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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 17.07.2001
Aktenzeichen: 14 U 60/01
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ZPO, GG


Vorschriften:

BGB § 824
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
StGB §§ 185 ff.
ZPO § 263
ZPO § 711
ZPO § 7713
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 545 Abs. 2 S. 1
GG Art. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 14 U 60/01

Verkündet am: 17. Juli 2001

hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Rößler, die Richterin am Kammergericht Dr. Schmidt-Schondorf und den Richter am Kammergericht Jaeschke für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 01. Februar 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 682/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin (Parteibezeichnung fortan: Klägerin, Beklagte) hat in der Sache keinen Erfolg.

Zunächst bestehen allerdings keine Bedenken gegen die teilweise im zweiten Rechtszug geänderten Klageanträge. Die Klägerin verfolgt die im ersten Rechtszug abgewiesenen Unterlassungsanträge wegen der von ihr angeführten Behauptungen der Beklagten, sie arbeite mit "S" zusammen, insbesondere durch Zuwendung beachtlicher Geldmittel an eine große Tarnorganisation von "S" und zahlreiche Abgeordnete und/oder an Abgeordnete des Repräsentantenhauses seien von ihr Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt bis zu $ 240.000,00 gezahlt worden,

in dieser Formulierung nicht mehr weiter.

Stattdessen beantragt sie insoweit, die Unterlassungsverpflichtung wegen der Behauptungen auszusprechen,

die Sekte "S" sei durch Zusammenarbeit mit der Klägerin ihrem Ziel, den Einfluss auf die Wirtschaft zu verstärken und die Management-Technology von R L. H weiter zu verbreiten, einen Schritt näher gekommen (fortan Klageantrag 1)

und/oder es habe Geldzahlungen der Klägerin in Höhe von insgesamt bis zu $ 240.000,00 an Abgeordnete des Senats der Vereinigten Staaten von Amerika gegeben, die die Klägerin in Zusammenhang mit der unter anderem von diesen Abgeordneten eingebrachten Resolution vom November 1999, in der die Bundesrepublik Deutschland schwerer Menschenrechtsverletzungen und der Verfolgung und Diskriminierung religiöser Minderheiten, unter anderem von "S" beschuldigt worden sei, erbracht habe (Klageantrag 2).

Im Übrigen bleibt die Klägerin bei ihren bereits im ersten Rechtszug gestellten Anträgen, die Beklagten hätten die Behauptungen zu unterlassen,

die Klägerin stärke die Finanzkraft, die Schlagkraft und die Kriegskasse von "S" (Klageantrag 3),

es gebe auffallende Ähnlichkeiten der Management-Techniken bei der Antragstellerin mit der totalitären Management-Technologie von R L. H insbesondere im Hinblick auf inhumane Arbeitsbedingungen, Schikanen, Manipulationen von Betriebsratswahlen und gesetzwidrige Arbeitszeiten (Klageantrag 4).

In den geänderten beiden ersten Klageanträgen liegt eine sachdienliche Klageänderung gemäß § 263 ZPO, weil die Anträge unter Rückgriff auf den Text der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden, von der Klägerin angegriffenen Presseerklärung der Beklagten zu 1 (fortan: die Beklagte) vom 12. Oktober 2000 abgeändert wurden und insoweit das Ergebnis der bisherigen Prozessführung bei Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits zwischen den Parteien verwendet werden kann. Unter diesen Umständen ist auch im zweiten Rechtszug eine Klageänderung zulässig (BGH NJW-RR 1994, S. 1143).

Der Klägerin stehen indessen die im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegenüber den Beklagten aus den §§ 823 Abs. 1, 824 BGB analog i. V. m. Art. 2 GG bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. den §§ 185 ff. StGB nicht zu.

Die Klägerin wäre allerdings an sich anspruchsberechtigt, obwohl die Beklagten sie nicht ausdrücklich in der Pressemitteilung erwähnen. Die Klägerin ist nach Parteiangaben deutsche Tochtergesellschaft der amerikanischen Muttergesellschaft "UPS", jedenfalls mit der entsprechenden US-amerikanischen Gesellschaft konzernverbunden. Sie kann etwaige unzutreffende Behauptungen und nicht gerechtfertigte Wertungen im Zusammenhang mit der Pressemitteilung nach dem Inhalt der Pressemitteilung ohne weiteres auf sich beziehen. Denn die Beklagte spricht in der Pressemitteilung bereits in der Überschrift und einmal im Text ausdrücklich vom "Logistikkonzern U P S (UPS)" bzw. vom "internationalen" Logistikkonzern UPS, bezieht also damit bereits selbst wegen der Weite der Formulierung an dieser Stelle jedes Konzernmitglied, also auch die Klägerin als deutsche Konzernrepräsentantin, in die Äußerung mit ein.

