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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 01.10.2009
Aktenzeichen: 2 U 17/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GWB


Vorschriften:

BGB § 852
ZPO § 543 Abs 2
ZPO § 287
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 33 Abs. 3 S. 2
GWB § 54 Abs. 1 S. 1
1.) Im Hinblick auf die - verjährungsrechtlich relevante - Frage, wann ein Anspruchsinhaber Kenntnis von dem Anspruch erlangt hat (§ 852 BGB a.F. , § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.), gibt es keinen Erfahrungssatz, dass der Inhalt von Pressemitteilungen stets zeitnah von den Betroffenen zur Kenntnis genommen wird; im Hinblick auf die Frage grob fahrlässiger Unkenntnis von dem Anspruch besteht keine Pflicht, die Presse zu verfolgen. Das gilt auch für Kaufleute und organschaftliche Vertreter von Handelsgesellschaften in Bezug auf unternehmensbezogene Nachrichten des Wirtschaftsteils.

2.) Eine Kartellschadensersatzklage ist nicht gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unbestimmt, weil in der Klageschrift nicht die einzelnen Umsatzgeschäfte benannt wurden, bei denen das Kartell zu einer Preiserhöhung geführt hat und aus denen der Geschädigte daher den geltend gemachten Schaden errechnet. Ändert der Kläger im Laufe des Prozesses seinen Vortrag dahin, daß er seinen Schaden nunmehr aus anderen Umsatzgeschäften errechnet, stellt dies nicht ohne weiteres eine (Teil-) Klagerücknahme bzw. (Teil-) Klageänderung dar.

3.) Der gesetzliche Schadensersatzanspruch, der auf Grund eines Kartellverstoßes entsteht, ist grundsätzlich nach demjenigen Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses galt.

4.) Zum Eingreifen eines Anscheinsbeweises zu Gunsten der Annahme der Kartellteilnahme eines Beklagten, der zwar in einem Kartellordnungswidrigkeitenbescheid des Bundeskartellamtes als Teilnehmer benannt wurde, jedoch nicht Betroffener des Bescheides war.

5.) Der Schadensersatzanspruch nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. (heute: 33 Abs. 3 Satz 1 GWB) setzt nicht die Zielgerichtetheit der Schädigung voraus.

6.) Der Schaden, der durch ein Kartell verursacht wurde, bei dem die Kartellanten Marktanteile unter sich aufgeteilt haben (Quotenkartell), entspricht der Differenz zwischen dem Preis, den der Kläger an die Beklagte tatsächlich gezahlt hat, und dem Preis, den der Kläger bei funktionierendem Wettbewerb gezahlt hätte, multipliziert mit der Menge der Umsatzeinheiten, auf die der Preis bezogen ist.

7.) a) Fehlt es an ausreichenden Grundlagen für eine genaue Berechnung des wettbewerbsgemäßen Preises hat das Gericht den wettbewerbsgemäßen Preis gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei ist derjenige Preis maßgebend, der mit hinreichender Sicherheit zu zahlen gewesen wäre, wenn das Kartell nicht existiert hätte. Das Eingreifen von Anscheinsbeweisen kann insofern von besonderer Bedeutung sein.

b) Typischerweise hat ein Quotenkartell eine wettbewerbsbeschränkende und damit preistreibende Wirkung. Das gilt auch im Verhältnis zu einer marktmächtigen Marktgegenseite. Unerheblich ist insofern, ob der einzelne Kartellteilnehmer während des Kartellzeitraumes an seinen Herstellungskapazitätsgrenzen operiert hat; allenfalls dann, wenn sämtliche Kartellteilnehmer an ihren Herstellungskapazitätsgrenzen operierten, kommt eine Nichtursächlichkeit des Kartells für die Preisentwicklung in Betracht. Für letzteres trägt der Kartellteilnehmer die Darlegungs- und Beweislast.

c) Typischerweise wird die Vereinbarung eines Kartells zumindest in bestimmtem Umfang von den Kartellteilnehmern in die Tat umgesetzt.

d) Ein Erfahrungssatz, wonach erhöhte Durchschnittspreise eines bestimmten Jahres auf ein Kartell zurückzuführen sind, existiert nicht.

e) Typischerweise wird ein Anbieter bei funktionierendem Marktmechanismus zumindest auf mittlere Sicht in etwa die gleichen Preise von allen seinen Abnehmern verlangen.

f) Als Anhaltspunkt für die Schätzung der wettbewerbsgemäßen Preise (vgl. Ziff. 4) sind insbesondere die Durchschnittspreise auf dem betroffenen Markt vor und nach Einsetzen des Kartells sowie während des Kartellzeitraumes heranzuziehen; ferner die Preise für gleiche Produkte auf Märkten ausserhalb des räumlichen Geltungsbereich des Kartells. Der Einwand des auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Kartellteilnehmers, dass in die Berechnung der von der antragstellenden Partei behaupteten, kartellbedingten Durchschnittspreise z.T. Preise eingeflossen seien, die nicht kartellbedingt zustande kamen, ist unerheblich.

8a) Bei den Umsatzmengen, die in die Schadensberechnung Eingang finden, sind diejenigen Umsätze außer Acht zu lassen, die auf der Grundlage von Verträgen durchgeführt wurden, die noch vor Einsetzen des Kartells abgeschlossen wurden.

b) Ferner sind die Umsätze derjenigen Untergruppen des Kartellproduktes außer Acht zu lassen, bei denen im Einzelfall eine atypische Preisentwicklung festzustellen ist und bei denen daher nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass das Kartell zu einer Preiserhöhung führte.

9.) Die Höhe des Schadensersatzanspruches nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. vermindert sich nicht dadurch, dass die Anspruchsinhaberin (= 2. Marktstufe) die Preise für ihr Produkt gegenüber ihren Kunden (= 3. Marktstufe) erhöht, weil sie das Kartellprodukt zu kartellbedingt erhöhten Preisen bezieht. Der Einwand der Vorteilsausgleichung ist im Verhältnis zwischen den Kartellteilnehmern und den Teilnehmern der 2. Marktstufe ausgeschlossen (ebenso § 33 Abs. 3 Satz 2 GWB n.F.)

10.) Teilnehmern der 3. Marktstufe (und ggf. fernerer Marktstufen) steht gemäß § 35 Abs. 1 GWB a.F. (heute: § 33 Abs. 3 GWB) ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Kartellteilnehmern jedenfalls dann zu, wenn der Gläubiger des Anspruchs ein Unternehmer ist.

11.) Die Schadensersatzberechtigten der 2. Marktstufe und fernerer Marktstufen sind Gesamtgläubiger.

12.) Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO vom Oberlandesgericht jedenfalls dann nicht wegen Abweichens von der Rechtsprechung eines anderen Oberlandesgerichtes in einer schadensersatzrechtlichen Frage zuzulassen, wenn die Abweichung in Folge einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung nur noch für Altfälle von Bedeutung ist, die mehr als vier Jahre in der Vergangenheit liegen.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 2 U 17/03

verkündet am: 01. Oktober 2009

In dem Rechtsstreit

hat der Kartellsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 06. August 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Hawickhorst und die Richter am Kammergericht Franck und Dr. Glaßer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27. Juni 2003 verkündete Urteil der Handelskammer 102 des Landgerichts Berlin - 102 O 155/02 Kart - wie folgt geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.005,16 EUR nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Dezember 2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreit haben die Klägerin 76 % und die Beklagte 24 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn die vollstreckende Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten - auch in zweiter Instanz - darüber, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen der Teilnahme an einem Quotenkartell zusteht.

Die Beklagte ist Anbieterin von Transportbeton in Berlin. Transportbeton muss innerhalb von 90 Minuten nach der Zugabe von Wasser zum Zement entladen werden. Die Klägerin ist ein Bauunternehmen. In den Jahren 1995 bis 1998 trafen zumindest die allermeisten und wesentlichen Anbieter von Transportbeton im Großraum Berlin Absprachen über die Aufteilung von Marktanteilen auf die einzelnen Kartellteilnehmer (Im Folgenden: Quotenkartell). In den Jahren 1994 bis 1999 wurde Transportbeton bundesweit und in Berlin zu folgenden Durchschnittspreise (in DM je m³) verkauft, wobei die angegebenen Preise der Beklagten gegenüber der Klägerin, mit Ausnahme der Preise für die Betongruppen B25 KR und B35 KS des Jahres 1994, auf dem Vortrag der Klägerin beruhen, den die Beklagte - wie unten noch ausgeführt wird - bestreitet:

Jahr|Verkäufe im gesamten Bundesgebiet aller Anbieter an alle Abnehmer, alle Betonsorten (Preise)|Verkäufe im Großraum Berlin, aller Anbieter an alle Abnehmer, alle Betonsorten (Preise/verkaufte Mengen insgesamt/ Zahl der Anbieter)|Verkäufe der Beklagten an alle Abnehmer, alle Betonsoten (Preise)|Verkäufe der Beklagten an die Klägerin, alle Betonsorten, einschließlich Zuschläge (Preise)|Verkäufe der Beklagten an die Klägerin, alle Betonsorten, ohne Zuschläge (Preise) |Verkäufe der Beklagten an die Klägerin, getrennt nach Betonsorten, ohne Zuschläge (Preise/verkaufte Mengen insgesamt) 1994|128,00|133,00; 1,97 Mio.; 20 |134,00|||B10 KS: - ; B15 KR: - ; B15 KS: -; B25 KF: -; B25 KR: 145,00 ; B25 KS: -; B25 KP: - ; B35 KF: -; B35 KR: -; B35/WU: -; B35 KS: 169,00; B45: -; Estrich: -; Auftrag.: - 1995|130,00|151,00; -; 20|152,67|kein Umsatz|kein Umsatz|kein Umsatz 1996|130,00|152,00; -; 20|158,36|147,59|144,71|B10 KS: 129,16 / 38,00 B15 KR: kein Umsatz; B15 KS: 139,89 /1.396,00 ; B25 KF: 156,50 / 21,00; B25 KR: 148,63 /1.126,50; B25 KS: 143,44 / 400,00 ; B25 KP: kein Umsatz: B35 KF: 178,50 / 90,00; B35 KR: 143,56 / 169,00; B35/WU: kein Umsatz; B35 KS: 170,00 / 6,50; B45 KR: 191,00 / 3,00 ; Estrich: kein Umsatz; Auftrag.: kein Umsatz 1997|131,00|151,00; 1,56 Mio.; 19|155,76|154,83|151,53|B10 KS: 135,81 / 74,50 B15 KR: 132,77 / 105,00; B15 KS: 134,29 / 584,50 ; B25 KF: 166,00 / 1,00; B25 KR: 150,43 /1.692,50 ; B25 KS: 144,92 / 18,30; B25 KP: 188,51 / 26,50; B35 KF: kein Umsatz; B35 KR: 177,17 / 553,00; B35/WU: kein Umsatz; B35 KS: 170,00 / 10,00 ; B45: kein Umsatz; Estrich: kein Umsatz; Auftrag.: kein Umsatz 1998|131,00|143,00; 1,11 Mio.; 20|141,01|164,64|162,58|B10 KS: kein Umsatz ; B15 KR: 130,00 / 27,50; B15 KS: 140,63 / 647,50 ; B25 KF: 170,05 / 939,00; B25 KR: 163,95 / 180,00; B25 KS: 144,00 / 3,50; B25 KP: kein Umsatz; B35 KF: kein Umsatz; B35 KR: kein Umsatz; B35/WU: 175,09/ 637,00; B35 KS: kein Umsatz B45: kein Umsatz; Estrich: 164,00 / 3,00 ; Auftrag.: 153,80 / 3,75 1999||112,00; 1,27 Mio.; 24|126,00||121,67|B10: -; alle B15: 97,02; alle B25: 153,84; alle B35: 110,53; B45: - ;Estrich: -; Auftrag.: - 2000|||||95,97|B10: - ; alle B15: 76,38; alle B25: 101,51; alle B35: 106,41; B45: - ; Estrich: - ; Auftrag.: -

Die Zuschläge der Beklagten gegenüber der Klägerin für Nacht- und Feiertagslieferungen, für Lieferung geringer Mengen u.ä. blieben der Höhe nach in den Jahren 1994 bis 1998 unverändert. Im Jahre 1999 leitete das Bundeskartellamt Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen nahezu sämtliche im Großraum Berlin tätigen Transportbetonanbieter ein. In der Folge verhängte das Bundeskartellamt am 25. Oktober 1999 eine Geldbuße in erheblichem Umfang u.a. gegen die ... GmbH & Co. KG und gegen Herrn ... . Dieser war Geschäftsführer der Beklagten sowie u.a. der geschäftsführenden Gesellschaft der ... GmbH & Co. KG. Die Beklagte war eine der vier operativen Transportbeton-Gesellschaften des ..., die unter der einheitlichen Leitung des Herrn ... standen. In dem Bußgeldbescheid führte das Bundeskartellamt aus, dass sich Herr ... als Geschäftsführer der Transportbeton-Gesellschaften des ... an dem Quotenkartell beteiligt hatte; wegen der Einzelheiten des Bescheides wird auf Anlage K2 zur Klageschrift verwiesen. Die Klägerin hatte jedenfalls ab Ende November 1999 Kenntnis von dem kartellbehördlichen Verfahren. Hiervon erfuhr sie durch die Presse. Die Presse berichtet allerdings schon ab dem 4. November 1999 umfangreich über die Einleitung eines kartellbehördlichen Verfahrens gegen die Beklagte. Ab Mitte November 1999 gab es fast keine Berichterstattung von dem kartellbehördlichen Verfahren mehr; lediglich am 19. November 1999 erschien noch eine Meldung - in der Süddeutschen Zeitung - , in der am Rande von dem Verfahren die Rede war.

