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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.03.2008
Aktenzeichen: 2 W 226/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BGB a.F. § 284 Abs. 1
BGB n.F. § 286 Abs. 1
1. Ein vor dem Landgericht geführter Rechtsstreit, der wegen fehlender Einzelrichterfähigkeit des Berichterstatters gemäß § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO originäre Kammersache ist, wird in Folge späteren Auswechselns oder Vertretens des Berichterstatters durch einen einzelrichterfähigen Kollegen nicht automatisch, d. h. ohne Beschluss nach § 348 a Abs. 1 ZPO zur Einzelrichtersache.

2. Zum Erfordernis Eindeutigkeit der Leistungsaufforderung (Mahnung) gemäß § 284 Abs. 1 BGB a. F./ § 286 Abs. 1 BGB n. F.

3. Legen - in parallelen Rechtsstreiten - verschiedene Gericht eine bestimmte vertragliche Vereinbarung abweichend voneinander aus, befindet sich der Schuldner, der in Übereinstimmung mit einer der so vertretenen Auslegungsalternativen handelt, zumindest in einem ihn entschuldigenden Rechtsirrtum. Er haftet daher im Regelfall nicht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung.

4. Nach vollständigem Eintritt der schadensersatzauslösenden Tatsachen besteht der Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger beim Feststellen dieser Tatsachen oder bei der Rechtsanwendung unsicher ist.


Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 2 W 226/07

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 4. März 2008 durch den Richter am Kammergericht Dr. Glaßer als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Zivilkammer 20 des Landgerichts Berlin, der mutmaßlich vom 30. Oktober 2007 datiert und mit dem der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wurde, - Geschz.: 20 O 7/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Über die sofortige Beschwerde hat gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden. Denn der angefochtene Beschluss wurde durch einen Einzelrichter erlassen.

a.

Zwar ist zweifelhaft, ob der angefochtene Beschluss ohne einen vorherigen Beschluss der Kammer des Landgerichts, mit dem der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen wird, von einem Einzelrichter hätte erlassen werden dürfen. Denn das landgerichtliche Verfahren wurde vor dem Erlass des angefochtenen Beschluss, wie aus dem Streitwertbeschluss vom 29. Mai 2005 ersichtlich, als Kammersache behandelt, mutmaßlich weil der damalige Berichterstatter, der Richter Bnnn , zu diesem Zeitpunkt noch in seinem ersten Probejahr war und daher gemäß § 348 Abs. 1 Satz 2 ZPO Nr. 1 den Streitwertbeschluss nicht ohne weiteres als Einzelrichter erlassen durfte. Ob in Folge des - später mutmaßlich erfolgten - Auswechselns oder Vertretens dieses Proberichters durch die dienstältere Vorsitzende Richterin am Landgericht Wnn nnnnn automatisch, d.h. ohne gesonderten Beschluss nach § 348a Abs. 1 ZPO, zur Einzelrichtersache wird, ist in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - unbeantwortet und in der Literatur umstritten (näher hierzu s.u., Ziff.4.).

Jedoch kann diese Problematik in Bezug auf die Frage der Einzelrichterzuständigkeit im Beschwerdeverfahren dahinstehen. Denn es kommt nach § 568 Satz 1 ZPO nicht darauf an, durch wen der angefochtene Beschluss hätte erlassen werden müssen, sondern nur darauf, durch wen der Beschluss tatsächlich erlassen wurde (ebenso, in dem umgekehrten Fall, in dem der angefochtene Beschluss durch den Einzelrichter hätte erlassen werden müssen, tatsächlich aber durch die vollbesetzte Kammer erlassen wurde: OLG Celle, OLGR 2003, 8 [9]). Hierfür spricht sowohl der eindeutige Wortlaut der Vorschrift als auch ihr Sinn. Die Vorschrift will nämlich der Gefahr begegnen, dass die rechtsmittelgerichtliche Entscheidung mit weniger Gewicht und Akzeptanz als die angefochtenen Entscheidung ausgestattet ist, weil erstere, im Gegensatz zu letzterer, durch den Einzelrichter, nicht aber durch einen Kollegialspruchkörper erlassen wurde (Gesetzentwurfsbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4722, Seite 111; OLG Saarbrücken, OLGR 2007, 372 [372]). Eine solche Gefahr besteht jedoch nur dann, wenn die angefochtene Entscheidung tatsächlich durch einen Kollegialspruchkörper erlassen wurde, nicht bereits dann, wenn sie durch einen Kollegialspruchkörper hätte erlassen werden müssen.

