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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.05.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 176/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f
Ein Bewährungswiderruf ist ausgeschlossen, wenn die neue Tat zwischen dem Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit und dem Erlaß des Verlängerungsbeschlusses begangen worden ist.
KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 1 AR 500/09 - 2 Ws 176/09

In der Strafsache gegen

wegen Vergehens gegen das Waffengesetz

hat der 2. (ehemals 5.) Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 12. Mai 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 3. März 2009 aufgehoben.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft, die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. September 2002 zu widerrufen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse Berlin zu tragen.

Gründe:

I.

1. Das Landgericht Berlin verurteilte den Beschwerdeführer am 24. September 2002, rechtskräftig seit dem 2. Oktober 2002, wegen vorsätzlichen Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Schußwaffe zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Die Bewährungszeit bestimmte das Landgericht auf drei Jahre.

In der Zeit vom 26. Juli bis zum 16. Oktober 2003 kümmerte sich der Beschwerdeführer schuldhaft nicht um sein abgestelltes und abgemeldetes Kraftfahrzeug, so daß es binnen kurzem zum Wrack wurde und die Umwelt gefährdete. Deswegen verurteilte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin ihn rechtskräftig durch Strafbefehl vom 2. Februar 2004 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 €.

Mit Beschluß vom 10. August 2004 verlängerte das Landgericht Berlin die Bewährungszeit deswegen um ein Jahr, also bis zum 1. Oktober 2006. 2. Am 28. August 2005 beging der Beschwerdeführer eine vorsätzliche Körperverletzung, wovon das Landgericht im Januar 2006 durch den Strafbefehlsantrag der Amtsanwaltschaft erfuhr. Am 3. April 2006 wies der Kammervorsitzende den Beschwerdeführer darauf hin, daß er im Falle der Verurteilung mit dem Widerruf der Strafaussetzung oder der Verlängerung der Bewährungszeit rechnen müsse.

Gegen den auf 50 Tagessätze zu je 15 € lautenden Strafbefehl legte der Beschwerdeführer erfolglos Einspruch ein. Das Amtsgericht verurteilte ihn aufgrund der Hauptverhandlung vom 2. August 2006 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 €. Das Landgericht wartete auch noch die Berufungshauptverhandlung vom 19. September 2007 ab, in der das Rechtsmittel verworfen wurde. Die Verurteilung erlangte am 27. September 2007 Rechtskraft. Daraufhin verlängerte die Kammer die Bewährungszeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 21. Januar 2008, der dem Beschwerdeführer am 1. Februar 2008 zugestellt wurde, um weitere zwei Jahre auf sechs Jahre, also bis zum 1. Oktober 2008.

3. Am 15. Juni 2007 beging der Verurteilte einen Diebstahl, wofür das Amtsgericht Tiergarten ihn in der Hauptverhandlung am 16. Mai 2008 - rechtskräftig - zu einer Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen zu je 15 € verurteilte.

Deswegen widerrief die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluß vom 3. März 2009 die Strafaussetzung. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde (§ 453 Abs. 2 Satz 3 StPO) des Verurteilten hat Erfolg.

II.

Die formellen Voraussetzungen des Widerrufs nach § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB liegen nicht vor. Der Verurteilte hat zwar zum dritten Male eine neue Straftat begangen, welche jedenfalls in der Gesamtschau geeignet war, die ursprüngliche Prognose der künftigen Straffreiheit zu widerlegen. Diese letzte Straftat beging er aber nicht "innerhalb der Bewährungszeit".

1. Die zunächst vom Landgericht bestimmte dreijährige Bewährungszeit endete am 1. Oktober 2005. Am 10. August 2004 verlängerte das Landgericht die Bewährungszeit um ein Jahr, also bis zum 1. Oktober 2006.

