffskondiktion ausgeschlossen ist. Wiederum kommt es nämlich auf die objektivierte Sicht des Bereicherten an (BGHZ 56, 228, 249 m.w.N.; BGH WM 1999, 484, 485). Aus der Sicht der Beklagten lag zwar keine Leistung der Klägerin an sie, sehr wohl aber eine Leistung der Klägerin an die Streithelferin vor. Die Beklagte nämlich behauptet, die Klägerin sei durch einen Mitarbeiter der Streithelferin beauftragt worden. Wäre dies tatsächlich der Fall gewesen, was zwischen den Parteien streitig ist, dann hätte die Klägerin auf das Vertragsverhältnis zu der Streithelferin geleistet. Aus der Sicht der Beklagten stellte die Situation sich so dar. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass die Klägerin auch gar nicht beabsichtigte, eventuelle Verpflichtungen der Beklagten zu Schadensersatz wegen eigener Gewährleistung zu erfüllen, sondern noch von einer Ersatzvornahme für die Firma ... ausging.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus einer Anwendung der §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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