b.

Die Sache war auch nicht analog § 348 Abs. 2 ZPO vorab dem vollständig besetzten Beschwerdesenat vorzulegen, damit er in dieser Besetzung über Zuständigkeit des Einzelrichters im Beschwerdeverfahren entscheide (für die analoge Anwendung von § 348 Abs. 2 ZPO im Beschwerdeverfahren: BGH NJW 2003, 3636 [3637]; Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 568 Rdnr. 5a). Denn vorliegend ist nicht zweifelhaft, dass die Voraussetzungen des § 568 Satz 1 ZPO vorliegen.

2.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO zulässig, insbesondere statthaft und fristwahrend eingelegt. Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ist nicht etwa deshalb zu verneinen, weil die angefochtene Entscheidung - möglicherweise (s.o.) - durch einen fehlerhaft besetzten Spruchkörper erlassen wurde (vgl. OLG Celle, OLGR 2003, 8 [8]; Greger in Zöller, ZPO; 26. Aufl. 2007, § 348 Rdnr. 24). Denn die fehlerhafte Besetzung des Spruchkörpers hat nicht zur Folge, dass dessen Entscheidungen etwa nichtig wären (ebenso Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2006, § 350 Rdnr. 2, m.w.N.) mit der Folge, dass sie möglicherweise nicht Gegenstand eines statthaften Rechtsmittels sein könnten.

3.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

a.

Das Landgericht hat dem Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO Satz 1 zu Recht mit dem Grund versagt, dass die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die nicht hinreichende Erfolgsaussicht ergibt sich aus Folgendem:

aa.

Soweit der Kläger - im Wege der Leistungsklage - Schadensersatzansprüche wegen Verzuges des Beklagten mit der Erfüllung seiner (etwaigen) Pflicht zur Übertragung der Geschäftsanteile an den Kläger geltend macht, sind die diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen gemäß §§ 284 Abs. 1 und 2, 286 BGB a.F. nicht zu bejahen.

(1.)

Verzug des Klägers ist nicht vor dem Zugang des klägerischen Schreibens vom 4. Januar 2002 am 8. Januar 2002 eingetreten. Das ergibt sich aus Folgendem:

Das Schreiben der ehemaligen Ehefrau des Klägers, Frau Mnnn Gnnnn , vom 22. April 2001 enthält jedenfalls nicht die gemäß § 284 Abs. 1 BGB a.F. für den Verzugseintritt erforderliche Mahnung. Denn das Schreiben ist - wie der Senat bereits in seinem, den Parteien bekannten Urteil vom 7. Juni 2004 (Geschz. 2 U 37/03) ausgeführt hat - im Kern eine Bitte um ein persönliches Gespräch ohne rechtsgestaltende Wirkung; wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Abschnitt B.3. dieses Urteils verwiesen.

