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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 12 U 25/08
Rechtsgebiete: ZPO, HGB


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 707 Abs. 1
ZPO § 719 Abs. 1
ZPO § 105 Abs. 2
HGB § 128
HGB § 129 Abs. 4
1. Droht die Zwangsvollstreckung aus einem ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbaren, mit der Berufung angegriffenen Räumungsurteil vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, kann bei der Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung die Erfolgsaussicht der Berufung nicht entscheidend berücksichtigt werden, wenn noch keine abschließende Berufungsbegründung vorliegt.

2. Bei der Beurteilung der Fähigkeit einer OHG als Beklagter, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden zu können, kommt es nur auf die Vermögenslage der Gesellschaft an, nicht aber auf die der Gesellschafter.

3. Zum nicht zu ersetzenden Nachteil i.S. des § 707 ZPO wegen Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz im Falle der Räumung des Geschäftslokals (Hotel) als einziger Einnahmequelle der Beklagten.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 25/08

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht S als Vorsitzenden, die Richterin am Kammergericht Z und den Richter am Kammergericht Dr. W am 30. April 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Es wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.

3. Der Beschluss des Senats vom 28. Februar 2008 (Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem am 10. Januar 2008 verkündeten Räumungsurteil des Landgerichts Berlin - 32 O 644/07 - ohne Sicherheitsleistung) wird aufgehoben.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

A. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann eine Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Prüfungsgegenstand des Berufungsgerichts ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zunächst die Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts und der darauf gestützten Rechtsanwendung. Darüber hinaus neu vorgetragene Tatsachen darf das Berufungsgericht seiner Entscheidung nur zugrundelegen, wenn ihre Berücksichtigung zulässig ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

B. Derartige Voraussetzungen für den Erfolg der Berufung kann der Senat nicht feststellen.

I. Die Berufung hat nach dem Hauptantrag (Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache) unter keinem der von der Beklagten genannten Gesichtspunkte Aussicht auf Erfolg.

1. Formal und in der Sache rechtsfehlerfrei hat die Richterin am Landgericht Janzon den im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Januar 2008 von der Beklagten gestellten Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich angesehen, selbst darüber entschieden und sodann als zuständige Einzelrichterin in der Sache geurteilt.

a) Eine falsche Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts stellt - zumal angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie des gesetzlichen Richters - einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf entsprechenden Antrag einer Partei eine Zurückverweisung rechtfertigen kann, wenn nunmehr eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme erforderlich ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 67. Aufl. 2008, § 538 ZPO, Rn. 14). Da wegen der Beendigung der ersten Instanz eine Überprüfung der Befangenheitsentscheidung des Landgerichts im Beschwerdewege nicht möglich war (das Kammergericht hat die entsprechende sofortige Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 14. Februar 2008 als unzulässig verworfen - 15 W 8/08 -), ist die Befangenheitsrüge, deren Berechtigung eine unzulässige Gerichtsbesetzung zur Folge hätte, inzident im Rahmen der Berufung zu prüfen.

b) Das Landgericht war nicht falsch besetzt; die Richterin am Landgericht J war vielmehr als Einzelrichterin zur Entscheidung berufen.

(1) Einen Anlass für die Beklagte, die Befangenheit der Richterin zu besorgen, vermag der Senat aus dem Sachvortrag der Beklagten und aus dem Akteninhalt nicht festzustellen.

(a) Eine Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO setzt objektive Gründe voraus, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage 2007, § 42 ZPO, Rn. 9 m.w.N.). Eine grobe Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder unfaire Verfahrensleitung können die Besorgnis der Befangenheit begründen (Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 24 m.w.N.).

(b) Die Verfahrensleitung durch die erstinstanzliche Richterin ist unter dieser Vorgabe nicht zu beanstanden.

Aus der Verfahrensleitung der Richterin am Landgericht J sind Befangenheitsgründe nicht abzuleiten.

Die Beklagte hat sich zur Begründung für ihren im Termin vom 10. Januar 2008 gestellten zweiten Befangenheitsantrag auf ihre Beschwerdebegründung vom 9. Januar 2008 bezogen. Darin hat sie als Zeichen von Befangenheit angesehen, dass die Richterin zu ihrem Nachteil bei der Festsetzung des Termins einen Fehler gemacht habe und dass sie durch Beiziehung der Akten des Verfahrens 32 O 395/05 den Fortgang dieses Verfahrens verschleppt habe.

