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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 16.08.2004
Aktenzeichen: 12 U 115/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 251 Abs. 2
ZPO § 287
Der Anspruch auf Ersatz der tatsächlich aufgewandten Reparaturkosten und eines etwaigen Minderwertes kann selbst dann begründet sein, wenn deren Summe höher ist als etwa 130 % des Wiederbeschaffungswertes (ohne Abzug des Restwertes); dies setzt jedoch voraus dass der Geschädigte bei seiner Entscheidung über die Art der Schadensbeseitigung davon ausgehen durfte, dass ein Minderwert nicht vorliege und die reinen Reparaturkosten die Grenze von 130 % nicht übersteigen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 115/03

verkündet am: 16. August 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. August 2004 durch den Richter am Kammergericht Spiegel als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 21. Februar 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin - 17 O 243/02 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.908,10 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.908,10 € seit dem 23. April 2002 und aus 1.221,21 € seit dem 28. Februar 2004 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die AVIS Autovermietung GmbH & Co. KG 1.221,21 € zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A Die Berufung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Reparaturkosten in Höhe von (9.408,10 - 6.500 =) 2.908,10 €

Diese Position steht dem Kläger entgegen der Ansicht des Landgerichts zu. Der Kläger kann die vom Sachverständigen Blatter geschätzten Reparaturkosten in voller Höhe beanspruchen. Der Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten und des etwaigen Minderwertes besteht im Falle der tatsächlichen Durchführung der Reparatur und der weiteren Nutzung des Fahrzeugs (geschütztes Integritätsinteresse) grundsätzlich auch dann, wenn die Summe dieser beiden Schadenspositionen zusammen höher ist als der Wiederbeschaffungswert. Nur wenn die bei der Reparatur zu zahlende Entschädigung um mehr als 30% über diesem Wert liegt, führt die entsprechende Anwendung von § 251 Absatz 2 BGB dazu, dass dem Geschädigten lediglich ein Anspruch auf Zahlung der Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Restwert zusteht. Hiervon geht das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung im Ansatz auch zutreffend aus.

Zu Unrecht berücksichtigt das Landgericht aber in seiner Vergleichsrechnung die vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit geforderte Wertminderung. Entscheidend ist nämlich die Sachlage bei der Entscheidung über die Art der Schadensbeseitigung; das Prognoserisiko trägt auch hier der Schädiger (Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Auflage, § 249 Rdnr. 27 m.w.N.).

Da in dem Gutachten des Sachverständigen Bnnn eine Wertminderung nicht festgestellt wird, durfte der Kläger bei seiner am 14. März 2002 getroffenen Entscheidung über die Art der Schadensbeseitigung davon ausgehen, dass die Reparaturkosten (ohne Wertminderung) nicht um mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert (ohne Abzug des Restwertes; vgl. BGH, NJW 2003, 2085) liegen würden.

Den erforderlichen Reparaturnachweis hat der Kläger geführt. Übersteigt die bei der Reparatur zu zahlende Entschädigung (Summe aus Reparaturkosten und Wertminderung) nicht den Wiederbeschaffungswert, so reicht es aus, wenn der Geschädigte nachweist, dass die Reparaturmaßnahmen die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs wiederhergestellt hat. Übersteigt der vorgenannte Betrag die Reparaturkosten (um bis zu 30%), so muss der Geschädigte den Nachweis führen, dass der Unfallschaden vollständig und fachgerecht beseitigt worden ist. Wie der Geschädigte diesen Nachweis führt, bleibt ihm überlassen. Vorliegend hat der Kläger den Nachweis durch Vorlage der Bestätigung des Sachverständigen Bnnn vom 2. April 2002 geführt. Die von der Beklagten geforderte Vorlage einer Reparaturrechnung ist deshalb nicht erforderlich. Dem Kläger stehen die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten auch dann in voller Höhe zu, wenn die vom Kläger für die Reparatur tatsächlich zu zahlenden Kosten hinter diesem Betrag zurückbleiben (Palandt-Heinrichs, a.a.O.).

Die weitere Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger steht außer Streit.