Die Klägerin berechnet den von ihr mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzanspruch dadurch, dass sie die kartellbedingte Preissteigerung durch Angabe einer Prozentangabe je Kartelljahr beschreibt, sodann den Gesamtpreis der Transportbetonlieferungen der Beklagten an die Klägerin für jedes einzelne Kartelljahr mit dem betreffenden Prozentsatz fakturiert und schließlich die sich ergebenden jährlichen Schadensbeträge addiert. Näherer Vortrag dazu, wie sich die angegebenen jährlichen Gesamtpreise zusammensetzen, findet sich in der Klageschrift nicht. Erstmals im Jahre 2003 trägt die Klägerin zu den einzelnen Lieferungsgeschäften - nach Datum, Bauvorhaben, gelieferter Betonmenge und Preis - vor. Für die einzelnen Kartelljahre ergaben sich danach teils höhere, teils geringere Gesamtpreise als noch mit der Klage vorgetragen. Die Klägerin ist der Auffassung, vorliegend sei § 33 GWB in der Fassung vom 15.7.2005 anwendbar, und meint, ihr stünde gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch nach dieser Vorschrift zu. Denn die Beklagte habe an dem Quotenkartell teilgenommen. Das Quotenkartell habe während seines Bestehens einen Anstieg der Preise für Transportbeton von ca. 18 DM/m³ bewirkt. Erforderlichenfalls sei der hypothetische Wettbewerbspreis nach § 287 ZPO zu schätzen. Zu diesem Zweck legt die Klägerin umfangreiche Listen vor, in denen die einzelnen Transportbetonlieferungen der Beklagten an sie aus den Jahren 1996 bis 1999 mit Lieferort, Menge und Preis angegeben sind; wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K9 zum Schriftsatz vom 1. April 2003, K12 zum Schriftsatz vom 20. April 2006 sowie K13 zum Schriftsatz vom 26. Mai 2008 verwiesen. Für das Jahr 1994 trägt die Klägerin keine Preise vor, die die Beklagte von ihr verlangt habe, und erläutert dies damit, dass sie ihre diesbezüglichen Geschäftsunterlagen zwischenzeitlich vernichtet habe. Sie ist zudem der Auffassung, für die Schätzung sei ohnehin allein auf die Preise aus dem ersten Nachkartelljahr 1999 abzustellen. Denn im Jahre 1994 seien die Preise in Berlin schon höher gewesen als im Bundesdurchschnitt, weshalb anzunehmen sei, dass das Quotenkartell schon im Jahre 1994 bestanden habe; die Berliner Preise des Jahres 1994 taugten daher nicht für einen Rückschluss auf den hypothetischen Wettbewerbspreis. Bei der Berechnung des Schadens seien die Umsatzvolumina betreffend die Betonsorte B25 und B35 einzubeziehen.

Auch die Volumina der Lieferungen aus Eberswalde/Finow und Rüdersdorf, der Lieferung des Estrichs "ESM/KS", Sorten-Nr. 4804, sowie der Lieferung von "Architekturbeton" und "Auftragsmischung" seien in die Schadensberechnung einzubeziehen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie behauptet, die Klägerin habe "weit vor Ende November 1999" von dem kartellbehördlichen Verfahren Kenntnis erhalten; konkreter Vortrag, wann welche natürliche Person was erfahren haben soll, fehlt allerdings. Die Beklagte ist der Auffassung, jedenfalls ein Anscheinsbeweis spreche dafür, dass die Klägerin sich Anfang November 1999 einer sich ihr aufdrängenden, mühelos für sie erschließbaren Erkenntnismöglichkeit über die Kartellbeteiligung der Beklagten aus der Presse verschlossen habe. Die Beklagte ist der Auffassung, vorliegend sei § 33 GWB in der Fassung vom 26.8.1998 anwendbar. Sie meint, nach dieser Vorschrift stünde der Klägerin ihr gegenüber schon deshalb kein Schadensersatzanspruch, weil dieser die Zielgerichtetheit der Schädigung erfordere, woran es vorliegend fehle. Denn sie sei nicht Mitglied des Kartells gewesen; näheres trägt sie hierzu nicht vor. Ferner habe das Quotenkartell keinen Ansteig der Transportbetonpreise bewirkt. Zur Begründung deutet die Beklagte an, ihr Gewinn aus dem Kartell könne durch Effizienzvorteile, die das Kartell gegenüber der wettbewerblichen Situation bewirkt habe, erklärt werden. Zudem könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass hinreichende "Kartelldisziplin" geherrscht habe, d.h. dass die Kartellvereinbarung in die Tat umgesetzt worden sei. Schließlich habe sie z.T. an ihren Betonherstellungskapazitätsgrenzen operiert, weshalb sie auch ohne das Quotenkartell keine Wettbewerbshandlungen zur Steigerung ihres Marktanteiles unternommen hätte. Zur Kapazitätsauslastung ihrer Mitkartellanten könne und müsse sie allerdings nichts vortragen. Eine Schätzung des hypothetischen Wettbewerbspreises nach § 287 ZPO sei nicht möglich, weil nach dieser Vorschrift nicht das Bestehen eines Schadens an sich, sondern nur dessen Höhe festgestellt werden könne. Dies gelte um so mehr als der BGH im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren (WuW/E DER 1567) darauf hingewiesen habe, dass die Wahrscheinlichkeit der kartellbedingten Gewinnsteigerung durch konkrete Nachweise abgesichert werden müsse. Für den Fall, dass der hypothetische Wettbewerbspreis dennoch geschätzt werde, bestreitet die Beklagte ihre von der Klägerin behaupteten Durchschnittspreise dieser gegenüber; konkrete gegenteilige Preise trägt sie nicht vor. Ergänzend trägt sie vor, die von der Klägerin als Anlagen K13 f. eingereichten Preislisten könnten nicht nachvollzogen werden. Auch passten die behaupteten Durchschnittspreise nicht zu den Angaben in den Preislisten. Im Übrigen deutet die Beklagte an, dass sie unterschiedliche Preise von ihren verschiedenen Abnehmern verlangt haben mag, und ist der Auffassung, dass für die Schadensschätzung alleine auf Preise abzustellen sei, die sie von der Klägerin verlangt habe. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die im Jahre 1999 gezahlten Preise ungeeignet seien, um auf die hypothetischen Wettbewerbspreise der Jahre 1995 bis 1998 rückzuschließen, weil zum einen das Umsatzvolumen im Jahr 1999 mit 1,27 Mio. m³ z.T. deutlich geringer war als in den Jahren zuvor und zum anderen die Zahl der Transportbetonanbieter auf dem Berlin Markt des Jahres 1999 höher war als in den Jahren zuvor. Die Preise des Jahres 1994 seien durchaus von Relevanz für die Schätzung des hypothetischen Wettbewerbspreises. Denn das Kartell habe nicht schon im Jahre 1994 bestanden. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, dass zur Feststellung des hypothetischen Wettbewerbspreises die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sei, in welchem von den - bekannten - Nichtkartellpreisen außerhalb des Großraums Berlin auf die hypothetischen Nichtkartellpreise innerhalb des Großraums Berlin geschlossen werde (sog. räumliches Vergleichsmarktgutachten). Bei der Berechnung des Schadens seien die Umsatzvolumina betreffend die Betonsorte B25 und B35 nicht einzubeziehen, weil jedenfalls insofern keine kartellbedingte Preiserhöhung festzustellen sei; das belege die Preisentwicklung für diese Betonsorte innerhalb und außerhalb des Kartellzeitraums. Auch die Volumina der Lieferungen aus Eberswalde/Finow und Rüdersdorf, der Lieferung des Estrichs "ESM/KS", Sorten-Nr. 4804, sowie der Lieferung von "Architekturbeton" und "Auftragsmischung" seien nicht in die Schadensberechnung einzubeziehen; letzteres gelte deshalb, weil die Preise für besondere Betone "individuell" verhandelt worden seien. Die Beklagte ist der Auffassung, der Klägerin sei jedenfalls deshalb kein oder nur ein verminderter Schaden entstanden, weil die Klägerin ihre Preise gegenüber ihren Abnehmern in Folge des angeblich kartellbedingten Anstiegs der Transportbetonpreise ebenfalls erhöht habe. Die Schadensweitergabeproblematik sei jedenfalls vorliegend besser als Problem der Schadensberechnung denn als Problem der Vorteilsausgleichung zu erfassen, mit der Folge, dass die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich bei der Klägerin liege. Denn Transportbeton müsse innerhalb von nur 90 Minuten entladen werden, weshalb das Geschäft zwischen der 1. und 2. Marktstufe zeitlich mit dem Geschäft zwischen der 2. und 3. Marktstufe zusammenfalle; häufig werde der Vertrag zwischen der 2. und 3. Marktstufe zeitlich sogar vor dem Vertrag zwischen der 1. und 2. Marktstufe abgeschlossen. Jedenfalls aber sei der Schadensersatzanspruch nach den Regeln der Vorteilsausgleichung zu kürzen.

Die Klägerin repliziert hierauf, dass sie ihre Preise gegenüber ihren Abnehmern in Folge des kartellbedingten Anstiegs der Transportbetonpreise nicht erhöht habe und auch nicht habe erhöhen können. Denn ihre folgenden Wettbewerber (zuerst genannt) hätten mit den folgenden Kartellteilnehmern (zuletzt genannt) in Konzernverbindung gestanden und hätten von diesen während des gesamten Kartellzeitraumes Transportbeton zu wettbewerbsgemäßen Preisen bezogen: ... GmbH verbunden mit ... GmbH, ... AG verbunden mit K B GmbH & Co. KG, ... AG verbunden mit ... GmbH & Co. KG Betriebs KG (Verbindung über ... AG) sowie .. AG verbunden mit ... GmbH Berlin-Schönefeld. Jedenfalls komme eine Kürzung ihres Kartellschadensersatzanspruches gegenüber der Beklagten wegen der "Weitergabe" des Kartellschadens an die nächste Marktstufe nicht in Betracht. Dies ergebe sich aus § 33 Abs. 3 Satz 2 GWB in der nach ihrer Ansicht anzuwendenden Fassung. Soweit auch ihre Kunden Kartellschadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten zustünden, wären ihre Kunden und sie Gesamtgläubiger.

Die Beklagte dupliziert, dass auch die von der Klägerin genannten Wettbewerber zu kartellbedingten Preisen von den Kartellteilnehmern beliefert wurden. In Bezug auf die ... AG bietet sie Beweis an; im Übrigen bestreitet sie den Vortrag der Klägerin mit Nichtwissen. Die Beklagte ist der Auffassung, der Vortrag der Klägerin betreffend die Konzernverbindung einzelner ihrer Wettbewerber mit Kartellteilnehmern sei nicht hinreichend substanziiert. So fehle u.a. Vortrag zur Art der Verflechtung sowie zu den Mengen, Konditionen und Zeiträumen der konzerninternen Lieferungen. Die Klage ist der Beklagten am 18. Dezember 2002 zugestellt worden.

Das Landgericht hat die am 19. November 2002 bei Gericht eingegangene Klage durch Urteil vom 27. Juni 2003, dem Kläger zugestellt am 7. Juli 2003, mit der Begründung abgewiesen, die Klageforderung bestünde schon dem Grunde nach nicht, weil der Schadensersatzanspruch die Zielgerichtetheit der Schädigung erfordere, woran es vorliegend fehle; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die bei Gericht am 6. August 2003 eingegangen ist.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 27. Juni 2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, Az. 102 O 155/02 Kart, wird die Beklagte verurteilt, an sie 112.474,94 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg, weil die Klage zulässig und entgegen der Ansicht des Landgerichts teilweise begründet ist.

1.

Die Klage ist gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO jedenfalls heute hinreichend bestimmt.

Denn jedenfalls hat die Klägerin im Laufe des Rechtsstreits - noch in erster Instanz - die einzelnen Umsatzgeschäfte, aus denen sie den geltend gemachten Schadensersatzanspruch errechnet, benannt.

Es kann daher im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage dahinstehen, ob die Nennung der einzelnen Umsatzgeschäfte zur erforderlichen Bestimmtheit einer Kartellschadensersatzklage erforderlich ist (dagegen, mit sehr knapper Begründung: BGH, BB 2009, 905, zit. nach Juris; ebenso OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 2311).

2.

Die Klageforderung ist nicht gemäß § 852 BGB a.F. ganz oder teilweise verjährt.

Denn der Ablauf der Verjährungsfrist des § 852 BGB a.F., über dessen vorliegende Anwendbarkeit zwischen den Parteien kein Streit besteht, ist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO in Folge der Klageerhebung seit dem 19. November 2002 gehemmt. Hierzu im Einzelnen:

a)

Die Verjährungsfrist wäre ohne Hemmungseintritt erst Ende November 1999 abgelaufen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa)

Die Verjährungsfrist des § 852 BGB a.F. läuft ab der positiven Kenntnisnahme des Anspruchsinhabers von Umständen an, die es ihm ermöglichen, mit hinreichender Aussicht auf Erfolg eine schlüssige Feststellungsklage - hier gerichtet auf das Bestehen eines Kartellschadensersatzanspruches - zu erheben (Thomas in Palandt, BGB, 56. Aufl. 1997, § 852 Rdnr. 4; juris-Kommentar zum BGB, § 199 Rdnr. 29). Hingegen lässt "fahrlässige" Unkenntnis die Verjährungsfrist selbst bei Vorliegen von grober Fahrlässigkeit nicht anlaufen (Zeuner in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1998, § 852 Rdnr. 10, m.Rspr.N.; Schäfer in Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 852 Rdnr. 13 f.; m.Rspr.N.). Nur dann, wenn sich der Anspruchsinhaber einer sich aufdrängenden, keine nennenswerten Kosten oder Mühen erfordernde Erkenntnismöglichkeit verschlossen haben sollte, kommt der Anlauf der Verjährungsfrist - unter dem Gesichtspunkt des Verbotes rechtsmissbräuchlichen Verhaltens - trotz Nichtbestehens positiver Kenntnis in Betracht (Stein in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 852 Rdnr. 11; Zeuner in Soergel, a.a.O.; Schäfer in Staudinger, a.a.O.; allesamt mit Rspr.N.). Dabei besteht keine Nachforschungsobliegenheit des Geschädigten (Zeuner in Soergel, a.a.O.).

bb)

Der Senat hat davon auszugehen, dass positive Kenntnis der Klägerin von dem kartellbehördlichen Verfahren erst ab Ende November 1999 bestand.

