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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 23 U 115/08
Rechtsgebiete: GG, BGB, InsO


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
BGB § 535 Abs. 2
BGB § 546a Abs. 1
InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
InsO § 55 Abs. 2 S. 2
InsO § 87
InsO § 169 S. 2
1. Hat das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO angeordnet, dass ein Vermieter die im Besitz des Schuldners befindliche Mietsache nicht einziehen darf und diese zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden kann, steht dem Vermieter in den ersten drei Monaten nach der Anordnung kein Nutzungsentgelt ("Zinsen") im Sinne von § 169 Satz 2 InsO zu.

2. Für eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO ist wegen des abschließenden Charakters der §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, 169 Satz 2 InsO kein Raum.

3. Die Bestimmungen der §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, 169 Satz 2 InsO enthalten eine zulässige Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums bei der Gebrauchsüberlassung an Dritte (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG).

4. Der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete nach § 535 Abs. 2 BGB ist ebenso wie sein Anspruch auf Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB eine Insolvenzforderung gemäß § 87 InsO.


Kammergericht

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 23 U 115/08

verkündet am: 11. Dezember 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin, durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Domke, den Richter am Kammergericht Dr. Sdorra und den Richter am Amtsgericht Prof. Dr. Ernst auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. April 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 14 O 475/07 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Mietzins bzw. einer finanziellen Kompensation in Höhe des vereinbarten Mietzinses für die Nutzung von Baumaschinen.

Die Klägerin vermietet Baumaschinen und -geräte, seit Jahren auch an die SDDD GmbH K und -b (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte wurde am 26. Juli 2007 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt; wegen der weiteren zeitgleichen Anordnungen des Insolvenzgerichts wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin (Anlage K 1) insbesondere zu Ziffer 7 verwiesen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Maschinen der Klägerin im Besitz der Schuldnerin. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 3 der Klageschrift (Bl. 3 d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 31. Juli 2007 kündigte die Klägerin die Mietverträge zum 1. August 2007. Mit Schreiben vom 1. August 2007 (Anlage K 2) wies der Beklagte das Verlangen der Klägerin, die Maschinen an sie herauszugeben, zurück. Er zahlte für die Zeit der Nutzung der Maschinen während des Eröffnungsverfahrens einen Wertverlustausgleich in Höhe von täglich 736,50 € (insgesamt 50.927,33 €) an die Klägerin. Wegen der Berechnung des Wertverlustes durch den Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 6. Februar 2008 nebst Anlage (Bl. 36 ff. d. A.) verwiesen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2007 gab er die Maschinen an die Klägerin heraus.

Die Klägerin hat mit der dem Beklagten am 23. November 2007 zugestellten Klage beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 126.751,18 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem am 28. April 2008 verkündeten und dem Beklagten am 6. Mai 2008 zugestellten Urteil, auf dessen weitere tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 123.237,86 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. November 2007 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Der Klägerin stehe dieser Betrag als Masseforderung zu. Eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sei geboten. Das Insolvenzgericht habe den nicht mit einem allgemeinen Verfügungsverbot ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalter mit Ziffer 7 des Beschlusses vom 26. Juli 2007 im Einzelfall ermächtigt, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Mit seiner an die Klägerin gerichteten Untersagung vom 1. August 2007, die Mietgegenstände abzuholen und in Besitz zu nehmen, habe der Beklagte von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. Mit der Anmeldung ihrer streitgegenständlichen Mietzinsansprüche zur Insolvenztabelle habe die Klägerin nicht auf deren Geltendmachung als Masseforderung verzichtet. Die vor dem 1. August 2007 entstandenen Mietzinsforderungen seien als Insolvenzforderungen zu behandeln, die Klageforderung um die entsprechenden Teilbeträge zu kürzen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 73-81 d. A.) verwiesen.