Bedenken gegen eine grundsätzliche Anspruchsberechtigung der Klägerin wegen ihrer Eigenschaft als Personenhandelsgesellschaft bestehen ebenfalls nicht. Soweit es um das hier fragliche allgemeine Persönlichkeitsrecht geht, kann sich die Klägerin gegen etwaige unberechtigte Äußerungen der Beklagten im Zusammenhang der Pressemitteilung zur Wehr setzen, weil diese sich zielgerichtet mit der Klägerin bzw. mit dem Unternehmensverband, dem sie angehört, beschäftigen. Damit ist die Klägerin direkt in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen und als Arbeitgeber betroffen (vgl. allg. Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 139 m. w. Nachw.).

Die Unterlassungsbegehren der Klägerin sind aber im Einzelnen nicht begründet.

Die Klägerin kann sich nach allgemeinen Grundsätzen gegen inhaltlich unzutreffende Tatsachenbehauptungen zur Wehr setzen, wertende Meinungsäußerungen der Beklagten muss sie hinnehmen, soweit nicht aus überwiegendem Persönlichkeitsrecht z. B. der - hier nach Form und Inhalt durch die Pressemitteilung nicht erreichte - Bereich der Schmähkritik erreicht wird (allg. Prinz/Peters, a.a.O., Rn 2, Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Auflage 2000, S. 341, 322). Zur Einordnung der Äußerungen ist bei schriftlichen, pressemäßig verbreiteten Äußerungen auf das Verständnis und den Eindruck eines Durchschnittslesers abzustellen (vgl. Nachweis der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Löffler/Ricker, a.a.O., S. 343), wobei zu Gunsten der Klägerin hier außer Betracht bleiben mag, dass "Durchschnittsleser" der von den Beklagten gefertigten Pressemitteilung zunächst Journalisten waren, bei denen berufsmäßig in höherem Maße als etwa beim Zeitungsleser die Unterscheidung zwischen Tatsache und Wertung vorausgesetzt werden kann. Unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit dürfen der gerichtlichen Beurteilung bei alledem nicht Äußerungen zugrunde gelegt werden, die so nicht gefallen sind, es darf den Äußerungen auch kein Sinn beigelegt werden, der sich aus dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht ergibt (BverfG AfP 1998, S. 50/51).

Klageantrag 1

Bei der mit dem Klageantrag zu 1 angegriffenen Textstelle, die ein unmittelbares Zitat aus der Pressemitteilung darstellt, handelt es sich um eine Verbindung von zutreffender Tatsachenmitteilung und zulässig wertender Meinungsäußerung.

Im Tatsachenkern behaupten die Beklagten eine "Zusammenarbeit" der Klägerin mit "S".

Diese Behauptung ist aufgrund des natürlichen Wortsinns gerechtfertigt durch die vorhergehend in der Pressemitteilung angeführte Tatsache des Bestehens von "Lieferverträgen" zwischen der Klägerin und der dort so bezeichneten (S ) Sekte und ihren Unterorganisationen. Die Beklagten haben im Laufe des Rechtsstreits entsprechende Lieferverträge glaubhaft gemacht, die Klägerin hat diese Darlegungen nicht bestritten. Eine vertragliche Verbindung stellt jedenfalls begrifflich eine Form des "Zusammenarbeitens" dar.

Eine darüber hinausgehende Bedeutung kann der Verwendung des Begriffs der Zusammenarbeit weder aus dem konkret mit dem Klageantrag angegriffenen Satz noch aus dem Gesamtzusammenhang der Pressemitteilung entnommen werden. Die Beklagten behaupten insgesamt nicht, dass es eine bewusste, gezielte, gewollte Zusammenarbeit der Klägerin mit "S"-Organisationen gibt. Der Senat schließt sich in diesem Zusammenhang den zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung (unter Ziffer 1 der Entscheidungsgründe auf den Seiten 9 ff. der Urteilsabschrift) gemäß § 543 Abs. 1 ZPO an. Unter zutreffender Würdigung der von den Beklagten insgesamt in der Presseerklärung mitgeteilten Einzeltatsachen (Spenden an eine "S" Organisation, Spenden an US-Kongressmitglieder, Bestehen von Lieferverträgen zwischen der Klägerin und "S"-Organisationen) ist das Landgericht im angefochtenen Urteil zu der daraus allein begründbaren Schlussfolgerung aus der Sicht des durchschnittlichen Lesers gekommen, dass auch aus der Verbindung aller mitgeteilten Tatsachen nicht zwingend von einer irgendwie gearteten Einbindung oder Unterstützung der "S" Organisationen durch die Klägerin auszugehen ist. Eine entsprechende Beurteilung wird dem Leser nicht vorgegeben, es bleibt ihm nach dem vorliegendem Text selbst überlassen, welche Schlussfolgerungen er insoweit ziehen will.

