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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 28.03.2001
Aktenzeichen: 11 U 4912/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 516
ZPO § 212 a
ZPO § 519 b
ZPO § 190
ZPO § 198
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
BGB § 179
BGB § 305
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 11 U 4912/00 11 O 398/98 Landgericht Berlin

verkündet am: 28. März 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2001 durch die Präsidentin des Kammergerichts Knobloch als Vorsitzende und die Richterinnen am Kammergericht Forkel und Tucholski für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. März 2000 - 11 O 398/98 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 11.900,00 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden.

Die Berufungsschrift der Klägerin ist am 19. Juni 2000 (einem Montag) beim Kammergericht eingegangen. Dies war innerhalb der gesetzlichen Frist des § 516 ZPO, denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Zustellung des landgerichtlichen Urteils vor dem 17. Mai 2000 erfolgt ist.

Die Geschäftsstelle des Landgerichts hat für die Durchführung der ihr obliegenden Amtszustellung an den für den erstinstanzlichen Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten der Klägerin als Zustellungsweg die (vereinfachte) Zustellung nach § 212a ZPO gewählt. Dabei genügt zum Nachweis der Zustellung das mit Datum und Unterschrift versehene schriftliche Empfangsbekenntnis des Anwalts. Ein solches Empfangsbekenntnis liegt vor. Von der Richtigkeit der darin enthaltenen Erklärung, das Urteil sei am 18. Mai 2000 zugestellt worden, ist ungeachtet der dem Senat nach § 519b ZPO obliegenden Amtsprüfung auszugehen, da das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis nach § 212a ZPO ebenso wie die in § 190 ZPO geforderte Zustellungsurkunde Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme erbringt (BGH NJW 1990, 2125 m.w.N.; VersR 1994, 371; NJW 1996, 2514, 2515; 3014). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in dem Empfangsbekenntnis enthaltenen Datierung der Zustellung (§ 418 Abs. 2 ZPO) ist zwar zulässig, hier jedoch nicht geführt. Die Beweiswirkung des § 198 ZPO ist nur dann vollständig entkräftet, wenn jede Möglichkeit der Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses ausgeschlossen wird (BGH NJW 1990, 2125 m.w.N.; NJW-RR 1997, 769). Diesen strengen Anforderungen ist nicht genügt. Die von der Beklagten monierten Zeitabweichungen lassen den Schluss, das Empfangsbekenntnis sei unrichtig, nicht zu.

Im Empfangsbekenntnis war als maßgebliches Zustellungsdatum der Tag anzugeben, an dem der Anwalt der Klägerin als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangte und es empfangsbereit entgegennehmen konnte. Das war wegen der Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst am 18. Mai 2000 der Fall und nicht schon am Vortage, an dem das Urteil in der Kanzlei eingegangen war (vgl. BGH Z 30, 299, 301 ff.; NJW 1974, 1469, 1470; 1979, 2566; FamRZ 1995, 799; NJW-RR 1998, 1442, 1443). Auch die sonstigen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme zu tragen, dass das Empfangsbekenntnis unrichtig sei. Zwar wurde das angefochtene Urteil auf Grund der Verfügung der Geschäftsstelle vom 16. März 2000 bereits am 20. März 2000 abgesandt; des weiteren ist belegt, dass das Urteil schon am nächsten Tage in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten einging. Aktenkundig ist jedoch auch, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Laufe des Verfahrens seinen Kanzleisitz verlegt hatte, was erstmals anlässlich des Versuchs, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. März 2000 zuzustellen, bemerkt wurde. Es erscheint möglich, dass auch die Zustellung des Urteils gescheitert war und erst am 16. Mai 2000 nachgeholt werden konnte. Dass sich näheres an Hand der in den Akten enthaltenen Angaben nicht aufklären lässt, geht als gerichtsinterner Vorgang nicht zu Lasten der Klägerin.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Teilklage, von deren Zulässigkeit im Anschluss an die im Verhandlungstermin vorgenommene Klarstellung auszugehen ist, ist unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte die aus einer entsprechenden Anwendung des § 179 BGB hergeleitete Haftung des Boten ohne Botenmacht nicht deshalb trifft, weil sie die von dem Darlehensnehmer unterzeichneten Verträge an die Klägerin weitergeleitet hat, ohne eine ausdrückliche Weisung abzuwarten. Für eine solche schuldunabhängige Garantiehaftung unter dem Gesichtspunkt veranlassten und enttäuschten Vertrauens (BGH Z 39, 45, 51; 73, 267, 269 f.) ist vorliegend kein Raum.

