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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 20.08.2004
Aktenzeichen: 14 U 346/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 546
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 14 U 346/02

verkündet am: 20. August 2004

hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich, den Richter am Kammergericht Jaeschke und den Richter am Kammergericht Schlecht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 18. Oktober 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 35.O.246/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Berlin vom 1. Februar 2002 - 35.O.246/01 - wird aufrechterhalten.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen im Zusammenhang mit dem Erwerb ihrer Beteiligung an der Erwerbergesellschaft nnnnnnnn b.R. entstanden ist und künftig entstehen wird.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Kläger zu 96 %, und die Beklagte zu 3) zu 4 %; von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz tragen die Kläger die der Beklagten zu 3) zu 62 %, die weiteren außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bis 2) und 4) bis 8) sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 9) und 10) zu 100 % und die Beklagte zu 3) die der Kläger zu 38 %; im übrigen trägt jede Partei ihre eigenen erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten der zweiten Instanz tragen die Kläger zu 62 % und die Beklagte zu 3) zu 38 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Prospekthaftungsansprüche der Kläger im Zusammenhang mit deren Beitritt zu der unter anderem von der Beklagten zu 3) als geschlossenen Immobilienfonds gegründeten Erwerbergesellschaft nnnnnnnn b.R., der Beklagten zu 1).

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung, auf die im einzelnen verwiesen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung - soweit für die Berufung von Interesse - ausgeführt, die Kläger müssten sich nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft an ihrer Beteiligung an der Erwerbergesellschaft nnnnnnnn b.R. festhalten lassen und könnten die Beklagte zu 3) auch nicht nach den Grundsätzen der Prospekthaftung auf Schadensersatz und Freistellung in Anspruch nehmen, weil die Erhöhung der prospektierten Zwischenfinanzierungskosten im Zeitpunkt ihres Beitritts offenkundig war.

Gegen dieses am 18. Oktober 2002 verkündete und ihnen am 28. Oktober 2002 zugestellte Urteil haben die Kläger am 27. November 2002 Berufung eingelegt und diese am 30. Dezember 2002 (Montag) begründet.

Die Kläger machen mit ihrer Berufung unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen weiterhin geltend, dass die Beklagte zu 3) ihnen gegenüber ihre Aufklärungspflichten verletzt habe, zumal sie - unstreitig - bereits im Jahre 1998 selbst für die Finanzierung der Gesellschaft durch entsprechende Darlehen sorgen musste. Zudem berufen sich in zweiter Instanz erstmals auf eine Kalkulation des Verkaufsrepräsentanten der Beklagten zu 3) und dessen Bestätigung, die Prospektangaben seien vollständig und aktuell, sowie auf eine schriftliche Zahlungszusage der Beklagten zu 3) vom 28. Dezember 1998.

Die Kläger beantragen unter Zurücknahme ihrer Berufung im übrigen,

unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, ihnen den Schaden zu ersetzen, der ihnen im Zusammenhang mit dem Erwerb ihrer Beteiligung an der Erwerbergesellschaft nnnnnnnn b.R. entstanden ist und künftig entstehen wird.

Die Beklagte zu 3) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 3) verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages und im übrigen tritt der Berufung, deren Anträge er für unzulässig hält, entgegen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist im noch anhängigen Umfang begründet. Das Landgericht hat das Feststellungsbegehren der Kläger zu Unrecht abgewiesen. Denn die Kläger können gegenüber der Beklagten zu 3) die Feststellung beanspruchen, dass diese ihnen zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet ist, der ihnen im Zusammenhang mit dem Erwerb ihrer Beteiligung an der Erwerbergesellschaft nnnnnnnn b.R. entstanden ist und entstehen wird. Die angefochtene Entscheidung beruht insoweit auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, weil das Landgericht den Umfang der der Beklagten zu 3) obliegenden Aufklärungspflicht verkannt hat.

Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, müssen sich die Kläger nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft an ihrer Beteiligung an der Erwerbergesellschaft festhalten lassen, die sie nur ex nunc im Wege der Auseinandersetzung der Gesellschaft wieder aufgeben können. Der Senat verweist hierzu sowie hinsichtlich der Bedenken der Kläger gegenüber der Wirksamkeit ihrer zunächst in privatschriftlicher Form abgegebenen und sodann in notarieller Form wiederholten Beitrittserklärungen auf die entsprechenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils, denen er sich nach eigener rechtlicher Prüfung anschließt, und sieht daher in diesem Punkt von weiteren eigenen Ausführungen ab.