Auch in dem Schreiben des Klägers vom 30. Mai 2001 ist - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - die gemäß § 284 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche Mahnung nicht zu sehen. Denn eine Mahnung im Sinne der Vorschrift stellt eine eindeutige Leistungsaufforderung dar (Heinrichs in Palandt, 61. Aufl. 2002, § 284 Rdnr. 17). Zwar fordert der Kläger den Beklagten in dem Schreiben auf, "die Geschäftsanteile ... zurückzuübertragen". Jedoch teilte er gleichzeitig mit, er sei "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, [dem Beklagten] bis auf weiteres Geschäftsanteile von 49% zu belassen" und stehe "jederzeit gern für ein klärendes Gespräch zur Verfügung", und bat schließlich um Stellungnahme innerhalb bestimmter Frist. Insgesamt war das Schreiben daher als ein Vorschlag zur Aufnahme außergerichtlicher Vergleichsgespräche zu verstehen, nicht als eine eindeutige Leistungsaufforderung. Damit korrespondiert, dass selbst derjenige Passus des Schreibens, in dem die Rückübertragung der Geschäftsanteile verlangt wird, nicht mit einer datumsmäßig konkreten Leistungsfrist, sondern mit der weichen Formulierung "unverzüglich" versehen war.

Schließlich ordnet der Vertrag vom 5. August 1999 nicht die gemäß § 284 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. - alternativ zur Mahnung - erforderliche kalendermäßige Berechenbarkeit des Leistungszeitpunktes ausgehend von einer Kündigung an. Zwar enthält Ziffer III. des Vertrages die Bestimmung, dass die Geschäftsanteile "sofort, wenn der [Kläger oder seine ehemalige Ehefrau] diese ... zurückfordern, ... zurückzuübertragen" seien. Jedoch stellt eine bloße Leistungsaufforderung keine "Kündigung" dar und § 284 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. lässt sich nicht analog auf Leistungsaufforderungen anwenden (ebenso RGZ 103, 33 [34f.]; Heinrichs in Palandt, 61. Aufl. 2002, § 284 Rdnr. 22). Denn die Kündigung ist ein grundlegender, das Schuldverhältnis insgesamt beendender Vorgang, in dessen Folge ggf. Rückgewähransprüche o.ä. entstehen, während die Leistungsaufforderung einen einzelnen Anspruch innerhalb eines im Übrigen unveränderten Schuldverhältnisses fällig stellt. In Bezug auf eine Mahnung, die den Schuldner an seine Leistungspflicht erinnern soll, sind die beiden Fallkonstellationen daher erheblich verschieden: das Erfordernis einer Erinnerung des Schuldners erscheint im Fall der Kündigung mit ihren grundlegenderen, für den Schuldner merklicheren Folgen weniger von Nöten als im Fall der bloßen Leistungsaufforderung. Vor dem Hintergrund, dass § 284 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. eine Ausnahme von dem Grundsatz des Erfordernisses einer Mahnung darstellt, ist die Vorschrift tendenziell eng auszulegen (ebenso RG, a.a.O.) und die o.g. Analogie demgemäß abzulehnen.

(2.)

Der Verzug war - wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt hat - spätestens am 15. April 2002 beendet. Dabei kann dahinstehen, ob - wie das Landgericht meint - dies auf der gemäß §§ 429 Abs. 3, 422 Abs. 1 Satz 1, 362 Abs. 1 BGB schuldbefreienden Wirkung der Übertragung der Geschäftsanteile an Frau Mnnn Gnnnn beruhte und ob diese Rechtsansicht mit dem o.g. Senatsurteil vom 7. Juni 2003 in Einklang steht. Denn jedenfalls ist mit der Übertragung der Geschäftsanteile an Frau Mnnn Gnnnn Unvermögen des Beklagten zur Leistung an den Kläger eingetreten. Das Unvermögen beendete nach allgemeinen Regeln den Verzug (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 61. Aufl. 2002, § 284 Rdnr. 3, 39, m.w.N.).

(3.)

Dass dem Kläger in dem sich ergebenden Zeitraum vom 8. Januar bis 15. April 2002 ein Schaden durch die Nichtübertragung der Geschäftsanteile entstanden wäre und, wenn ja, in welcher genaue Höhe, hat der Kläger - worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat - nicht ansatzweise vorgetragen. Auch im Beschwerdeverfahren trägt der Kläger nicht ergänzend vor.