Zwar ist die Beklagte als Botin des Zeugen aufgetreten. Bote ist, wer eine Willenserklärung seines Auftraggebers übermittelt. Dieser Vorgang ist tatsächlicher, nicht rechtsgeschäftlicher Natur. Dabei kommt es allein darauf an, wie sich das äußere Auftreten aus der Sicht des Empfängers darstellt (BGH Z 12, 327, 334; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., vor § 164 Rdnr. 44). Bote ist derjenige, von dem der Kontrahent den Eindruck haben muss, dass er für die abgegebene oder zu empfangende Willenserklärung nur eine Übermittlerfunktion wahrnehme (Staudinger/Schilken, BGB, 13. Bearb., Vorbem. zu §§ 164 ff Rdnr. 74 m.w.N.). Ausgehend von den für die Klägerin erkennbaren Umständen, insbesondere dem Inhalt des Schreibens vom 9. Januar 1997, hat die Beklagte die in den Darlehensverträgen und den begleitenden Erklärungen verkörperten Willenserklärungen des Zeugen lediglich weitergereicht (vgl. Soergel-Leptien, a.a.O Rdnr. 42).

Indessen lassen sich die weiteren Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 179 BGB (dazu im Einzelnen OLG Oldenburg, NJW 1978, 951) -, dass die Beklagte vorsätzlich falsch übermittelt, den ihr erteilten Auftrag bewusst überschritten hätte oder wissentlich ohne jeden Auftrag tätig geworden wäre (vgl. Soergel-Leptien, a.a.O. Rdnr. 45; Staudinger-Schilken, a.a.O. Rdnr. 81) - nicht feststellen.

Die Berufung verkennt, dass sich die Rechtsstellung der Beklagten in dem für die ihr zukommenden Befugnisse maßgeblichen Innenverhältnis zu nicht in der Funktion als "Werkzeug des Geschäftsherrn" erschöpfte. Zwar hatte sich die Beklagte in tatsächlicher Hinsicht bereit erklärt, im Verhältnis zwischen dem Zeugen und der Klägerin für die Weiterleitung der Vertragsausfertigungen, von deren Eingang bei der Klägerin das Zustandekommen des Vertrages abhängig war, zu sorgen. Zu diesem Zweck hatte sie die unterzeichneten Urkunden in ihre "Verwahrung" genommen. Eine Beschränkung auf diese untergeordnete Hilfeleistung im Rahmen des zwischen dem Darlehensnehmer und der Klägerin bestehenden Rechtsverhältnisses wird der der Beklagten eingeräumten Stellung jedoch nicht gerecht. Vielmehr richteten sich die Modalitäten der Weiterleitung nach dem Rechtsverhältnis, das zwischen der Beklagten und dem Zeugen auf Grund der Übernahme der Zwischenfinanzierung zu Stande gekommen war und durch schriftliche Regelungen eine detaillierte Ausgestaltung erfahren hatte.

Nach den als Anlage 2 zum Vertragsgegenstand der beiden Zwischenfinanzierungsverträge gemachten "weiteren Darlehensbedingungen" der Beklagten (4. und 5. Spiegelstrich) war die Auszahlung der mit der Zwischenfinanzierung bewilligten Darlehensvaluta neben anderen Voraussetzungen auch von der Vorlage der vom Darlehensnehmer unterzeichneten Endfinanzierungsverträge und der unterschriebenen Zahlungsanweisungen abhängig, was der Beklagten den Zugriff auf die Sicherheiten und die zur Ablösung der Zwischenkredite benötigten Mittel ermöglichen sollte. Mit diesen Bedingungen hat sich der Zeuge einverstanden erklärt. Die Übergabe der von unterzeichneten Verträge an die Beklagte sollte vor diesem Hintergrund dazu dienen, die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Auszahlungsvoraussetzung sicherzustellen. Ihr lag eine - gemäß § 305 BGB zulässige - Vereinbarung eigener Art zu Grunde, die nach Auffassung des Senats rechtlich als Sicherungsvertrag einzuordnen ist, dem Treuhandelemente innewohnten. Dies belegen die von der Beklagten vorgelegten schriftlichen Zwischenfinanzierungsverträge in Verbindung mit den unstreitigen Begleitumständen, insbesondere dem Zweck der Vereinbarung und der Interessenlage der Parteien der Zwischenfinanzierungsverträge:

Die im Rahmen der Zwischenfinanzierung auszuzahlende Valuta musste - sollten die von angestrebten Steuervorteile gewahrt werden - noch am Nachmittag des 30. Dezember 1996 angewiesen werden. Dies setzte nach den "weiteren Vertragsbedingungen" der Beklagten eine Endfinanzierung - durch wen auch immer - zwingend voraus. Demgegenüber wollte der Zeuge, der nach seinen Angaben erst anlässlich des Termins bei der Beklagten am 30. Dezember 1996 Kenntnis von den Konditionen der Klägerin erhalten hatte, noch weitere Endfinanzierungsangebote - auch solche der Beklagten selbst - einholen und prüfen. Um diesen widerstreitenden Interessen bestmöglich Rechnung tragen zu können, hat die Beklagte, vertreten durch den Zeugen, nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin darauf bestanden, dass die vorbereiteten Endfinanzierungsverträge sowie die der Bestellung von Sicherheiten dienenden Anlagen von unterzeichnet und ihr "als Sicherheit" ausgehändigt wurden. Hierdurch konnte einerseits vermieden werden, dass es zu einer Auszahlung der Darlehen aus den von der Beklagten übernommenen Zwischenfinanzierungen kam, bevor der Abschluss der Endfinanzierungsverträge und der damit einhergehenden Vereinbarungen zu Gunsten der Beklagten sichergestellt war; andererseits wurde H die Möglichkeit eröffnet, während der noch laufenden Annahmefrist nach einer Alternative zu dem von der Klägerin unterbreiteten Finanzierungsangebot zu suchen.