Wie das Landgericht im Ansatz weiter zutreffend festgestellt hat, traf die Beklagte zu 3) als Gründungsgesellschafterin der Erwerbergesellschaft nach den in ständiger ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur Prospekthaftung auch bei einem geschlossenem Immobilienfonds wie dem vorliegenden die Pflicht, die diesem neu beitretenden Gesellschafter über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die ihr bekannt waren oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein mussten und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung waren. Dabei hatte der Prospekt, der im allgemeinen die Grundlage für den Beitrittsentschluss der mit ihm geworbenen Interessenten bildet, nach den vorgenannten Grundsätzen, die an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben anknüpfen, den Klägern als Anlegern ein zutreffendes Bild von der angebotenen Beteiligung zu vermitteln. Dazu gehörte, dass sämtliche Umstände, die für die Entschließung der mit dem Prospekt angesprochenen Anlageinteressenten von Bedeutung sind oder sein können, richtig und vollständig dargestellt werden. Änderten sich diese Umstände nach der Herausgabe des Prospekts, so haben die Verantwortlichen davon durch Prospektberichtigung oder durch entsprechende Hinweise bei Abschluss des Vertrags Mitteilung zu machen (BGH NJW 1993, 2865, NJW 2002, 1771). Diese Rechtsgrundsätze zieht auch die Beklagte zu 3) selbst ausdrücklich nicht in Zweifel.

Danach hat die Beklagte zu 3) jedoch im vorliegenden Fall ihre Aufklärungspflichten gegenüber den Klägern verletzt: Wie zwischen den Parteien insoweit im Ansatz noch unstreitig ist, weichen die Prospektangaben über die voraussichtlichen Zwischenfinanzierungskosten von den späteren tatsächlichen Finanzierungskosten ab, so dass sich für die einzelnen Gesellschafter und so auch für die Kläger eine jedenfalls nicht unerhebliche Nachschussverpflichtung ergab, die seitens der Gesellschaft dementsprechend auch eingefordert worden ist. Auf diese Nachschussverpflichtung, die jedenfalls unter anderem darauf beruht, dass die im Prospekt für die Kalkulation der Zwischenfinanzierungskosten vorausgesetzten Zahlungstermine nicht eingehalten worden sind, hätte die Beklagte zu 3) die Kläger indes ausdrücklich hinweisen müssen. Denn im Zeitpunkt des Beitritts der Kläger zum Jahreswechsel 1998/1999 war - wie auch das Landgericht festgestellt hat - aufgrund der Tatsache, dass die erforderlichen Beteiligungen zu diesem Zeitpunkt ganz überwiegend noch nicht gezeichnet und dementsprechend das erforderliche Eigenkapital noch nicht eingezahlt war, offenkundig, dass die im Prospekt vorausgesetzte vollständige Zahlung von 100 % des Eigenkapitals der Gesellschaft zum 1. Februar 1998 nicht gegeben war. Dies musste der Beklagten als Gründungsgesellschafterin und Herausgeberin des Prospektes auch bekannt sein, da sie selbst nach ihrem eigenen wiederholten Vorbringen - zuletzt in ihrer Berufungserwiderung - bereits im Jahre 1998 durch Beschaffung "eines größeren Kredits" über "eine beträchtliche Summe" dafür sorgen musste, dass der Gesellschaft die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung standen, was bei einer vollständigen Einzahlung des Eigenkapitals ersichtlich nicht erforderlich gewesen wäre, weil beide Parteien nicht von einer Überschreitung der projektierten Kosten als solcher, sondern nur von höheren Zwischenfinanzierungskosten ausgehen.

