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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: 20 U 186/04
Rechtsgebiete: VorschaltG, UmwG


Vorschriften:

VorschaltG § 2 II 2
VorschaltG § 2 II 3
VorschaltG § 2 II 4
UmwG § 123 III
Das Gesetz zur Errichtung der Gliedkörperschaft "Charité Universitätsmedizin Berlin" vom 27.5.2003 (Vorschaltgesetz) begründet keine Rechtsnachfolge der Humboldt-Universität.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 20 U 186/04

verkündet am : 2. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammgerichts durch seine Richter Budde, Balschun und Baldszuhn auf die mündliche Verhandlung vom 2.6.2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.7.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 13 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Feststellung weiterer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten mit der Begründung, Ärzte der Hnnnnnnnnnn hätten ihn entgegen den ärztlichen Kunstregeln behandelt, wodurch er auf dem linken Auge erblindet sei.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert. Sie habe zur Zeit der Behandlung des Klägers durch die Ärzte der Hnnnnnnnnnn noch nicht bestanden - was unstreitig ist - und sei auch nicht Rechtsnachfolgerin der Hnnnnnnnnnn geworden.

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Klageabweisung. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei Rechtsnachfolgerin der Hnnnnnnnnnn geworden und führt dies im einzelnen aus. Er verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der von ihnen im Original oder in Kopie eingereichten Urkunden Bezug genommen.

II.

Die Berufung konnte keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert ist. Die Beklagte ist hinsichtlich des hier streitigen, seinerzeit zwischen der Hnnnnnnnnnn (Hn ) und dem Kläger bzw. dessen Eltern begründeten Behandlungsverhältnisses nicht Rechtsnachfolgerin der Hn geworden, und haftet auch nicht für deliktische Ansprüche des Klägers als Rechtsnachfolgerin. Im einzelnen gilt folgendes:

Eine Rechtsnachfolge der Beklagten kann sich nur aus dem Gesetz zur Errichtung der Gliedkörperschaft "Cnnn - Unnnnnnnnn Bnnn " vom 27.5.2003 (Vorschaltgesetz) ergeben. Die dort genannten Voraussetzungen betreffen die zwischen der Hn und den Patienten seinerzeit geschlossenen Behandlungsverträge jedoch nicht.

Dem Kläger ist einzuräumen, daß der Wortlaut des § 2 II 2 Vorschaltgesetz eindeutig ist, weil dort klar geregelt ist, daß die Gliedkörperschaft Cnnn Gesamtrechtsnachfolgerin der beiden Unnnnnn für die Hochschulmedizin ist. Allerdings ist nicht an dem bloßen Wortlaut einer gesetzlichen Regelung zu haften; vielmehr sind auch Sinn und Zweck des Gesetzes hinzuzuziehen, und danach kann sich ergeben, daß nicht der Wortlaut maßgebend ist, sondern daß der tatsächlich gewollte Gesetzeszweck sich im Wortlaut nicht erschöpft. So liegt der Fall hier. Das Gesetz enthält entgegen seinem Wortlaut keine Regelung einer Gesamtrechtsnachfolge. Das ergibt sich aus den weiteren Bestimmungen.

In § 2 II 3 ist geregelt, daß die Beklagte in alle Verträge eintritt, die u.a. die Hn mit Dritten im Rahmen des jeweiligen medizinischen Fachbereichs beziehungsweise der Fakultät abgeschlossen haben. Wenn der Gesetzgeber Gesamtrechtsnachfolge hätte anordnen wollen, hätte es einer solchen weiteren Bestimmung nicht bedurft, weil im Fall der Gesamtrechtsnachfolge das gesamte Vermögen unabhängig von dessen rechtlicher Qualität auf die Beklagte übergegangen wäre (vgl. auch etwa § 1922, 1967 BGB).

Diese Bestimmung zielt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht lediglich auf Klarstellung und Transparenz ab. Einer Klarstellung hätte es nicht bedurft, weil eine gewollte Gesamtrechtsnachfolge nicht unklar ist, sondern bereits aus sich heraus klar, denn es gibt dort nur die Rechtsfolge des gesamten Vermögensübergangs. Transparent ist die Regelung nicht, weil sie eher das Gegenteil dessen bewirkt, was der für sich allein sinnvolle Begriff der Gesamtrechtsnachfolge bedeutet, denn durch diesen Satz wird die Gesamtregelung nicht durchschaubarer und nicht einleuchtender. Der Kläger unterstellt dem Gesetzgeber zwar, daß er hier eine Mehrarbeit geleistet hat, welche die Gesamtrechtsnachfolge nicht in Frage stellt. Dies trifft aber auch aus weiteren Gründen nicht zu.

§ 2 II 4 Vorschaltgesetz bestimmt, daß der Übergang von Sachvermögen von den beiden Körperschaften, u.a. von der Beklagten, im Wege der Verwaltungsvereinbarung zu regeln ist. Auch einer solchen Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn es sich nicht nur dem Wortlaut nach, sondern auch materiell um Gesamtrechtsnachfolge handelt, denn danach geht auch das Sachvermögen ohne weitere Rechtsakte über. Auch hier ist der Gesetzgeber nicht nur unter Mehrarbeit zur Transparenz und Klarstellung tätig geworden, sondern nimmt bewußt den Übergang von Sachvermögen aus, um diesen später durch Vereinbarung zu regeln.

