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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 28.09.2009
Aktenzeichen: 22 W 47/09
Rechtsgebiete: RVG, GKG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 32
GKG § 41
GKG § 63
GKG § 68
ZPO § 887
ZPO § 888
1) Der Streitwert für eine auf die Duldung von Modernisierungs-, Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten in einem Mietobjekt gerichtete Klage richtet sich nach dem Interesse des Klägers an einer infolge der Durchführung der Arbeiten möglichen Mieterhöhung oder einer durch sie zu vermeidender Mietminderung; er wird begrenzt durch den Jahresbetrag der erwarteten Erhöhung oder Minderung.

2) Dem weiteren Antrag des Klägers auf Gewährung von Zutritt zu dem Mietobjekt kommt wertmäßig eine eigene Bedeutung zu, wenn die Besonderheit der angestrebten Zutrittsgewährung die zusätzliche Vollstreckungsmöglichkeit nach §§ 887, 888 ZPO eröffnet.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 22 W 47/09

28.09.2009

In Sachen

hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Ubaczek, den Richter am Kammergericht C. Kuhnke und die Richterin am Kammergericht Meising am 28. September 2009 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Berlin vom 05. Mai 2009 - 63 S 2/09 - teilweise geändert und der Streitwert für das Berufungsverfahren auf insgesamt 5.200,00 EUR festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Ferner wird der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 23. Dezember 2008 gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG nach Anhörung der Parteien von Amts wegen dahin geändert, dass der Streitwert auch für das Verfahren erster Instanz auf 5.200,00 EUR festgesetzt wird.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beklagten sind (wohl noch) Mieter eines Hauses mit Grundstück zu Wohnzwecken, die Kläger Vermieter. Der monatliche Mietzins beträgt insgesamt 2.000,00 EUR. Die Kläger haben mit der vor dem Amtsgericht Schöneberg erhobenen Klage Duldung von im einzelnen in der Klageschrift genannten Instandhaltungs-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen verlangt sowie mit dem Klageantrag zu 2. Zutritt zu den Mieträumen an zwei Tagen ganztägig für die Durchführung von Vermessungs- und Planungsarbeiten. Nach Abweisung der Klage in erster Instanz haben die Kläger ihr Klagebegehren mit der beim Landgericht Berlin eingelegten Berufung weiterverfolgt. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss vom 5. Mai 2009 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.800,00 EUR (12,00 x 400,00 EUR) nach dem geschätzten Jahresbetrag einer fiktiven Mietminderung und einer möglichen Mieterhöhung festgesetzt. Ferner hat es angenommen, dem Klageantrag zu 2. komme kein eigenständiger Streitwert zu.

Gegen die Festsetzung des Streitwertes wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit ihrer am 10. Juli 2009 beim Landgericht eingegangenen Beschwerde. Sie vertreten die Ansicht, der Streitwert für das Berufungsverfahren müsse entsprechend ihren Angaben und der Streitwertfestsetzung durch das Amtsgericht für die erste Instanz 10.000,00 EUR betragen. Sie machen geltend, die Kläger hätten die Miete nach Durchführung der Arbeiten nicht erhöhen wollen; daher sei eine mögliche Mietminderung wegen der sich für die Dauer der beabsichtigten Arbeiten ergebenden Einschränkungen der Gebrauchsmöglichkeit der Mieträume zugrunde zu legen. Bei deren Bemessung sei zu berücksichtigen, dass die Gebrauchsmöglichkeit der Mieträume während der Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten vollständig aufgehoben worden wäre. Der Klageantrag zu 2. (auf Gewährung von Zutritt) habe einen eigenständigen Streitwert von ca. 400,00 EUR. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Streitwertbeschwerde ist gemäß § 32 Abs. 2 RVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG als einfache Beschwerde zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Frist des § 68 Abs. 2. Satz 2 GKG eingelegt worden und die Beschwerdeführer sind auch in dem nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderlichen Umfang beschwert.