Denn zum einen tragen die Parteien erst für die Zeit ab Ende November 1999 unstreitig das Bestehen positiver Kenntnis der Klägerin vor; und zum anderen ist die Beklagte ihrer Darlegungspflicht für die Annahme positiver Kenntnis der Klägerin vor Ende November 1999 nicht nachgekommen, weil sie - trotz Hinweis des Senats - nicht vorgetragen hat, wann welche natürliche Person was erfahren haben soll. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines Anscheinsbeweises dahingehend, dass die Klägerin schon vor Ende November 1999 positive Kenntnis hatte, bestehen auch im Hinblick darauf nicht, dass die Presse bereits am 4. November 1999 umfangreich über die Einleitung eines kartellbehördlichen Verfahrens berichtete, es ab Mitte November 1999 fast keine Berichterstattung hierzu mehr gab und die Klägerin von dem Berliner Betonkartell durch die Presse erfahren hat. Die Klägerin mag nämlich erst durch die Berichterstattung in der Süddeutsche Zeitung vom 19. November 1999, in der - immerhin - am Rande von dem kartellbehördlichen Verfahren die Rede war, auf das Bestehen des Kartells aufmerksam gemacht worden sein. Vor allem aber wäre selbst dann, wenn die Erkenntnisquelle der Klägerin die Presseberichterstattung von Anfang November war, nicht ohne weiteres anzunehmen, dass sich die Klägerin des Bestehens dieser Erkenntnisquelle bereits Anfang November 1999 bewusst war. Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, dass der Inhalt von Pressemitteilungen stets zeitnah von den Betroffenen zur Kenntnis genommen wird; das gilt auch für Kaufleute bzw. organschaftliche Vertreter von Handelsgesellschaften in Bezug auf unternehmensbezogene Nachrichten der Wirtschaftspresseberichterstattung. So ist es nicht untypisch, dass ein Betroffener erst durch den zeitlich verzögerten Hinweis eines Dritten Kenntnis von einer bestimmten Presseberichterstattung erlangt, etwa weil der Betroffene die Berichterstattung bei seiner eigenen Zeitungslektüre übersehen hat oder weil er nicht regelmäßig oder gar nicht Zeitung liest. Auch gibt es nicht wenige Zeitungsleser, die Zeitungen zwar regelmäßig beziehen, diese aber erst später gebündelt zur Kenntnis nehmen, wenn ihnen dafür ausreichende freie Zeit zur Verfügung steht.

cc)

Der Senat hat auch nicht davon auszugehen, dass vor Ende November 1999 eine sich der Klägerin aufdrängende, keine nennenswerten Kosten oder Mühen erfordernde Erkenntnismöglichkeit bestand, der gegenüber sich die Klägerin verschlossen hat.

Denn niemand ist von Rechts wegen gehalten, die Presse zu verfolgen. Das gilt auch für Kaufleute und organschaftliche Vertreter von Handelsgesellschaften in Bezug auf unternehmensbezogene Nachrichten des Wirtschaftsteils.

Damit kann dahinstehen, ob die Presseberichterstattung der Klägerin inhaltlich ausreichend Kenntnis verschafft hätte, um mit Erfolgsaussicht schlüssig Feststellungsklage zu erheben. Ebenso kann dahinstehen, ob die Verjährungsfrist - wie die Klägerin meint - frühestens habe beginnen können zu laufen als der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes - im Januar 2001 - bestandskräftig wurde.

b)

Die Zustellung der am 19. November 2002 bei Gericht eingereichten Klageschrift erfolgt "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO.

Zwar erfolgte die Klagezustellung bei der Beklagten am 18. Dezember 2002 erst gut vier Wochen nach Einreichung bei Gericht. Die zeitliche Verzögerung der Zustellung beruhte jedoch nicht auf Umständen, die von der Klägerin zu vertreten sind, nachdem die Klägerin alles ihr obliegende getan hatte, damit die Klage zeitnah zugestellt werden konnte. So hat sie u.a. die Anschrift der Beklagten in der Klageschrift korrekt angegeben und der Klageschrift einen Verrechnungsscheck in voller Höhe des anfallenden Gerichtskostenvorschuss beigefügt. c)

Die Klage vom 19. November 2002 war auch nicht deshalb ungeeignet, den Ablauf der Verjährungsfrist zu hemmen, weil etwa die Klageforderung in der Klageschrift nicht gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt war.

Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die unbestimmte Klageerhebung nicht verjährungsfristhemmend bzw. -unterbrechend wirkt (zum Verjährungsrecht nach der Verjährungsrechtsreform 2002 vgl. u.a.: BGH MDR 2009, 215; BGH, NJW 2008, 3498; Heinrichs in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 204 Rdnr. 4 m.w.N.; zum Verjährungsrecht vor der Verjährungsrechtsreform 2002 vgl. u.a.: BGH, NJW 2001, 305; BGH, NJW 1992, 1111). Nur in Fällen, in denen sich die Unbestimmtheit daraus ergibt, dass bei einer Teilsaldoklageerhebung zwar die dem Saldo zu Grunde liegenden Einzelforderung benannt wurden, nicht aber die Teilbeträge, in deren Höhe die jeweiligen Einzelforderungen mit der Klage geltend gemacht werden, gilt die Verjährungsfrist ausnahmsweise mit der Klageerhebung als unterbrochen bzw. gehemmt, wenn später im Prozess, sei es auch nach Ablauf der Verjährungsfrist, die Nennung der Teilbeträge doch noch erfolgt (BGH, NJW-RR 1996, 885; vgl. auch BGH, NJW 2001, 305, Rdnr. 20 zit. nach Juris).

Jedoch war die Klage vom 19. November 2002 hinreichend bestimmt. Insbesondere war es nicht erforderlich, in der Klageschrift anzugeben, aus welchen Umsatzvolumina der Kläger seinen Schaden errechnet. Dies hat der Bundesgerichtshof jüngst in einem vergleichbaren Fall, dem die Geltendmachung eines Kartellschadensersatzanspruches aus der Zementwirtschaft zu Grunde lag, entschieden (BGH, BB 2009, 905, zit. nach Juris: Nichtzulassungsbeschwerde gegen die entsprechende Entscheidung des OLG Düsseldorfs, WuW/E DE-R 2311, mit sehr knapper Begründung zurückgewiesen). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung, wenngleich mit Bedenken. Zu ihrer Begründung lässt sich anführen, dass im Bereich des Kartellschadensersatzes häufig - wie vorliegend - eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO vorzunehmen ist und dass sich viele Tatsachen, die der Schätzung zu Grunde liegen, eher als miteinander verwobene Rechnungsposten denn als exakt voneinander trennbare Lebenssachverhalte darstellen. Auch sprechen gewisse Praktikabilitätsgesichtspunkt für die genannte Rechtsprechung, solange zwischen den Parteien nicht im Streit ist, welche Umsatzvolumina in die Schadensschätzung einzubeziehen sind. Schließlich mag es für die Parteien vielfach eindeutig sein, welche Umsatzvolumina der Klageforderung zu Grunde liegen, wenn der Kläger uneingeschränkt den gesamten entstandenen Kartellschaden geltend macht.

3.

Die Klägerin hat die Klage lediglich in Höhe der Differenz zwischen der ursprünglichen Klagegesamtforderung (114.166,02 EUR) und der später in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2003 geltend gemachten Klagegesamtforderung (112.474,90 EUR) zurückgenommen; keine Teilklagerücknahme ist in dem Umstand zu sehen, dass die Klägerin ihrer geänderten Schadensberechnung vom 1. April 2003 geringere Schadensbeträge für Liefergeschäfte bestimmter Kartelljahre (1995, 1996 und 1998) zu Grunde legte, soweit diese Schadensminderungen mit erhöhten Schadensbeträgen für Liefergeschäfte anderer Kartelljahre (1997) rechnerisch ausgeglichen wurden.

Denn die einzelnen Lieferungsgeschäfte begründen - wie oben dargelegt (zu Ziffer 2.) - keine eigenständigen Streitgegenstände, sondern sind lediglich Rechnungsposten innerhalb der Schadensschätzung nach § 287 ZPO. Die Rechnungsposten können daher ausgetauscht werden, ohne dass hierin eine Teilklagerücknahme, verbunden mit einer Neugeltendmachung von - ggf. bereits verjährten - anderen Ansprüchen zu sehen ist.

4.

a)

Vorliegend heranzuziehende Anspruchsgrundlage ist § 35 GWB in der Fassung vom 20.2.1990 (im Folgenden: "§ 35 GWB a.F."), d.h. die Vorgängervorschrift des § 33 GWB in der Fassung vom 26.8.1998 (im Folgenden: "§ 33 GWB a.F.").

Zwar regelt die Vorschrift betreffend den Übergang des GWB in der Fassung vor und ab dem 26.8.1998, d.h. § 131 GWB in der Fassung vom 26.8.1998 (im Folgenden: "§ 131 GWB a.F."), weder wie die Frage des Überganges im Grundsatz zu handhaben ist noch was im speziellen Fall des Übergangs von § 33 GWB a.F. zu § 35 GWB a.F. gelten soll (vgl. aus dem seinerzeitigen Schrifttum: Klaue in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 131 Rdnr. 1 ff.). Jedoch gilt nach den allgemeinen Regeln des intertemporären Rechts, dass Schuldverhältnisse grundsätzlich nach demjenigen Recht zu beurteilen sind, welches zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses galt. Für den gesetzlichen Schadensersatzanspruch, der auf Grund eines Kartellverstoßes entsteht, kann insofern nichts Abweichendes gelten (ebenso zu § 131 GWB in der Fassung vom 15.7.2005: Fuchs in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 131 Rdnr. 15). Da der Kartellverstoß und die Schadensentstehung vorliegend im Jahre 1998 abgeschlossen waren, ist der bis zu diesem Zeitpunkt gültige § 35 GWB a.F. anzuwenden. Allerdings ergeben sich hieraus keine inhaltlichen Abweichungen gegenüber der Regelung nach § 33 GWB a.F..

b)

Die Beklagte ist der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz gemäß §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. verpflichtet.

aa)

Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte Teilnehmerin des Quotenkartells war und damit gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. verstoßen hat.

Zwar trägt die Klägerin die Substanziierungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Bejahung des geltend gemachten Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. vorliegen. Dabei kann sie sich auf den Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes vom 25. Oktober 1999 (B 1 - 26631 - OV 60/99 - 12) nur begrenzt berufen. Denn die Beklagte war nicht Betroffene des Bescheides und es ist dem Bescheid kein eindeutiger Hinweis dahin zu entnehmen, dass das Bundeskartellamt eine Kartellteilnahme der Beklagten festgestellt hätte; das Bundeskartellamt hat - trotz Erbitten des Senats - während des Prozesses nichts Klärendes ergänzend mitgeteilt. Jedoch ist auf Grund der Feststellungen in dem Bescheid immerhin die Annahme eines Anscheinsbeweises zugunsten der Kartellteilnahme gerechtfertigt. Denn das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass "das Kartell nahezu alle Unternehmen, die im nennenswerten Umfang Transportbeton [im Großraum Berlin ] lieferten, [umfasste]" (Seite 8 des Bußgeldbescheides), dass die "..." Mitglied des Kartells war, und zwar mit Abstand an vorderster Stelle (Seite 7 des Bußgeldbescheides), dass die Beklagte seinerzeit eine der vier "operativen Transportbeton-Gesellschaften" der ... war (Seiten 5-6 des Bußgeldbescheides) und dass sämtliche vier Gesellschaften unter der einheitlichen Leitung des Herrn ... - des Betroffenen des Bescheides - standen. Bei dieser Sachlage entspricht es typischem Geschehensablauf, dass auch die Beklagte an den Kartellabsprachen teilnahm; es wäre untypisch, wenn die Beklagte - im Gegensatz zu den drei anderen ... - einen nur sehr geringen Marktanteil im Berliner Transportbetongeschäft hatte und Herr ... bei seinen Kartellabsprachen nur für die anderen ... handeln wollte, nicht aber für die Beklagte. Damit trägt die Beklagte die Darlegungslast zur Erschütterung des genannten Anscheins. Tatsachen, die den Anschein erschüttern, hat sie trotz entsprechenden Hinweises des Senats vom 1. April 2008 nicht vorgetragen.

bb)

Der Schadensersatzanspruch nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. setzt nicht die Zielgerichtetheit der Schädigung voraus.

Denn eine derartige Anspruchsvoraussetzung ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen. Gegenteiliges könnte sich daher allenfalls aus der gesetzeszweckorientierten, gesetzessystematischen oder gesetzgebungshistorischen Auslegung der Vorschrift ergeben. Vorliegend spricht jedoch kein Auslegungsgesichtspunkt für das Bestehen der zusätzlichen Anspruchsvoraussetzung bzw. für eine Einschränkung des wortlautgemäßen Inhaltes der Vorschrift. Hierzu im Einzelnen:

Weder der Gesetzeszweck noch irgendein sonstiger, vernünftiger Grund gebietet eine Einschränkung zum Schutze der Kartellteilnehmer und zu Lasten der Unternehmen der Marktgegenseite. Denn die Kartellteilnehmer hätten die für die Marktgegenseite nachteiligen Folgen des Kartells sehr einfach dadurch vermeiden können, dass sie ihr vorsätzlich rechtswidriges Verhalten unterlassen. Ferner ist bei einem Kartell, das - wie vorliegend - die gesamte Marktgegenseite umfasst, notwendigerweise jedes Unternehmen der Marktgegenseite von dem Kartell betroffen. Deshalb findet in derartigen Fällen keine rein zufällige Schädigung dieser Unternehmen statt, sondern es liegt stets ein gewisser Grad an zielgerichteter Schädigung vor. Wollte man gleichwohl in Fällen eines marktumfassenden Kartells die Schadensersatzhaftung wegen fehlender, einzelunternehmensbezogener Zielgerichtetheit der Schädigung scheitern lassen, würde das zu der Situation führen, dass Kartellabsprachen, die auf einzelne Unternehmen der Marktgegenseite ausgerichtet sind, zum Schadensersatz verpflichten, während dies bei Kartellabsprachen, die auf die gesamte Marktgegenseite ausgerichtet sind, nicht der Fall ist. Ein solches Ergebnis widerspräche dem wettbewerbs- und wettbewerberschützenden Zweck des GWB. Denn das marktumfassende Kartell ist sowohl für den Wettbewerb an sich als auch für die Gesamtheit der Unternehmen der Marktgegenseite viel schädlicher als ein Kartell, das auf einzelne Unternehmen ausgerichtet ist. Zudem bestünde dann eine nicht hinnehmbare Möglichkeit der Umgehung der Schadensersatzhaftung dadurch, dass die Kartellteilnehmer ihr rechtswidriges Tun ausweiten und anstelle einzelner Unternehmen der Marktgegenseite die gesamte Marktgegenseite ihrer Kartellabsprache unterwerfen.

In gesetzessystematischer Hinsicht ist festzustellen, dass das Haftungsrecht zwar an z.T. anderer Stelle Haftungsvoraussetzungen enthält, die dem Erfordernis der Zielgerichtetheit sehr ähnlich sind; so wird die Unmittelbarkeit der Schädigung als Voraussetzung der Schadensersatzhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB wegen des sog. Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angesehen (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 823 Rdnr. 128, m.Rspr.N.) und der Vorsatz des Schädigers bezüglich des konkreten Schadenseintrittes als Voraussetzung der Schadensersatzhaftung nach § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung gefordert (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 826 Rdnr. 10, m.Rspr.N.). Jedoch unterscheidet sich § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. von den genannten anderen Haftungsvorschriften erheblich, so dass eine Übertragung der dortigen Haftungsvoraussetzungen auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. verfehlt wäre. Denn sowohl die Haftung wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als auch die Haftung wegen sittenwidriger Schädigung sind Ausnahmeregelungen insofern, als sie die Schadensersatzhaftung auch dann begründen, wenn weder ein Rechtsgut - so wie bei § 823 Abs. 1 BGB - noch ein Schutzgesetz - so wie bei § 823 Abs. 2 BGB - verletzt ist. Daher ist es zur Vermeidung einer ausufernden Haftung in diesen Ausnahmefällen geboten, die Haftung mit der einschränkenden Voraussetzung der Unmittelbarkeit bzw. des Vorsatzes zu versehen. Die Haftung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. ist indessen vergleichbar mit der Haftung wegen Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB, wobei das Schutzgesetz die Kartellverbotsnorm des § 1 GWB darstellt (Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 35 Rdnr. 18 f., m.w.N.).