Dagegen kann entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass auch den Klägern die Überschreitung der Zwischenfinanzierungskosten bekannt sein musste. Dass ihnen auch nur ein entsprechender Hinweis darauf gegeben worden wäre, dass noch nicht die erforderliche Anzahl von Anlegern geworben worden war, so dass sie hieraus selbst das Risiko höherer Zwischenfinanzierungskosten hätten ableiten können, macht auch die Beklagte zu 3) selbst nicht geltend. Allein die den Klägern selbstverständlich bekannte Tatsache, dass sie selbst ihre Einlage erst weit nach den prospektierten Zahlungsterminen geleistet haben, zwingt aus ihrer Sicht nicht zu dem Schluss, dass auch im übrigen die erforderlichen Einlagen zum Zeitpunkt ihres Beitritts noch nicht geleistet waren. Selbst wenn die Kläger bereit gewesen sein sollten, hinsichtlich der "verspäteten" Zahlung ihrer Einlage etwaige höhere Zwischenfinanzierungskosten in Kauf zu nehmen, kann hieraus nicht darauf geschlossen werden, dass ihnen das gesamte Risiko der gestiegenen Finanzierungskosten aufgrund der weiteren fehlenden Einlagen auch nur ansatzweise erkennbar war. Insoweit stellt der im Prospekt enthaltene Hinweis, dass die kalkulierten Zwischenfinanzierungskosten auch überschritten werden können, keine ausreichende Aufklärung der Kläger dar, zumal dieser Hinweis an den vorangehenden Satz anknüpft, dass der Zwischenfinanzierungszinssatz für die - bei Beitritt der Kläger bereits abgeschlossene - Bauzeit nicht fest abgeschlossen werden kann, und schon von daher nicht hinreichend deutlich auf die Erhöhung der Zinsen aufgrund verspäteter Kapitalleistungen verweist. Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem der Beklagten zu 3) bei Beitritt der Kläger positiv bekannt sein musste, dass die prospektierten Angaben zur Höhe der Zwischenfinanzierungskosten nicht mehr zutreffen konnten und damit mit Sicherheit mit einer deutlichen Erhöhung dieses Kostenansatzes zu rechnen war, konnte sie sich nicht mehr auf den allgemeinen Prospekthinweis zurückziehen, sondern hätte die Kläger über diesen nach Prospekterstellung geänderten Umstand ausdrücklich aufklären müssen. Dass sie dies pflichtwidrig unterlassen hat, verpflichtet sie nunmehr gegenüber den Klägern zum Schadensersatz.

Unter diesen Umständen kommt es hinsichtlich der grundsätzlichen Haftung der Beklagten zu 3) auf die weiteren von den Klägern aufgezeigten Umstände, die - soweit sie erstmals in zweiter Instanz geltend gemacht worden sind - ohnehin nach §§ 529, 531 ZPO nicht berücksichtigungsfähig sind, nicht weiter an.

Die Fehlerhaftigkeit des Prospekts ist auch kausal für die Anlageentscheidung der Kläger. Es entspricht nach ständiger Rechtsprechung der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist. Dass gerade dieser Prospektfehler zum Scheitern des Projekts geführt hat, ist nicht erforderlich (BGH NJW 2000, 3346), weil der Anlageentschluss regelmäßig das Ergebnis einer Gesamtentscheidung darstellt, bei der alle Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden. Entscheidend ist allein, dass durch die unzutreffenden Informationen des Prospektes in das Recht des Anlegers eingegriffen worden ist, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in das Projekt investieren will oder nicht. Dass die Kläger auch bei zutreffender Aufklärung über die höheren Zwischenfinanzierungskosten eine positive Beitrittsentscheidung getroffen hätten, macht die Beklagte zu 3) selbst nicht substantiiert geltend und ist auch sonst angesichts der zahlreichen Beteiligungsmöglichkeiten an geschlossenen Immobilienfonds nicht ersichtlich, so dass nach der Lebenserfahrung anzunehmen ist, dass die Kläger bei sachgerechter Aufklärung ein anderes Anlageprojekt gewählt oder auf eine entsprechende Anlage ganz verzichtet hätten (BGH NJW 2003, 1393). Die Beklagte zu 3) kann sich demgegenüber auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es im Ergebnis letztlich für die Kläger - wie diese bestreiten - zu einer nur unbedeutenden Kostenmehrbelastung gekommen sei, weil die gestiegenen Zwischenfinanzierungskosten durch "Steuerungsmaßnahmen" wieder aufgefangen worden seien. Denn bei diesen Maßnahmen handelt es sich um Umstände, deren Erfolg im Moment der Beitrittserklärung der Kläger weder ersichtlich noch überhaupt abzusehen war, so dass auch von daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Kläger der Gesellschaft in Kenntnis der nach der Prospektierung des Objektes geänderten Umstände beigetreten wären.

Da sie die Höhe des ihnen entstandenen Schadens vor einer Auseinandersetzung der Gesellschaft gegenwärtig noch nicht beziffern können, steht den Klägern angesichts der drohenden kurzen Verjährungsfrist ihrer Ansprüche (vgl. hierzu NGH NJW 2002, 1351 m.w.N.) das erforderliche Feststellungsinteresse zu, § 256 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100, 516 ZPO, wobei die Kostenentscheidung erster Instanz der geänderten Sachentscheidung zweiter Instanz folgend von Amts wegen zu ändern war. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

Ende der Entscheidung

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