Beide Gesichtspunkte erfüllen die Voraussetzungen des § 42 ZPO nicht.

Der Beklagten ist durch Eingangsverfügung vom 26. Oktober 2007 (Richterin am Landgericht Kellert) eine Frist zur Verteidigungsanzeige binnen zwei Wochen sowie eine weitere Frist von zwei Wochen zur Klageerwiderung gesetzt worden. Fristbeginn war mit Zustellung am 1. November 2007. Sodann hat die Richterin am Landgericht J Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27. November 2007 bestimmt, also auf einen Zeitpunkt vor Ablauf der Erwiderungsfrist.

Auf entsprechenden Hinweis des Beklagtenvertreters vom 14. November 2007, verbunden mit einem Terminsverlegungsantrag, hat die Richterin J den Termin auf den 20. Dezember 2007 verlegt mit der Begründung, es sei bei der Terminierung übersehen worden, dass die Erwiderungsfrist am 29. November 2007 ablaufe. Sie ist also dem Begehren der Beklagten nachgekommen. Mit Schriftsatz vom 27. Nov. 2007 hat die Beklagte unter Hinweis auf eine Verhinderung ihres Prozessbevollmächtigten auch die Verlegung des Termins vom 20. Dezember 2007 beantragt. Auch diesem Verlegungsantrag ist die Richterin nachgekommen und hat den Termin auf den 10. Januar 2007 bestimmt. Die entsprechende Umterminierung ist dem Beklagtenvertreter am 3. Dezember 2007 zugegangen.

Dieser Geschehensablauf rechtfertigt es nicht, an der Unvoreingenommenheit der Richterin J gegenüber der Beklagten zu zweifeln. Bereits die erste Terminierung stellt - isoliert betrachtet - lediglich einen Fehler dar, der keinen Schluss auf eine Befangenheit erlaubt. Erst recht verbietet sich diese Annahme unter Berücksichtigung des weiteren Ablaufes. Die Richterin hat den erkannten Fehler sofort korrigiert; nachteilige Folgen für die Beklagten sind nicht verblieben. Sodann hat sie ein weiteres Mal den Termin verlegt, und zwar ausschließlich im Interesse einer sachgemäßen rechtlichen Vertretung der Beklagten.

Für die zuvor im ersten Befangenheitsantrag der Beklagten vom 5. Januar 2008 geäußerte Vermutung, die Richterinnen Kellert und J hätten sich abgesprochen, um die Räumungsklage so schnell wie möglich durchzuziehen und den Rechtsstreit zu Miethöhe möglichst zu verschleppen, besteht nicht der geringste Anhaltspunkt; die Beklagten haben hierzu auch nichts vorgetragen. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Annahme der Beklagten, ihr Aussetzungsantrag sei schon vor dem Termin vor dem Landgericht abschlägig beschieden worden, ist falsch. Die Richterin hat im Hinweis vom 6. November 2007 lediglich nach Maßgabe des § 139 ZPO einen Hinweis zur Aufrechnung durch die Beklagte gegeben. Vom Aussetzungsantrag ist dort nicht die Rede.

Ebensowenig kann die Beklagte aus der Beiziehung der Akten des Verfahrens 32 O 395/06 einen Befangenheitsgrund ableiten.

Sie selbst hat durch ihren Prozessbevollmächtigten auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 2. November 2007 im Hinblick auf den Aussetzungsantrag die Beiziehung dieser Akten beantragt. Dem ist die Richterin pflichtgemäß nachgekommen. Es war nicht Aufgabe der Richterin, zu prüfen, ob und wie sich das auf den Fortgang des Verfahrens 32 O 395/06 ausgewirkt hat. Der Vorwurf einer Verschleppung des Parallelverfahrens zu Lasten der Beklagten geht daher ins Leere.

Die Besorgnis der Befangenheit lässt sich ferner nicht damit begründen, dass die Richterin am Landgericht J über die Befangenheitsanträge der Beklagten vom 5. sowie vom 10. Januar 2008 selbst entschieden hat, statt eine Entscheidung nach § 45 Abs. 1 ZPO ohne ihre Beteiligung zu veranlassen.