Schließlich ist in gesetzgebungshistorischer Hinsicht festzustellen, dass die Nachfolgevorschriften des § 35 GWB a.F., d.h. § 33 GWB a.F. und § 33 GWB n.F., ebensowenig ein Tatbestandsmerkmal "Zielgerichtetheit" erkennen lassen wie § 35 GWB a.F.. Dies spricht dagegen, dass der historische Gesetzgeber des § 35 GWB a.F. die Schaffung einer solchen Haftungsvoraussetzung zwar beabsichtigt hatte, sie aber versehentlich nicht im Wortlaut des § 35 GWB a.F. zum Ausdruck gebracht hat. Denn zum einen ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber dann die Haftungsvoraussetzungen bei einer der späteren Novellierungen in den Wortlaut der Vorschrift aufgenommen hätte; zum anderen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Gesetzgeber deshalb von einer Aufnahme der Haftungsvoraussetzung in die novellierte Vorschrift abgesehen hat, weil er in diesem Punkt eine inhaltliche Änderung der von ihm ursprünglich beabsichtigten Rechtslage vornehmen wollte.

c)

Die Beklagte ist gemäß § 249 BGB der Höhe nach zur Zahlung von 27.005,16 EUR verpflichtet.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa)

Der zu ersetzende Schaden der Klägerin entspricht zunächst der Differenz zwischen dem Preis, den die Klägerin an die Beklagte für Transportbeton tatsächlich gezahlt hat (im Folgenden: tatsächlicher Preis), und dem Preis, den die Klägerin bei funktionierendem Wettbewerb unter den Kartellmitgliedern an die Beklagte gezahlt hätte (im Folgenden: wettbewerbsgemäßer Preise). Dabei hat der Senat rechnerisch die Differenz zwischen (1.) dem tatsächlichen Preis und (2.) dem wettbewerbsgemäßen Preis je m³ Transportbeton multipliziert mit (3.) der von der Beklagten an die Klägerin verkauften Menge an m³, deren Kaufpreis durch das Kartell beeinflusst wurde.

Hierzu im Einzelnen:

(1.)

Hinsichtlich des tatsächlichen Preises waren die von der Beklagten erhobenen sog. Zuschläge für Nacht- und Feiertagslieferungen, für Lieferung geringer Mengen u.s.w. unberücksichtigt zu lassen.

Denn die Höhe der Zuschläge blieb zwischen den Jahren 1994 und 1998 unverändert. Daher kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Höhe der tatsächlich gezahlten Zuschläge nach oben hin von der Kartellabsprache beeinflusst wurde. Die Klägerin hat trotz entsprechenden Hinweises durch den Senat nichts zu einem derartigen Einfluss der Kartellabsprache vorgetragen.

(2.)

Für die Zwecke dieses Rechtsstreits ist davon auszugehen, dass der wettbewerbsgemäße Preis 10 DM/m³ niedriger gelegen hätte als der tatsächlich gezahlte Preis.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

An ausreichenden Grundlagen für eine genaue Berechnung des wettbewerbsgemäßen Preises fehlt es vorliegend. Der Senat hat daher - den Erwägungen des BGH in der Entscheidung WuW/E DE-R 1567 folgend - den wettbewerbsgemäßen Preis gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei ist diejenige Differenz zum tatsächlich gezahlten Preis maßgebend, die mit hinreichender Sicherheit als jedenfalls entstanden anzusehen ist, wenn das Kartell nicht existiert hätte (sog. Mindestschaden; vgl. Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 287 Rdnr. 1., m.w.N.). Bei der Feststellung des Mindestschadens waren folgende Gesichtspunkte von Belang:

(a.)

Zunächst war im Wege des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass sich das Quotenkartell auch im Verhältnis zwischen den Parteien preissteigernd auswirkte.

Das ergibt sich aus Folgendem:

(aa.)

Ein Quotenkartell hat typischerweise wettbewerbsbeschränkende Effekte, und zwar auch im Verhältnis zu einer marktmächtigten Marktgegenseite.

Denn der einzelne Anbieter hat auf Grund des Quotenkartells - im Vergleich zur wettbewerbsmäßigen Situation - (1.) einen geringeren Anreiz zur Senkung seiner Preise, weil er sich durch die Preissenkung ohnehin keine zusätzlichen Marktanteile erschließen kann, und (2.) größere Möglichkeit, seine Preise zu erhöhen, weil er nicht Gefahr läuft, durch die Preiserhöhung Marktanteile an seine Wettbewerber zu verlieren. Soweit sich Preissenkungen bzw. Preiserhöhungen - ähnlich wie in der Monopolsituation - insofern auf den Anbieter auswirken, als diese die Abnehmer nicht nur veranlassen, den Anbieter zu wechseln, sondern das Kartellprodukt generell vermehrt bzw. vermindert nachzufragen und dadurch den Markt insgesamt zu erweitern bzw. zu verkleinern, dürften diese Effekte die o.g. Wirkungen - wiederum wie beim Monopolisten - bei weitem nicht vollständig aufheben. Im Übrigen ist zu vermuten, dass der typische Unternehmer seinen Gewinn zu maximieren versucht, d.h. nicht ohne Grund seine Preise senkt bzw. eine sich ihm eröffnende Möglichkeit zur Preissteigerung nutzt.

(bb.)

Die Beklagte hat eine untypische Situation nicht bzw. nicht in beachtlicher Weise vorgetragen; insbesondere hat sie nicht nachvollziehbar dargelegt, dass sie die Preisspielräume, die ihr das Quotenkartell - wie beschrieben - gegenüber der Klägerin eröffnete, nicht genutzt hat.

(aaa.)

Soweit die Beklagte andeutet, sie habe z.T. an ihren Betonherstellungskapazitätsgrenzen operiert, ist ihr Vortrag nicht geeignet, das Eingreifen der unter (aa.) beschriebenen, typischerweise preistreibenden Wirkungen des Quotenkartells auszuschließen.

Zwar wäre mit dem Erreichen der Kapazitätsgrenzen die als (1.) beschriebene Wirkung nicht mehr kausal für die Preisgestaltung der Beklagten, weil sie sich durch eine etwaige Preissenkung auch unabhängig vom Quotenkartell keine weiteren Marktanteile hätte erschließen können. Jedoch wäre mit dem Erreichen der Kapazitätsgrenzen nicht auch die Kausalität der als (2.) beschriebenen Wirkung entfallen. Denn die Beklagte hätte - geschützt durch das Quotenkartell - auch nach Erreichen ihrer Kapazitätsgrenzen die Preise weiter erhöhen können, ohne Marktanteile zu verlieren; bei einer wettbewerbsgemäßen Situation hätte die Preissteigerung hingegen regelmäßig den Verlust von Marktanteilen zur Folge. Allenfalls dann, wenn sämtliche Kartellteilnehmer an ihren Kapazitätsgrenzen operierten, kommt der Wegfall der Kausalität der oben zu (2.) beschriebene Wirkung in Betracht. Dann wäre nämlich der einzelne Anbieter bereits durch die kapazitätsbedingte Nichtaufnahmefähigkeit seiner Wettbewerber vor dem Verlust von Marktanteilen bei Erhöhung seiner Preise geschützt gewesen.

Die Beklagte trägt die Darlegungslast dafür, dass sämtliche Kartellteilnehmer an ihren Kapazitätsgrenzen operierten. Denn wenn die Beklagte meint, sich ggf. mit der Behauptung verteidigen zu wollen, dass das Quotenkartell deshalb keinen Schaden bei der Klägerin verursacht habe, weil die Kapazitäten aller Kartellteilnehmer vollständig ausgelastet gewesen seien und daher ohnehin kein Wettbewerb unter ihnen habe stattfinden können, muss sie für diesen untypischen, angeblichen Sachverhalt wie üblich Einzelheiten substanziiert vortragen und diese im Bestreitensfalle nachweisen. Zudem wäre die Gründung eines Quotenkartells und dessen Durchführung wirtschaftlich sinnlos, wenn die Kapazitäten der Kartellanten voll ausgelastet sind. Schließlich spricht gegen die Ausschöpfung der Kapazitäten der Kartellanten - sowohl der Beklagten als auch anderer - die Aussagen der Herren ... (Fa. ...), ... (Beklagte), ... (Fa. ...) und ... (Fa. ...) im Bußgeldbeschwerdeverfahren vor dem OLG Düsseldorf wie sie von dem Prozessvertreter des Bundeskartellamtes wahrgenommen und in der Stellungnahme der Behörde vom 20. Juni 2005, Seiten 11 f. (Bd. II Bl. 62 f. d.A.), wiedergegeben wurden. Die Beklagte hat demgegenüber trotz Hinweises durch den Senat nicht substanziierend vorgetragen.

(bbb.)

Soweit die Beklagte andeutet, es könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass hinreichende "Kartelldisziplin" geherrscht habe, d.h. dass die Kartellvereinbarung in die Tat umgesetzt worden sei, ist ihr Vortrag in rechtlicher Hinsicht unzutreffend und in tatsächlicher Hinsicht unsubstanziiert und damit unbeachtlich.

Denn aus dem Umstand der Vereinbarung eines Kartells folgt im Wege des Anscheinsbeweises, dass das Kartell zumindest in bestimmtem Umfange praktiziert wurde. Die Absprache eines Kartells erfordert nämlich regelmäßig einen erheblichen tatsächlichen Aufwand der Teilnehmer und in der Regel weiß jeder Teilnehmer von der Rechtswidrigkeit seines Tuns. Daher ist für den Regelfall auszuschließen, dass einer Kartellabsprache keine ernsthaften Durchführungsabsichten der Teilnehmer zu Grunde liegen und sie demgemäß nur "vorsorglich" oder gar zum Scherz abgeschlossen wurde. Mit welchem Grad an Disziplin die Kartellvereinbarung letztlich umgesetzt wurde, kann für die Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. zudem dahin stehen. Denn das etwaige Abweichen von einer 100%-igen Kartelldisziplin wirkt sich automatisch reduzierend auf die Preishöhe aus, die bei der Marktgegenseite kartellbedingt durchgesetzt werden kann, vermindert damit zugleich den Kartellschaden der Marktgegenseite und findet folglich im Rahmen der Berechnung der Anspruchshöhe nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. hinreichende Berücksichtigung. Im Übrigen stellt das vage Infragestellen der Kartelldisziplin keinen hinreichend substanziierten Vortrag von Tatsachen dar, die den Schluss auf eine - atypische - vollständige Nichtumsetzung der Kartellvereinbarung zuließe.

(ccc.)

Soweit die Beklagte vorträgt, ihr Gewinn aus dem Kartell könnte durch Effizienzvorteile entstanden sein, die das Kartell gegenüber der wettbewerbsgemäßen Situation bewirke, ist der Vortrag wiederum in rechtlicher Hinsicht unerheblich und in tatsächlicher Hinsicht unsubstanziiert und damit unbeachtlich.

Unerheblich ist der Vortrag, weil der Senat - wie oben dargestellt - für seine Schadensschätzung nicht am Gewinn der Beklagten anknüpft und damit auch nicht an der Ursache für den Gewinn (kartellbedingter Preisanstieg oder kartellbedingte Effizienzsteigerung). Unsubstanziiert ist der Vortrag, weil der Umstand, dass das Quotenkartell keine Preissteigerungen, sondern lediglich Effizienzvorteile auf der Seite der Kartellteilnehmer zur Folge hatte, ein atypischer Geschehensverlauf gegenüber dem o.g. Anscheinsbeweis wäre. Damit trägt insofern die Beklagte die Darlegungslast. Dabei hätte die Beklagte nicht nur substanziiert darlegen müssen, dass es zu Effizienzvorteilen in relevantem Umfang kam, sondern auch erklären müssen, warum diese Vorteile vorliegenden nicht zumindest teilweise, wie bei funktionierendem Wettbewerb zu erwarten, an den Abnehmer weitergegeben wurden, um den Absatz der Beklagten zu steigern. Alledem genügt der spekulative Vortrag der Beklagten ("könnte") nicht.

(ddd.)

Der Senat vermag auch nicht aus sonstigen, vorgetragen oder gerichtsbekannten, Umständen auf eine untypische Situation bei der Preisentwicklung auf dem Transportbetonmarkt zu schließen; insbesondere lässt sich der Preisansteig auf dem Berliner Markt bei Einsetzen des Kartells (1995) sowie der Preisverfall bei Beendigung des Kartells (1999) nicht ohne weiteres durch die verstärkte Bautätigkeit in Berlin während der Jahre 1995 bis 1997 erklären.

Denn Transportbeton ist kein knappes, schwer herstellbares Gut, das daher notwendigerweise bei verstärkter Nachfrage mit einem Preisanstieg reagiert. Zudem war in dem genannten Zeitraum auch außerhalb Berlins, namentlich im Osten Deutschlands eine verstärkte Bautätigkeit zu verzeichnen, ohne dass sich dies für den Senat erkennbar auf das bundesweite Preisniveau auswirkt hätte.

(cc.)

Der Einwand der Beklagten, § 287 ZPO könne nicht angewendet werden, wenn unklar sei, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei, ist nach alledem unerheblich.

Denn der Senat geht vor dem Hintergrund des o.g. Anscheinsbeweises davon aus, dass das Quotenkartell generell preiserhöhende Wirkung hatte und damit irgendein Schaden entstanden ist. Der Senat nimmt daher keine Schätzung zu der Frage vor, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist. Lediglich die Höhe des Schadens wird - auf Grundlage der Feststellung eines Mindestschadens - geschätzt (hierzu sogleich).

(b.)

Der Höhe nach vermag der Senat mit hinreichender Sicherheit nur davon auszugehen, dass das Quotenkartell einen Preisanstieg von 10 DM/m³, nicht aber von mehr verursacht hat (ebenso das BKartA und das OLG Düsseldorf im parallelen Kartellordnungswidrigkeitenverfahren zum Kartellgewinn der Beklagten).

Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

(aa.)

Bei der Berechnung der Höhe des Mindestschadens ist im Grundsatz nicht zwischen den verschiedenen Betonsorten zu unterscheiden.

Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich ist, dass sich der Kartellmechanismus im Normalfall nicht gleichmäßig auf die Preise für die verschiedenen Betonsorten und Zumischungen, soweit sie von der Kartellvereinbarung erfasst waren, ausgewirkt hat. Das Eingreifen und die Wirkung des Kartellmechanismus ist von der Art des verkauften Betons - wie oben beschrieben - im Grundsatz unabhängig. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Betonsorten B25 KR und B35 KS im Verhältnis zwischen den Parteien eine kartellbedingte Preiserhöhung nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann (s.u.). Denn der Verkauf einzelner Betonsorten zwischen einzelnen Marktteilnehmern hat kein das Gesamtbild der Entwicklung prägendes Gewicht. Allerdings sind die Mengen, die diese Betonsorte betreffen, aus der Schadensberechnung auszuklammern (s.u.).

(bb.)

Die Analyse der Preise für Transportbeton in den Jahren 1994 bis 2000 ergibt folgendes Bild:

(aaa.)

Während die Preise im gesamten Bundesgebiet in den Jahren 1994 bis 1998 konstant blieben (der kontinuierliche Ansteig von ca. 0,5% je Jahr ist mit Inflationseffekten erklärbar) sprangen die Preise mit Beginn des Quotenkartells im Jahre 1995 sowohl bezogen auf ganz Berlin als auch auf die Verkäufe nur der Beklagten drastisch in die Höhe, nämlich um ca. 14% oder 18 DM/m³. Diese Durchschnittspreise blieben während des Kartellzeitraumes im Wesentlichen stabil, mit einer gewissen Preisspitze im Jahre 1996; lediglich im Jahre 1998 gingen die Preis merklich, nämlich um 5 bzw. 9 % oder 8 bzw. 14 DM/m³ zurück, blieben aber immer noch mit 12 bzw. 10 DM/m³ über dem Preisniveau des Bundesgebietes. Nach Beendigung des Kartells Ende 1998 fielen die Preise sowohl in Berlin, als auch bezogen auf die Verkäufe nur der Beklagten drastisch, nämlich um 21 bzw. 11 % oder 31 bzw. 15 DM/m³. Die Preise der Beklagten speziell gegenüber Klägerin entwickelten sich während des Kartellzeitraumes und danach im Wesentlichen parallel. Allerdings lagen sie in den Kartelljahren 1996 und 1997 um ca. 4 bzw. 14 DM/m³ unterhalb der Preise, die die Beklagte im Durchschnitt von ihren gesamten Kunden verlangte, und im Kartelljahr 1996 um ca. 7 DM/m³ unter den Berliner Durchschnittspreisen; gleichwohl lagen sie auch in diesen Jahren immerhin noch mit 14-31 DM/m³ über den Durchschnittspreisen im Bundesgebiet.

(bbb.)

Somit verursachte das Quotenkartell in der Gesamtschau, bezogen auf ganz Berlin und bezogen auf die Durchschnittspreise der Beklagten gegenüber ihren sämtlichen Kunden, eine Preiserhöhung im Bereich von 10-30 DM/m³.

Dabei sind die im Jahre 1999 gezahlten Preise - entgegen der Auffassung der Beklagten - für Rückschlüsse auf die hypothetischen Wettbewerbspreise der Jahre 1995 bis 1998 nicht deshalb ungeeignet, weil etwa das Umsatzvolumen im Jahr 1999 geringer war als zuvor oder weil die Zahl der Transportbetonanbieter auf dem Berlin Markt des Jahres 1999 höher war als zuvor. Denn eine fehlende Vergleichbarkeit der Marktsituation des Jahres 1999 mit der hypothetischen Marktsituation der Jahre 1995 bis 1998 wäre nur dann gegeben, wenn sich die Rahmenbedingungen des Marktgeschehens in den betreffenden Jahren wettbewerbsrelevant unterschieden hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es kann als ausgeschlossen gelten, dass bei 24 Anbietern im Jahre 1999 ein erheblich schärferer Wettbewerb und damit niedrigere Marktpreise herrschten als bei 20 bzw. 19 Anbietern in den Jahren zuvor geherrscht hätte, wenn das Quotenkartell nicht existiert hätte. Gleiches gilt für die Umsatzmengen von immerhin 1,27 Mio. m³ (1999) einerseits und 1,56 bzw. 1,11 Mio. m³ (1997 und 1998) andererseits. Dabei ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich in einem Umsatzvolumen von 1,27 Mio. m³ mehr "Preisausrutscher" nach oben befanden als in einem Umsatzvolumen von 1,56 bzw. 1,11 Mio. m³. Auf die - wiederum anderen - Umsatzzahlen des Jahres 1994 kommt es im Übrigen nicht an, weil für dieses Jahr kein hypothetischer Marktpreis zu errechnen ist.

(ccc.)

Bezogen auf die Preise der Beklagten gegenüber der Klägerin vermag der Senat mit hinreichender Sicherheit nur den unteren Wert von 10 DM/m³ anzusetzen.

Denn zwar ist nach Beendigung des Kartell ein Verfall dieser Preise um immerhin 41 DM/m³ zu verzeichnen. Jedoch ergibt sich dieser recht hohe Betrag nur bei Vergleich der Preise des Kartelljahres 1998 mit dem Nichtkartelljahr 1999. Zieht man demgegenüber die Preise des Kartelljahres 1997 zum Vergleich heran, ergibt sich ein Verfallsbetrag von lediglich 30 DM/m³, und zieht man die Preise des Kartelljahres 1996 zum Vergleich heran, ergibt sich ein Verfallsbetrag von nur noch 23 DM/m³. Ferner wurde die Klägerin während des Kartelljahres 1996 deutlich preisgünstiger mit Transportbeton bedient als der Durchschnitt der Berliner Transportbetonnachfrager und lag in entsprechend geringerem Umfang über dem Bundesdurchschnitt. Zudem hat die Klägerin nichts zum Anstieg der Preise nach Einsetzen des Kartells im Jahre 1995 vorgetragen; insbesondere hat sie die Preise, die die Beklagte von ihr im Jahre 1994 verlangte, nicht vorgetragen. Der Senat vermag daher für das Jahr 1994 grundsätzlich Rückschlüsse nur aus der Entwicklung der Preise in ganz Berlin bzw. aus der Entwicklung der Preise der Beklagten gegenüber allen ihren Kunden zu ziehen; eine Ausnahme stellen die Preise der Beklagten gegenüber der Klägerin für die Betongruppen B25 KR und B35 KS des Jahres 1994 dar, zu denen die Beklagte vorgetragen hat.

Diese Rückschlüsse sind grundsätzlich möglich. Denn zunächst hat der Senat davon auszugehen, dass das Kartell im Jahre 1994 noch nicht bestand. Der insofern gegenteilige Vortrag der Klägerin ist nicht hinreichend substanziiert und damit unbeachtlich. Die Klägerin trägt nämlich die Darlegungslast sowohl dafür, dass die Beklagte - zu einem bestimmten Zeitpunkt - an einem Kartell teilgenommen hat, als auch dafür, dass sie, die Klägerin, einen Schaden in der geltend gemachten Höhe erlitten hat. Ein Erfahrungssatz, wonach die höheren Durchschnittspreise eines bestimmten Jahres (1994: 132,00 DM/m³) gegenüber den Durchschnittspreisen eines anderen Jahres (1999: 126,00 DM/m³) auf ein Kartell zurückzuführen sind, existiert nicht. Die höheren Preise mögen etwa darauf zurückzuführen sein, dass die Bautätigkeit und damit die allgemeine Nachfrage nach Transportbeton in Berlin im Jahre 1994 deutlich umfangreicher war als im Jahre 1999 (1994: 1,94 Mio. m³, 1999: 1,27 Mio. m³), auch wenn ein derartiger Zusammenhang keineswegs zwingend ist (s.o.). Sodann hat der Senat bei einem funktionierenden Marktmechanismus im Wege des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass ein Anbieter zumindest auf mittlere Sicht von seinen Abnehmern in etwa gleiche Preise verlangt; d.h. dass die Beklagte von der Klägerin im wesentlich dieselben Preise verlangt hat wie von dem Durchschnitt ihrer anderen Kunden. Denn es besteht der Erfahrungssatz, dass ein wirtschaftlich agierender Anbieter seine Profite stets soweit zu maximieren versucht, wie es ihm die Marktsituation erlaubt. Vor diesem Hintergrund trägt die Beklagte die Darlegungslast für atypische Umstände, wie z.B. für die Behauptung, dass auf dem Betonmarkt signifikant große Rabatte zugunsten von Großabnehmern o.ä. üblich seien und die Klägerin nicht zu dem begünstigten Personenkreis zählt, weshalb sie im Jahre 1994 höhere Preise von der Klägerin als von dem Durchschnitt ihrer anderen Kunden verlangt hätte. Derartige atypische Umstände hat die Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass die Beklagte in den Jahren 1996 und 1997 niedrigere Preise von der Klägerin verlangte als vom Durchschnitt all ihrer Kunden und als im Durchschnitt sämtliche Berliner Anbieter verlangten, dafür, dass die Beklagte im Jahre 1994 jedenfalls keine höheren Preise von der Klägerin forderte.

Die Rückschlüsse aus der Entwicklung der Preise in ganz Berlin bzw. aus der Entwicklung der Preise der Beklagten gegenüber allen ihren Kunden sind allerdings unsicherer, als wenn der Senat die tatsächlich von der Klägerin an die Beklagte im Jahre 1994 gezahlten Preise zur Grundlage seiner Schätzung machen könnte. Denn die Schadenshöhe entspricht dem Umfang der Auswirkung des Kartells auf die individuelle Preissituation im Verhältnis zwischen den Parteien. Auch wenn der Klägerin im Hinblick auf § 257 HGB kein Vorwurf zu machen ist, dass sie ihre Unterlagen - nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist - vernichtet hat, ändert dies nichts daran, dass sie im Rahmen der Schadensschätzung die Darlegungslast für Tatsachen trägt, die aussagekräftig genug sind, das von ihr angestrebte Schätzungsergebnis zu rechtfertigen.

Im Übrigen wäre angesichts des Aufwands und des Risikos, das mit der Begründung und Durchführung eines Kartells verbunden ist, ein Kartellpreis, der weniger als 10 DM/m³ über dem wettbewerbsgemäßen Preis liegt, ökonomisch kaum sinnvoll.

(cc.)

Soweit die Beklagte die von der Klägerin behaupteten Durchschnittspreise der Beklagten ihr gegenüber bestreitet und hierzu ergänzend lediglich vorträgt, dass die behaupteten Durchschnittspreise nicht zu den als Anlagen K13 f. zum Schriftsatz vom 26. Mai 2008 eingereichten Preislisten passten und dass die Preislisten nicht nachvollzogen werden könnten, weil die dort angegebenen Gesamtpreise nicht hinreichend nach Betonsorten aufgegliedert seien, ist der Vortrag der Beklagten unsubstanziiert und damit unbeachtlich.

Denn die Beklagte müsste in diesem Zusammenhang entweder konkret vortragen, zu welchen anderen Preisen sie die Klägerin belieferte, oder sie hätte zumindest darzulegen, in welcher Hinsicht die Angaben in den klägerischen Anlagen nicht zu den von der Klägerin behaupteten Durchschnittspreisen passen. Die als erstes genannte Anforderung folgt aus dem Umstand, dass der Beklagten ein pauschales Bestreiten entsprechend § 138 Abs. 4 ZPO nicht gestattet ist. Es war nämlich Gegenstand auch ihrer Wahrnehmung, zu welchen Preisen sie Transportbeton an die Klägerin lieferte. Der bloße Umstand, dass zwischenzeitlich die gesetzlichen Fristen für die Aufbewahrung ihrer diesbezüglichen Geschäftsunterlagen - möglicherweise - abgelaufen sind, ist insofern unerheblich (vgl. BGH, NJW 1995, 130, Rdnr. 21 zit. nach Juris). Die als zweites genannte Anforderung folgt daraus, dass nicht einzusehen ist, warum sich die von der Klägerin behaupteten Durchschnittspreise nicht anhand der Angaben in den Anlagen nachvollziehen lassen. In dem Anlagenkonvolut K9 zum Schriftsatz der Klägerin vom 1. April 2003, ergänzt durch das Anlagenkonvolut K 12 zum Schriftsatz der Klägerin vom 20. April 2004, sind nämlich die einzelnen Lieferungen nach Betonsorten mit Menge und Einheitspreis getrennt ausgewiesen. Folglich ist der Beklagten eine Kontrollberechnung möglich. Für den Senat besteht kein Anlass zu einer ins Detail gehenden Überprüfung der Durchschnittspreise. Denn der diesbezügliche Vortrag der Klägerin ist in sich widerspruchsfrei und plausibel.

(dd.)

Der Vortrag der Beklagten, der Bundesgerichtshof habe im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren (WuW/E DER 1567) darauf hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit der kartellbedingten Gewinnsteigerung durch konkrete Nachweise abgesichert werden müsse, ist unerheblich.

Denn das Ordnungswidrigkeitenverfahren ist von dem vorliegenden Schadensersatzverfahren erheblich verschieden. Zum einen ging es dort um die Feststellung des Gewinnes der Kartellanten und vorliegend um einen Mindestschaden des Kartellopfers. Zum anderen ist dort - wie im Strafrecht allgemein - das Verwenden von Anscheinsbeweisen o.ä. nicht ohne weiteres zulässig, hingegen im Zivilprozess seit langem anerkannt. Sogar für das Ordnungswidrigkeitenverfahren hat der Bundesgerichtshof in der o.g. Entscheidung im Ausgangspunkt mit tatsächlichen Erfahrungssätzen, die dem zivilprozessualen Anscheinsbeweis nahe kommen, operiert. Im Übrigen gibt es vorliegend für den Verlust bzw. Schaden der Klägerin auf Grund der bekannten Preise der Beklagten - wie oben dargelegt - hinreichend konkrete Anhaltspunkte, die selbst den für das Ordnungswidrigkeitenverfahren formulierten Anforderungen des Bundesgerichtshofes gerecht werden.

(ee.)

Die Auffassung der Beklagten, dass zur Schadensschätzung die Einholung eines räumlichen Vergleichsmarktgutachtens eines Sachverständigen durch den Senat erforderlich sei, ist in mehrfacher Hinsicht unzutreffend.