Die neuerliche, noch während der ursprünglichen Bewährungszeit begangene Körperverletzung führte zu einer weiteren Verlängerung, nunmehr um zwei Jahre, welche die Strafkammer erst am 21. Januar 2008 beschloß. Dem Verurteilten übersandt wurde die Entscheidung am 1. Februar 2008. Die Bewährungszeit lief nunmehr bis zum 1. Oktober 2008, da sich die verlängerte Bewährungszeit nach ganz herrschender Ansicht an die ursprüngliche anschließt (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2008, 221; OLG Jena NStZ-RR 2007, 220; OLG Köln StV 2008, 262; OLG Düsseldorf OLGSt StGB § 56f Nr. 45; OLG Brandenburg StraFO 2004, 214; HansOLG Hamburg OLGSt § 56f Nr. 4; OLG Zweibrücken NStZ 1993, 510; OLG Celle NStZ 1991, 206; Senat JR 1993, 75; StV 1986, 165; Beschlüsse vom 31. Januar 2007 - 2 Ws 50/07 - und 6. Oktober 2004 - 5 Ws 465/04 -; Fischer, StGB 56. Aufl. § 56f Rdn. 17; Hubrach in LK-StGB 12. Aufl., § 56 f Rdn. 42; Arnoldi StRR 2008, 84, 86 jew. mit weit. Nachw.; Dölling NStZ 1989, 345; a.A.: OLG Bamberg NStZ-RR 2006, 326; LG München I NStZ 2003, 317; Horn NStZ 1986, 356; wohl auch Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl., § 56f Rdn. 10).

Der herrschenden Ansicht folgt auch - wie bisher - der Senat. Schlösse man sich der Gegenmeinung an, wonach die Verlängerung der Bewährungszeit nach deren Ablauf zu einem Neubeginn führt, (wobei die neuerliche Bewährungszeit mit der Dauer der festgesetzten Verlängerungszeit identisch wäre), so wäre schon deren Beginn nicht gesetzlich festgelegt. Bereits das OLG Bamberg nennt in seinem Beschluß (NStZ-RR 2006, 326, 327) an zwei verschiedenen Stellen zwei unterschiedliche Zeitpunkte: den der Rechtskraft (linke Spalte) und den des Beschlußdatums (rechte Spalte). In Betracht käme auch das Datum des Zugangs des Beschlusses. Die Rechtskraft taugt als Beginn nicht, weil Verlängerungsbeschlüsse der Rechtskraft nicht fähig sind (vgl. OLG Zweibrücken NStZ 1993, 510); übrig bleiben indes immer noch zwei gleichwertige Varianten.

2. Die zum Widerruf durch die Strafvollstreckungskammer führende Straftat hatte der Beschwerdeführer am 15. Juni 2007 begangen, also zwischen dem Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit und der Entscheidung, sie nochmals zu verlängern. Ob eine zu diesem Zeitpunkt begangene Tat einen Widerrufsgrund bilden kann, ist streitig. Der Senat verneint diese Frage.

a) Einigkeit besteht in der Rechtsprechung darüber, daß ein Widerruf nicht in Betracht kommt, wenn der Verurteilte von der Verlängerung nichts wußte und auch zuvor während des Laufes der ursprünglichen Bewährungszeit nicht auf die Möglichkeit der Verlängerung hingewiesen worden war. Denn das widerspräche dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. nur BVerfG NStZ 1995, 437 = StV 1996, 160 und die Nachweise bei Arnoldi StRR 2008, 84, 86). Zur Beseitigung des Vertrauens auf das Ende der Bewährungszeit erforderlich ist es auch, daß der Verurteilte in einem gerichtlichen Hinweisschreiben nicht nur auf die Möglichkeit eines Widerrufs, sondern gerade auf diejenige einer Verlängerung hingewiesen worden ist (vgl. OLG Stuttgart Justiz 1998, 131 = StV 1998, 666-Ls; Senat, Beschluß vom 31. Januar 2007 - 2 Ws 50/07 -).

b) Unterschiedliche Auffassungen bestehen indes darüber, ob der Widerruf möglich bleibt, wenn der Verurteilte in dem geschilderten Sinne ordnungsgemäß auf den möglichen Widerruf hingewiesen worden ist und die Anlaßtat sodann in der "bewährungsfreien Zeit" begeht, bevor das Gericht die Verlängerung beschlossen hat.

