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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.06.2008
Aktenzeichen: 2 AR 29/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 9
1. Hat der Gesellschafter seine Einlage in monatlichen Raten zu erbringen und macht die Gesellschaft diesen Anspruch durch Klage auf künftige Leistung (§§ 257 ff ZPO) geltend, so ist für den (Zuständigkeits-)Streitwert nach § 9 ZPO der 3,5-fache Jahresbetrag maßgeblich (Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 4.4.2005 - II ZR 107/04 und 192/04).

2. Zur Willkür der Verweisung, wenn das verweisende Gericht sich in seinem Beschluss mit der - von der Partei beigebrachten - höchstrichterlichen Rechtsprechung, die der Verweisung entgegenstehen würde, nicht auseinander setzt.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 2 AR 29/08

In dem Rechtsstreit

hat der zweite Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Hawickhorst und die Richter am Kammergericht Franck und Dittrich am 12. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht Köpenick wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.

Gründe:

I.

Der Beklagte ist der Klägerin, einem geschlossenen Immobilienfonds, mit Erklärung vom 9.11.2004 (K 2) als (mittelbarer) Gesellschafter beigetreten und hat sich darin insbesondere zur Zahlung eines Beteiligungsbetrages von 9.000,00 EUR verpflichtet. Der Betrag ist in 180 Monatsraten zu je 50,00 EUR zu zahlen. Die Beteiligung der Gesellschafter an den Ergebnissen und am Vermögen der Gesellschaft bestimmt sich grundsätzlich nach den jeweils geleisteten Beteiligungsbeträgen (s. Ziffer 2.10 des "rechtlichen Konzepts", S. 57 des Propekts, Anl. B 2).

Die Klägerin hat den Beklagten zunächst vor dem Amtsgericht Köpenick auf Zahlung von 1.346,95 EUR (= 1.300,00 EUR an rückständigen Raten für September 2005 bis Oktober 2007, nebst Kosten) in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 22.1.2008 hat sie die Klage erweitert und nunmehr Zahlung von 1.390,95 EUR (= 1.350,00 EUR an rückständigen Raten für November 2005 bis Januar 2008, nebst Kosten) sowie - gemäß § 259 ZPO - weiterer 7.100,00 EUR in monatlichen Raten von je 50,00 EUR, beginnend ab 1.2.2008, verlangt. Zugleich hat sie Verweisung an das Landgericht beantragt.

Der zum Verweisungsantrag angehörte Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7.2.2008 unter Vorlage von zwei Beschlüssen des BGH vom 4.4.2005 die Auffassung vertreten, dass der Wert des Ratenzahlungsantrags nach § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag zu bemessen sei und die Zuständigkeit des Amtsgerichts daher fortbestehe.

Mit Beschluss vom 12.02.2008 hat das Amtsgericht sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das Landgericht verwiesen. Es hat dies damit begründet, dass sich die bezifferten Klageanträge auf mehr als 8.400,00 EUR summierten und damit den Zuständigkeitsstreitwert des Amtsgerichts überstiegen.

Das Landgericht hat die Parteien mit Verfügung vom 16.04.2008 darauf hingewiesen, dass der Gesamtwert der Anträge 5.000,00 EUR nicht übersteige und es den Verweisungsbeschluss als willkürlich und damit nicht bindend ansehe. Mit Beschluss vom 13.5.2008 hat es sich für unzuständig erklärt und die Sache dem Kammergericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.

II.

Das Kammergericht ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, nachdem sich das Amtsgericht Köpenick und das Landgericht Berlin mit nicht anfechtbaren Entscheidungen jeweils für sachlich unzuständig erklärt haben.

Das Amtsgericht Köpenick ist als das sachlich zuständige Gericht zu bestimmen.

Die Verweisung des Amtsgerichts Köpenick an das Landgericht Berlin ist wegen Willkür nicht bindend i.S. von § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Hierfür genügt es zwar nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig ist, und ebenfalls nicht, dass er von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (vgl. BGH NJW 2003, 3201, 3202). Willkür liegt jedoch vor, wenn der Beschluss eine sachbezogene, nachvollziehbare Begründung für die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichts unterlässt, sofern nicht beide Parteien mit der Verweisung einverstanden sind (vgl. dazu BGH a.a.O.). Letzteres war vorliegend nicht der Fall, da der Beklagte mit Schriftsatz vom 7.2.2008 die Ansicht vertreten hatte, dass auch nach der Klageerweiterung die Zuständigkeit des Amtsgerichts bestehen bleibt.

