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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 04.09.2006
Aktenzeichen: 12 U 224/04
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Der Fahrlehrer hat dafür zu sorgen, dass dem Fahrschüler (hier: 1,59 m große Frau auf Motorrad) keine Aufgaben gestellt werden, die er nicht bewältigen kann, weil sie dessen Ausbildungsstand oder Fähigkeiten (noch) nicht entsprechen. Diese Pflicht ist nicht schon dadurch verletzt, dass der Fahrlehrer in der 4. Doppelstunde ein anderes, etwas größeres Motorrad (Yamaha Virago statt bisher Honda Rebel) als Schulungsfahrzeug auf einem Übungsgelände einsetzt, dessen Bedienungshebel für Kupplung und Bremse kaum messbare Unterschiede in ihren Abmessungen aufweisen. In einem solchen Fall muss es sich dem Fahrlehrer - auch nicht nach Mitteilung des Schülers, er komme mit den Hebeln der größeren Maschine schlechter klar - aufdrängen, dass der Schüler allein wegen der geringen Abweichungen nicht in der Lage sein würde, das Motorrad nach einer kurzen Fahrt (10m - 40m) das Motorrad ordnungsgemäß anzuhalten; er haftet daher nicht für die Folgen eines Sturzes, der dadurch verursacht wurde, dass der Schüler statt zu bremsen plötzlich Gas gegeben hat.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 224/04

verkündet am : 4. September 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2006 durch die Richterin am Kammergericht Zillmann als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 9. August 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 291/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld auf Grund des Unfalls, den sie am 20. bzw. 21. Mai 2003 mit einem Kraftrad während der Übungsstunde erlitten hat, zusteht.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt und auch richtig erkannt, dass diese im vorliegenden Fall nicht gegeben waren.

Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2. ergibt sich weder aus der Tatsache, dass dieser die Klägerin in der 3. bzw. 4. Doppelstunde unangekündigt mit einer größeren Maschine, der Yamaha Virago 535 DX, als Schulungsfahrzeug konfrontierte, noch daraus, dass er die Kläger nach deren anfänglichem Zögern ermutigte, mit diesem Kraftrad auf dem Übungsgelände loszufahren.

a. Das Kraftrad Yamaha Virago war entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer Körpergröße von lediglich 1,59 cm für sie nicht grundsätzlich ungeeignet.

Der durch das Berufungsgericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. Ulrich Wnnnn hat in seinem nachvollziehbaren, ausführlichen Gutachten vom 21. Februar 2006, dem sich das Gericht anschließt, ausgeführt, dass die Klägerin bei der durch ihn durchgeführten Sitzprobe mit beiden Fußballen gleichzeitig den Boden erreichen konnte, als sie auf dem Fahrersitz der Maschine, der eine Höhe von 73 cm hat, aufsaß. Sie sei auch in der Lage gewesen, das Motorrad selbständig senkrecht in der Balance zu halten.

In seiner mündlichen Anhörung vom 4. September 2006 hat der Sachverständige zwar auch ausgeführt, dass bei bspw. Straßenunebenheiten für den Fahrer keine Reserve mehr vorhanden sei, wenn er lediglich mit den Fußballen und nicht mit der ganzen Fußsohle den Boden erreichen könne. In diesem Fall sei es erforderlich, dass der Fahrer die Maschine leicht seitlich neige um mit einem Fuß vollflächig den Boden berühren zu können. Dies sei jedoch, wie der Sachverständige weiter ausführte, vorliegend für den Unfall unerheblich und nicht ursächlich gewesen.

Die Klägerin konnte ihre Behauptung, sie sei auf Grund ihrer kleinen Hände nicht in der Lage gewesen, die Kuppplungs- und Bremshebel der Yamaha ordnungsgemäß zu bedienen, ebenfalls nicht erfolgreich unter Beweis stellen.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen ergaben sich hinsichtlich der Abmessungen der Hebel an dem Kraftrad Yamaha Virago und dem Kraftrad Honda Rebel 125, welches die Klägerin auch nach ihrem eigenen Vorbringen ohne Probleme zu bedienen in der Lage war, keine messbaren Unterschiede. Wie der Sachverständige auf S. 4, 5 seines Gutachtens ausführt, sind die Hebel an beiden Maschinen sowohl hinsichtlich des Abstandes vom Lenkergriff, als auch hinsichtlich des erforderlichen Kraftaufwandes zur Betätigung vergleichbar. Unterschiede bestanden nach den Angaben des Sachverständigen lediglich im Material der beiden Lenkergriffe, wobei der Griff der Honda Rebel vom Material her glatter ist und dieser in der Handhabung subjektiv damit möglicherweise einfacher erscheint.

