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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: 23 U 206/08
Rechtsgebiete: HGB, KO, AO


Vorschriften:

HGB § 264a
KO § 82
KO § 86
AO § 179
Weder dem Komplementär noch dem Kommanditisten der Gemeinschuldnerin steht - zur Durchführung der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung gemäß den §§ 179 ff. AO - gegen den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter eine Anspruch auf Erstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen zu.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 23 U 206/08

verkündet am: 30.04.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Domke, die Richterin am Kammergericht Gabriel und den Richter am Amtsgericht Prof. Dr. Ernst auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. April 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 5 O 483/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Beklagte ist der Konkursverwalter über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft in Liquidation (im Folgenden: Gemeinschuldnerin), deren Komplementär die Klägerin zu 1. und deren Kommanditisten die Kläger zu 2. und 3. sind. Die Kläger begehren die Erstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen für die Jahre 1997 bis 2005 betreffend die Gemeinschuldnerin.

Mit dem am 28. April 2008 verkündeten und dem Beklagten am 14. Juli 2008 zugestellten Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, die Jahresabschlüsse, die Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die Bilanzen für die Jahre 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 betreffend die (Firma) ... & ... GmbH & Co. G - und T KG i.K. zu erstellen und den Klägern vorzulegen. Der Beklagte sei dazu gemäß den §§ 264 f., insbesondere § 264a HGB verpflichtet. Soweit seine Verwaltung reiche, habe er dieselben steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die der Gemeinschuldnerin oblegen hätten, wenn über deren Vermögen nicht das Konkursverfahren eröffnet worden wäre. Die Verpflichtung bestehe gegenüber den Klägern, weil diese ihrerseits steuerliche Verpflichtungen zu erfüllen hätten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Beklagte wendet sich mit seiner am 29. Juli 2008 eingelegten und nach Fristverlängerung um einen Monat - mittels eines am 14. Oktober 2008 bei dem Kammergericht eingegangenen Schriftsatzes - begründeten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil mit folgenden Einwänden: Das Urteil sei unklar tenoriert. Die Kläger zu 2. und 3. seien nicht aktivlegitimiert. Aus § 82 KO ergebe sich kein Anspruch auf Erstellung eines Jahresabschlusses. In der Liquidationsphase der Kommanditgesellschaft sei lediglich zu Beginn und bei Beendigung eine Bilanz zu erstellen; im vorliegenden Fall könne allein ein Zwischenbericht verlangt werden. Er habe seine Mitwirkungspflicht zur Erstellung des Jahresabschlusses ordnungsgemäß erfüllt; eine weitergehende Mitwirkungsverpflichtung sei ihm bislang tatsächlich unmöglich gewesen. Er erhebt die Einrede der Verjährung. Wegen der Einzelheiten seines weiteren Vorbringens wird auf die Berufungsbegründungsschrift (Blatt 19-36 Band II der Akten) und den Schriftsatz vom 14. Januar 2009 (Blatt 82-92 Band II der Akten) verwiesen.

Er beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 28. April 2008 (5 O 483/06) die Klage abzuweisen,

hilfsweise unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 28. April 2008 (5 O 483/06) den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten ihres weiteren Vortrags wird auf die Berufungserwiderungsschrift (Blatt 56-79 Band II der Akten) Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung des Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften der §§ 517 ff. ZPO eingelegt.

2. Die Berufung ist erfolgreich, weil die Kläger gegen den Beklagten als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin, der W & Q GmbH & Co. G - und T KG, keinen Anspruch auf Erstellung und Vorlage der oben genannten Jahresabschlüsse gemäß § 82 KO haben. Auf die Bestimmungen der §§ 264 f. HGB kann - entgegen der Auffassung des Landgerichts - ein solcher Anspruch nicht gestützt werden; auch sonst besteht für einen solchen Anspruch keine Grundlage.

a) Da der Konkurseröffnungsantrag vor dem 1. Januar 1999 gestellt wurde, finden die Bestimmungen der Konkursordnung Anwendung (Art. 103 EGInsO; vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Auflage 2007, Rdnr. 1.02).

b) Zwar ist gemäß § 82 KO der Verwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Konkursverwalter dem Gemeinschuldner gegenüber gemäß § 82 KO verpflichtet, während des Konkurses für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Buchführungspflichten zu sorgen (BGH, Urteil vom 29. Mai 1979 - VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316-321). Die Verpflichtung des Konkursverwalters zur Erfüllung der steuerlichen Buchführungspflichten findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Gemeinschuldner die benötigten Unterlagen entbehren muss, sobald der Konkursverwalter sein Amt übernimmt, und bei nicht ordnungsgemäßer Führung der Bücher nach steuerlichen Gesichtspunkten durch den Konkursverwalter die steuerlichen Nachteile den Gemeinschuldner treffen (BGH, Urteil vom 29. Mai 1979 - VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316-321). Obwohl die Konkursordnung - anders als nunmehr § 155 InsO - keine Norm zur externen handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung enthielt, hatte sich für den gewerblichen Konkurs in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung durchgesetzt, dass dem Verwalter neben der konkursrechtlichen Rechnungslegung auch die allgemeinen handels- und steuerrechtlichen Pflichten obliegen (Breitenbücher, in: Graf-Schlicker (Hrsg.), Kommentar zur Insolvenzordnung, 2007, § 155 Rdnr. 1 mit weiteren Nachweisen). Der Insolvenzverwalter hat nach § 155 Abs. 1 InsO zwei verschiedene Rechenwerke mit unterschiedlicher Zweckrichtung zu erstellen (Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rdnr. 2); nichts anderes kann für den Konkursverwalter gelten, weil § 155 Abs. 1 InsO lediglich eine bestätigende Klarstellung gegenüber der früheren Rechtslage enthält (Begründung RegE, BT-Drucksache 12/2443, S. 172; Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rdnr. 1 f.). § 155 InsO hat bezogen auf die sich schon aus § 34 Abs. 3 AO ergebenden Pflichten des Verwalters nur bekräftigenden Charakter (Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rdnr. 3 mit weiteren Nachweisen).