Es entspricht einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung, dass unter bestimmten engen Voraussetzungen der abgelehnte Richter selbst über einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag entscheiden darf. Ein Grund für eine zulässige Selbstentscheidung liegt vor, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich ist, weil es nur der Verschleppung des Verfahrens dienen soll (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 45 ZPO, Rn. 4 m.w.N. zur umfangreichen Rechtsprechung).

Ein solcher Fall liegt hier vor.

Die von der Beklagten genannten Befangenheitsgründe sind völlig substanzlos. Die Richterin ist pflichtgemäß den Anträgen der Beklagten zur Terminsverlegung gefolgt. Sie hat - wie in Fällen der unabwendbaren Verhinderung eines Anwalts nach § 227 ZPO möglich und geboten - berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigte an dem zunächst zur Verhandlung vorgesehenen 20. Dezember 2007 wegen eines anderen Gerichtstermins verhindert war und einen neuen Termin festgesetzt (vgl. zu diesem Verlegungsgrund Zöller/Stöber, a.a.O., § 227 ZPO, Rn. 6 m.w.N.). Das hat die Beklagte über einen Monat nach Kenntnis des neuen Termins nicht beanstandet, sondern erst kurz vor dem Termin als Befangenheitsgrund genannt.

Das zur Berufungsbegründung vorgetragene Argument, in ihrem Beschluss vom 9. Januar 2008 habe die Richterin inhaltlich gegen den Vorwurf der Befangenheit argumentiert und so sichtbar gemacht, dass die vorgetragenen Ablehnungsgründe doch substantiell gewesen seien, überzeugt den Senat nicht, sondern vertieft den Eindruck eines widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten an diesem Punkt: Die vorgetragenen Befangenheitsgründe gewinnen nicht dadurch an Substanz, dass die Richterin sie als substanzlos angesehen und dies geäußert hat.

Ebensowenig kann die Beklagte erfolgreich darauf verweisen, aus ihrer Laiensicht habe sie keine Vorstellung von den Vertretungsregelungen in der Kammer gehabt, so dass sie eine Absprache der Richterinnen habe annehmen dürfen. Prüfungsmaßstab bei Befangenheit ist eine "vernünftige" Betrachtungsweise. Die Beklagte war während des gesamten Geschehens anwaltlich vertreten. Ihr Prozessbevollmächtigter war im Termin am 10. Januar 2008 bei Wiederholung des Befangenheitsgesuchs anwesend. Vernünftiger Weise hätte es nahegelegen, derartige Informationslücken über das Vorhandensein von Vertretungsregelungen in Kammern und die Praxis der Aktenbeiziehung zuvor in der Beratung mit dem Prozessbevollmächtigten zu schließen.

Die vom Landgericht angenommene Verschleppungsabsicht ergibt sich ohne weiteres aus dem Inhalt des Beklagtenvorbringens. Die Beklagte hat deutlich zu erkennen gegeben, dass es ihr wichtig ist, eine Entscheidung in der Räumungssache vor einer Entscheidung in der Miethöhesache zu vermeiden. Zu diesem Zweck hat sie mehrfach die Aussetzung des Verfahrens beantragt und - nachdem sie den unzutreffenden Eindruck gewonnen hatte, dieser Antrag sei bereits abgelehnt worden - im Termin erneut einen Befangenheitsantrag auf dieselben Gründe gestützt, mit denen sie bereits vorher erfolglos gewesen war. Der dargestellte Zeitablauf - Terminierung auf den 10. Januar 2008, der Beklagten bereits am 3. Dezember 2007 zugestellt, Befangenheitsantrag deswegen erst gut einen Monat später angesichts des herannahenden Termins - indiziert gleichfalls eine Instrumentalisierung des Befangenheitsantrages zur Prozessverzögerung.

2. Eine Zurückverweisung auf Grund pflichtwidrig unterlassener Verfahrensaussetzung durch das Landgericht wegen vorgreiflichen Rechtsstreits über die Miethöhe kommt nicht in Betracht.

a) Nach § 538 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht grundsätzlich selbst Beweis zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Zurückverweisung kommt nur in den Ausnahmefällen des Abs. 2 in Betracht, darunter dann, wenn ein wesentlicher Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Gerichts vorliegt und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist.

b) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Zurückverweisung nach jeder Fallvariante aus.