Es kann daher dahinstehen, ob ein durch die Nichtübertragung verursachter Schaden - ggf. unter Anwendung von § 287 ZPO - schon deshalb zu verneinen ist, weil es nach den Gesamtumständen des Falles naheliegt, dass die Übertragung der Geschäftsanteile das Ausscheiden des Beklagten aus dem Betrieb der hd-technik service GmbH zur Folge gehabt hätte, was seinerseits eine weitgehende Entwertung der Geschäftsanteile bedeutet hätte. Ebenfalls dahinstehen kann, ob der Verzug des Klägers gemäß § 285 BGB a.F. zu verneinen ist, weil dem Beklagte im Verzugszeitraum zwar ein Verschulden dahingehend vorgeworfen werden könnte, dass er die Geschäftsanteile an keine der beiden in Betracht kommenden Gläubiger übertrug, dass ihm aber - mit den unter Buchstabe bb. angeführten Gründen - kein Verschulden dahingehend vorgeworfen werden kann, speziell an den Kläger nicht geleistet zu haben.

bb.

Soweit der Kläger - wiederum im Wege der Leistungsklage - Schadensersatzansprüche wegen Unvermögens des Beklagten zur Erfüllung seiner (etwaigen) Pflicht zur Übertragung der Geschäftsanteile an den Kläger nach dem 15. April 2002 (s.o., Buchstabe aa.[2.]) geltend macht, sind die diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen gemäß §§ 280 Abs. 1, 275 Abs. 2 BGB a.F. nicht zu bejahen.

Denn trifft den Beklagten kein Verschulden an seinem Unvermögen. Die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte nach Ziffer III. des Vertrages vom 5. August 1999 an den Kläger, an Frau Mnnn Gnnnn oder an beide - als Gesamtgläubiger - zu leisten hatte, war nämlich in hohem Maße unklar. Dieses wird durch den Umstand belegt, dass mehrere mit der Frage befasste Gerichte bzw. Spruchkörper (Zivilkammern 20 und 105 des Landgerichts sowie der erkennende Senat) zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangten. Der Beklagte befand sich daher jedenfalls in einem ihn entschuldigenden Rechtsirrtum, als er an Frau Mnnn Gnnnn leistete. Da der Rechtsirrtum zur Folge hatte, dass der Beklagte ab dem 15. April 2002 unvermögend wurde, ist das Unvermögen entschuldigt (vgl. zum dem durch Rechtsirrtum entschuldigten Verzug: Heinrichs in Palandt, 61. Aufl. 2002, § 285 Rdnr. 4).

cc.

Soweit der Kläger - ebenfalls im Wege der Leistungsklage - Schadensersatzansprüche wegen Treue- und Sorgfaltspflichtverletzungen des Beklagten nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung, wegen schuldhafter Verschlechterung des Wertes der Geschäftsanteile nach §§ 989, 990 BGB und wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB geltend macht, hat der Kläger - worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat - nicht ansatzweise Tatsachen vorgetragen, die Grundlage für derartige Ansprüche sein könnten. Auch im Beschwerdeverfahren trägt der Kläger nicht ergänzend vor. Jedenfalls ist in den Umständen, dass der Beklagte seine Tätigkeit in dem Betrieb der hn nnnn nnnn GmbH eingestellt hat, dass er ein anderes Unternehmen mit ähnlich lautender Firma gegründet hat und dass er mit diesem Unternehmen (möglicherweise) in Wettbewerb zu der hnnnnnnnnn GmbH getreten ist, kein rechtswidriges Verhalten zu sehen. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass der Anstellungsvertrag des Beklagten mit hnnnnn nnnn GmbH Regelungen enthielt, die dem Beklagten den Wettbewerb mit dieser GmbH untersagten oder eine Kündigung des Vertragsverhältnisses ausschlossen.

