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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 25.02.2005
Aktenzeichen: 18 UF 259/02
Rechtsgebiete: BGB, VAHRG, BeamtVG, FGG, GKG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1587 c
BGB § 1587 c Nr. 1
VAHRG § 10 a
VAHRG § 10 a Abs. 1
VAHRG § 10 a Abs. 1 Nr. 1
BeamtVG § 57
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
GKG § 17 a a. F.
ZPO § 574
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 18 UF 259/02

In der Familiensache

hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Harte und die Richterinnen am Kammergericht Dr. Ehinger und Steuerwald-Schlecht am 25. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 24. Mai 2002 - 22 F 7003/00 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg vom 20. Oktober 1988 zur Geschäftsnummer 130 F 5653/87 wird dahin abgeändert, dass ab 1. November 2000 zu Lasten der für den früheren Ehemann beim Lnnnnnnnnnn Bnnn unter der Versorgungsnummer nnnnnnn bestehenden Versorgungsanwartschaften für die frühere Ehefrau auf dem Versicherungskonto Nr. nnnnnnnn bei der Bnnnnnnnnnnnnn nnn nnnnnn Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 736,39 DM = 376,51 EUR, bezogen auf den 31. Mai 1987 begründet werden.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Im übrigen wird der Versorgungsausgleich zu Lasten des früheren Ehemannes ausgeschlossen.

Die weitergehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten werden dem Antragsteller und der Antragsgegnerin je zur Hälfte auferlegt. Eine Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten ergeht nicht.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 969,53 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen ist sie unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Die Ehe der Parteien ist geschieden worden. Mit Beschluß vom 20. Dezember 1988 hat das Amtsgericht Charlottenburg zum Geschäftszeichen 130 F 5653/87 den Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau durchgeführt und zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei dem Lnnnnnnnnnn Bnnn auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bnnnnnnnnnnnnn nn nnnnnn Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 1.020,54 DM, bezogen auf den 31. Mai 1987 begründet. Der Antragsteller - früher Polizeibeamter - erhält bereits seit 1. April 1983 eine Pension wegen Dienstunfähigkeit. Im Ausgangsverfahren ist deshalb in beiden Instanzen § 1587 c Nr. 1 BGB zur Anwendung gekommen, weil der Antragsteller seine Versorgung nicht mehr erhöhen konnte. Hinsichtlich eines den Betrag von 1.020,54 DM übersteigenden Betrages wurde der Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Das Amtsgericht hatte dadurch damals 170,60 DM Anwartschaften weniger übertragen.

Der Antragsteller begehrt nunmehr im Verfahren gemäß § 10 a VAHRG eine weitere Herabsetzung des Versorgungsausgleichs zum 1. November 2000, weil auch die frühere Ehefrau nunmehr Rente bezieht. Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung - unter Beachtung der Grundsätze der Erstentscheidung - statt 1.020,54 DM nur noch 862,52 DM (441.- EUR) übertragen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller, der eine weitere Herabsetzung des Versorgungsausgleichs begehrt. Er macht im wesentlichen geltend, zum Zeitpunkt der Erstentscheidung sei eine sichere Prognose nicht möglich gewesen, weil gerade die berufliche Entwicklung der Antragsgegnerin noch andauerte und nicht absehbar war, wie sich die Altersversorgung der Antragsgegnerin bei Eintritt in den Ruhestand entwickeln würde. Außerdem konnten die Steuerlasten damals noch nicht einbezogen werden. Nunmehr habe sich gezeigt, dass die Antragsgegnerin bis zum Erreichen der üblichen Altersgrenze berufstätig gewesen ist.

Die Antragsgegnerin bezieht seit dem 1. November 2000 Altersrente für Frauen, nämlich jetzt 2.851,45 DM unter Einbeziehung des Versorgungsausgleichs sowie eine Vn - Rente in Höhe von 737,70 DM/377,18 EUR, jeweils netto, d.h. die Krankenversicherung ist bereits abgezogen (Ehezeitanteil Vn = 369,02 DM/188,68 EUR; Bn : 758,24 DM/387,68 EUR). Die Antragsgegnerin verfügt damit über monatliche Einkünfte von insgesamt 3.589,15 DM/1.835,10 EUR.

Der Antragsteller erhält netto monatlich 2.945,09 DM/1.505,80 EUR, wovon noch 394,75 DM/201,83 EUR Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen sind, so dass ihm netto monatlich im Vergleich zur Antragsgegnerin 2.550,34 DM/1.303,97 EUR zur Verfügung stehen.

Der Antrag des Antragstellers ist zulässig und teilweise begründet. Das Verfahren gemäß § 10 a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG ist wegen eines eingetretenen Unterschiedes im Hinblick auf die Versorgung der Antragsgegnerin bei der Vnn eröffnet. Unter diesen Umständen vertritt der Senat die Auffassung, dass Billigkeitserwägungen nach § 1587 c BGB, die auf einem bei der Erstentscheidung nicht abgeschlossenen Tatbestand beruhen, berücksichtigt werden können, mit der Folge, dass eine sogenannte "Totalrevision" der Erstentscheidung insoweit möglich ist. Einer darüber hinausgehenden Rechtskraftdurchbrechung ist allerdings mit Zurückhaltung zu begegnen. Im Ausgangsverfahren hat der damals zuständige 17. Zivilsenat des Kammergerichts in seiner damaligen Beschwerdeentscheidung eine weitere Kürzung des Versorgungsausgleichs als damals vom Amtsgericht vorgenommen zu Lasten der Antragsgegnerin mit der Begründung abgelehnt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass diese bis zum Eintritt in den Ruhestand berufstätig sein werde.