(1) Sollte der von der Beklagten behauptete Aussetzungsgrund (Vorgreiflichkeit) erstinstanzlich nicht vorgelegen haben, wäre dem Landgericht kein wesentlicher Verfahrensmangel insoweit vorzuhalten.

(2) Sollte der weiterhin nicht vom Landgericht abschließend entschiedene Miethöheprozess hingegen vorgreiflich im Sinne des § 148 ZPO sein, hätte der Senat im Hinblick darauf pflichtgemäß das Berufungsverfahren auszusetzen und anschließend nach § 538 Abs. 1 ZPO selbst zu entscheiden.

3. Im übrigen ist die Beklagte mit dem Argument, die erstinstanzliche Richterin sei befangen gewesen, auch deshalb erfolglos, weil selbst im Fall einer begründeten Besorgnis der Befangenheit eine Zurückverweisung dann nicht in Betracht kommt, wenn keine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. In diesem Fall muss das Berufungsgericht selbst entscheiden, ohne dass darin ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2008 - II ZR 313/06). Ein solcher Fall liegt hier vor, wie nachfolgend weiter dargelegt wird.

II. Die Berufung hat auch nach dem Hilfsantrag, also in der Sache selbst, keine Erfolgsaussicht.

1. Das Landgerichtsurteil beruht - insoweit unangefochten - auf einem zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt zur Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Mietrückstandes.

Nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine Kündigung gerechtfertigt, wenn der Mieter

a) für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Ob der Mieter in Verzug gerät, bestimmt sich nach § 286 BGB: Kein Verzug liegt vor, wenn der Rückstand auf einem Umstand beruht, den der Mieter nicht zu vertreten hat.

2. In zutreffender Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht die Räumungsklage als begründet angesehen.

a) Zu Recht hat das Landgericht (UA 5) angenommen, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Miete während der Klärung der nach Option für Vertragsverlängerung geschuldeten Miete fortbesteht.

Dies ist im Grundsatz unstreitig. Die Beklagte hebt in der Berufungsbegründung hervor, es gehe aus ihrer Sicht materiell zentral u.a. um die Frage, in welcher Höhe während des Prozesses über das Schiedsgutachten Miete geschuldet sei (Bl. 193). Damit ist außer Streit, dass die Beklagte während der Auseinandersetzung um die gutachterlich festzulegende Miethöhe nicht von der Mietzahlungspflicht befreit ist oder diese auch nur gestundet ist. Dementsprechend hat die Beklagte ab dem 15. Juli 2005 nach eigener Darstellung für insgesamt 22 Monate die Miete weitergezahlt.

Letztlich ergibt sich die Pflicht zur Weiterzahlung einer Miete auch im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) aus dem Mietvertrag vom 7. Juli 1995. Die Optionserklärung muss dem Vermieter nach § 2 Nr. 2 spätestens zwölf Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses zugehen. Im Hinblick auf die Regelung zum Schiedsgutachten in § 3 Nr. 3 deutet das nachdrücklich darauf hin, dass die Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, innerhalb dieser Jahresfrist - während derer noch die ursprünglich vereinbarte Miete zu zahlen war - eine abschließende Regelung zur neuen Miethöhe finden zu können. Dafür spricht zudem die Formulierung "Der vom Sachverständige ermittelte Mietzins ist ab dem Beginn des Optionszeitraums zu entrichten" in § 3 Nr. 3. Sie setzt eine Klärung der neuen Miethöhe vor Beginn des Optionszeitraumes voraus. Kein Anhaltspunkt dagegen findet sich im Vertrag für eine Stundung der Mietzahlung.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht einen kündigungsbegründenden Rückstand i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB angenommen, denn die Beklagte hat in der fraglichen Zeit - Juni bis September 2007 sowie im Januar 2007 - weder unmittelbar auf ihre Mietschuld gezahlt noch kommen ihr - mittelbar - vorher geleistete Zahlungen mit Erfüllungswirkung zu Gute.

(1) In der genannten Zeit hat die Beklagte die von ihr angegebene Mindestmiete unstreitig nicht nach Maßgabe des § 3 Nr. 4 Mietvertrag gezahlt (mtl. im voraus, spätestens am fünften Werktag des betreffenden Monats).