2. Mietwagen 1.436,72 €

Die Beklagte ist verpflichtet, 85% dieses Betrages, d. h. 1.221,21 € an die Autovermietung zu zahlen.

Da der Kläger nunmehr Leistung an die AVIS Autovermietung begehrt und er seine Berechtigung, die Mietwagenkosten in eigenem Namen gelten zu machen, nachgewiesen hat, war die Beklagte wegen dieser Position antragsgemäß zu verurteilen.

Die Höhe der Mietwagenkosten ist nicht zu beanstanden, insbesondere durfte der Kläger den Mietwagen zu dem sog. Unfalltarif der Mietwagenfirma anmieten. Der Ersatz von Mietwagenkosten, die sich am Marktpreis ausrichten, ist nicht als unverhältnismäßig im Sinne von § 251 Abs. 2 BGB zu versagen (BGH; NJW 1993, 3321; NJW 1996, 1958; vgl. auch NJW 1999, 278). Von dieser ständigen Rechtsprechung des Senats abzuweichen, bietet der vorliegende Sachverhalt keinen Anlass. Im Übrigen hat die Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass und zu welchen Bedingungen dem Kläger der Abschluss eines günstigeren Tarifes möglich gewesen wäre. Dass mit Schriftsatz vom 26. August 2002 eingereichte Angebot der Firma Avis betrifft einen anderen Zeitraum und ist auch nur im Internet zu buchen. Dass dem Kläger ein Internetzugriff zur Verfügung steht und warum er zu einer Buchung über dass Internet verpflichtet sein soll, hat die Beklagte aber nicht dargetan.

Dem Kläger steht der Ersatz der Mietwagenkosten auch für 15 Tage zu. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Blatter ergibt sich eine Wiederbeschaffungsdauer von 14 Kalendertagen (KT). Hinzu kommen 2 Kalendertage bis zum Eingang des Gutachtens, so dass sich insgesamt 16 Kalendertage ergeben. Der Zeitraum der Anmietung ist damit abgedeckt

Die Beklagte hat aber nur 85% des Rechnungsbetrages der Mietwagenfirma zu leisten. Ein derartiger Abzug von 15% wegen ersparter Eigenaufwendungen entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, hiervon abzuweichen (Senat, Urteil vom 28. September 1998 - 12 U 3395/97 m.w.N, vgl. auch Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 249 Rdnr. 32;).

3. Nutzungsausfallentschädigung 136,00 €

Diese Position steht dem Kläger nicht zu. Der Kläger hat auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 26. September 2002 selbst vorgetragen, dass sich das Unfallfahrzeug nur in der Zeit vom 12. bis zum 26. März 2002 und damit nur während der Zeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges in der Werkstatt befand.

4. merkantiler Minderwert 1.000,00 €

Diese Schadensposition steht dem Kläger nicht zu. Der merkantile Minderwert ist gemäß § 287 ZPO zu schätzen (BGH VersR 1959, 549; KG VersR 1975, 141, 142); dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen wie Fahrleistung, Alter, Zustand, Art des Schadens, Vorschäden sowie Art des Neuschadens, Zahl der Vorbesitzer und evtl. Wertverbesserungen durch die Reparatur sowie die konjunkturelle Lage. In der Regel entfällt eine Wertminderung, wenn das Fahrzeug im Zeitpunkt seiner Beschädigung älter als 5 Jahre war (vgl. Palandt/Heinrichs. a.a.O., § 251 Rdnr. 14). Diese Voraussetzung liegt bei dem am 8. Oktober 1996 erstmals zugelassenen Fahrzeug des Klägers vor. Umstände, die im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung ein Abweichen von der vorgenannten Regel erfordern würden, hat der Kläger nicht dargelegt. Die vom Kläger behauptete Fahrleistung von 43.283 Kilometer reicht hierfür nicht aus.

5. Nebenkosten (25,00-15,00=)10,00 €

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist von einer Unkostenpauschale von 15,00 EUR auszugehen. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, hiervon abzuweichen.

B Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n. F.).

C Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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