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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.03.2008
Aktenzeichen: 12 U 164/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 S. 2
1. Keine Befangenheit des Berufungsgerichts wegen Anwendung des Verfahrens der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO, wenn das Berufungsgericht das Ergebnis des Erstgerichts für richtig hält, aber die Begründung des angefochtenen Urteils auswechselt.

2. Keine Befangenheit des Berufungsgerichts im Räumungsprozess gegen den Untermieter wegen Vorbefassung mit dem Räumungsprozess gegen den Hauptmieter, der sich mit den im Wesentlichen gleichen Argumenten verteidigt hat.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 164/07

20.03.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch die Richterin am Kammergericht Zillmann als Vorsitzende, den Richter am Kammergericht Dr. Vossler und die Richterin am Amtsgericht Abels am 20. März 2008 beschlossen:

Tenor:

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 21. Februar 2008 gegen den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß und die Richter am Kammergericht Spiegel und Dr. Wimmer wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nahm den Beklagten auf Räumung der von diesem im Hause ... in ... inne gehaltenen Büroräume in Anspruch, die sie an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten, Rechtsanwalt Dr. ... , vermietet hatte und die der Beklagte nach seinen Angaben seinerseits von Dr. ... gemietet hatte.

Die Klägerin hat das Hauptmietverhältnis gekündigt und gegen Dr. ... ein Räumungsverfahren vor dem Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 32 O 318/06 betrieben. Das Landgericht hat Dr. ... im dortigen Verfahren zur Räumung verurteilt; die Berufung von Dr. ... hat der Senat durch einstimmigen Beschluss vom 15. November 2007 - 12 U 7/07 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde von Dr. ... hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin durch Beschluss vom 17. Dezember 2007 einstimmig verworfen - VerfGH 188/07 und 188 A/07.

Das Landgericht hat den Beklagten durch am 3. August 2007 verkündetes Urteil zur Räumung verurteilt, gegen das der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. August 2007 Berufung eingelegt hat.

Mit Beschluss vom 7. Januar 2008 hat der Senat durch die abgelehnten Richter den Beklagten darauf hingewiesen, dass er nach Vorberatung beabsichtige, die Berufung des Beklagten durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie weder nach dem Hauptantrag noch nach dem Hilfsantrag Aussicht auf Erfolg habe, da die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis richtig sei.

Dabei hat der Senat ausgeführt, dass sich der Beklagte nicht darauf stützen könne, dass das Landgericht entscheidungserhebliche Tatsachen fehlerhaft festgestellt habe, da das Landgericht den Tatbestand durch Beschluss vom 25. September 2007 wegen offensichtlicher Unrichtigkeit berichtigt habe. Ebenfalls rechtsfehlerfrei habe das Landgericht eine Berechtigung von ... angenommen, die Klägerin zu vertreten. Schließlich könne sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass das Landgericht unter Verletzung seines Grundrechts auf rechtliches Gehör eine Überraschungsentscheidung erlassen habe, indem es den Prozessstoff aus dem Verfahren gegen den Hauptmieter Dr. ... eingeführt und in seinem Urteil verwertet habe. Weiterhin ist in dem Beschluss ausgeführt, dass es dem Beklagten oblegen hätte, zum Fortbestand des Hauptmietverhältnisses vorzutragen, auf dem sein behauptetes Mietverhältnis beruhen soll.

Weiterhin ist ausgeführt, dass der Senat dem Argument des Beklagten, ihm sei der Sachvortrag aus dem Parallelverfahren weitgehend unbekannt gewesen, nicht folge. Der jetzt im Berufungsverfahren mitgeteilte Vortrag des Beklagten hätte seiner Rechtsverteidigung auch erstinstanzlich nicht zum Erfolg verholfen, da diese Argumente, die dem Senat bereits aus dem Parallelverfahren 12 U 7/07 bekannt seien, nicht die Auffassung rechtfertigten, das Hauptmietverhältnis bestehe fort.