Dies gilt auch für die Januarmiete 2007. Zwar hat die Beklagte in ihrer Zahlungsaufstellung im Schriftsatz vom 27. November 2007 (dort Seite 4) nachträglich ihre Zahlung vom 1. Februar 2007 dem Monat Januar 2007 zugeordnet. Für diese nachträgliche Tilgungsbestimmung fehlt jedoch eine Grundlage, da die Zahlung infolge der genannten Vertragsklausel bei ihrem Eingang eindeutig dem Monat Februar 2007 zuzuordnen war.

(2) Die Mietschuld ist nicht durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Rückforderungsanspruch wegen überzahlter Miete gegen Mietzinsforderung für die genannten Monate erloschen, denn die Beklagte hat eine als Aufrechnungserklärung zu verstehende Willenserklärung ausdrücklich nicht abgegeben.

Zwar hat sie zunächst vorgerichtlich im Anwaltsschriftsatz vom 1. Oktober 2007 (K 3) die Aufrechnung erklärt. Sie hat jedoch im Rechtsstreit bereits vor dem Landgericht (Schriftsatz vom 27. November 2007) klargestellt, dass es sich nicht um eine Aufrechnungserklärung im Rechtssinne handeln sollte. Auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Aufrechnung mit strittigen oder nicht rechtskräftig festgestellten Forderungen in § 18 Ziff. 1 des Mietvertrages, auf das Landgericht (UA 4) hingewiesen hat, kommt es in diesem Zusammenhang daher nicht an.

(3) Es ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten keine Erfüllung durch vorzeitige Zahlung i.S.d. § 271 BGB eingetreten. Der Senat folgt der entsprechenden Würdigung durch das Landgericht.

(a) Zutreffend hat das Landgericht auf den Unterschied zwischen der Zweckbestimmung anlässlich der Zahlung und der Wirkung einer vorzeitigen Zahlung hingewiesen (UA Seite 4).

Für die Anrechnung einer Leistung auf eine Schuld zwecks Erfüllung kommt es zunächst auf die jeweilige Tilgungsbestimmung des Schuldners an (vgl. BGH, NJW 1989, 1792). Subsidiär greifen gesetzliche Anrechnungsregelungen ein, §§ 366, 367 BGB (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl. 2008, § 366 BGB, Rn. 4 ff.). Maßgeblich ist die Tilgungsbestimmung bei der Leistung. Eine spätere einseitige Bestimmung ist unwirksam. Eine wirksame nachträgliche Tilgungsbestimmung durch den Leistenden kommt allenfalls in Betracht, wenn die Parteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben, etwa indem der Leistende bei der Zahlung einen Verrechnungsvorbehalt ausdrücklich erklärt hat und der Leistungsempfänger dem jedenfalls konkludent zugestimmt hat (vgl. OLG Frankfurt, VersR 1971, 186; Staudinger/Olzen, BGB, Neubearbeitung 2006, § 366 BGB, Rn. 32). Eine entsprechende spätere Verrechnungserklärung muss dann in angemessener Frist abgegeben werden, sonst bleibt es bei der gesetzlichen Verrechnungsregelung nach § 366 BGB (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 366 BGB, Rn. 4a).

Von der Tilgungsbestimmung ist die Frage nach der Tilgungswirkung der Leistung zu unterscheiden, also etwa der vorzeitigen Erfüllbarkeit einer Schuld (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 271 BGB, Rn. 1).

Im Zweifel darf ein Schuldner, auch wenn eine Leistungszeit bestimmt ist, die Leistung vor dieser Zeit bewirken. Das ergibt sich aus der Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 BGB. Eine Tilgungswirkung der vorzeitigen Leistungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit scheidet aus, falls sich aus dem Gesetz, aus einer Vereinbarung der Parteien oder aus dem Umständen ergibt, dass der Schuldner nicht berechtigt sein soll, die Leistung schon vor der Zeit zu erbringen (BGHZ 123, 49; auch MüKoBGB/Krüger, 5. Aufl. 2007, § 271 BGB, Rn. 5, 35). Die Anwendung der Vorschrift auf Dauerschuldverhältnisses ist problematisch (dazu Esser/Schmidt, Schuldrecht I 1, 7. Aufl. 1992, S. 256 ff.), aber möglich: Der BGH hat bei Ruhegehaltsansprüchen aus dem Versorgungszweck dieser Zahlungen eine Begrenzung der Vorauszahlungen auf sechs Monate abgeleitet (BGH, NJW-RR 2006, 1185).

