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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 23.06.2003
Aktenzeichen: 22 W 134/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 5
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 22 W 134/03

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts am 23. Juni 2003 durch den Richter am Kammergericht Schneider als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 1. April 2003, 6 O 502/02, aufgehoben und der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 921,76 EUR zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die gemäß §§ 269 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete sofortige Beschwerde des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO liegen entgegen der Auffassung des Landgerichts vor. Danach bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird.

In der zu dieser Gesetzesänderung veröffentlichten Literatur und Rechtsprechung ist zwar streitig, ob Voraussetzung für den Erlass einer solchen Kostenentscheidung das Vorliegen eines Prozessrechtsverhältnisses ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass eine solche Kostenentscheidung nicht in Betracht kommt, wenn bei Eingang der Erklärung über die Klagerücknahme die Klage noch nicht zugestellt worden ist und eine Klagezustellung auch nicht mehr vorgenommen wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269, Rn. 8a, 8c; Kammergericht, Beschluss vom 20. Januar 2003 -23 W 241/02- = KG-Report 2003, 109; OLG Nürnberg, MDR 2003, 410: Eine nachträgliche Klagezustellung wurde durch den Kläger ausdrücklich abgelehnt; LG Bad Kreuznach, MDR 2003, 411; wohl auch in diesem Sinne, aber unklar, ob nachträgliche Anordnung und Durchführung der Klagezustellung ausreicht: Gehrlein, MDR 2003, 421). Dies wird dogmatisch damit begründet, dass eine Klage erst dann zurückgenommen werden kann, wenn ein Prozessrechtsverhältnis besteht, in der Regel also mit Zustellung der Klageschrift. Vorher handele es sich nicht um eine Klagerücknahme sondern um eine Rücknahme des Rechtsschutzgesuches (so ausdrücklich Hartmann in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 61. Aufl., § 269, Rn. 39). Wollte man diese Prämisse beibehalten, dann wäre für eine Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bei einer "Klagerücknahme" vor Klagezustellung kein Raum mehr, weil die Zustellung einer bereits zurückgenommenen Klage bzw. eines Rechtsschutzgesuches keine Wirkung mehr entfaltet.

Teilweise wird die Klagezustellung als nicht erforderlich im Rahmen von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO angesehen (MünchKomm-Lüke, ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 269, Rn. 4 unter Hinweis auf: Hartmann, NJW2001, 2577, 2585: "Dogmatische Änderung [Klagerücknahme vor Rechtshängigkeit] werde kaum noch jemanden beunruhigen"; wohl auch: Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 269, Rn. 16).

Der Begründung zu dieser Gesetzesänderung lässt sich die Intention des Gesetzgebers nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen (vgl. BT-Drucksache 14/4722, S. 80, 81).

Welcher Auffassung der Vorzug gebührt, kann dahinstehen, da die Klageschrift jedenfalls nachträglich zugestellt worden ist. Dies ist nach Auffassung des Senates für den Erlass einer Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ausreichend (ebenso: Beschluss des Kammergerichts vom 8. April 2003, 22 W 110/03).

Die weiteren Voraussetzungen für den Erlass einer Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO liegen gleichfalls vor. Nach dem schlüssigen, nicht bestrittenen Vortrag des Klägers, hatte er den Kaufvertrag aufgrund einer Täuschung über die Anzahl der Vorbesitzer wirksam angefochten, so dass er bei Klageeinreichung am 13. November 2002 einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges hatte. Dieser Anspruch ist am 8. Januar 2003, somit vor Zustellung der Klage am 31. Januar 2003, durch die unfallbedingte Zerstörung des Fahrzeuges und der damit einhergehenden Unmöglichkeit der Herausgabe in Wegfall geraten. Der Anspruch hat sich damit erledigt. Da die Klage bis zum Eintritt dieses Ereignisses zulässig und begründet erschien, entspricht es billigem Ermessen gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes ergeht gemäß § 3 ZPO und orientiert sich an den vor dem Landgericht entstandenen Kosten.

Die Rechtsbeschwerde war nicht gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht aus anderen Gründen eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert.

Ende der Entscheidung

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