Denn zum einen hat die Klägerin substanziiert zu den durchschnittlichen Transportbetonpreisen sämtlicher Anbieter innerhalb wie außerhalb Berlins und Umgebung während der Kartelljahre 1995 - 1998 vorgetragen, indem sie aus einer Verfügung des Bundeskartellamtes im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren zitierte (Bd. I Bl. 11 f. d.A.). Nachdem die Beklagte diesem Vortrag nicht entgegentritt, hat der Senat schon nach der allgemeinen Regel der §§ 288, 138 Abs. 3 ZPO kein Sachverständigengutachten über die Preissituation außerhalb Berlins einzuholen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens belastbare Auskunft darüber geben könnte, zu welchen Preisen speziell derjenige Transportbeton, der innerhalb der Region von der Beklagten hergestellt und angeboten wurde, außerhalb der Region verkauft wurde. Denn der Verkauf von Transportbeton ist unstreitig ortsgebunden, weil er vergleichsweise schnell erhärtet und daher eine längere Transportdauer nicht duldet. Die Beklagte wird daher für ihren in Berlin und Umgebung hergestellten Transportbeton keine nennenswerten Abnehmer außerhalb der Region gehabt haben. Im Übrigen stehen dem Senat auch ohne die Einholung eines Vergleichsmarktgutachtens hinreichende Anhaltspunkte für die Schätzung eines Mindestschadens - wie oben dargelegt - zur Verfügung.

(3.)

Das Quotenkartell beeinflusste den Kaufpreis für eine Menge von 5.281,75 m³ Transportbeton, den die Beklagte an die Klägerin verkaufte. Hierzu im Einzelnen:

(a.)

Die Umsatzmengen betreffend die Lieferungen aus Eberswald/Finow haben unberücksichtigt zu bleiben; Berücksichtigung finden hingegen die Lieferungen aus Rüdersdorf.

Denn es sind nur solche Umsätze in die Schadensberechnung einzubeziehen, die nach der Vereinbarung der Kartellanten auf die Lieferquote des betreffenden Kartellanten anzurechnen waren. Zum Inhalt der Kartellvereinbarung haben die Parteien lediglich dasjenige vorgetragen, was bereits im Verfahren vor dem Bundeskartellamt von der Beklagten eingeräumt wurde und sich demgemäß im Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes wieder findet, nämlich dass die Kartellanten die Quotenabsprache "im Großraum Berlin ... praktizierten". Zum "Großraum Berlin" ist Rüdersdorf zweifelfrei zu zählen. Dieser Ort befindet sich nur wenige Kilometer von der Berliner Stadtgrenze entfernt und beherbergt große Zementwerke, die gerade der Belieferung des Berliner Marktes und nicht nur des örtlichen Rüderdorfer Marktes dienen. Ob hingegen Eberswalde/Finow zum "Großraum Berlin" gezählt werden kann, ist zweifelhaft. Denn ein Lkw benötigt von Eberswalde/Finow bis zur Berliner Stadtgrenze (33 km Landstraße) etwa eine 3/4 Stunde und bis zur Berliner Stadtmitte (67 km z.T. Autobahn) eine gute Stunde. Da der Transportbeton spätestens nach 90 Minuten entladen werden muss, ist eine Lieferung von Eberswalde/Finow nach Berlin zwar nicht technisch ausgeschlossen, bietet sich aber auf dem Berliner Markt nicht als erste Wahl an. Zudem ist Eberswalde mit gut 40.000 Einwohnern hinreichend groß, um zusammen mit seinem Umland für die dort ansässigen, nicht so großen Zementhersteller ein eigenes Absatzgebiet darzustellen. Die somit bestehenden Zweifel an der Zugehörigkeit von Eberswalde/Finow zum "Großraum Berlin" im Sinne der Kartellvereinbarung gehen zu Lasten der insofern darlegungspflichtigen Klägerin.

Von der Schadensberechnung auszunehmen sind - ausweislich des Anlagenkonvoluts K9 zum Schriftsatz der Klägerin vom 1. April 2003 sowie der Anlage B9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 9. Mai 2003 (Bd. I Bl. 117 f. d.A.) - daher folgende Liefermengen:

Jahr 1996: Sorten B10 1,0 m3 Sorten B15 238,0 m3

Jahr 1997: Sorten B10 2,0 m3 Sorten B15 205,0 m3 Sorte B25 KS 7,3 m3

Insgesamt: Sorten B10 3,0 m3 Sorten B15 443,0 m3 Sorte B25 KS 7,3 m3

Summe alle: 453,3 m3

(b.)

Die Umsatzmengen betreffend die Betonsorten B25 KR und 35 KS sind bei der Schadensberechnung ebenfalls außer Acht zu lassen.

Denn in Bezug auf diese Betonsorten kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das Kartell zu einer Preiserhöhung geführt hat. Insofern ist nämlich eine atypische Preisentwicklung in den Jahren 1994-2000 festzustellen, die das Eingreifen des o.g. Anscheinsbeweises zu Gunsten der Annahme einer kartellbedingten Preiserhöhung bei dieser Betonsorte ausschließt. So lagen die Durchschnittspreise für die Betonsorten B25 KR und B35 KS in den Kartelljahren 1996 und 1997 nicht nennenswert über den Durchschnittspreisen des anzunehmend kartellfreien Jahres 1994. Im Fall der Betonsorte B25 KR ist zudem festzustellen, dass die Durchschnittspreise der Kartelljahre 1996 und 1997 sogar unterhalb des Durchschnittspreises für alle Betonsorten B25 des kartellfreien Jahres 1999 liegt. Der Umstand, dass der Durchschnittspreis für die Betonsorte B25 KR im Jahre 1998 signifikant höher lag, ist demgegenüber unbeachtlich. Wenn sich nämlich das Kartell in den Jahren zuvor offenbar nicht auf die Durchschnittspreise für diese Betonsorte ausgewirkt hat, kann nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass das Kartell speziell im Jahre 1998 für eine Preisveränderung ursächlich war. Zudem mag es vor dem Hintergrund, dass im Jahr 1996 das Umsatzvolumen mit 180,00 m³ vergleichsweise gering war, so gewesen sein, dass der hohe Durchschnittspreis auf einer relativen Häufung untypischer Einzelgeschäfte beruhte, welche genauso bei funktionierendem Marktmechanismus möglich gewesen wären. Im Übrigen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Preise bei Nichtbestehen des Kartells gesunken wären. Denn die Preisentwicklung für Transportbeton war zwischen dem letzten, mutmaßlich kartellfreien Jahr 1994 und dem letzten Kartelljahr 1998 im Bundesdurchschnitt im Wesentlichen konstant.

Hinsichtlich der übrigen Betonsorten bestehen keine Anhaltspunkte, die es rechtfertigen, von einer atypischen Preisentwicklung hinsichtlich dieser Betonsorten auszugehen. Denn die insofern darlegungspflichtige Beklagte hat in Bezug auf diese Betonsorten nicht vorgetragen, welche Preise sie von Klägerin in den kartellfreien Jahre 1994, 1999 und 2000 verlangt hat. Die von der Klägerin vorgetragenen Durchschnittspreise der Jahre 1999 und 2000 sind für sich alleine nicht geeignet, Anhaltspunkte in dem genannten Sinne zu begründen. Denn diese Durchschnittspreise sind nicht für die einzelnen Betonsorten der Betongruppen B15, B25 und B 35 aufgegliedert, weshalb ihnen alleine keine Aussage darüber zu entnehmen ist, wie sich der Preis für eine bestimmte Betonsorte nach Beendigung des Kartells entwickelte.

Von der Schadensberechnung auszunehmen sind - ausweislich des Anlagenkonvoluts K11 zum Schriftsatz der Klägerin vom 1. April 2003 sowie Seiten 13 bis 15 des Schriftsatzes der Beklagten vom 9. Mai 2003 (Bd. I Bl. 92 ff. d.A.) - daher folgende Liefermengen:

Jahr 1996: Sorte B25 KR 1.126,5 m3 Sorte B35 KS 6,5 m3

Jahr 1997: Sorte B25 KR 1.692,5 m3 Sorte B35 KS 10,0 m3

Jahr 1998 Sorte B25 KR 180,0 m3

Insgesamt: Sorte B25 KR 2.999,0 m3 Sorte B35 KS 16,5 m3

Summe alle: 3.015,5 m3

(c.)

Die Umsatzmengen betreffend den Estrichs "ESM/KS", Sorten-Nr. 4804, sind bei der Schadensberechnung ebenfalls außer Acht zu lassen.

Denn das Quotenkartell erfasste lediglich Beton. Beton und Estrich sind, sowohl im Hinblick auf den allgemeinem Sprachgebrauch als wohl auch im Hinblick auf ihre baustoffliche Zusammensetzung, zu unterscheiden. Dass die Parteien bei Umsetzung der Kartellvereinbarung gleichwohl Estrichlieferungen mitberechnet haben, ist von der insofern darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin nicht substanziiert vorgetragen worden. Die Klägerin hat zuletzt keine Einwände mehr gegen die - vom Senat bereits angekündigte - Außerachtlassung der genannten Mengen erhoben.

(d.)

Berücksichtigung finden schließlich die Umsatzmengen betreffend die Lieferung von "Architekturbeton" für die Baustelle "Topographie des Terrors" und die Lieferung von "Auftragsmischung", Sorten-Nr. 12010.

Denn bei beiden Lieferungen handelt es sich um Beton, womit sie Eingang in die Berechnung des Marktes der Beklagten gemäß dem Quotenkartell fand. Dass es sich bei diesen Lieferungen möglicherweise - wie die Beklagte bestritten vorträgt - um keine Standardprodukte der Beklagten, sondern um eigens nach den Vorgaben der Klägerin hergestellte Betone handelte, ist unerheblich. Denn auch dann hätte das Quotenkartell seine o.g. Wirkung auf die Preisbildung entfaltet. Tatsachen, die dafür sprechen, dass diese Wirkungen ausnahmsweise nicht Platz griffen, hat die insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagte - trotz Hinweises des Senates - nicht substanziiert vorgetragen. Die insofern vertretene Auffassung der Beklagten, dass sich das Kartell nur in Bezug auf Standartbetone preistreibend auswirken konnte, weil die Preise für besondere Betone "individuell" verhandelt worden seien und daher insofern ohnehin kein preissenkender Wettbewerbsdruck bestehe, ist unzutreffend. Denn es ist nicht zu erkennen, warum bei Nichtstandardleistungen kein Wettbewerb herrschen solle. Eine Ausnahme könnte sich zwar ergeben, wenn etwa nur die Beklagte technisch in der Lage war, die Nichtstandardleistungen zu liefern. Dies hat jedoch weder die Beklagte behauptet, noch ist es sonstig ersichtlich.

(4.)

Nach alledem ergibt sich folgendes Rechenwerk:

 8.753,55 m³verkaufter Transportbeton in den Kartelljahren 1996 bis 1998
- 453,30 m³Lieferungen aus Eberswald/Finow (betr. B10, B15 und B25 KS)
- 3.015,50 m³gelieferte Betonsorten B 25 KR und B35 KS
- 3,00 m³gelieferter Estrich
5.281,75 m³  
x 10 DM/m³ 
50.817,50 DM 
bzw. 27.005,16 EUR

bb)

Die Höhe des Schadensersatzanspruches ist nicht wegen einer etwaigen Schadensweitergabe zu vermindern, die ggf. dadurch entstand, dass die Klägerin (= 2. Marktstufe) die Preise für ihre Bauwerke gegenüber ihren Kunden (= 3. Marktstufe) erhöhte, weil die Klägerin Transportbeton von der Beklagten (= 1. Marktstufe) zu kartellbedingt erhöhten Preisen bezog.

Dies ergibt sich aus folgender Überlegung:

(1.)

Das Problem der Schadensweitergabe hat zwei Aspekte:

(a.)

Der eine Aspekt betrifft die Frage, wie das Haftungsregime des § 33 GWB unter Einbeziehung aller Marktstufen zu verstehen ist, wenn der Schaden tatsächlich "weitergegeben" wurde, d.h. wenn das Kartell dem Unternehmer der 2. Marktstufe die Möglichkeit zur nachteilslosen Erhöhung des Preises für sein Produkt auf dem nachgelagerten Markt schafft und der Unternehmer die Möglichkeit nutzt. In diesem Falle verbleibt kein durch das Kartell verursachter Schaden bei dem Unternehmer; vielmehr liegt der Schaden allein beim Marktteilnehmer der 3. Marktstufe oder ggf. einer noch fernerer Marktstufe.

Bei der Beantwortung der Frage sind die folgenden schadensrechtlichen Eckpunkte zu berücksichtigen: (1.) Das Zuerkennen eines Schadensersatzanspruches zugunsten des Unternehmers der 2. Marktstufe würde in Konflikt treten mit der grundlegenden Regelung in § 249 BGB, wonach Schadensersatzansprüche lediglich tatsächlich vorhandene Schäden ausgleichen sollen, nicht aber den Zweck einer darüber hinausgehenden Bereicherung des Geschädigten oder einer zivilrechtlichen Bestrafung des Schädigers haben. (2.) Das Verneinen eines Schadensersatzanspruchs der Marktbeteiligten der 3. Marktstufe (oder einer ferneren Marktstufe) gegenüber den Kartellmitgliedern ließe die eigentlich Geschädigten rechtsschutzlos und würde ein Unternehmen der vorgelagerten Marktstufen ungerechtfertigterweise mit einem echten kartellbedingten Gewinn zurücklassen. (3.) Die Bejahung eines Schadensersatzanspruchs der Marktbeteiligten der 3. Marktstufe (oder einer ferneren Marktstufe) neben einem Schadensersatzanspruch des Unternehmers der 2. Marktstufe würde ebenfalls in Konflikt treten mit § 249 BGB, weil die Kartellteilnehmer dann einem zweifachen oder - bei mehr als drei Marktstufen - gar vielfachen Schadensersatzanspruch ausgesetzt wären.

(b.)

Der andere Aspekt betrifft die Frage, wer die Darlegungs- und Beweist dafür trägt, dass der Schaden im o.g. Sinne weitergegeben wurde.

Hierzu liegen aus der bisherigen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - drei Entscheidungen vor: das OLG Karlsruhe (NJW 2004, 2243 ff.) und das LG Mannheim (GRUR 2004, 182 ff.) sehen die Darlegungs- und Beweist beim schadensersatzbegehrenden Unternehmer der 2. Marktstufe; das LG Dortmund (WuW/E DE-R 1352 ff.) hält den in Anspruch genommenen Unternehmer der 1. Marktstufe für darlegungs- und beweispflichtig. Diese divergierenden Ergebnisse beruhen auf der unterschiedlichen dogmatischen Zuordnung des Phänomens der Schadensweitergabe zur Schadensentstehung (OLG Karlsruhe und LG Mannheim) bzw. Vorteilsausgleichung (LG Dortmund).

(2.)

Der Senat löst das Problem wie folgt:

(a.)