Eine Leistung unter Vorbehalt bewirkt eine Erfüllung ansonsten nur dann, wenn der Schuldner nur die Wirkungen des § 814 BGB ausschließen und sich eine Rückforderung gemäß § 812 BGB für den Fall vorbehalten will, dass er das Nichtbestehen der Forderung beweist (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 362 BGB, Rn. 14 m.w.N.).

(b) Danach ist die Beklagte mit ihrem Argument einer anteiligen vorzeitigen Zahlung auf spätere Mietschulden i.S.d. § 271 BGB ("für zehn Monate im Voraus bezahlt") in mehrfacher Weise erfolglos.

Eine entsprechende Tilgungsbestimmung der Beklagten ist auch für später entstehende Schulden im Wege der Auslegung nicht erkennbar.

Eine ausdrückliche Erklärung des Inhalts, die Zahlungen sollten (auch) für Folgemieten gelten, hat die Beklagte nicht abgegeben. Nach den Umständen (Zahlungszeitpunkt unter Berücksichtigung der Fälligkeitsregelung nach § 3 Nr. 4 des Mietvertrages) waren vielmehr aus der maßgeblichen Empfängerperspektive die Zahlungen auf die Miete des Monats zu verrechnen, in dem sie eingegangen sind. Gegen die Übertragung eines "Mietguthabens" auf Folgemonate spricht ferner der mit der Zahlung jeweils verbundene Rückforderungsvorbehalt: Diesem ist gerade nicht zu entnehmen, dass ein möglicher Überschuss bei der Klägerin verbleiben sollte, sondern die Ankündigung der Beklagten, ihn zurückzuverlangen.

Eine Auslegung der Vorbehaltserklärung als Verrechnungsvorbehalt scheitert schon an der erforderlichen Vereinbarung der Parteien hierzu (OLG Frankfurt, VersR 1971, 186). Da die Klägerin durchgängig die Auffassung verfolgt hat, die Mietforderung sei in Zahlungshöhe berechtigt, lässt sich ihre stillschweigende Entgegennahme der Zahlungen nicht als das Einverständnis mit einer nachträglichen anderweitigen Zuordnung der Zahlung durch die Beklagte verstehen.

Gegen die konkludente Vereinbarung eines Verrechnungsvorbehaltes spricht ferner die Klausel in § 18 des Mietvertrages zur Beschränkung der Aufrechnung mit streitigen oder nicht rechtskräftig festgestellten Forderungen. Eine Befugnis der Beklagten, nachträglich durch einseitige Erklärungen geleistete Zahlungen anderweitig zuzuordnen, läuft praktisch auf Dasselbe hinaus. Es verbietet sich daher (zumal angesichts der Schriftformklausel in § 20 des Vertrages), eine stillschweigende Abweichung von dieser Vereinbarung anzunehmen. Schließlich kommt ein Verrechnungsvorbehalt gerade dann nicht in Betracht, wenn man mit der Beklagten annimmt, eine Partei wolle im Zweifel stets das ihr rechtlich Günstige erklären. Es war der Beklagten nämlich erkennbar darum zu tun, mit ihren Zahlungen jedenfalls den berechtigten Teil der Mietzinsforderungen der Klägerin zu begleichen. Dieses Ziel wäre bei Annahme eines Verrechnungsvorbehalts verfehlt worden, denn - anders als bei einem Rückforderungsvorbehalt, der nach Zahlung auf eine bestimmte Schuld eine künftige Kondiktionsforderung offen halten soll - bleibt bei einem Verrechnungsvorbehalt zunächst offen, welche Schuld getilgt werden soll.

Selbst bei anderer Auslegung und Annahme einer anfänglichen oder nachträglichen Tilgungsbestimmung der Beklagten könnte der Senat mit dem Landgericht die behauptete Rechtsfolge - das Erlöschen der kündigungsbegründenden Mietrückstände - nicht feststellen.