Der Beklagte wendet sich mit seiner am 19. Mai 2008 eingelegten und - mittels eines am 20. Juni 2008 eingegangenen Schriftsatzes - begründeten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil mit folgenden Einwänden: Der streitgegenständliche Mietzinsanspruch der Klägerin sei nicht Masseverbindlichkeit, sondern lediglich Insolvenzforderung. Das Insolvenzgericht habe ihm keine Einzelermächtigung, bestimmte Verbindlichkeiten auch im Eröffnungsverfahren als Masseverbindlichkeit zu begründen, erteilt. Der Schuldnerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum aus dem Mietvertrag mit der Klägerin ein Recht zum Besitz der Baumaschinen zugestanden; auf die Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO komme es nicht an. Das Landgericht habe die Bestimmung des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO zu Unrecht analog angewandt, weil keine Regelungslücke bestehe. Der Klagebetrag könne auch nicht gemäß den §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, 169 Satz 2 InsO als Masseverbindlichkeit geltend gemacht werden, weil ein Nutzungsentgelt für die ersten drei Monate nach Anordnung der Sicherungsmaßnahme nicht anfalle. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze vom 20. Juni 2008 (Bl. 100-106 d. A.) und vom 30. September 2008 (Bl. 136-140 d. A.) verwiesen.

Er beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten ihres weiteren Vortrags wird auf ihre Schriftsätze vom 1. September 2008 nebst Anlage (Bl. 126-133) und vom 27. November 2008 (Bl. 144-146 d. A.) Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung des Beklagten ist statthaft und zulässig, insbesondere unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften der §§ 517 ff. ZPO eingelegt und begründet worden.

2. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Berufungsgründe greifen hier durch.

Das angefochtene Urteil muss abgeändert und die Klage abgewiesen werden.

a) Soweit die Klägerin die Zahlung des eingeklagten Betrages als vereinbarte Miete für die Baumaschinen gemäß § 535 Abs. 2 BGB oder als Entschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB begehrt, ist die Klage unzulässig. Die Miet(zins)forderung ist ebenso wenig wie die Entschädigungsforderung nach § 546a Abs. 1 BGB eine Masseforderung im Sinne der §§ 53 ff. InsO, sondern eine nur nach den Vorschriften des Insolvenzverfahrens geltend zu machende Insolvenzforderung gemäß § 87 InsO (vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - IX ZR 201/06, NJW 2008, 1442 f.). Die erst nach der - durch Beschluss vom 1. Oktober 2007 erfolgten - Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 23. November 2007 erhobene Klage ist insoweit als unzulässig abzuweisen (vgl. statt aller Breuer, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 1, 2007, § 87 Rdnr. 17). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen Amtlichen Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzrechts vom 13. April 2007 (BT-Drucks. 16/3227, Seite 16 linke Spalte), wonach die Aussonderungsberechtigten, wie etwa der Leasinggeber, im Eröffnungsverfahren auch bei einer Beschränkung ihrer Rechte weiterhin die ursprünglich vorgesehene Gegenleistung für die Nutzung beanspruchen können. Aus dem Zusammenhang der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass es sich um eine missverständliche Formulierung handelt. Der Gesetzgeber wollte nicht die vertraglich vereinbarte Gegenleistung zur Masseforderung erheben; andernfalls ergäbe die Verweisung in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 InsO auf § 169 Sätze 2 und 3 InsO im Regelfall keinen Sinn.

b) Soweit die Klägerin die Zahlung des eingeklagten Betrages als Masseforderung begehrt, ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines als Masseforderung im Sinne der §§ 53 ff. InsO geltend zu machenden Nutzungsentgeltes oder (weiteren) Wertverlustausgleichs.

aa) Die eingeklagten Ansprüche sind - wie das Landgericht mit Recht angenommen hat - nicht aufgrund einer unmittelbaren Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO Masseverbindlichkeiten. Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts ist nichts hinzuzufügen (siehe auch Büchler, ZInsO 2008, 719 ff, 721 in seiner Anmerkung zu dem erstinstanzlichen Urteil).

bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheidet aber auch eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO im vorliegenden Fall aus.