Ergänzend sei zum Tatsachenkern der "Zusammenarbeit" dabei noch angemerkt, dass gerade die im jetzigen Klageantrag zu 1 genannte Textstelle nach dem Aussageinhalt auf der Grundlage der Wortstellung zwanglos auch den Schluss nahe legt, dass die "S"-Organisation von sich aus und ohne bewusste Mitwirkung der Klägerin den genannten eigenen Zielen (z.B. wegen der Lieferverträge) näher gekommen ist. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin im zweiten Rechtszug kann insoweit keinesfalls der Eindruck entstehen, die Klägerin überweise zielgerichtet einen Teil ihrer Unternehmensgewinne an "S"-Organisationen, von der Verwendung der Unternehmensgewinne der Klägerin ist im ganzen Text nicht die Rede.

Die Würdigung der Pressemitteilung dahin, dass hier lediglich Tatsachen aneinandergereiht werden, ohne dass damit bereits eine bewusste Zusammenarbeit der Klägerin mit "S" behauptet wird, folgt im Übrigen auch aus der den Gesamtinhalt der Pressemitteilung bezeichnenden Überschrift. Diese bezeichnet das Verhältnis des so bezeichneten Sektenkonzerns S zum Logistikkonzern, dem die Klägerin angehört, als "dubiose Verbindung". Die Bezeichnung von Umständen als "dubios" aber hält sich grundsätzlich im Bereich der zulässig wertenden Meinungsäußerung (Prinz/Peters, a.a.O., Rn. 29). Die Beklagten bringen damit hier ersichtlich bereits von Anfang an durch den klaren Wortsinn der Überschrift zum Ausdruck, dass die nachfolgenden Tatsachen ihr eine Wertung des Verhaltens der Klägerin als unsicher, zweifelhaft, fragwürdig, eben dubios, geboten erscheinen lassen. Darin aber liegt gerade nicht eine abschließende wertungsmäßige Verurteilung der Klägerin, die bei der eindeutig erkennbar negativen Sicht der Beklagten auf die "S"-Organisationen zwingend gewesen wäre, wenn die Beklagten den unabweisbaren Eindruck der bewussten Zusammenarbeit hätten hervorrufen wollen oder wenn sie selbst diese hätten behaupten wollen.

Soweit es im angegriffenen Satz schließlich heißt, die Sekte S sei durch die Zusammenarbeit (mit der Klägerin) ihrem Ziel näher gekommen, kann darin für sich auch kein Untersagungsgrund gesehen werden, denn es handelt sich insoweit um eine wertende Meinungsäußerung. Eine Meinungsäußerung liegt vor, wenn eine Äußerung nicht dem Beweis zugänglich ist, sondern durch Elemente des Dafürhaltens und der Stellungnahme gekennzeichnet ist (Prinz/Peters, a.a.O., Rn 4). Über die Frage der internen Zielverwirklichung der "S"-Organisationen aufgrund der Beziehungen zur Klägerin bzw. deren Unternehmensverbund kann kein nachprüfbarer Tatsachenbeweis erhoben werden.

Klageantrag 2

Die im Klageantrag angeführte Äußerung kann den Beklagten nicht untersagt werden, weil die Beklagten diese Äußerung so nicht getan haben.