Die Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 BGB kann die Beklagte nicht zu ihren Gunsten anführen, weil diesbezüglich keine Zweifel an einer entgegenstehenden Vertragsauslegung bestehen. Die Vertragsparteien haben in der genannten Aufrechnungsklausel (§ 18 des Mietvertrages) deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Frage der Mietzahlung von der Auseinandersetzung über Gegenforderungen getrennt werden sollte und der Mietforderung allenfalls unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Forderungen entgegengehalten werden sollten. Mit der danach erstrebten Klarheit wechselseitiger Ansprüche ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Beklagte bei der Klägerin ein "Mietguthaben" entstehen lässt, um dies für spätere Monatsmieten zu verwenden.

(4) Zu Recht hat das Landgericht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles daher davon abgesehen, Feststellungen zur genauen Höhe der in der Zeit seit Beginn des Optionszeitraumes geschuldeten Miete zu treffen (UA 5). Zwar setzt eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB grundsätzlich die genaue Bezifferung eines Mietrückstandes voraus. Wenn jedoch - wie hier - feststeht, dass jedenfalls monatliche Zahlung von Mietzins geschuldet ist und der Mieter in der fraglichen Zeit, die mehr als zwei aufeinanderfolgende Termine umfasst, gar keine Miete entrichtet hat, bedarf es keiner genauen Klärung der Höhe, da durch die Nichtzahlung jedenfalls § 543 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative BGB eingreift.

c) Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, ohne Verschulden nicht gezahlt zu haben, da die Miethöhe bis zum Abschluss des Parallelverfahrens vor dem Landgericht nicht feststehe (§ 286 Abs. 4 BGB). Sie hat nämlich nicht einmal den von ihr jedenfalls anerkannten Mindestmietzins an die Klägerin gezahlt.

Im Vorfeld der jetzt umstrittenen sachverständigen Ermittlung der Miethöhe hat die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf die Befragung eines Sachverständigen mit Schreiben vom 7. Januar 2005 (Anlage B 15) ausdrücklich angeboten, eine "marktgerechte Kaltmiete für das Hotel mit monatlich 6,05 EUR/qm" zu zahlen. In einem nachfolgenden Schreiben vom 1. Februar 2005 (Anlage B 16) hat die Beklagte unter Bezug auf diese Miete ausgeführt, die Klägerin habe hiergegen keine Einwendungen erhoben: "Wir gehen daher von Ihrem Einverständnis mit dieser Miethöhe aus".

Bezogen auf eine Mietfläche von 1.491,84 qm nach (§ 3 Nr. 1 des Vertrages) ist die Beklagte daher davon ausgegangen, monatlich auch während der Optionszeit der Klägerin jedenfalls eine Kaltmiete von 9.025,63 EUR zu schulden. Gezahlt hat sie diesen Betrag im hier relevanten Zeitraum Januar und Juni bis September 2007 nicht.

Ohne Erfolg verweist die Beklagte darauf, das Landgericht stelle sie durch seine Vertragsauslegung vor das Dilemma, entweder jahrelang das Doppelte der "richtigen Miete" zu zahlen oder sich durch Zuwenig-Zahlung der Kündigungsgefahr auszusetzen. Dieses Dilemma beruht nicht auf der Auslegung durch das Landgericht. Es ist vielmehr durch die Vertragsklausel zur Miethöheermittlung durch einen sachverständigen Schiedsgutachter verursacht; sie birgt das Risiko deutlicher Mietschwankungen und eine Ungewissheit über die Dauer der zutreffenden Ermittlung in sich.

3. Eine Aussetzung des Verfahrens durch den Senat kommt nach alledem nicht in Betracht. Auf die im Parallelverfahren festzustellende Miethöhe kommt es für die Entscheidung über das Räumungsbegehren nach den obigen Ausführungen nicht an.

C. Im übrigen hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO.

Es wird angeregt, die Fortführung des Berufungsverfahrens zu überdenken.

D. Aus den Gründen zu A., wonach der Senat die Berufung nach Beratung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen beabsichtigt, ergibt sich, dass die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung entfallen sind. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, weshalb der Beschluss des Senats vom 28. Februar 2008, der ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Würdigung der damals noch ausstehenden Berufungsbegründung ergangen ist, aufzuheben war.

Ende der Entscheidung

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