Eine Analogie setzt nach gesicherter Rechtsauffassung voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 ff. m. w. N. - in ständiger Rechtsprechung).

An einer solchen planwidrigen Lücke fehlt es im vorliegenden Fall der insolvenzgerichtlichen Anordnung, dass Gegenstände, deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht eingezogen werden dürfen und zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind. Denn der Gesetzgeber hat mit der durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzrechts vom 13. April 2007 (BGBl I 509) eingeführten Bestimmung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO eine abschließende, gegenüber § 55 Abs. 2 InsO speziellere Regelung getroffen, indem er zum einen die entsprechende Geltung des § 169 Satz 2 InsO angeordnet (Nr. 5 Satz 1, 2. Teilsatz) und zum anderen einen Anspruch auf Wertverlustausgleich geschaffen (Nr. 5 Satz 1, 3. Teilsatz und Satz 2) hat.

Zwar wird in der Literatur die Einbeziehung des Aussonderungsberechtigten in die Regelung der §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1, 169 InsO als sprachlich und gesetzestechnisch nicht gelungen sowie als unklar kritisiert; es erscheine zweifelhaft, wie die entsprechende Anwendung der Sätze 2 und 3 des § 169 InsO auf die vom Schuldner dem Aussonderungsberechtigten zu zahlende Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsbefugnis vor sich gehen solle (Ganter, NZI 2007, 549 ff., 553; Kirchhof, ZInsO 2007, 227 ff., 230). Im Ergebnis besteht jedoch Einigkeit darin, dass als Ausgleich für die Einräumung der Nutzungsbefugnis ein laufendes Nutzungsentgelt - etwa in Form einer Miete - zu entrichten ist, wobei diese Verpflichtung - wie bei Gegenständen mit Absonderungsrechten - spätestens drei Monate nach der insolvenzgerichtlichen Anordnung beginnt (Ganter, a.a.O.; Haarmeyer, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 1, 2007, § 21 Rdnr. 101; Kirchhof, in: Kreft [Hrsg.], Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Auflage 2008, § 21 Rdnr. 35; Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Auflage 2007, § 21 Rdnr. 69e; Büchler, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Auflage 2007, § 169 Rdnr. 7a; ders., ZInsO 2007, 719 ff., 720; Voß, in: Graf-Schlicker [Hrsg.], Kommentar zur Insolvenzordnung, 2007, § 21 Rdnr. 25). Der Anspruch auf das Nutzungsentgelt entsteht aufgrund besonderer Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO als Masseforderung im Rang des § 55 InsO (Voß, in: Graf-Schlicker [Hrsg.], Kommentar zur Insolvenzordnung, 2007, § 21 Rdnr. 25; Schröder, a.a.O.; Büchler, ZInsO 2008, 719 ff., 720; Kirchhof, in: Kreft, a.a.O., Rdnr. 31). Wurde das Aussonderungsgut dem Schuldner aufgrund eines Nutzungsvertrages überlassen (z.B. Miete), ist für die Höhe der "Zinsen" im Sinne des § 169 Satz 2 InsO das vereinbarte Nutzungsentgelt maßgelblich (Büchler, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Auflage 2007, § 169 Rdnr. 7a; ders., ZInsO 2007, 719 ff., 720).

Ob neben dem Absonderungsberechtigten auch dem Aussonderungsberechtigten ein als Masseforderung geltend zu machender Wertersatzanspruch nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO zusteht, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet (bejahend, jedenfalls bei Nutzung von Mietgegenständen für die ersten drei Monate nach Anordnung: Büchler, ZInsO 2007, 719 ff., 720; verneinend: Schröder, a.a.O.) und kann auch hier offen bleiben.

Denn bereits die detaillierte, vom Gesetzgeber speziell geschaffene Regelung der Nutzungsentgeltansprüche des von einer insolvenzgerichtlichen Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1, 1. Halbsatz InsO betroffenen Aussonderungsberechtigten steht jedenfalls der Annahme einer planwidrigen gesetzgeberischen Lücke, die durch eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO zu schließen wäre, entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - IX ZR 201/06, NJW 2008, 1442 f., im Anschluss an BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 ff.).