Das Amtsgericht hat die Verweisung allein damit begründet, dass sich die Anträge auf einen Betrag von über 5.000,00 EUR summierten, und hat damit in der Sache die Grundregel des § 3 ZPO angewandt. Dahin stehen kann, ob eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten (Art. 103 Abs. 1 GG) darin zu sehen ist, dass diese Begründung bereits nicht erkennen lässt, dass der Vortrag des Beklagten -der auf eine Anwendung des § 9 ZPO zielte- überhaupt zur Kenntnis genommen und erwogen wurde (vgl. BVerfG DVBl. 2006, 113). Denn jedenfalls ist auch ein nicht anfechtbarer Beschluss willkürlich, wenn er keine Begründung für die Abweichung von einer einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gibt und sich eine Rechtfertigung hierfür auch nicht aus den Umständen des Falles entnehmen lässt. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot mit Rücksicht auf die Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG), vgl. BVerfG NJW 1994, 574; s.a. BVerfGE 71, 122 = NJW 1987, 1619, 1620.

Vorliegend war es unter Beachtung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben geboten, in der Begründung des Verweisungsbeschlusses auf die zwar offenbar nicht veröffentlichte und in der Kommentarliteratur nicht behandelte, jedoch vom Beklagten vorgelegte Rechtsprechung des BGH zur Anwendung des § 9 ZPO in einem vergleichbaren Fall einzugehen. Danach schuldet der Anleger, der sich zur Zahlung einer Vielzahl von Monatsraten als Einlage verpflichtet hat, eine wiederkehrende Leistung aus einem Stammrecht, so dass nach § 9 ZPO für eine Leistungsklage nur der 3,5-fache Jahresbetrag der Beiträge maßgeblich ist (BGH, Beschlüsse vom 4.4.2005, II ZR 107/04 und 192/04).

Mangels Bindung der Verweisung hat nunmehr der Senat über die Zuständigkeitsfrage zu entscheiden. Er folgt der genannten Rechtsprechung des BGH, die zur Anwendung des § 9 ZPO führt, wenn ein Anleger eine Einlagepflicht in Form von Monatsraten übernimmt (ebenso OLG Dresden, Beschl. v. 20.9.2005 - 8 W 702/05, bei Juris). Der Umstand, dass der Gesamtbetrag der Leistung von Anfang an bestimmt ist, steht der Annahme einer wiederkehrenden Leistung nicht entgegen, wie sich aus § 9 S. 2 ZPO ergibt. Maßgeblich für die Einordnung als wiederkehrende Leistung in Abgrenzung zu einer Verbindlichkeit, die in einer Summe entstanden, aber ratenweise zu tilgen und nach der allgemeinen Vorschrift des § 3 ZPO zu bewerten ist (vgl. dazu OLGR München 2001, 220: Ausgleichsverbindlichkeit; OLGR Köln 1999, 404: Darlehensrückzahlung; ferner OLGR Frankfurt 2003, 52), ist es, dass die Einlageverpflichtung nicht im Zeitpunkt des Beitritts in vollem Umfang entstanden und nur gestundet ist, sondern dass sie erst in Zukunft zeitanteilig aus der Mitgliedschaft als Stammrecht zur Entstehung gelangt. Dies zeigt sich etwa daran, dass nach wirksamer Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses weitere Zahlungsansprüche nicht entstehen können und an ihrer Stelle lediglich ein Schadensersatzanspruch wegen entgangener Leistung in Betracht kommt. Dass nicht nur eine Stundung der Einlagezahlung vorliegt zeigt sich auch daran, dass das Gesellschaftsverhältnis so ausgestaltet ist, dass sich die Rechte des Anlegers nach dem jeweiligen Stand seiner Einzahlung richten.

Damit ist der Streitwert der Klage auf Zahlung künftiger Raten gemäß Schriftsatz vom 22.1.2008 auf (50,00 EUR x 12 Monate x 3,5 Jahre) = 2.100,00 EUR zu bemessen. Hinzuzurechnen ist das Begehren auf Zahlung rückständiger Raten (s. Zöller/Heget, ZPO, 26. Aufl., § 9 Rn 5; MüKo/Wöstmann, ZPO, 3. Aufl., § 9 Rn 6), so dass sich nach § 5 ZPO ein Gesamtwert von 3.450,00 EUR ergibt, der nach § 23 Nr. 1 GVG in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fällt.

Ende der Entscheidung

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