Der Frage, ob die Ansprüche verjährt sind, weil die Nichterfüllung der Hauptleistungspflicht (Nichtübertragung der Geschäftsanteile) und die Schlechterfüllung Nebenpflichten bzw. deliktischen Pflichten (gezieltes Herunterwirtschaften der Gesellschaft) etwaig zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte sind, braucht daher nachgegangen zu werden.

dd.

Soweit der Kläger seine ursprünglich erhobene Feststellungsklage weiterverfolgt, ist diese gemäß § 256 Abs. 1 ZPO mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Denn es ist nicht zu erkennen, warum es dem Kläger nicht möglich sein sollte, seinen Schaden aus einem Vorgang, der die streitgegenständlichen Geschäftsanteile angeblich schon vor vielen Jahren vollständig entwertet haben soll, abschließend zu beziffern und mithin umfassend Leistungsklage zu erheben (zum Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage vgl. Greger in Zöller, 26. Aufl. 2007, § 256 Rdnr. 7a, m.w.N.). Die etwaig schadensersatzauslösenden Tatsachen sind offenbar vollständig eingetreten. Allenfalls mag den Kläger eine gewisse Unsicherheit beim Feststellen dieser Tatsachen oder bei der Rechtsanwendung veranlassen, den Weg der Leistungsklage nicht vollständig zu beschreiten. Es ist jedoch anerkannt, dass selbst schwierige Prognosen der Bemessung eines tatsächlich bereits entstandenen Schadens den Vorrang der Leistungsklage nicht entfallen lassen (BGH NJW 1996, 2097 [2098]; Greger in Zöller, a.a.O.).

b.

Der angefochtene Beschluss war auch nicht deshalb aufzuheben, weil er etwa durch einen unvollständig besetzten Spruchkörper erlassen wurde (s.o.).

Zwar hat das Beschwerdegericht gemäß § 572 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit, von einer eigenen Sachentscheidung abzusehen und die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen. Von dieser Möglichkeit ist aber im Interesse einer zügigen Sacherledigung und effizienten Personalressourcenverteilung innerhalb der Justiz nur mit großem Bedacht Gebrauch zu machen (ähnlich Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 572 Rdnr. 27, m.w.N.). Zudem ist kein Grund ersichtlich, warum zumindest in der vorliegenden Fallgestaltung (d.h. der Einzelrichter entscheidet anstelle der an sich zuständigen Kammer) eine Aufhebung im Beschwerdeverfahren weitergehender zulässig sein soll als im Berufungsverfahren. Dabei kann insbesondere nicht die Rechtsprechung des OLG Celle, OLGR 2003, 8 [9] (ähnlich OLG Frankfurt, OLGR 2003, 340 [341]) herangezogen werden, wonach in der umgekehrten Fallgestaltung (d.h. die Kammer entscheidet anstelle des an sich zuständigen Einzelrichters) die landgerichtliche Entscheidung ohne weiteres aufzuheben ist. Denn die von den beiden Oberlandesgerichten angeführte Begründung, wonach nur durch Aufhebung und Zurückverweisung dem Umstand begegnet werden könne, dass die unrichtige Besetzung der Richterbank erster Instanz vermittels der Regelung des § 568 Satz 1 ZPO in der Besetzung der Richterbank zweiter Instanz fortwirke, trägt jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung nicht. Nach § 568 Satz 2 ZPO kann nämlich in zweiter Instanz die Sache von dem zunächst zuständigen Einzelrichter auf den vollbesetzten Beschwerdesenat übertragen werden, wobei genau dieselben Übertragungskriterien maßgeblich sind, wie bei der erstinstanzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Einzelrichter und der vollbesetzten Kammer gemäß §§ 348 Abs. 3 Satz 2, 348a Abs. 1 ZPO. Der Fehler in der erstinstanzlichen Besetzung wirkt sich daher keineswegs bindend auf die zweitinstanzliche Besetzung aus, sondern kann gemäß § 568 Satz 2 ZPO sachentsprechend und ohne großen Aufwand "neutralisiert" werden, so dass es der Aufhebung und Zurückverweisung nicht bedarf.