Die Beklagten haben im hier interessierenden Zusammenhang in der Pressemitteilung lediglich die Aussagen aufgestellt, die Beklagte habe Beweise dafür, dass knapp fünfzig Abgeordnete des amerikanischen Senats, die für die Deutschland der Menschenrechtsverletzungen beschuldigende Resolution gestimmt hätten, Geldzahlungen in Höhe von bis zu 240.000,00 US$ bekamen, ferner, "zahlreiche amerikanische Abgeordnete haben beachtliche Geldmittel" von UPS bekommen. Der als entscheidende Kern des Unterlassungsbegehrens der Klägerin anzusehende Zusammenhang zwischen Abstimmungsverhalten der Kongressmitglieder und Geldzahlungen der Klägerin bzw. ihres Unternehmensverbandes kann diesen Aussagen weder wörtlich noch sinngemäß entnommen werden. Er ist auch aus dem sonstigen Inhalt der Pressemitteilung nicht ausdrücklich, aber auch nicht dem Sinne nach, zu entnehmen. Denn die Beklagten stellen den Umstand der (nach dem vorliegenden Text allerdings nicht vom Senat, sondern vom Repräsentantenhaus gefassten) Resolution, das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und die Geldzahlungen sprachlich nebeneinander, ohne es zu verknüpfen. Insoweit handelt es sich, wie vorstehend bereits festgehalten und schon vom Landgericht zutreffend herausgearbeitet, um ein Nebeneinanderstellen von Tatsachen, ohne dass hieraus ein zwingender Schluss für die Bewertung des Verhaltens der Klägerin gezogen wird. Dieses bleibt vielmehr auch mit Blick auf die Geldzahlungen aus der Sicht der Beklagten im Rahmen zulässiger Meinungsäußerung für den objektiven Leser höchstens fragwürdig und unsicher, also dubios im Sinne der Überschrift der Pressemitteilung, so dass es dem Leser wegen der Zusammenhänge selbst überlassen bleibt, sich eine Meinung zu bilden.

Die Tatsache von Geldzahlungen an sich wird im Übrigen dabei von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.

Klageantrag 3

Der Klageantrag kann nicht zur entsprechenden Unterlassungsverpflichtung der Beklagten führen, weil die Beklagten nicht behaupten, die Antragstellerin stärke die Finanzkraft, die Schlagkraft und die Kriegskasse von S.

Denn in der Pressemitteilung heißt es lediglich, dass jeder, der seine Pakete mit UPS versende, wissen müsse, dass er damit auch indirekt die Finanz- und Schlagkraft sowie die Kriegskasse der Sekte stärke. Aus dieser Formulierung kann ein objektiver Durchschnittsleser nicht die Behauptung entnehmen, es sei die Klägerin, die von sich aus aktiv und direkt S stärke. Dies aber will im Gesamtzusammenhang "der Klageanträge, insbesondere der vorangegangenen Anträge, der einschränkungslos auf das Handeln der Klägerin bezogene Klageantrag zu 3 zum Ausdruck bringen.

Wegen des ausdrücklichen Verweises auf die Kunden der Klägerin und die durch diese bewirkte "indirekte" Stärkung von "S" liegt es auch fern, die von den Beklagten angeführte Stärkung der "S"-Organisationen dem aktiven Handeln der Klägerin selbst zuzuordnen. Denn aus der Pressemitteilung ist, wie bereits ausgeführt, insgesamt die Behauptung der bewussten und gewollten Zusammenarbeit zwischen "UPS" und "S" nicht herzuleiten. Damit ist für den Durchschnittsleser also vorrangig die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Klägerin unfreiwillig und damit ähnlich ihren Kunden letztlich im weiteren Sinne "indirekt", jedenfalls aber ohne direkte Absicht "S" etwa durch die bestehenden Lieferverträge und die (unstreitigen) Zahlungen an eine Tarnorganisation stärkt. Im Übrigen wird im Pressetext der Beklagten auch nicht etwa behauptet, die Zahlungen an die Tarnorganisation seien bewusst und in Kenntnis der Zusammenhänge zur Stärkung von "S geschehen. Bei alledem mag die Verwendung des Wortes "Kriegskasse" bei einem mit spezifischere Organisationsfragen der "S" Organisation z. B. durch spezielle Literatur genau vertrauten Beobachter die Assoziation direkter Zahlungen abhängiger Personen möglicherweise hervorrufen, wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erwähnt. Bei einem Durchschnittsleser der Pressemitteilung kann davon indessen nicht ausgegangen werden.

Soweit man demgegenüber die von der Klägerin als ihr durch die Beklagten zur Last gelegt vorgetragene Stärkung der "S"-Organisationen aus den im Wesentlichen unstreitigen Tatsachen der Zahlungen an "S" Organisationen, US-Kongressmitglieder und dem Abschluss von Lieferverträgen als rein objektiven Umstand herleiten wollte, würde sich eine derartige den Beklagten zugerechnete Äußerung im Rahmen zulässig kritisch bewertender Meinungsäußerung halten. Insoweit nimmt der Senat auf die bei diesem Ausgangspunkt dann wiederum zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung (unter Ziffer 3 der Entscheidungsgründe) Bezug.