Das Kammergericht ist für die Entscheidung über die Beschwerde, die sich gegen die Streitwertfestsetzung durch das Landgericht als Berufungsgericht richtet, als "nächst höheres" Gericht im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 4 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG auch zuständig, obwohl das Kammergericht als Oberlandesgericht im Instanzenzug in der Hauptsache nicht zur Entscheidung befugt wäre (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl., Rdn. 4955 m. w. N.; OLG Koblenz - Beschluss vom 16. April 2009 - 5 W 220/09 sowie die Anmerkungen Mummenhoff hierzu in jurisPR-MietR 16/2009 Anm. 6; OLG Koblenz Beschluss vom 12. Februar 2008 - 5 W 70/08 - MDR 2008,405; OLG Celle, Beschluss vom 17. November 2005 - 3 W 142/05 - OLGR Celle 2006, 270 ff; OLG Düsseldorf Beschluss vom 04. September 2006 -24 W 48/06 - OLGR Düsseldorf 2007, 127).

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch nur hinsichtlich der Wertfestsetzung für den Klageantrag zu 2. Erfolg.

Gemäß § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG bemisst sich der Streitwert für die auf Duldung von Modernisierungs-, Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten in dem Mietobjekt gerichtete Klage nach dem Interesse des Klägers an einer infolge der Durchführung der Arbeiten möglichen Mieterhöhung bzw. einer durch sie zu vermeidenden möglichen Mietminderung, begrenzt auf einen Jahresbetrag (vgl. auch Schneider/Herget, a.a.O., Rdn. 3580 f). Dabei kann es bereits nach dem klaren Wortlaut von § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG weder darauf ankommen, ob die Kläger im vorliegenden Fall die Miete tatsächlich erhöhen wollten, noch darauf, in welchem Umfang der Mietgebrauch der Beklagten während der Durchführung der Arbeiten beeinträchtigt oder aufgehoben sein würde.

Der Höhe nach ist die Schätzung einer möglichen Mietminderung aufgrund von zu beseitigenden Mängeln und einer möglichen Mieterhöhung aufgrund der geplanten Modernisierungsmaßnahmen mit insgesamt 400,00 EUR monatlich nach den beabsichtigten, im einzelnen im Berufungsantrag aufgeführten Maßnahmen und unter Berücksichtigung der nach dem Mietvertrag derzeit geschuldeten Gesamtmiete von 2.000,00 EUR angemessen. Aus dem Vorbringen beider Parteien ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Summe von möglichem Minderungsbetrag und möglichem Mieterhöhungsbetrag höher oder niedriger zu bemessen wäre.

Soweit die Beschwerdeführer nach Anhörung im Beschwerdeverfahren geltend machen, dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass die Modernisierungsarbeiten weniger als 45.000,00 EUR kosten würden, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn bei einem großen Teil der beabsichtigten Arbeiten, wie etwa der Erneuerung von geschädigten Fenstern und Fassaden, der Sanierung des schadhaften Daches mit Neueindeckung und der Erneuerung der Dachentwässerung, handelt es sich der Sache nach um reine Instandsetzungsarbeiten und nicht um Modernisierungsarbeiten (vgl. zur Abgrenzung Böstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 559 Rdn. 52 f). Dass die Kosten der eigentlichen Modernisierungsarbeiten, die allein zu einer Mieterhöhung nach § 559 BGB berechtigen könnten, 45.000,00 EUR übersteigen würden, ergibt sich weder aus dem Parteivorbringen noch aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Parteivorbringen oder dem Vorbringen der Beschwerdeführer konkret, ob aufgrund der Schäden an den Mieträumen deren Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch derart beeinträchtigt gewesen wäre, dass die Beklagten gemäß § 536 BGB zu einer Mietminderung berechtigt gewesen wären und gegebenenfalls in welchem Umfang. Unter diesen Umständen schließt sich der Senat der Schätzung einer möglichen Mietminderung aufgrund von zu beseitigenden Mängeln und einer möglichen Mieterhöhung aufgrund von geplanten Modernisierungsmaßnahmen mit insgesamt 400,00 EUR monatlich durch das Landgericht an. Demgemäß hat das Landgericht den Streitwert für den Klageantrag zu 1. zu Recht auf 4.800,00 EUR festgesetzt.