Allerdings hat der Konkurs-/Insolvenzverwalter nur diejenigen steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die ohne Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens dem Schuldner obliegen würden. Die steuerlichen Pflichten reichen nur so weit, wie die Verwaltung des Vermögens reicht (Breitenbücher, a.a.O., Rdnr. 3; siehe auch KG, Beschluss vom 3. Juni 1997 - 1 W 8260/95, ZIP 1997, 1511-1512). So gehört insbesondere in der Insolvenz über das Vermögen einer Personengesellschaft die Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung nach den §§ 179 ff. AO - um die es im vorliegenden Fall geht ausweislich der Klageschrift (Blatt 3-4 Band I der Akten) - zu den insolvenzfreien Angelegenheiten, da die Folgen der Gewinnfeststellung nicht den Vermögensbereich des Gemeinschuldners, sondern die Gesellschafter persönlich berühren (BFH, Urteil vom 23. August 1994 - VII R 143/92, ZIP 1994, 1969-1973; Breitenbücher, a.a.O., Rdnr. 3). Nicht nachvollziehbar ist, dass die Kläger in ihrer Stellungnahme vom 7. April 2009 (Blatt 101-103 Band II der Akten) zu dem Ladungshinweis lapidar vortragen, es gehe nicht um die Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung nach den §§ 179f. AO, "sondern um die Bilanz der Schuldnerin".

Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der als GmbH & Co. KG verfassten Gemeinschuldnerin am Konkursverfahren beteiligt ist (BGH, Urteil vom 22. Januar 1985 - VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423-427); diese Entscheidung befasst sich mit der Frage, wer Beteiligte im Sinne des § 82 KO sind, nicht aber mit dem Umfang der Pflichten des Verwalters.

c) Die Kläger können ihren Anspruch nicht auf die Bestimmungen der §§ 124, 132, 86 KO stützen, weil die dort geregelte Rechnungslegungspflicht des Verwalters ausschließlich den Zweck hat, die Geschäftsführung und Konkursabwicklung des Verwalters richtig darzustellen und eine ordnungsgemäße Überprüfung durch das Gericht und die Gläubiger zu ermöglichen (Uhlenbruck, Konkursordnung. Kommentar, 11. Auflage 1994, § 86 Rdnr. 1).

d) Den Klägern zu 2. und 3. steht als Kommanditisten zwar ein - auch nach Konkurs- bzw. Insolvenzeröffnung nicht erlöschendes - Informationsrecht gemäß § 166 HGB zu. Dieses umfasst aber nur die Buchführung, so wie sie in der Kommanditgesellschaft vorhanden ist (Grunewald, in: Münchener Kommentar zum HGB, 2. Auflage 2007, § 166 Rdnr. 8; OLG Zweibrücken, Urteil vom 7. September 2006 - 3 W 122/06, ZIP 2006, 2047-2048). Es ist auf die Kontrolle des Rechnungsabschlusses beschränkt (Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 33. Auflage 2007, § 166 Rdnr. 8). Die Kommanditisten haben keinen eigenen Anspruch auf Rechnungslegung, weder gegenüber dem Komplementär noch gegenüber der Kommanditgesellschaft (Grunewald, a.a.O.). Das außerordentliche Informationsrecht nach § 166 Abs. 3 HGB - auf das die Kläger sich berufen - kann ohnehin nicht vor dem Prozessgericht, sondern nur nach § 145 FGG geltend gemacht werden.

e) Die Kläger zu 2. und 3. können ihren Anspruch auch nicht erfolgreich im Wege der actio pro socio geltend machen. Denn wenn sich ein bestimmter Informationsanspruch nicht aus dem Mitgliedschaftsrecht des Kommanditisten herleiten lässt, kann der Kommanditist auch nicht auf dem Wege über die actio pro socio verlangen, dass die Information der Gesellschaft erteilt wird (BGH, Urteil vom 23. März 1992 - II ZR 128/91, NJW 1992, 1890-1892).

f) Die §§ 264 f. HGB, auf die das Landgericht den Anspruch der Kläger gestützt hat, regeln nicht das Verhältnis des Konkurs-/Insolvenzverwalters zu dem Gemeinschuldner bzw. dessen Gesellschaftern. Die Pflichten des Konkursverwalters gegenüber den Beteiligten sind in der Vorschrift des § 82 KO abschließend geregelt, die des Gemeinschuldners gegenüber dem Verwalter in § 100 KO. Die §§ 238 ff. HGB - und damit auch § 242 HGB, auf den die Kläger ihren Anspruch ausdrücklich stützen - sind dogmatisch dem öffentlichen Recht zuzuordnen; sie verfolgen den (überindividuellen) Zweck des institutionellen Gläubigerschutzes und der Unterrichtung der Allgemeinheit; sie stellen keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar (Hüffer, in: HGB. Großkommentar, 3. Band, 1. Teilband, 4. Auflage 2002, § 238 Rdrn. 2, 4).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zu, weil die Rechtsfrage nach dem Anspruch der Gesellschafter des Gemeinschuldners gegen den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter auf Erstellung von Jahresabschlüssen von grundsätzlicher Bedeutung und bislang nicht abschließend vom Bundesgerichtshof entschieden worden ist.

Ende der Entscheidung

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