Dass das Insolvenzgericht im vorliegenden Fall die gesetzliche Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO unter Weglassung des Satzteils "§ 169 Satz 2und 3 gilt entsprechend" in seinen Beschluss aufgenommen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach zutreffender Ansicht liegt die Anordnung der Zahlungspflicht nicht im Ermessen des Insolvenzgerichts, sondern ist zwingende Rechtsfolge der Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO. Die Zahlungsverpflichtung nach § 169 Satz 2 InsO stellt eine Mindestentschädigung des Gläubigers dar, die das Insolvenzgericht nicht ausschließen kann (Büchler, ZInsO 2008, 719 ff., 720).

cc) Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 i. V. m. § 169 Satz 2 InsO auf Zahlung eines Nutzungsentgelts in Höhe der zwischen ihr und der Schuldnerin vereinbarten Miete. Denn das von der Klägerin begehrte Nutzungsentgelt ist nicht als Masseforderung entstanden, weil es ausschließlich für den Zeitraum der ersten drei Monate nach der insolvenzgerichtlichen Anordnung vom 26. Juli 2007 geltend gemacht wird, nämlich (in der Berufungsinstanz nur noch) für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 30. September 2007.

dd) Die Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO in ihrer - wie hier erfolgten - als abschließend und gegenüber § 55 Abs. 2 InsO spezieller zu verstehenden Auslegung ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.

Zwar sind in der Literatur vereinzelt verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Ausdehnung des Verwertungsverbotes auf die aussonderungsberechtigten Gläubiger vorgebracht worden (Ganter, NZI 2007, 549 ff., 553; Schmerbach/Wegener, ZInsO 2006, 400 ff., 404). Die Vorschrift eröffne die Möglichkeit einer kalten temporären Enteignung (Pape, NZI 2007, 425 ff., 430).

Diese Bedenken hält der Senat insbesondere im Hinblick auf die vom Bundesgerichtshof bejahte Verfassungsmäßigkeit der Kündigungssperre in § 112 InsO und die dazu entwickelten Maßstäbe (BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 ff.), die bei aller Unterschiedlichkeit des § 112 InsO einerseits und § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO andererseits wegen des vergleichbaren Regelungskerns doch auch auf die letztgenannte Vorschrift anzuwenden sind, im Ergebnis nicht für durchgreifend. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO beruht auf dem Gedanken, dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Möglichkeit einzuräumen, Gegenstände, an denen ein Sicherungs- oder Aussonderungsrecht besteht, für die Insolvenzmasse zu nutzen, soweit dies für die Betriebsfortführung notwendig ist. Sie dient der Absicht der Insolvenzordnung, das dem unternehmerischen Zweck gewidmete materielle Substrat als wirtschaftlichen Verbund vorläufig zusammenzuhalten (Amtliche Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Gesetzes, BT-Drucks. 16/3227, Seite 15, sowie Stellungnahme des Bundesrates, a.a.O., Seite 23). Im Ergebnis erhält damit die Gläubigergemeinschaft einen Zeitraum, in dem die Fortführungswürdigkeit des schuldnerischen Unternehmens geprüft werden kann (BGH, a.a.O., zu § 112 InsO). Für die Dauer von drei Monaten kann diese Regelung zu einem begrenzten Forderungsausfall des Vermieters führen.

