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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 2 AR 56/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist es, dass sich zwei Gerichte dergestalt über ihre Zuständigkeit streiten, dass ein jedes Gericht das jeweils andere Gericht für zuständig, sich selbst aber für unzuständig hält; unzureichend ist es demgegenüber, dass dasjenige Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, lediglich meint, ein drittes Gericht sei zuständig.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 2 AR 56/08

11.12.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 11. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Hawickhorst und die Richter am Kammergericht Dittrich und Dr. Glaßer

beschlossen:

Tenor:

Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor.

Die Sache ist weiterhin beim Amtsgericht Pankow/Weißensee anhängig.

Gründe:

I.

Das Landgericht Berlin, vor dem die streitgegenständliche Klage erhoben wurde, erklärte sich mit Beschluss vom 14. November 2008 für "sachlich unzuständig"; zugleich verwies es den Rechtsstreit an das Amtsgericht Pankow/Weißensee, das es im Beschlusstenor als "sachlich zuständig" bezeichnete. In den Beschlussgründen führte das Landgericht im Wesentlichen zur Frage der sachlichen Zuständigkeit aus; zur Frage der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vermerkte es lediglich, dass "dessen Zuständigkeit die Klägerseite mit § 24 begründet". Das Amtsgericht Pankow/Weißensee erklärte sich hierauf mit Beschluss vom 21. November 2008 für "örtlich unzuständig" und legt die Sache dem Kammergericht zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor. In den Beschlussgründen führte das Amtsgericht ausschließlich zur Frage der örtlichen Zuständigkeit aus; die vom Landgericht ausgesprochene sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte ließ es unbeanstandet.

II.

1.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Kammergericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht gegeben. Dies ergibt sich aus Folgendem:

a)

Ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist es, dass sie zwei Gerichte dergestalt über ihre Zuständigkeit streiten, dass ein jedes Gericht das jeweils andere Gericht für zuständig, sich selbst aber für unzuständig hält; unzureichend ist es demgegenüber, dass dasjenige Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, lediglich meint, ein drittes Gericht sei zuständig.

Für die hier vertretenen Auffassung spricht zum einen der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Danach kann im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur eines derjenigen Gerichte als zuständig bestimmt werden, welches zuvor seine Zuständigkeit verneint hat. Ein drittes Gericht, das nach Vorstellung des vorlegenden Gerichtes zuständig sein soll, hat aber in hier erörterten Konstellation nie seine Unzuständigkeit erklärt. Eine Ausnahme, die die Rechtsprechung von dem o.g. Wortlaut in Fällen der ausschließlichen Zuständigkeit des dritten Gerichtes zulässt (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 36 Rdnr. 27), hat das Amtsgericht Pankow/Weißensee vorliegend nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Das Amtsgericht Pankow/Weißensee lässt gänzlich offen, welches Gericht aus seiner Sicht örtlich zuständig sein soll.

Für die hier vertretenen Auffassung spricht zum anderen, dass die vorsorgliche Klärung eines etwaig entstehenden Zuständigkeitsstreits mit einem dritten Gericht nicht Zweck des Verfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist. Denn dieses dritte Gericht mag - wie es bei den meisten Verweisungen der Falle ist - zur Annahme des Rechtsstreits bereit sein. Das übergeordnete Gericht würde daher mit einer Vielzahl von Verfahren befasst, in denen - mangels Zuständigkeitsstreit - letztlich kein Bedürfnis für eine Befassung bestand. Damit entstünde unnütze Mehrarbeit bei dem übergeordneten Gericht und in vielen Fällen eine für die Parteien unerfreuliche Verfahrensverzögerung.

Für die hier vertretenen Auffassung spricht schließlich, dass das Eingreifen der Zuständigkeitsregelung des § 36 ZPO (in Bezug auf das zuständigkeitsbestimmende, übergeordnete Gericht) eines Zuständigkeitsstreit im o.g. Sinne voraussetzt. Denn nach § 36 Abs. 1 und 2 ZPO bestimmt sich die Zuständigkeit für das zuständigkeitsbestimmende, übergeordnete Gericht danach, welche Gerichte an dem Zuständigkeitsstreit beteiligt sind. So wäre für die Klärung eines - etwaigen - Streits des Amtsgerichts Pankow/Weißensee mit einem anderen Berliner Amtsgericht über die Frage der örtlichen Zuständigkeit das Landgericht Berlin zuständig, während der - etwaige - Streit des Amtsgerichts Pankow/Weißensee mit einem außerhalb Berlins gelegenen Amtsgericht durch das Kammergericht zu klären wäre. Nach der Konstruktion des § 36 Abs. Nr. 6 ZPO lässt sich daher das zuständigkeitsbestimmende, übergeordnete Gericht nur dann bestimmen, wenn klar ist, zwischen welchen Gerichten der negative Zuständigkeitskonflikt besteht.

b)

Vorliegend besteht kein Streit in dem o.g. Sinne zwischen dem Landgericht Berlin und dem Amtsgericht Pankow/Weißensee.

Denn das Amtsgericht Pankow/Weißensee hat sich lediglich für örtlich unzuständig erklärt und ist offenbar gerade nicht der Auffassung, das Landgericht Berlin - oder irgendein anderes Landgericht - sei zuständig. Vielmehr hält es ein anderes Amtsgerichts für zuständig. Dieses ist an dem vorliegenden Zuständigkeitsstreit jedoch nicht beteiligt.

Hinzutritt vorliegend, dass das Landgericht Berlin sich nur recht undeutlich zu Gunsten der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Pankow/Weißensee ausgesprochen hat. Zwar hat das Landgericht den Rechtsstreit an das Amtsgericht Pankow/Weißensee - und nicht an irgendein anderes Amtsgerichts - verwiesen, womit seiner Verweisungsentscheidung eine Regelungswille in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit nicht gänzlich abgesprochen werden kann. Jedoch hat das Landgericht das Amtsgericht Pankow/Weißensee in dem Beschlusstenor ausdrücklich nur als "sachlich zuständig" bezeichnet und in den Beschlussgründen zur Frage der örtlichen Zuständigkeit nur die Auffassung der Kläger referiert, nicht aber selbst Position bezogen. In derartigen Fällen ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bezüglich derjenigen Zuständigkeitsart, über die das verweisende Gericht offenbar nicht abschließend entscheiden wolle (vgl. BayObLG, Beschl. vom 1.4.2004 - 1Z AR 33/04, Rdnr. 9 zit. nach Juris, m.w.N.; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 281 Rdnr. 16a, m.w.N.). Das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist indessen das gesetzgeberisch notwendige Gegenstück zur Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Daher steht das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht zur Verfügung, wenn - wie hier - das verweisenden Gericht das vorlegenden Gericht gar nicht in derjenigen Zuständigkeitsart binden wollte, wegen derer sich das vorlegenden Gericht für unzuständig hält.

2.

Das Amtsgericht Pankow/Weißensee wird daher nunmehr darüber zu entscheiden haben, ob es - wegen der Verneinung seiner örtlichen Zuständigkeit - den Rechtsstreit nach etwaigem Verweisungsantrag des Klägers und Anhörung der Beklagten an ein anderes Amtsgericht verweist oder die Klage nach mündlicher Verhandlung abweist.

Ende der Entscheidung

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