Das Haftungsregime ist so ausgestaltet, dass den Teilnehmern der 3. Marktstufe (und ggf. fernerer Marktstufen) ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Kartellteilnehmern jedenfalls dann zusteht, wenn der Gläubiger des Anspruchs ein Unternehmen ist (vgl. unten, [cc.][aaa.]). Den Teilnehmern der 2. Marktstufe steht ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Kartellteilnehmern ebenfalls zu; der Einwand der Vorteilsausgleichung ist im Verhältnis zwischen den Kartellteilnehmern und den Teilnehmern der 2. Marktstufe ausgeschlossen (vgl unten, [cc.][bbb.]). Die Schadensersatzberechtigten der 2., 3. und ggf. ferneren Marktstufe sind Gesamtgläubiger (vgl. unten, [cc.][ccc.]).

Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

(aa.)

Die vom Senat vertretene Lösung wird sämtlichen der drei oben unter (1.)(a.) genannten rechtlichen Eckpunkte gerecht.

Denn zum einen wird der geschädigte Unternehmer der 3. Marktstufe (oder ferneren Marktstufe) nicht rechtlos gestellt, sondern erhält seinen Schaden ersetzt, und zwar von demjenigen, der den Schaden verursacht hat, nämlich von dem Kartellteilnehmer; zugleich verbleibt beim Kartellteilnehmer kein kartellbedingter Gewinn. Zum anderen hat der Kartellteilnehmer den Schaden nur einmal zu ersetzen, weil die Schadensersatzberechtigten der ihm nachgelagerten Marktstufen Gesamtgläubiger sind. Schließlich wird der Teilnehmer der 2. Marktstufe nicht überkompensiert, weil er eine erhaltene Schadensersatzleistung gemäß § 430 BGB in demjenigen Umfange an die Marktbeteiligten der 3. Marktstufe weiterzureichen hat als diesen ein Schaden durch das Kartell entstanden ist.

(bb.)

Die vom Senat vertretene Lösung ist auch zweckmäßig.

Denn sie weist unter den ggf. vielzähligen Schadensersatzberechtigten dem Teilnehmer der 2. Marktstufe eine "schadensersatzverteilenden" Funktion zu. Dies ist deshalb zweckmäßig, weil in aller Regel nur dieser Marktteilnehmer den Schadensersatzprozess gegenüber dem Kartellteilnehmer sinnvoll führen; nur er, nicht die Teilnehmer der 3. Marktstufe oder gar fernerer Marktstufen, kennt die auf dem Kartellmarkt abgeschlossenen, schadensersatzbegründenden Geschäfte. Zudem kann in aller Regel nur der Teilnehmer der 2. Marktstufe den Umfang der Schadenweitergabe sinnvoll ermessen; nur er, nicht der Unternehmer der 1. Marktstufe, kennt die auf dem nachgelagerten Markt abgeschlossenen, schadensweitergebenden Geschäfte. Im Übrigen steht diese Lösung - anders als die von der Beklagten favorisierte Lösung der Vorteilsausgleichung oder des Ausschluss der Schadensentstehung - nicht im Widerspruch mit der aktuellen Regelung in § 33 Abs. 3 Satz 2 GWB n.F. und hat daher den praktischen Vorteil der Vermeidung von Übergangsproblemen.

(cc.)

Die vom Senat vertretene Lösung ist schließlich und insbesondere mit den sonstigen rechtlichen Vorgaben vereinbar.

Hierzu im Einzelnen:

(aaa.)

Der Schadensersatzanspruch der Unternehmer der 3. Marktstufe und ggf. fernerer Marktstufen gegenüber den Kartellteilnehmern ergibt sich aus § 35 GWB Abs. 1 a.F. (ebenso zu § 33 GWB a.F., der mit § 35 GWB a.F. inhaltsgleich ist: Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 33 Rdnr. 31; demgegenüber zweifelnd bzw. ablehnend selbst unter der aktuellen Rechtslage: Bornkamm in Langen/Bunte, GWB, 10. Aufl. 2006, § 33 Rdnr. 36 ff.; Rehbinder in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, GWB, 2006, § 33 Rdnr. 15 f.; Bechtold in Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 33 Rdnr. 10).

Denn zum einen stünde eine Beschränkung des Schadensersatzanspruches auf die Teilnehmer der 2. Marktstufe im Widerspruch mit dem uneingeschränkten Wortlaut des § 35 Abs. 1 GWB a.F. ("anderen"). Zum anderen wäre eine derartige Beschränkung mit dem Zweck des Kartellverbotes nach § 1 GWB a.F., das vorliegend die Grundlage für die Anwendung des § 35 Abs. 1 GWB bildet, nicht vereinbar. So bezweckt das Kartellverbot schon nach der zu § 1 GWB a.F. herrschenden Auffassung nicht nur den Schutz des Wettbewerbs an sich, sondern auch den Schutz des einzelnen Wettbewerbers (vgl. Immenga in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 1 GWB Rdnr. 11 m.w.N.; nach heutiger Rechtslage und Diskussionsstand steht die wettbewerberschützende Zweckrichtung des § 1 GWB außer Frage und es steht lediglich zur Diskussion, ob auch Verbraucher vom Verbotszweck umfasst sind: vgl. Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 1 GWB Rdnr. 18 m.w.N.). Wenn aber der einzelne Wettbewerber geschützt wird, dann vermag es nicht einzuleuchten, warum gerade derjenige Unternehmer, der wirtschaftlich von dem Kartell betroffen ist, nicht schadensersatzberechtigt sein sollte; zweifelhaft mag allenfalls noch sein, ob auch dem am Ende der Marktkette stehenden Verbraucher ein Schadensersatzanspruch nach § 35 Abs. 1 GWB a.F. zusteht. Der Einwand der Beklagten, dass es keinen Schadensersatzanspruch von Teilnehmern der 3. Marktstufe gegenüber den Kartellanten geben könne, weil es in diesen Fällen an der Zielgerichtetheit der Schädigung fehle, verfängt demgegenüber nicht. Denn § 35 Abs. 1 GWB a.F. enthält, wie oben dargelegt - gerade nicht die "Zielgerichtetheit" als ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung.

(bbb.)

Der Schadensersatzanspruch der Unternehmer der 2. Marktstufe gegenüber den Kartellteilnehmern ergibt sich ebenfalls aus § 35 GWB Abs. 1 a.F.

[1.] Der Ansicht des OLG Karlsruhe und des LG Mannheim (s.o.), wonach schon die Entstehung eines Schaden des Unternehmers der 2. Marktstufe zu verneinen sei, schließt sich der Senat nicht an.

Denn die maßgeblichen Geschäfte auf dem Kartellmarkt und auf dem nachgelagerten Markt werden in aller Regel nicht zeitgleich, sondern zeitlich nacheinander abgeschlossen, so dass in diesen Fällen notwendigerweise zunächst ein Schaden bei dem Unternehmer der 2. Marktstufe entsteht, der allenfalls später, wenn das Geschäft auf dem nachgelagerten Markt abgeschlossen wird, - unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung - entfallen mag. Zwar mag es auf dem Transportbetonmarkt - wie die Beklagte vorträgt - nicht selten vorkommen, dass die Verträge zwischen der 1. und 2. Marktstufe erst nach dem Abschluss des Bauvertrages o.ä. zwischen der 2. und 3. Marktstufe abgeschlossen werde. Jedoch wird auch in diesen Fällen der Preis auf dem 2./3. Markt im Hinblick auf den (zu erwartenden) erhöhten Preis auf dem 1./2. Markt kalkuliert. Daher erlangt der Unternehmer der 2. Marktstufe auch in diesen Fällen einen Vorteil gegenüber den Teilnehmern der 3. Marktstufe, den er nicht erlangt hätte, wenn es das Kartell und damit die erhöhten Preise auf dem 1./2. Markt nicht gegeben hätte. Dieser Vorteil auf dem 2./3. Markt ist von dem Nachteil auf dem 1./2. Markt hinreichend unterscheidbar. Der Vorteil ist daher allenfalls nach den Regeln der Vorteilsausgleichung vom Nachteil abzusetzen, schließt aber den Nachteil nicht von vornherein aus. Zudem ist die bloße Zufälligkeit, welcher Vertrag vor welchem Vertrag abgeschlossen wird, für die Höhe der durch das Kartell verursachen Schäden der Unternehmen der 2., 3. und ferneren Marktstufe unerheblich. Es wäre daher verfehlt, dieser Zufälligkeit im Rahmen der generellen schadensrechtlichen Bewertung der Schadensweitergabe Bedeutung beizumessen.

Im Übrigen ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - unerheblich, dass Transportbeton innerhalb von nur 90 Minuten entladen werden muss. Denn dieser Gesichtspunkt betrifft die Vertragserfüllung, nicht den Vertragsabschluss. Vorliegend kommt es indessen auf letzteren an, weil durch den Vertragsschluss, nicht aber durch die Erfüllung, die Kaufpreishöhe und damit die Schadenshöhe bestimmt wird.

[2.] Der Einwand der Vorteilsausgleichung im Verhältnis zwischen dem Kartellteilnehmer und den Unternehmen der 2. Marktstufe ist ausgeschlossen.

Denn es ist anerkannt, dass die Vorteilsausgleichung unter dem Vorbehalt normativer Wertungen steht (Heinrichs in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, vor § 249 Rdnr. 120, 122, m.w.N.). Die Vorteilsausgleichung ist daher nicht immer dann durchzuführen, wenn die Handlung des Schädigers auch ursächlich dafür ist, dass der Geschädigte einen Vorteil erwirbt. Vielmehr muss die Vorteilsausgleichung zudem aus wertendem Blickwinkel geboten sein. Dabei ist der Wertungsmaßstab nicht für sämtliche Fälle der Vorteilsausgleichung auf einen einzigen Gedanken zurückzuführen, sondern hat sich an den Sachgesichtspunkten der einzelnen Fallgestaltung zu orientieren (Heinrichs in Palandt, a.a.O.). Die Sachgesichtspunkte der vorliegenden Fallgestaltung sprechen - wie oben unter (aa.) und insbesondere (bb.) aufgezeigt - dafür, die Vorteilsausgleichung nicht durchzuführen. Denn würde die Vorteilsausgleichung durchgeführt, könnten die Unternehmen der 2. Marktstufe nicht die oben unter (bb.) beschriebene, "schadensersatzverteilenden" Funktion übernehmen, die erforderlich ist, damit die Unternehmern der 3. Marktstufe (und fernerer Marktstufen) ihren Schadensersatzanspruch praktisch durchsetzen können. Die Durchführung der Vorteilsausgleichgleichung würde daher faktisch dazu führen, dass einerseits die geschädigten Unternehmer der 3. Marktstufe (und fernerer Marktstufen) rechtsschutzlos blieben und andererseits die Kartellteilnehmer weder Schadensersatz gegenüber den Unternehmern der 2. Marktstufe noch gegenüber den Unternehmern der 3. Marktstufe (und fernerer Marktstufen) leisten. Dieses Ergebnis ist mit den oben unter (aa.) genannten, schadensrechtlichen Eckpunkten unvereinbar.

(ccc.)

Die Schadensersatzberechtigten der 2., 3. und ggf. ferneren Marktstufe sind gemäß § 428 BGB Gesamtgläubiger (ebenso Bechtold in Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 33 Rdnr. 24).

Denn § 428 BGB ordnet die Gesamtgläubigerschaft bei Vorliegen der von ihm genannten Voraussetzungen an und erfordert - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass die Gesamtgläubigerschaft andernorts durch Gesetz oder durch Vertrag angeordnet wird. Die in § 428 BGB genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn jedes geschädigte Unternehmen der 2. und 3. Marktstufe (und ggf. fernerer Marktstufen) kann den ganzen Schaden ersetzt verlangen, während der Kartellteilnehmer die Schadenseratzleistung nur einmal zu erbringen hat. Zwar mag einem bestimmten Unternehmen der 3. Marktstufe (oder ferneren Marktstufe) ein der Höhe nach geringerer Schadensersatz zusteht als dem Teilnehmer der 2. Marktstufe. Dies spricht aber nicht gegen das Bestehen einer Gesamtgläubigerschaft. Denn diese findet genau in demjenigen Umfang statt, in dem sich die beiden Ansprüche der Höhe nach decken bzw. der Schaden "weitergegeben" wurde. Insofern können beide Gläubiger die "ganze" Leistung verlangen. Im Übrigen ist anerkannt, dass auch bei der Abgrenzung zwischen Teil- und Gesamtgläubigerschaft Praktikabilitätsüberlegungen von Bedeutung sind (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 428 Rdnr. 1, m.w.N.). Diese sprechen - wie oben bereits dargelegt - vor allem deshalb, weil die Unternehmen der 3. Marktstufe (und fernerer Marktstufen) häufig keinen Kontakt zu den Kartellmitglieder haben, für die Gesamtgläubigerschaft und gegen die Teilgläubigerschaft.