Damit bestand für den Beklagten zu 2. kein Anlass davon auszugehen, die von ihm zu der Fahrstunde mitgebrachte Yamaha Virago werde für die Klägerin ungeeignet sein. Dies gilt auch dann, wenn - nach den Ausführungen des Sachverständigen denkbar - die Brems- und Kupplungshebel der Honda Rebel subjektiv einfacher zu bedienen sein sollten. Insoweit ist bereits fraglich, ob dies für alle Fahrer gleichermaßen gelten wird. Jedenfalls handelt es sich um derart geringe Bedienungsabweichungen, dass sie dem Beklagten zu 2. keine Veranlassung geben mussten, das Kraftrad als grundsätzlich ungeeignet ansehen zu müssen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der auf den Bildern 8, 9, 10, 14 und 15 sowie 21-26 des Gutachtens vom 21. Februar 2006 ersichtlichen leichten Unterschiede in der Handhaltung durch die Klägerin. Diese sind erkennbar derart minimal, dass sie für die Frage, ob das eine Motorrad für die Klägerin im Vergleich zu dem anderen Motorrad erkennbar ungeeignet ist, nicht ausschlaggebend sein können. Darauf hat auch der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung hingewiesen.

b. Der Beklagte zu 2. handelte auch nicht pflichtwidrig, als er die Klägerin aufforderte, auf dem größeren Kraftrad aufzusitzen und loszufahren. Dies gilt auch, wenn die Klägerin zunächst geäußert haben mag, dass sie Bedenken wegen der Handhabung der Kupplungs- und Bremshebel habe.

Der Fahrlehrer hat im Rahmen der ihm obliegenden Ausbildung dafür Sorge zu tragen, dass dem Fahrschüler keine Aufgaben gestellt werden, die er nicht oder noch nicht bewältigen kann, weil sie dem Ausbildungsstand oder den Fähigkeiten nicht entsprechen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 5. April 2005 - 9 U 41/03 -, VRS 109, 161).

Dem ist der Beklagte zu 2. vorliegend gerecht geworden. Nach dem unstreitigen Vorbringen handelte es sich um jedenfalls die vierte Doppelunterrichtsstunde. Die Klägerin hatte in den Unterrichtsstunden zuvor einen Ausbildungsstand erreicht, der es ihr ermöglichte das etwas kleinere Kraftrad sicher zu fahren, wobei sie nach ihren eigenen Angaben allein beim ruckartigen Bremsen noch ein Unsicherheitsgefühl hatte. Wenn der Beklagte zu 2. bei diesem Ausbildungsstand der Klägerin diese zu Beginn jedenfalls der vierten Doppelstunde der praktischen Ausbildung auffordert, mit einer leicht größeren Maschine auf dem Übungsgelände langsam anzufahren, so liegt darin keine eine Haftung begründende Pflichtverletzung.

Auch wenn die Klägerin ihm gegenüber angegeben hatte, mit den Hebeln der größeren Maschine schlechter klarzukommen, als mit denjenigen der kleineren Honda Rebel, die sie bisher gefahren hatte, musste dies für den Beklagten keine Veranlassung geben, von seiner Aufforderung, die Klägerin möge erst einmal losfahren, Abstand zu nehmen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die messbaren und äußerlich erkennbaren Unterschiede der Anordnung der Hebel derart gering waren, dass der Sachverständige Wnnn r sie als kaum messbar eingeordnet hatte.

Wenn die Klägerin nach einem ersten Anfahren und wieder Anhalten ihre erste Einschätzung, sie habe bei der Bedienung der Kupplungs- und Bremshebel kein gutes Gefühl, bestätigt hätte, so wäre der Beklagte zu 2. sicher gehalten gewesen, dies zu überprüfen, bevor er mit der Klägerin auf dieser Maschine weitere Fahrübungen bzw. gar ein Fahren im öffentlichen Straßenverkehr durchgeführt hätte.

Dass die Klägerin jedoch allein auf Grund der geringen Abweichungen nicht in der Lage sein würde, das Motorrad nach einem kurzen Anfahren - es handelte sich nach ihrer eigenen Einlassung um eine Fahrstrecke von etwa 10 Metern, nach den Angaben des Beklagten zu 2) um etwa 30 bis 40 Meter - ordnungsgemäß zum Stillstand zu bringen, musste sich dem Beklagten zu 2) nicht aufdrängen, hiermit konnte und musste er nicht rechnen.

Schließlich ereignete sich der Unfall nach dem unstreitigen Vorbringen dadurch, dass die Klägerin statt zu Bremsen, plötzlich Gas gegeben hat. Insoweit ist auch ein Zusammenhang mit der Frage der Erreichbarkeit der Brems- bzw. Kupplungshebel fraglich.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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