Der nunmehr bekannte Umstand, dass sie seit Vollendung des 60. Lebensjahres Vollrente wegen Alters erhält und sie deshalb ein insgesamt höheres Nettoeinkommen als der Antragsteller bezieht, das auch auf dem durchgeführten Versorgungsausgleich beruht, kann deshalb über das damals berücksichtigte Maß hinaus berücksichtigt werden, allerdings nach Auffassung des Senats nur in der Weise, dass nunmehr die besseren Erkenntnisse zur tatsächlichen weiteren Entwicklung der Berufstätigkeit der Antragsgegnerin bewertend einbezogen werden.

Hingegen ist es nach Auffassung des Senats zu kurz gegriffen, schlicht die Höhe der beiderseitigen Gesamteinkommen einander gegenüberzustellen. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Ehe immerhin 27 Jahre gedauert hat, die Antragsgegnerin in dieser Zeit zwei Kinder großgezogen und deshalb in der Ehezeit in versorgungsrechtlicher Hinsicht Nachteile erlitten hat, während dem Antragsteller das "Rentnerprivileg" des § 57 BeamtVG zugute gekommen ist, bis auch der Antragsgegnerin nach langer auch nachehelicher Erwerbstätigkeit eine Rente zu gewähren war.

Die Anpassung nach § 1587 c BGB hat sich deshalb nach dem Ermessen des Senats im Einklang mit dem vom Bundesgerichtshof im Beschluß vom 14. November 1981 zu IV b ZB 593/80 (NJW 82, 224, 229) zur Herabsetzung nach § 1587 c Nr. 1 BGB im Einzelfall entwickelten Grundsätzen so zu vollziehen, dass die im Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg vom 20. Dezember 1988 gegenübergestellten Beträge der tatsächlichen Bezüge des Antragstellers, allerdings auf der Grundlage der Auskunft des Landesverwaltungsamts vom 17. November 2004 (2.867,02 DM) und seiner fiktiven anteiligen Versorgungsanwartschaft (2.511,07 DM) nicht mit einem Mittelwert gewichtet werden, sondern der Betrachtung der fiktiven anteiligen Versorgungsanwartschaft im Lichte der tatsächlich bis zum vollendeten 60. Lebensjahr fortgesetzten Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin ein höheres Gewicht in der Weise beigemessen wird, dass sie mit 3/4 zu 1/4 gewichtet wird.

Dies ergibt folgende Berechnung:

2.867,02 DM

7.533,21 DM ( = 2.511,07 DM x 3, weil dreifach gewichtet)

10.400,23 DM : 4 = 2.600,05 DM.

A) Anwartschaft des Antragstellers: 2.600,05 DM,

B) Anwartschaft der Antragsgegnerin: 1.127,26 DM,

C) Differenz: 1.472,79 DM : 2 = 736,39 DM = 376,51 EUR.

Soweit der Antragsteller daneben auch geltend macht, dass die steuerliche Benachteiligung auszugleichen sei, kommt dies nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Insoweit bleibt die Rechtskraft der Ausgangsentscheidung, in der dies schon ausdrücklich abgelehnt worden ist, bestehen. Denn eine Totalrevision ist nur eingeschränkt im Hinblick auf den Tatbestand des § 1587 c Nr. 1 BGB möglich, weil nunmehr die weitere Entwicklung des damals nicht abgeschlossenen Lebenssachverhaltes feststeht, nicht hingegen in Bezug auf Lebenssachverhalte, die bereits damals einer abschließenden Beurteilung unterzogen werden konnten.

Deshalb kommt es nach Auffassung des Senats auch nicht auf die weiteren wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere auf die beiderseitigen Vermögensverhältnisse an. Es kann dahin stehen, ob und in welcher Höhe die Antragsgegnerin möglicherweise zusätzliche Einnahmen aus der Vermietung einer Eigentumswohnung erzielt. Vorliegend geht es um den Ausgleich beiderseitiger Versorgungsanwartschaften während der Ehe sowie den Ausgleich, den ein Ehepartner ehebedingt erlitten hat, hingegen geht es nicht um den wirtschaftlichen Ausgleich des Vermögens der Eheleute insgesamt. Denn das Vermögen eines Ehegatten bzw. dessen Einkünfte aus Vermögen beruhen in aller Regel nicht allein auf dessen Erwerbstätigkeit, sondern auch darauf, wie ein Ehepartner nach der Scheidung der Ehe jeweils mit seinen Einkünften wirtschaftet und welche Dispositionen er trifft. Dies kann jedenfalls in der hier gegebenen Konstellation nicht Gegenstand eines Verfahrens nach § 10 a Abs. 1 VAHRG sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG und entspricht billigem Ermessen. Die Wertfestsetzung entspricht § 17 a GKG a. F.

Die Rechtsbeschwerde ist nach Auffassung des Senats gemäß § 574 ZPO zuzulassen, weil die Frage einer Totalrevision im Rahmen eines Verfahrens nach § 10 a Abs. 1 VAHRG grundsätzliche Bedeutung hat und vom Bundesgerichtshof - soweit ersichtlich - bisher nicht entschieden wurde.

Ende der Entscheidung

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