Die Gesamtgläubigerschaft ist auch nicht im Hinblick auf BGHZ 44, 383 [390 ff.] ausnahmsweise deshalb auszuschließen, weil etwa die Klägerin die von der Beklagten erhaltenen Schadensersatzleistung möglicherweise missbräuchlich nicht in dem gebotenen Umfang an die Unternehmen der ihr nachgelagerten Marktstufen weiterreichen könnte. Denn zwar mag § 428 BGB im Hinblick auf BGHZ 44, 383 [390 ff.] einschränkend dahingehend auszulegen sein, dass er nicht eingreift, wenn der Gläubiger seine Stellung als Gesamtgläubiger voraussichtlich missbraucht und die Leistung nach ihrer Einziehung nicht anteilsgemäß an die anderen Gläubiger weitergibt. Vorliegend sind jedoch Ansatzpunkte, die für einen Missbrauch durch die Klägerin sprechen, nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Nachdem die Beklagte die Schadensersatzberechtigung der Teilnehmer der 3. Marktsstufe vehement bestreitet, dürften letztere keineswegs besser von der Beklagten bedient werden als von der Klägerin. Das abstrakte Insolvenzrisiko, das jeden Gesamtgläubiger betrifft, ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - jedenfalls nicht geeignet, einen Missbrauchsfall anzunehmen. Denn andernfalls wäre die Gesamtschuld in nahezu sämtlichen Fällen aus diesem Gesichtspunkt auszuschließen. Konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Insolvenz der Klägerin hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Die Gesamtgläubigerschaft hat vorliegend auch nicht gegenüber anderen Formen der Gläubigermehrheit zurückzutreten. So stehen gemäß §§ 420, 428, 432 BGB als Alternative zur Gesamtgläubigerschaft die Teil- und die Mitgläubigerschaft zur Auswahl. Davon scheidet die Teilgläubigerschaft gemäß § 420 BGB von vornherein aus, denn sie setzt im Gegensatz zur Gesamt- und zur Mitgläubigerschaft voraus, dass die Ansprüche der Gläubiger nicht denselben Gegenstand bzw. Gegenstandsteil betreffen. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weil - wie oben dargelegt - sowohl der Anspruch des Gläubigers der 2. Marktstufe als auch der Anspruch des Gläubigers der 3. Marktstufe (oder einer ferneren Marktstufe) auf die "ganze" Leistung bezogen ist. Als Alternative zur Gesamtgläubigerschaft kommt daher vorliegend nur die Mitgläubigerschaft in Frage. Für das Verhältnis dieser beiden Formen der Gläubigermehrheit wird im Schrifttum z.T. das Bestehen einer Vermutung zu Gunsten der Mitgläubigerschaft angenommen (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 432 Rdnr. 1; § 428 Rdnr. 1; die dabei in Bezug genommene Entscheidung BGH NJW 1984, 1357 bezieht sich auf den hier nicht vorliegenden Fall der vertraglichen Haftungsbegründung). Jedoch ist vorliegend die Gesamtgläubigerschaft gegenüber der Mitgläubigerschaft die passendere Form des Gläubigerverhältnisses (ebenso Bechtold in Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 33 Rdnr. 24). Die etwaig anzunehmende Vermutung wäre daher vorliegend widerlegt. Denn zum einen ist nicht zu erkennen, dass der Schadenersatz, den die Teilnehmer der 2. und 3. Marktstufe zu fordern haben, "unteilbar" i.S.d. § 432 BGB wäre. Das Gegenteil ist der Fall, da jeder Teilnehmer seinen eigenen, von den anderen Teilnehmern unterscheidbaren Schaden erlitten hat. Zum anderen wäre eine Erfüllung an alle Gläubiger gemeinsam, wie § 432 BGB es für die Mitgläubigerschaft fordert, durch den Schuldner kaum zu bewerkstelligen, weil ihm die geschädigten Teilnehmer der 3. Marktstufe in aller Regel unbekannt sind. Aus letzterem folgt wiederum, dass vorliegend gerade aus Praktikabilitätsgründen nur eine Gesamtgläubigerschaft, nicht aber eine Mitgläubigerschaft in Betracht kommt (die Gesamtgläubigerschaft in diesem Fall bejahend: Grüneberg in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 428 Rdnr. 1, m.w.N.). Im Übrigen ist im Blick zu behalten, dass es bei der Diskussion um die Form der Gläubigerschaft nicht darum geht, den Schuldner von seiner Leistungspflicht gegenüber manchen Gläubigern faktisch zu befreien. Vielmehr geht es darum, einen praktisch gangbaren Weg für die Durchsetzung der vollen Verbindlichkeit bereit zu stellen. Diesen Weg bietet die Gesamtgläubigerschaft, nicht aber die beiden anderen genannten Formen der Gläubigermehrheit.

Die vorliegende Fallgestaltung ist schließlich auch nicht denjenigen Fallgestaltungen ähnlich und daher nicht mit diesen Fallgestaltungen gleichzubehandeln, in denen eine Sache, die mehreren gehört, deliktisch beschädigt wurde und in denen die Rechtsprechung eine Gesamtgläubigerschaft der geschädigten Eigentümer verneint hat (z.B. BGHZ 55, 20 [31 f.]). Denn Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass sich die Unteilbarkeit der beschädigten Sache in der Unteilbarkeit des Schadensersatzanspruches fortsetzt, weil Schadensersatz gemäß § 249 BGB alleine auf Wiederherstellung des alten Zustandes gerichtet ist. Dieser Gedanke kommt bei der Haftung gemäß § 33 GWB nicht zum Tragen. Zudem sind dem Schuldner im Falle der Beschädigung einer Sache, die mehreren gehört, nicht bestimmte Gläubiger notwendigerweise besser bekannt als andere. Bei der Haftung nach § 33 GWB ist diese Kenntnisstufung hingegen naturgemäß.

(b.)

Die Frage, wer die Darlegungs- und Beweist dafür trägt, dass der Schaden im o.g. Sinne weitergegeben wurde, stellt sich im Verhältnis zwischen den Kartellteilnehmern und den Unternehmen der 2. Marktstufe nicht mehr.

Denn nach dem oben unter (a.) dargelegten Haftungsregime ist die Schadensweitergabe für den Schadensersatzanspruch des Unternehmens der 2. Marktstufe gegenüber dem Kartellteilnehmer unerheblich. Der durch die Schadensweitergabe entstandene Vorteil des Unternehmens der 2. Marktstufe wird im Verhältnis zwischen den Unternehmern der 2. und 3. Marktstufe gemäß § 430 BGB gleichsam rückabwickelt.

(3.)

Bei Zugrundelegung der folgenden zwei, alternativ denkbare Haftungsregime bliebe der Schadensersatzanspruch der Klägerin ebenfalls ungekürzt; die Entscheidung des Senat bliebe daher vorliegend unberührt.

(a.)

Alternativ denkbar wäre ein Haftungsregime, das so ausgestaltet ist, dass den Teilnehmern der 3. Marktstufe (oder fernerer Marktstufen) kein Schadensersatzanspruch gegenüber den Kartellteilnehmern gemäß § 35 Abs. 1 GWB a.F. zuerkannt wird, weil bestimmte Tatbestandsvoraussetzung der Vorschrift als nicht erfüllt angesehen werden. In diesem Fall spräche zusätzlich zu den oben angeführten Überlegungen des Senats die Rechtsfigur der Drittschadensliquidation dafür, dem Teilnehmer der 2. Marktstufe einen ungekürzten Schadensersatzanspruch gegenüber dem Kartellteilnehmer zuzuerkennen.

Denn die Rechtsfigur der Drittschadensliquidation lässt bei einem Auseinaderfallen von Gläubigerstellung und geschütztem Interesse eine Geltendmachung des Schadens durch den - nicht geschädigten - Gläubiger im Interesse des geschädigten Nichtgläubigers zu. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass der Schädiger aus der Schadensverlagerung keinen Vorteil ziehen können soll (Heinrichs in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, vor § 249 Rdnr. 112, m.w.N.). In der Rechtsprechung insofern anerkannt sind u.a. Fälle von Schadensersatzansprüchen wegen Schutzgesetzverletzung in Kombination mit einer sog. obligatorischen Gefahrentlastung des Geschädigten (Heinrichs in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, vor § 249 Rdnr. 113 und 117, m.w.N.). Dem ist die vorliegende Situation zumindest ähnlich. Denn zum einen beruht der Schadensersatzanspruch gemäß § 35 Abs. 1 GWB a.F. auf der Verletzung des Schutzgesetzes nach § 1 GWB. Zum anderen findet eine Gefahrentlastung des Gläubigers - hier des Teilnehmers der 2. Marktstufe - über die wettbewerbsgemäße Weitergabe seines kartellbedingten Schadens durch die Preiserhöhung gegenüber den Teilnehmern der 3. Marktstufe statt.

(b.)

Alternativ denkbar wäre ferner ein Haftungsregime, das so ausgestaltet ist, dass den Teilnehmern der 2. Marktstufe ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Kartellteilnehmern zusteht und der Einwand der Vorteilsausgleichung in diesem Verhältnis nicht ausgeschlossen ist. Die Darlegungs- und Beweislast für den Vorteil, den der Teilnehmer der 2. Marktstufe in Folge der Schadensweitergabe erlangt hat, trüge dann die Beklagte. Denn im Rahmen der Vorteilsausgleichung liegt die Darlegungs- und Beweislast für den Vorteil generell beim Schädiger (BGH, NJW-RR 2004, 79 [81]; Heinrichs in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, Rdnr. 123b a.E., m.w.N.). Der Beklagte hat dieser Darlegungs- bzw. Beweislast vorliegend jedoch nicht genügt.

Hierzu im Einzelnen:

Zwar hielte der Senat das Eingreifen eines Anscheinsbeweises zu Gunsten einer Vorteilserlagung durch die Teilnehmer der 2. Marktstufe für denkbar, wenn sämtliche auf dem nachgelagerten Markt miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen der 2. Marktstufe über einen ausreichend langen Zeitraum von dem Kartell in der Weise betroffen sind, dass sie nur noch zu Kartellpreisen das kartellierte Produkt beziehen können. Denn in diesem Fall wird der Wettbewerb zwischen den Unternehmern der 2. Marktstufe auf dem nachgelagerten Markt in Höhe der Differenz zwischen dem wettbewerbsgemäßen Preis und Kartellpreis ausgeschlossen; der einzelne Unternehmer der 2. Marktstufe kann seinen Preis auf dem nachgelagerten Markt um diesem Betrag erhöhen, ohne hieraus Wettbewerbsnachteile zu erleiden, weil die anderen Unternehmer ihre Preise in gleicher Weise erhöhen werden, wenn sie nicht ihre Gewinnmargen vermindern wollen oder sonstige kartellunabhängige, ihre Wettbewerbsposition verbessernde Maßnahmen ergreifen. Aus dieser Sicht erscheint die Lage der Unternehmer der 2. Marktstufe im Bereich der Differenz zwischen dem wettbewerbsgemäßen Preis und dem Kartellpreis einem (zwangsweisen) Preiskartell gegenüber der 3. Marktstufe ähnlich. Daraus erhellt zugleich, dass der Unternehmer der 2. Marktstufe bei seiner Preiserhöhung - ähnlich einem Preiskartellmitglied - mit Umsatzeinbußen zu rechen hat, wenn der Marktbeteiligte auf der 3. Marktebene zur Abnahme zu dem erhöhten Preises nicht mehr bereit ist, etwa weil er auf das Produkt nicht angewiesen ist und gänzlich auf es verzichten will oder weil ähnliche Produkte nunmehr eine interessante Alternative für ihn darstellen.

Die Beklagte hat jedoch zumindest keinen ausreichenden Beweis dafür angetreten, dass sämtliche Wettbewerber der Klägerin von dem Kartell betroffen waren und insbesondere nicht - wie von der Klägerin behauptet - bestimmte Wettbewerber weiterhin Betonlieferungen zu wettbewerbsgemäßen Preisen bezogen, weil sie mit Kartellmitgliedern in Konzernverbindung standen. Zwar handelt es sich in Bezug auf letzteres um den Nachweis einer negativen Tatsache, weshalb von der Klägerin zu fordern war, dass sie substanziiert vorträgt, um welche Wettbewerber es sich dabei ggf. handelt. Diesen Anforderungen hat die Klägerin jedoch durch namentliche Nennung von vier Wettbewerbern und ihrer Verflechtung mit bestimmten Kartellteilnehmern genügt. Nicht zu fordern war, dass die Klägerin auch zur Art der Verflechtung sowie zu den Mengen, Konditionen und Zeiträumen der konzerninternen Lieferungen vorträgt. Denn die Klägerin trifft insofern lediglich die sog. sekundäre Darlegungslast. Diese dient dem Zweck, die primäre Darlegungs- und Beweislast der Beklagten vorliegend auf die Konzernverhältnisse bestimmter Wettbewerber der Klägerin zu fokussieren. Der Vortrag der Klägerin genügt diesem Zweck. Denn selbst wenn die Klägerin zu den von der Beklagten monierten Details vortrüge, würde sich an dem Gegenstand der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten nichts ändern. Nachdem die Beklagte nur in einem von vier Fällen Beweis dafür antritt, dass die von der Klägerin genannten Wettbewerber auch zu kartellbedingten Preisen und mit zu Sonderkonditionen von den Kartellanten beliefert wurden (... AG), bleibt die Beklagte jedenfalls in Bezug auf die übrigen drei Wettbewerber (... GmbH, ... AG und ... AG) beweisfällig. Dies hat zur Folge, dass der Beweisantritt der Beklagten in Bezug auf die ... AG ungeeignet ist. Die Beklagte trägt nämlich die Beweislast dafür, dass kein Wettbewerber der Klägerin mit einem Kartellanten in Konzernverbindung stand. Insofern bleibt die Beklagte daher in jedem Falle beweisfällig, unabhängig davon, ob ihr der Beweis in Bezug auf die ... AG gelingt. Im Übrigen ist nicht auf Grund des bloßen Umstandes, dass alle Berliner Transportbetonanbieter kartelliert waren, zu vermuten, dass auch diejenigen Wettbewerber der Klägerin, die mit Kartellanten konzernrechtlich verbunden waren, nur zu kartellgemäßen Preisen mit Transportbeton bedient wurden. Es ist sogar eher fernliegend, dass sich die Mitglieder eines Konzerns untereinander wie Fremde behandeln und dass demgemäß die kartellierten Konzernmitglieder die Konzernmitglieder der 2. Marktstufe mit kartellbedingt erhöhten Preisen belasten. Folglich kann offen bleiben, ob das bloße Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen - vor dem Hintergrund ihrer (primären) Darlegungslast - unzulässig ist und damit schon zur Unschlüssigkeit ihres Vortrages führt.

Ebenfalls offen kann bleiben, ob das Eingreifen des o.g. Anscheinsbeweises schon dann zu verneinen wäre, wenn das Produkt des Kartellmarktes für das Produkt des nachgelagerten Marktes eine preiskalkulatorisch lediglich untergeordnete Rolle spielt und der Preis des kartellierten Produktes in lediglich begrenzten Umfange angehoben wurde (in Rede steht eine Größenordnung von ca. 10%), weil etwa bei der typischen Abbildung des Kartellpreises auf den Preis des Produktes des nachgelagerten Marktes mit gewissen Unschärfe zu rechnen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

V.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

So ist die Problematik der Schätzung des Kartellschadens im Wesentlichen tatsächlicher Natur und unterliegt daher der Überprüfung durch das Revisionsgericht allenfalls sehr eingeschänkt. Die grundlegende Frage, ob der Kartellschaden gemäß § 287 ZPO geschätzt werden kann, ist durch den Bundesgerichtshof geklärt. Die sich vorliegend fernerhin stellende Problematik der Schadensweitergabe auf die nächste Marktstufe ist zwar rechtlicher Natur und ist in der Vergangenheit von der Rechtsprechung z.T. anders beantwortet worden als dies vorliegend durch den Senat geschieht (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2004, 2243 ff.). Jedoch ist die Rechtsfrage, soweit sie den hier interessierenden Schadensanspruch der 2. Marktstufe betrifft, mittlerweile durch den Gesetzgeber in § 33 Abs. 3 Satz 2 GWB - im Sinne der Entscheidung des Senats - entschieden worden, so dass sie sich nur noch für Altfälle stellt, die mehr als vier Jahre in der Vergangenheit liegen. Folglich ist die Rechtsfrage weder von grundlegender Bedeutung für das Kartellschadensersatzrecht noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Sicherheit der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich. Die Frage des Kartellschadensersatzanspruches der 3. Marktstufe ist zwar auch nach aktueller Rechtslage streitig, ist vorliegend aber nicht Streitgegenstand.

Ende der Entscheidung

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