aa) Diejenige Auffassung, die den Widerruf für möglich hält, stellt im wesentlichen darauf ab, daß das gerichtliche Hinweisschreiben, wonach die Verlängerung möglich bleibt, das Vertrauen des Verurteilten zerstöre, sich nicht mehr bewähren zu müssen; es sei für jedermann verständlich, sich in dieser Lage, in der ein Straferlaß im Hinblick auf ein offenes Verfahren abgelehnt worden sei, nicht bewährungsfrei fühlen zu dürfen (vgl. BVerfG NStZ 1995, 437 = StV 1996, 160 mit abl. Anm. Lammer; OLG Brandenburg StraFO 2004, 214; HansOLG Hamburg OLGSt StGB § 56f Nr. 41; Hubrach in LK-StGB 12. Aufl., § 56f Rdn. 44; Arnoldi StRR 2008, 84, 86; so auch - nicht tragend, da der Verlängerungsbeschluß bereits ergangen war - OLG Düsseldorf - 3. Strafsenat - OLGSt § 56f Nr. 45). Nach dieser Meinung ist der Vertrauensgesichtspunkt der einzige und maßgebliche, von dem die Entscheidung abhängen muß. Auch mehrere Entscheidungen des Senats haben in der Vergangenheit ausdrücklich sowohl tragend (vgl. Beschlüsse vom 24. August 1999 - 5 Ws 503/99 - und 15. August 1994 - 5 Ws 445/94 - bestätigt durch BVerfG NStZ 1995, 437 = StV 1996, 160 mit abl. Anm. Lammer) als auch (weil es an einem Hinweisschreiben ohnehin fehlte) nicht tragend (vgl. StV 1986, 165; Beschlüsse vom 6. Oktober 2004 - 5 Ws 465/04 -; 15. September 1999 - 5 Ws 531/99 -; 9. August 1993 - 5 Ws 271/93 - und 4. August 1993 - 5 Ws 264/93 -) ausschließlich den Vertrauensgesichtspunkt berücksichtigt.

bb) Die Gegenmeinung vertritt die Ansicht, daß nicht nur der subjektive Aspekt des Vertrauensschutzes für die Entscheidung bedeutsam sei, sondern auch der objektive, daß der Verurteilte zum Tatzeitpunkt tatsächlich nicht unter Bewährung stand.

Denn obwohl sich die verlängerte Bewährungszeit unmittelbar an die ursprüngliche anschließt, macht die Rückwirkung diesen Umstand objektiv nicht ungeschehen. Werde die Bewährungszeit in zulässiger Weise nach Ablauf der zunächst festgesetzten Frist verlängert, so könnten Straftaten, die zwischen dem Ende der ursprünglichen (bzw. - wie hier - bereits einmal verlängerten) Bewährungszeit und dem Erlaß des die Bewährungszeit verlängernden Beschlusses begangen werden, nicht als Anlaßtat nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB gewertet werden (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2008, 221; OLG Köln StV 2008, 262; OLG Jena NStZ-RR 2007, 220; OLG Hamm StV 1998, 215; OLG Düsseldorf - 2. Strafsenat - StV 1994, 382; Fischer, Rdn. 3a; Groß in MüKO-StGB 2. Aufl., Rdn. 19; Horn in SK-StGB, Rdn. 9 -; Stree in Schönke/Schröder, Rdn. 10 - jew. zu § 56f StGB).

c) Der Senat hat sich bereits in seinem Beschluß vom 31. Januar 2007 - 2 Ws 50/07 - Juris - der letzteren Meinung angeschlossen. Er hatte dort ausgeführt: "Ist der Verurteilte vor oder nach Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit auf die Möglichkeit ihrer Verlängerung aufgrund einer anderen Tat hingewiesen, ist sodann diese Entscheidung getroffen worden und begeht der Verurteilte danach aber vor deren Kenntnis eine neue Straftat, so kann diese Grund für den Widerruf sein" (Hervorhebungen nicht im Original). Damit hat er kumulativ das Vorhandensein subjektiver und objektiver Voraussetzungen gleichermaßen verlangt. Er hält daran fest. Ein Bewährungswiderruf ist ausgeschlossen, wenn die neue Tat zwischen dem Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit und dem Erlaß des Verlängerungsbeschlusses begangen worden ist.

aa) Bereits in subjektiver Hinsicht genügt die Kenntnis des Verurteilten, daß die Bewährungszeit verlängert werden könne, nicht zum Widerruf, wenn zum Zeitpunkt der Tat die Verlängerung noch nicht ausgesprochen worden ist. Denn sein Wissen um die Möglichkeit der Verlängerung umfaßt nicht die Kenntnis des Umstands, daß sich diese unmittelbar an die bisherige Bewährungszeit anschließt. Denn diese Rechtsprechung ist einem Rechtsunkundigen in der Regel unbekannt. Die Mitteilung führt zwar dazu, daß er mit einer erneuten Verlängerung rechnen muß. Er weiß aber nicht, ob er nach dem zwischenzeitlichen Ablauf der Bewährungszeit bis zur Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft über die Verlängerung bei der Tatbegehung tatsächlich der Forderung unterliegt, sich bewähren zu müssen. Ferner ist für den Empfänger des Hinweisschreibens offen, ob das Gericht dem Antrag auf Verlängerung folgen, ihn ablehnen oder gar die Strafaussetzung widerrufen wird. Nur in der ersten der drei Entscheidungsmöglichkeiten verlängerte sich die Bewährungszeit (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2008, 221, 222).