Hinzu tritt, daß die Arbeitsverhältnisse der u. a. der Hn angehörenden Arbeitnehmer auf die Beklagte übergehen (§ 3 III 1 Vorschaltgesetz). Auch eine solche Regelung wäre überflüssig, wenn Gesamtrechtsnachfolge eintreten sollte.

Wenn der Gesetzgeber diese Regelungen nur zur Klarstellung hätte einfügen wollen, wäre auch unerfindlich, weshalb er dann nicht auch den Übergang von deliktischen Ansprüchen oder solchen aus Geschäftsführung oder ähnlichen zur Klarstellung erwähnt hat.

Dementsprechend hat der BGH in einem mit dem hier vorliegenden Sachverhalt teilweise rechtsähnlichen Fall der Ausgliederung nach § 123 III UmwG entschieden, daß es sich bei der Ausgliederung nicht um den Übergang des gesamten Vermögens eines untergegangenen Rechtsträgers handelt, sondern um eine besondere Übertragungsart, die es gestattet, statt der Einzelübertragung verschiedener Vermögensgegenstände eine allein durch Parteiwillen zusammengefaßte Summe von Vermögensgegenständen in einem Akt zu übertragen, ohne daß dies andere Folgen hat als eine Einzelübertragung (BGH NJW 2001, 1217 ff., 1218). Wenn diese Grundsätze für einen untergangenen Rechtsträger gelten, müssen sie erst recht im vorliegenden Fall Anwendung finden, weil die Hn noch besteht und als solche noch weitere Regelungen mit der Beklagten treffen kann.

Der Vollständigkeit wegen sei bemerkt, daß der Kläger sich auch nicht auf vertragliche Ansprüche stützen kann. Zwar ist geregelt, daß die Beklagte in Verträge eintritt. Dies hat aber jedenfalls im Bereich des bürgerlichen Rechts keine unmittelbare Wirkung, denn für einen Vertragseintritt der Beklagten als Schuldnerin ist die Zustimmung des Gläubigers erforderlich (§ 415 BGB), so daß diese Vertragsübernahme insoweit inhaltlich bedeutungslos ist.

Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen, um eine Entscheidung gemäß Art. 100 GG einzuholen. Auch der Senat hat dies eingehend erwogen, hat jedoch von einem Vorlagebeschluß abgesehen, weil das Vorschaltgesetz dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestimmtheit (noch) genügt. Es ist nicht schlechthin unbestimmt, sondern kann und muß in dem oben ausgeführten Sinn ausgelegt werden.

Die Beklagte haftet auch nicht nach Rechtsscheingrundsätzen. Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß die Rechtsabteilung der Beklagten ihm erklärte, daß die neu gegründete Körperschaft die Rechtsgeschäfte des früheren Klinikums fortführe. Aus dieser Auskunft kann der Kläger indes nicht etwa ein Anerkenntnis mit dem Ergebnis herleiten, daß die Beklagte die Haftung für das Behandlungsverhältnis übernimmt, das durch die Hn begründet wurde. Ein solcher weitreichender Inhalt kann dieser Auskunftserteilung nicht beigemessen werden, unabhängig davon, ob die Beklagte wegen dieser Auskunft ggf. auf das negative Interesse haften würde, was hier nicht zu entscheiden ist.

Der Kläger kann auch aus dem Umstand, daß die Beklagte in anderen Fällen als legitime Gesamtsrechtsnachfolgerin der Universitäten agiert hat, nichts mit Erfolg für sich herleiten. Jene anderen Fälle betreffen den Kläger nicht und können jedenfalls für ihn keinen Vertrauenstatbestand begründen.

Ansatzpunkte, die auf Arglist der Beklagten schließen lassen, sind entgegen der Ansicht des Klägers ebenfalls nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte den Kläger zu einer Klage gegen sich "verleitet" hat und ihre Äußerungen nunmehr im Rechtsstreit revidieren will. Ein solches Verhalten hätte keinen vernünftigen Sinn und wäre lebensfremd. Es liegt eher nahe, daß die Beklagte über die durch den Gesetzgeber getroffenen Regelungen selbst nicht im klaren ist, denn das Vorschaltgesetz ist jedenfalls für den hier zu beurteilenden Rechtsbereich, um es vorsichtig zu formulieren, recht schwierig gefaßt und erschließt sich auch einem ausgebildeten Juristen weder auf den ersten Blick, noch gar vollständig und sinnvoll. Das rechtfertigt aber nicht, der Beklagten Arglist zu unterstellen.

Die Rüge der fehlenden Passivlegitimation ist nicht verspätet. Es handelt sich hierbei nicht um ein Verteidigungsmittel, dessen Vorbringen ggf. präkludiert sein kann, sondern um eine Voraussetzung für die Schlüssigkeit der Klage, so daß es dem Kläger obliegt, die Voraussetzungen der Passivlegitimation darzulegen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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