Aus dem Treuhandcharakter, der dieser damit zustande gekommenen Sicherungsvereinbarung in Bezug auf die Interessen des Zeugen innewohnte, folgt zwar, dass die Beklagte die Verträge nicht sofort an die Klägerin weiterleiten durfte. Vielmehr war sie gehalten, dem Darlehensnehmer während der ihm eingeräumten Annahmefrist durch weitestgehenden Aufschub der Weiterleitung die Beibringung einer alternativen Endfinanzierung zu ermöglichen. Die Verpflichtung der Beklagten zur Wahrung der Interessen durch Ausschöpfung der Annahmefrist fand jedoch ihre Grenze an den eigenen Interessen der mit der Auszahlung in Vorleistung gegangenen und allein durch die Aushändigung der unterzeichneten Verträge gesicherten Beklagten. Der gewährte Aufschub durfte bei verständiger Würdigung deshalb nicht zu einem - letztlich zu Lasten beider Partner der Zwischenfinanzierung gehenden - Scheitern der Endfinanzierungsverträge führen. Es versteht sich daher von selbst und lag auch im wohlverstandenen Interesse des Darlehensnehmers, dass die Beklagte die von der Klägerin angebotene Endfinanzierung durch rechtzeitige Weiterleitung der Verträge zu Stande zu bringen hatte, sofern sich für - was indessen unstreitig nicht der Fall war - keine günstigere Endfinanzierungsmöglichkeit ergeben hatte. Dies hat der Zeuge indirekt bestätigt, indem er in seiner Vernehmung vor dem Landgericht angegeben hat, die Beibringung einer anderen Endfinanzierung sei "sein Risiko" gewesen; so dass er gehalten gewesen sei, gegebenenfalls seine Zustimmung zum Abschicken der mit der Klägerin geschlossenen Verträge zu erteilen.

Dass die zwischen und der Beklagten durch die schriftliche Festlegung der Auszahlungsvoraussetzungen fixierte Sicherungsabrede durch übereinstimmende Willenserklärungen einvernehmlich eingeschränkt, insbesondere dahin abgeändert worden wäre, dass die Weiterleitung der Verträge an die Klägerin einer vorherigen ausdrücklichen Zustimmung bedurfte, behauptet die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr. Soweit sich die Berufung darauf stützt, dass die Botenvollmacht auf Grund eines entsprechenden Vorbehalts aufschiebend bedingt gewesen sei, übersieht sie, dass es vorliegend um eine Einschränkung einer Vereinbarung ginge, die nicht durch einseitige Erklärung herbeigeführt werden konnte, sondern - auch bei einem Abhängigmachen von einer Bedingung - einer Vereinbarung bedurft hätte.

Unabhängig hiervon hat die Klägerin aus den vom Landgericht im Einzelnen ausgeführten Gründen den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, dass die Beklagte und der Zeuge bei der Besprechung vom 30. Dezember 1996 hinsichtlich der Sicherung der Beklagten vom schriftlichen Vertrag abweichende Auszahlungsvoraussetzungen für die Zwischenfinanzierung gewollt und vereinbart haben. Die Aussagen der Zeugen, und die die angebliche Weisung - wenn auch nur Sinne eines einseitig gebliebenen Ansinnens H - bestätigt haben, sind schon in sich nicht frei von Widerprüchen: Denn die Zeugen haben einerseits bekundet, dass der Zeuge die unterschriebenen Verträge als Sicherheit benötigt habe, andererseits wollen sie die Äußerung als ausdrücklichen Freigabevorbehalt verstanden haben, wobei selbst sich nach seiner Aussage jedoch darüber im Klaren war, dass es "sein Risiko" war, mangels einer anderen - günstigeren - Endfinanzierung die Zustimmung erteilen zu müssen. Letztlich steht den Angaben der von der Klägerin benannten Zeugen die Aussage des Zeugen entgegen, der unter Darlegung der widerstreitenden Interessen, denen die am 30. Dezember 1996 getroffenen Vereinbarungen genügen sollten, bestätigt hat, dass die Verträge zwar zunächst zurückgehalten werden sollten, ausgehend von der eindeutigen Interessenlage aber eine ausdrückliche "Freigabe" durch den Zeugen weder gefordert noch in Betracht gekommen sei.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer findet ihre Grundlage in § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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