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend festzustellen: Die unzutreffende Besetzung der Richterbank erster Instanz stellt einen Verfahrensfehler, keinen Sachfehler der erstinstanzlichen Entscheidung dar (OLG Celle, OLGR 2003, 8 [9]; OLG Frankfurt, OLGR 2003, 340 [341]; Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 538 Rdnr. 14). Dieser Fehler würde in einem Berufungsverfahren nur in den Grenzen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen. Die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind vorliegend jedoch nicht erfüllt; namentlich wird auf Grund des Fehler keine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig. Denn die Sache ist - wie aus den Ausführung unter Buchstabe a) ersichtlich - allein auf Grund rechtlicher Erwägungen zu entscheiden; entscheidungserhebliche tatsächliche Fragen stellen sich nicht.

Dahinstehen kann daher die Frage, ob der Spruchkörper des Landgerichts vorliegend unvollständig besetzt war, d.h. ob die Einzelrichterin hätte nur bei vorausgegangenen Übertragungsbeschluss gemäß § 348a Abs. 1 ZPO entscheiden dürfen. Im Hinblick darauf, dass diese Frage mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für das weitere Verfahren vor dem Landgericht Bedeutung erlangt, weist der Senat vorsorglich daraufhin, dass er die Frage bejaht und einen Übertragungsbeschluss für erforderlich hält (ebenso die h.M. in der Literatur: Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2006, § 348 Rdnr. 15; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 348 Rdnr. 6a; Wittschier in Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 348 Rdnr. 5a; Pukall in Saenger, ZPO, 2. Aufl. 2007, § 348 Rdnr. 4; Zimmermann, ZPO, 8. Aufl. 2008, § 348 Rdnr. 5; Kranz, DRiZ 2003, 374; a.A. hingegen: Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 348 Rdnr. 2; Engers in Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 mit Zustellungsreformgesetz, 2002, § 348 Rdnr. 20; veröffentlichte Gerichtsentscheidungen liegen - soweit ersichtlich - noch nicht vor). Für diese Auffassung sprechen Sinn und Regelungssystematik der §§ 348, 348a ZPO. Die Vorschriften sehen nämlich keineswegs vor, dass Proberichter in ihrem ersten Zivildezernatsjahr unter anderen Voraussetzungen als ihre dienstälteren Kollegen einzelrichterlich tätig werden können bzw. sollen. In beiden Fällen ist sachlicher Maßstab für das Tätigwerden als Einzelrichter die Frage, ob die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist oder nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist; liegen diese Voraussetzungen vor, ist die Sache gemäß § 348a Abs. 1 ZPO auch einem Proberichter des ersten Zivildezernatsjahrs als Einzelrichter zu übertragen (Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 348 Rdnr. 6). Unterschiedlich werden der Proberichter des ersten Zivildezernatsjahrs und sein dienstälterer Kollege nur in Bezug auf das Verfahren, das der Entscheidung über die Einzelrichterzuordnung vorausgeht, behandelt. Während der dienstältere Richter gemäß § 348 Abs. 1, 2 und 4 ZPO selbst darüber entscheidet, ob besondere Schwierigkeiten vorliegen bzw. der Fall grundsätzlicher Bedeutung hat, soll bei einem unerfahrenen Proberichter gemäß §§ 348 Abs. 1 Nr. 1, 348a Abs. 1 ZPO die Kammer diese Entscheidung treffen. Hat die Kammer sich aber einmal dafür entscheiden, solche Schwierigkeiten oder einen solche Bedeutung anzunehmen und daher die Sache nicht auf den Einzelrichter zu übertragen, darf, wenn der Proberichter durch einen erfahreneren Kollegen ersetzt wird, dieser die - unausgesprochene - Entscheidung der Kammer nicht dadurch unterlaufen können, dass er nunmehr ohne weitere Einbeziehung der Kammer als Einzelrichter tätig wird.