Klageantrag 4

Die Klägerin kann wegen der in der Presseerklärung angeführten Ähnlichkeiten ihrer Management-Techniken mit den Management-Techniken im Bereich der "S"- Organisationen und den dazu gegebenen Bezugnahmen auf Gewerkschaftsinformationen von den Beklagten Unterlassung nicht verlangen, weil, wiederum mit zutreffenden Erwägungen, bereits das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die entsprechende Stelle in der Pressemitteilung als zulässige, insbesondere nicht in den Bereich der Schmähkritik gelangende Meinungsäußerung angesehen hat.

Es entzieht sich dabei insbesondere einer Tatsachenfeststellung, was "auffallende Ähnlichkeiten" zwischen Management-Technologien sind, wenn eine dieser Management-Technologien als "totalitär" beschrieben wird, weil es dafür im hier fraglichen Zusammenhang keine anerkannten Maßstäbe gibt. Insoweit stellt die Aussage im Pressetext lediglich eine schlagwortartige Bezeichnung der Unternehmenskultur der Klägerin bzw. ihres Unternehmensverbundes aus der kritisch bewertenden Sicht der Beklagten dar, die eine substanzlose und damit ggfls. zu unterlassende Schmähung nicht enthält, da die Beklagten auf z.B. arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen im Bereich der Klägerin glaubhaft Bezug nehmen. Ebenso kann der Begriff "totalitär" allein nicht als in der Abwägung unzulässiges Werturteil angesehen werden, zumal dieser Begriff hier dem "S"- Bereich, also nicht der Klägerin, zugeordnet wird und durch den. Hinweis auf bloße Ähnlichkeiten auch abgeschwächt ist.

Soweit es um die von den Beklagten in der Pressemitteilung angeführten "inhumanen Arbeitsbedingungen", "Schikanen", "Manipulationen von Betriebsratswahlen" geht, ist im Weiteren zwar zunächst unerheblich, dass die Umstände lediglich als "Gewerkschaftsinformationen", also als Zitat, bezeichnet werden, die Beklagten müssten ggfls. für den fehlenden Wahrheitsgehalt einstehen (allg. Prinz/Peters, a.a.O., Rn.17). Es handelt sich bei den vorgenannten Äußerungen aber jeweils mangels nachprüfbarer Tatsachenkerne ebenfalls um zulässig kritisch bewertende Meinungsäußerungen, deren sachlicher, eine Schmähkritik ausschließender Anlass die von den Beklagten glaubhaft gemachten arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin und einzelnen Mitarbeitern bilden.

Im Ergebnis gilt dies auch für den Vorwurf gesetzwidriger Arbeitszeiten. Ob Arbeitszeiten dem Gesetz entsprechen, könnte im Einzelfall anhand von Tatsachen zwar nachgeprüft werden. Rechtliche Beurteilungen von Verhaltensweisen stellen indessen nach ständiger Rechtsprechung dann Meinungsäußerungen dar, wenn sich für den Adressaten dabei nicht die Vorstellung von konkreten, in die rechtliche Wertung eingekleideten Vorgängen ergibt, die für sich ggfls. im Beweiswege nachprüfbar sind; Tatsachenbehauptungen liegen insofern dann vor, wenn die Äußerung so stark von tatsächlichen Bestandteilen geprägt ist, dass ein bestimmter Vorgang im Wesentlichen beschrieben und nicht nur bewertet ist (zusammenfassend Prinz/Peters, a.a.O., Rn. 22, s. a. Rn 31 Stichworte: Rechtsverstoß, Rechtswidrig).

Im vorliegenden Fall ist deshalb der ohne jede weitere Tatsachenmitteilung über bestimmte Arbeitsverhältnisse und bestimmte Arbeitszeiten ganz allgemein im Zusammenhang mit weiteren Bewertungen der "Management-Technologie" bei der Klägerin angeführte Umstand "gesetzwidriger" Arbeitszeiten eine reine Wertung, ohne dass irgendein Eindruck über einen tatsächlichen Vorgang beim Leser hervorgerufen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 7713 ZPO. Ein Ausspruch zur Beschwer entfiel wegen § 545 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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