Die Beschlüsse aus dem Parallelverfahren 12 U 7/07 vom 1. Oktober 2007, 15. November 2007 und 29. November 2007, die dem Prozessbevollmächtigten des hiesigen Beklagten als dortiger Prozesspartei bekannt gewesen seien, hat der Senat dem Beschluss in der Anlage beigefügt.

Der Beklagte lehnt die an dem Beschluss beteiligten Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab und trägt hierzu vor:

Es habe schon im Parallelverfahren die Besorgnis bestanden, dass der Senat unter für den konkreten Fall nicht indizierter Heranziehung der Verfahrensgestaltung des § 522 Abs. 2 ZPO "kurzen Prozess" machen wolle.

Auch in dem Parallelverfahren habe der Senat die - insoweit zutreffende - Auffassung vertreten, dass die Begründung des Landgerichts zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung (vermeintliche Nichtzahlung der Mietsicherheit) rechtlich nicht haltbar sei und statt dessen eine vollkommen andere Begründung (angeblicher Mietrückstand wegen fehlendem Leistungsverweigerungsrecht) herangezogen.

Auch vorliegend beabsichtige der Senat erkennbar erneut "kurzen Prozess" zu machen und die Berufung des Beklagten nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und verweise ihn hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit der Kündigung auf diverse Beschlüsse in dem Verfahren gegen seinen Prozessbevollmächtigen, an dem er nicht beteiligt war und von dem er auch keinerlei Aktenkenntnis habe.

Diese Vorgehensweise begründe die Annahme, dass die Mitglieder des Senats voreingenommen seien und nicht unparteiisch entscheiden würden.

Die abgelehnten Richter haben zu dem Ablehnungsgesuch jeweils eine dienstliche Äußerung abgegeben. Auf die Erklärungen vom 22. und 25. Februar 2008, Bl. 52-56 Bd. II der Akten, wird verwiesen.

In seiner Stellungnahme zu dem Hinweisbeschluss des Senats vom 21. Februar 2008 hat der Beklagte mitgeteilt, dass er die streitgegenständlichen Mieträume zwischenzeitlich geräumt habe.

Die Klägerin hat in ihrer Stellungnahme vom 12. März 2008 zu dem Ablehnungsgesuch mitgeteilt, dass zwischenzeitlich die Zwangsräumung und Zwangseinweisung in die Mieträume erfolgt sei.

II.

Das zulässige Ablehnungsgesuch ist unbegründet.

Weder die Prozessführung, noch der Inhalt des Beschlusses des Senats vom 7. Januar 2008 sind geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter zu rechtfertigen.

Eine Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO setzt objektive Gründe voraus, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller-Vollkommer, 26. Aufl., § 42 ZPO, Rn 9 m.w.N.). Solche Gründe sind von dem Beklagten nicht vorgebracht worden.

1. Soweit der Beklagte rügt, die abgelehnten Mitglieder des Senats wollten offenbar "kurzen Prozess" machen, indem sie in einem dafür nicht geeigneten Fall eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO beabsichtigten, begründet dies bereits deshalb keine Besorgnis der Befangenheit, weil der Beklagte keine ausreichenden Gründe dafür vorträgt, dass eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht ergehen kann.

Soweit er meint, dies sei deshalb der Fall, weil der Senat der Begründung des Landgerichts nicht folge, sondern die Berufung vielmehr mit einer anderen materiellen Begründung zurückweisen wolle, ist dies nicht zu beanstanden. Grundsätzlich darf auch in einem nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu entscheidenden Fall die rechtliche Begründung ausgewechselt werden (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, 26. Aufl., § 522 ZPO, Rn 36; OLG Hamburg, Beschluss vom 10. Mai 2005 - 14 U 154/04 - NJW 2006, 71; Senat, Beschluss vom 29. November 2007 - 12 U 20/07 -), ebenso wie dies in jeder Entscheidung des Berufungsgerichts möglich ist. Die Entscheidung des Erstgerichts beruht nämlich nur dann auf einem Rechtsfehler (§§ 513, 546 ZPO), wenn bei der Verletzung des materiellen Rechts die richtige Anwendung zu einem dem Berufungsführer günstigen Ergebnis führen würde (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, 26. Aufl., § 513 ZPO, Rn 5). Dies ist nicht der Fall, wenn die Entscheidung des Erstgerichts im Ergebnis richtig ist (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 11. März 2003 - 3 U 28/03 - MDR 2003, 1073).