Mit diesem Inhalt ist § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO eine zulässige Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums bei der Gebrauchsüberlassung an Dritte (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Diese Regelung ist eine Folge davon, dass der zuvor vom Vermieter selbst ausgewählte Vertragspartner, mit dem er einen Vertrag zu von ihm selbst mitbestimmten Bedingungen - etwa ohne eine Kaution für zu überlassende Sachen zu verlangen - geschlossen hat, insolvent wird. Die rechtliche Abwicklung dieser Insolvenz dient den Interessen aller betroffenen Gläubiger des Schuldners; die geregelte Abwicklung einer Insolvenz, die viele Gläubiger hart oder sogar in existenzbedrohender Weise treffen kann, dient mittelbar zugleich dem Wohl der Allgemeinheit (BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 ff.). Die Sicherungsmaßnahme des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO ist in der Insolvenz des Mieters geeignet und erforderlich, um eine günstige, gerechte und ausgewogene Abwicklung dieser Insolvenz zu verwirklichen. Der neu eingesetzte vorläufige Verwalter benötigt regelmäßig einen gewissen Zeitraum, um die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners sowie die Bedeutung auch der einzelnen Gegenstände, die möglicherweise mit Aussonderungsrechten belastet sind, dafür zu erfassen. Er benötigt diese Zeit insbesondere zur Prüfung, ob eine Fortführung in Betracht kommt oder ausgeschlossen ist, ob Ersatz für gemietete und vom Vermieter zurückverlangte, aber betriebswesentliche Maschinen und sonstige Sachen zu angemessenen Bedingungen beschafft werden kann oder nicht. Während der Prüfungszeit muss grundsätzlich der vorgefundene Verbund des Schuldnervermögens erhalten bleiben. Der durch § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO mögliche, zeitlich eng begrenzte Eingriff in die Rechte von Vermietern ist nicht unverhältnismäßig. Zum Schutz der übrigen, ungesicherten Gläubiger ist es vertretbar, dass § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 i. V. m § 169 Satz 2 InsO die Verpflichtung zur Zahlung eines Nutzungsentgelts erst nach Ablauf dreier Monate nach Anordnung der Sicherungsmaßnahme vorsieht. Das Bemühen des Gesetzgebers, die Befriedigungsaussichten ungesicherter Insolvenzgläubiger zu verbessern (§ 1 Satz 1 InsO), kommt letztlich anteilig auch wieder Vermietern zugute, soweit diese mit Ansprüchen auf Nutzungsentschädigung vor der Insolvenzeröffnung ausgefallen sind (BGH, a.a.O.).

ee) Das Insolvenzgericht hat im vorliegenden Fall den vorläufigen Insolvenzverwalter auch nicht etwa - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353) - zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten im Einzelfall ermächtigt. Das Insolvenzgericht hat seine Anordnung ausdrücklich auf die Bestimmung des § 21 Abs. 2 [Satz 1] Nr. 5 InsO gestützt. Dass es darüber hinaus eine weitere, einzelfallbezogene Ermächtigung erteilen wollte, ist nicht ersichtlich, zumal nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dafür eine pauschale Ermächtigung nicht ausreicht, sondern das Insolvenzgericht einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse benennen muss (BGH, a.a.O.). Dafür gibt der Beschluss vom 26. Juli 2007 nichts her.

ff) Unbegründet ist die Klageforderung auch, soweit mit ihr die Zahlung eines (weiteren) Wertersatzanspruches geltend gemacht wird. Dabei kann auch hier dahinstehen, ob (neben dem Absonderungsberechtigten auch) dem Aussonderungsberechtigten ein als Masseforderung geltend zu machender Wertersatzanspruch nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO zusteht [oben b) bb)]. Denn die Klägerin hat nicht substantiiert dazu vorgetragen, welchen Wertverlust die Baumaschinen zwischen dem 26. Juli bzw. 1. August 2007 und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2007 erlitten haben. Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass der Wertverlust die vom Beklagten gezahlte Summe von täglich 736,50 € (insgesamt 50.927,33 €) überstiege.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Revision der Fortbildung des Rechts dient. Denn die hier entscheidungserheblichen Auslegungsfragen zu der Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO werden in der Literatur kontrovers diskutiert, und es gibt dazu bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung; die Vorschrift war insbesondere auch nicht Gegenstand des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 24. Januar 2008 (IX ZR 201/06, NJW 2008, 1442 f.).



Ende der Entscheidung

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