Dem Berufungsantrag zu 2., den Klägern für zwei volle Tage Zutritt zu den Mieträumen zu gewähren, um ihnen Vermessungs- und Planungsarbeiten zu ermöglichen, kommt allerdings nach Auffassung des Senats neben dem Duldungsanspruch eine eigenständige prozessuale Bedeutung und ein eigener Wert zu. Zwar kann die Verurteilung zu einer Duldung eine nach § 890 ZPO vollstreckbare Verpflichtung zu einem positiven Tun enthalten, wenn ein positives Tun zur Verwirklichung der Duldung erforderlich ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - I ZB 58/06). Die Verurteilung des Mieters zur Duldung von Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten beinhaltet daher sinnvollerweise auch die nach § 890 ZPO vollstreckbare Verpflichtung, dem Vermieter und den von ihm mit der Durchführung von Arbeiten Beauftragten zum Zwecke der Vermessung und Planung Zutritt zu den Mieträumen zu gewähren. Gleichwohl kommt hier dem Klageantrag zu 2. auch wertmäßig eine eigenständige Bedeutung zu, weil die Kläger hier zusätzlich zu der allgemein gehaltenen und nach § 890 ZPO vollstreckbaren Verpflichtung zur Duldung der Arbeiten Verurteilung zur Gewährung von Zutritt für die Vermessungs- und Planungsarbeiten für eine ganz konkrete Zeitspanne begehren, was nach Auffassung des Senats gemäß §§ 887, 888 ZPO gesondert vollstreckbar sein dürfte (die Frage einer zusätzlichen Vollstreckungsmöglichkeit nach §§ 887, 888 ZPO ist ausdrücklich offen gelassen in BGH a.a.O., im Juris-Ausdruck Rdn. 19). Jedenfalls ist der Klageantrag zu 2. geeignet, etwaigen Unwägbarkeiten bei der Durchsetzung des Duldungsanspruchs im Rahmen der Vollsteckung für die Planungs- und Vermessungsarbeiten durch Erstreiten eines konkreten Titels vorzugreifen und insoweit Streit im Rahmen der Vollstreckung zu vermeiden, woraus sich ein eigenständiger Wert des Klageantrages zu 2. ergibt, den der Senat mit einem Bruchteil von 1/12 des Wertes des Klageantrages zu 1. auf 400,00 EUR schätzt.

Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG ist der Senat ferner berechtigt und verpflichtet, die nach den vorstehenden Ausführungen unzutreffende Streitwertfestsetzung des Amtgerichts für die erste Instanz zu ändern, solange die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung im Beschwerdeverfahren bei ihm anhängig ist (zur Änderungspflicht vgl. Schneider/Herget, a.a.O., Rdn. 8 ff; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 63 GKG Rdn. 38). Von dieser Änderungsbefugnis, die auch nicht im Ermessen des Senats steht (vgl. Schneider/Herget, a.a.O.) hat der Senat demgemäß nach Anhörung aller Beteiligten Gebrauch gemacht. Das Verbot der Schlechterstellung des Beschwerdeführers gilt nach ganz herrschender Ansicht im Verfahren über die Streitwertbeschwerde nicht (vgl. Schneider/Herget, a.a.O., Rdn. 5; (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 16. Juni 2008 - - 1 W 25/08 und 1 W 43/08 - OLGR Rostock 2009, 223; OLG Düsseldorf, OLGR 97, 136; OLG Brandenburg, JurBüro 1998, 418; OLG Karlsruhe, JurBüro 1998, 419; LAG Erfurt, MDR 2001, 538; Zöller/ Herget, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rn. 13; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 68 GKG Rdn. 19 m.w.N.).

Die Entscheidung ergeht gemäß § 25 Abs. 4 GKG gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Über eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht zu entscheiden, weil gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG in entsprechender Anwendung eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet.

Ende der Entscheidung

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