2. Soweit der Beklagte sein Ablehnungsgesuch zudem damit begründen will, dass die abgelehnten Richter atypisch vorbefasst gewesen seien und dies unter Umständen zu einer endgültigen Festlegung geführt habe, die einer unvoreingenommenen Entscheidung der hiesigen Sache entgegen stehe, ist dies ebenfalls nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

Die von dem Beklagten geltend gemachte Vorbefassung der abgelehnten Richter bestand darin, dass sie bezüglich des selben Mietobjektes bereits eine Entscheidung hinsichtlich des Hauptmietvertrages getroffen hatten. Eine derartige Vorbefassung ist insbesondere bei Gerichten mit Spezialsenaten für unterschiedliche Rechtsmaterien, wie vorliegend dem gewerbliche Mietrecht, nicht atypisch, sondern zwangsläufig häufig gegeben. Derartige Fälle der prozessrechtlich typischen Vorbefassung stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar (vgl. Zöller/Vollkommer, 26. Aufl., § 42 ZPO, Rn 15 m.w.N.).

3. Schließlich stellt auch der Hinweis auf das Parallelverfahren und die deshalb bei den beteiligten Richtern bereits bestehende Kenntnis über die auch dort schon vorgetragenen rechtlichen Argumente kein Vorgehen dar, welches die Besorgnis der Befangenheit begründen könnte.

Der Hinweis auf die bereits erfolgte rechtliche Auseinandersetzung mit den im wesentlichen gleichen rechtlichen Argumenten enthält im Rahmen des rechtlichen Gehörs den Hinweis an den Beklagten, dass der Senat seine Rechtsauffassung zu dem gleich gelagerten Themenkomplex im vorliegenden Fall nicht geändert hat, sondern an der aus den für den Beklagten beigefügten Beschlüssen ersichtlichen Auffassung festhalten will.

Der Hinweis auf die bereits erfolgte obergerichtliche Entscheidung von Rechtsfragen ist gängige Praxis und der Hinweis auf frühere Entscheidungen eines Gerichtes gibt den Parteien die Möglichkeit die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels einzuschätzen.

Das Ablehnungsverfahren ist kein Instrument der Fehlerkontrolle, weshalb es auf eine etwaige Fehlerhaftigkeit der im Rahmen des Hinweises mitgeteilten Rechtsauffassung grundsätzlich nicht ankommt (Zöller-Vollkommer, aaO, Rn 28 m.w.N.). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn dargetan ist, dass die Fehlerhaftigkeit auf Willkür oder einer Voreingenommenheit beruht. Dies ist weder ersichtlich, noch mit dem Befangenheitsgesuch nachvollziehbar begründet.

4. Die im ergänzenden Schriftsatz des Beklagten vom 5. März 2008 enthaltene Kritik an dem Inhalt der dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter ist nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Soweit der Beklagte meint, die abgelehnten Richter hätten sich in ihren dienstlichen Äußerungen nicht in ausreichendem Maße mit seinem Vorbringen in der Sache auseinander gesetzt und seien insbesondere auch nicht auf die Besonderheiten der Fallkonstellation eingegangen, liegt, wie oben bereits dargelegt, eine besondere Fallkonstellation nicht ersichtlich vor und haben sich die abgelehnten Richter im Übrigen in ihren dienstlichen Äußerungen ausdrücklich zur Frage der Anwendbarkeit des § 522 Abs. 2 ZPO im vorliegenden Fall erklärt und auch zu dem Vorwurf Stellung genommen, sie würden zu Lasten des Beklagten "kurzen Prozess" machen wollen. Die dienstlichen Äußerungen entsprechen dem Erfordernis des § 44 Abs. 3 ZPO und lassen ihrerseits keine Gründe erkennen, die für den Beklagten eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter begründen könnten.

Ende der Entscheidung

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