bb) Für noch bedeutsamer erachtet der Senat indes die objektiven Gesichtspunkte. Begründet wird die Fortdauer der Bewährungszeit nämlich erst mit der Beschlußfassung durch das Gericht, wodurch sich die Begründung einer Widerrufsmöglichkeit für eine in der "Bewährungslücke" begangene Straftat im Ergebnis als eine dem Rechtsstaatsgebot zuwiderlaufende rückwirkende Anwendung einer strafrechtlichen Sanktion darstellt. Nicht nur der Vertrauensgesichtspunkt fordert seine Berücksichtigung, sondern auch das Rechtsstaatsgebot. Diesem zufolge verbietet sich die rückwirkende Begründung nachteiliger Rechtsfolgen (vgl. OLG Frankfurt am Main aaO). Ob eine Tat während des Laufes einer Bewährungszeit oder außerhalb derselben begangen worden ist, ist auch in anderem Zusammenhang von Bedeutung, nämlich bei der Bestimmung des Strafmaßes im Erkenntnisverfahren. Ist die Bewährungszeit bei Tatbegehung abgelaufen, so liegt kein Bewährungsversagen vor (vgl. BGH, Beschluß vom 5. September 2008 - 5 StR 332/08 -). Dabei bleibt es in allen Verfahrenslagen. Es wäre widersprüchlich, dies im Vollstrekkungsverfahren bei der Entscheidung über den Widerruf anders zu beurteilen.

cc) Die Nichtbeanstandung der Gegenansicht durch das Bundesverfassungsgericht gibt keinen Anlaß, den dadurch eröffneten Spielraum im Strafvollstreckungsrecht auszuschöpfen (vgl. OLG Jena NStZ-RR 2007, 220). Zudem lag der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - ebenso wie dem OLG Düsseldorf - 3. Strafsenat - OLGSt § 56f Nr. 45 - ein Fall zugrunde, bei dem das Gericht die Bewährungszeit bereits verlängert hatte, der Beschluß jedoch noch nicht bei dem Verurteilten eingetroffen war. Unter diesen Umständen konnte eine objektive Rückwirkung ohnehin nicht eintreten. Denn mit der Beschlußfassung war die Verlängerung wirksam.

3. Diese Rechtslage macht die dahingehende gerichtliche Benachrichtigung, daß die Strafe noch nicht erlassen werden kann und mit einem Widerruf der Strafaussetzung oder einer Verlängerung der Bewährungszeit noch gerechnet werden muß, nicht entbehrlich oder bedeutungslos. Nach wie vor bewirkt die Mitteilung, daß der Verurteilte (noch) keinen Straferlaß erwarten darf, daß er mit einem Widerruf rechnen muß und daß Straftaten, die er zwischen der Verlängerungsentscheidung und deren Kenntnisnahme durch ihn begeht, einen Widerrufsgrund bilden, weil sie "in der Bewährungszeit begangen sind und ihm kein Vertrauenstatbestand mehr zur Seite stehe.

Im übrigen hätte das Landgericht bereits vor seiner Beschlußfassung vom 21. Januar 2008 nach neuen Verfahren des Verurteilten nachforschen und anstatt der Verlängerungsentscheidung zum Widerruf kommen können. Denn den Widerrufsgrund (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) bot die rechtskräftig abgeurteilte vorsätzliche Körperverletzung. Und der noch nicht abgeurteilte, aber schon begangene Diebstahl stellte zwar noch keinen eigenständigen Widerrufsgrund dar (vgl. EGMR NJW 2004, 43), durfte aber im Rahmen der Bewertung der Lebensführung des Verurteilten bei der neu anzustellenden Prognose (vgl. Fischer, § 56f StGB Rdn. 14) berücksichtigt werden, ob mildere Maßnahmen als der Widerruf ausreichen (§ 56f Abs. 2 StGB); denn anders als der Widerrufsgrund, hängt die Kriminalprognose nicht ausschließlich von der Begehung einer (weiteren) Straftat ab. Sie beruht vielmehr auf einer Gesamtbewertung der Lebensumstände (vgl. BVerfG NStZ-RR 2005, 280, 281); die Unschuldsvermutung streitet daher insoweit nicht für den Verurteilten (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2005, 248).

4. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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