4.

Eine Kostenentscheidung betreffend die Kosten des Beschwerdeverfahrens war nicht veranlasst. Denn die außergerichtlichen Kosten werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet und die Gerichtskosten sind ohne weiteres vom Antragsteller zu tragen (vgl. Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 127 Rdnr. 39).

5.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen, nachdem weder die Beschwerdesache grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

6.

Ergänzend erlaubt sich der Senat die folgenden - sich ihm aufdrängenden, freilich vorliegend nicht entscheidungserheblichen - Hinweise:

a.

Der Streitwert des ursprünglichen, in der Klageschrift geltend gemachten Feststellungsantrags dürfte entgegen dem - nicht näher begründeten - Streitwertbeschluss des Landgerichts vom 29. Mai 2006 (Bl. 119 d.A.) mit 13.000 EUR zu niedrig bemessen sein. Denn der Wert der Feststellungsklage beträgt 80% des Wertes des Leistungsanspruches, der Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist (BGH JurBüro 1975, 1598 [1598]; Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 3 Rdnr. 16 "Feststellungsklage"). Dabei ist der maßgebliche Bezugspunkt für die Bewertung des Leistungsanspruches das klägerische Interesse, die maßgebliche Bewertungsgrundlage der Vortrag des Kläger, und zwar unabhängig von der Erfolgsaussicht und der Realisierbarkeit seines Verlangens (Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 3 Rdnr. 2), und der maßgeblicher Bewertungszeitpunkt der Zeitpunkt der Klageeinreichung (vgl. Herget in Zöller, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund dürfte dem Umstand entscheidendes Gewicht beizumessen sein, dass der Kläger zur Wertentwicklung der Geschäftsanteile im streitgegenständlichen Zeitraum (07. Juni 2001 bis 15. April 2002) ausgeführt, die Gesellschaft habe im Mai 2001 "sehr gut dagestanden", der Wert des 100%-igen Geschäftsanteiles per 10. Januar 2002 habe - trotz einer seit November 2001 "dramatisch" verschlechterten Geschäftsentwicklung mit einem kumulierten Verlust der Gesellschaft in 2001 von 140.000 EUR - immerhin noch 617.000 EUR betragen und der Unternehmenswert sei per 19. Juni 2002 mit ca. 50.000 EUR bewertet worden (Seite 6 der Klageschrift; Bl. 6 d.A.). Demgegenüber ist dem Umstand, dass der nominale Wert des halben Geschäftsanteiles zum Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft betrug ohne Belang. Im Ergebnis dürfte sich daher der Streitwert der ursprünglichen Feststellungsklage im Bereich von 500.000 EUR bewegen.

b.

Ein wesentliches Motiv der diversen, auch gegen Frau Mnnn Gnnnn geführten, zivilgerichtlichen Rechtsstreite der Parteien sowie der Rechtshandlungen, die Anlass für diese Rechtsstreite bieten, scheint das Bedürfnis der Parteien nach einer Bereinigung der emotionalen Zerwürfnisse innerhalb ihrer Familie zu sein. Die Parteien sollten sich klar darüber werden, dass das zivilgerichtliche Verfahren zwar ein gutes Mittel zur Klärung von wirtschaftlich-juristischen Fragen sein mag, dass es aber nur begrenzt in der Lage ist, emotional-zwischenmenschliche Konflikte zu lösen, und nicht selten Grund für zusätzliche emotionale Kränkung ist. Vor diesem Hintergrund werden die Parteien auf alternative Streitbeilegungsinstrumente aufmerksam gemacht, bei denen ihre Gesamtverhältnisse einschließlich der emotionalen Seite in den Blick genommen werden können, wie z.B. die Mediation durch juristisch und/oder psychologisch geschultes Personal oder familientherapeutische Angebote.

Ende der Entscheidung

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