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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.06.2005
Aktenzeichen: 24 W 115/04
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 15 III
BGB § 910
Auch im Verhältnis der Gartenflächen-Sondernutzungsberechtigten untereinander besteht bei überwachsenden Zweigen das Selbsthilferecht der Grundstücksnachbarn nach § 910 BGB. Die in § 910 BGB gewollte Umkehrung der Parteirollen im Prozess verbietet eine Titulierung genereller Unterlassungsansprüche zur Abwehr des Selbsthilferechts.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 115/04

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage Hnnnnnnn Snnn nnnn / Dnnnn nnnn , 1nn Bnnn

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. April 2004 - 85 T 498/02 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 13. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Sache insoweit an das Landgericht zurückverwiesen wird, als noch über den Schadensersatzanspruch des Antragstellers zu entscheiden ist.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer der Anlage. Im vorliegenden Verfahren nimmt der Antragsteller die Antragsgegner darauf in Anspruch, es zu unterlassen, die auf seiner Sondernutzungsfläche befindlichen Pflanzen bei einem Überwachsen auf deren Sondernutzungsflächen im Wege der Selbsthilfe zurückzuschneiden, und ihm Schadensersatz für den bisher erfolgten Rückschnitt dieser Pflanzen zu leisten.

Auf dem Eckgrundstück stehen acht Reihenhäuser, die sich in zwei rechtwinklig zueinander stehenden Gebäuderiegeln zu drei bzw. fünf Reihenhäusern aufteilen. Von der Straße aus gesehen befinden sich hinter den Reihenhäusern Gartenflächen, an denen Sondernutzungsrechte begründet sind. An das in der Mitte von fünf Reihenhäusern liegende Reihenhaus des Antragstellers mit der dahinter liegenden Sondernutzungsfläche grenzen links das Reihenhaus und die anschließende Sondernutzungsfläche der beiden Antragsgegner zu 1) und 2). An die ca. sechs Meter lange hintere Grenze des Sondernutzungsrechts des Antragstellers grenzt die querliegende Sondernutzungsfläche der Antragsgegnerin zu 3).

Nach der notariellen Teilungserklärung vom 9. Dezember 1976 ist in der anliegenden Gemeinschaftsordnung unter § 4 unter Anderem zu Nr. 3. geregelt:

"Die Gartenfläche wird von der (teilenden) Eigentümerin auf deren Kosten in der Erstanlage und in der Erstbepflanzung erstellt bzw. angelegt.

Die Zaungestaltung obliegt den Wohnungseigentümern. Sie muss einheitlich erfolgen.

Die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten sind berechtigt, die ihnen zugeteilte Gartenfläche gärtnerisch zu gestalten.

Die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten sind verpflichtet, den ihnen zugeordneten Teil der Gartenfläche auf ihre Kosten zu unterhalten und zu pflegen."

Der Antragsteller hat an den Grenzen seiner Sondernutzungsfläche Pflanzen gepflanzt, welche in die Höhe und die Breite wachsen, so dass sie auf die benachbarten Sondernutzungsflächen hinüberragen. Durch den rechtskräftig gewordenen Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 26. Juli 1991 ließ der Antragsteller den Antragsgegnern zu 1) und 2) untersagen, dass diese einen Rückschnitt der Sträucher von ihrer Seite aus bis über die Grenze zur Sondernutzungsfläche des Antragstellers vornehmen. Im vorliegenden Verfahren geht es um den Rückschnitt der Pflanzen, die von der Sondernutzungsfläche des Antragstellers auf die Sondernutzungsflächen der Antragsgegner hinüberwachsen und nach der Behauptung der Antragsgegner bis zu 50 cm oder auch 70 cm hinüberragen. Die Antragsgegner fühlen sich durch den Überwuchs während der Vegetationsperiode auf ihren schmalen Sondernutzungsflächen beeinträchtigt und möchten im Laufe der Vegetationsperiode jährlich etwa dreimal selbst einen Rückschnitt vornehmen. Demgegenüber will der Antragsteller den Rückschnitt erst nach Abschluss der Vegetationsperiode einmal jährlich im Oktober/November vornehmen und die gewonnenen Zweige für die Wintereindeckung auf einem Friedhof benutzen.

Im Spätsommer 2001 forderten sowohl die Antragsgegner als auch die Verwalterin den Antragsteller zum Rückschnitt der über die Grenzen seiner Sondernutzungsfläche hinausragenden Pflanzen erfolglos auf. Daraufhin nahmen die Antragsgegner zu 1) und 2)einen Rückschnitt der Pflanzen etwa am 15. Oktober 2001 vor.

Mit der Antragsschrift vom 30. November 2001 hat der Antragsteller beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, die Anpflanzungen auf der Sondernutzungsfläche Nr. 6 zu beschneiden oder beschneiden zu lassen, auch wenn zeitweise ein geringer Überhang der Anpflanzungen auf die anderen Gartenflächen besteht. Ferner hat der Antragsteller beantragt, die Antragsgegner zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 250,00 DM als Ersatz für die abgeschnittenen Zweige zu verpflichten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2002 die Anträge zurückgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 6. April 2004 hat der Antragsteller seinen Unterlassungsantrag präzisiert. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. April 2004 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg, soweit das Landgericht über den Unterlassungsanspruch des Antragstellers entschieden hat, führt jedoch zur Zurückverweisung insoweit, als noch über den Schadensersatzanspruch des Antragstellers ergänzend zu entscheiden ist.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig und hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

Mangels Protokollierung der teilweisen Rücknahme der Erstbeschwerde (vgl. § 160 Abs. 3 Nr. 8 ZPO) muss die weitere Beschwerde insoweit Erfolg haben, als das Landgericht nicht über den Schadensersatzanspruch des Antragstellers entschieden hat. Aus der Präzisierung des einen Beschwerdeantrages folgt im Zweifel nicht die Rücknahme eines weiteren selbstständigen Beschwerdeantrages. Angesichts der identischen Beschwerdefrist von zwei Wochen kann dahinstehen, ob der Antragsteller ein Verfahren auf Beschlussergänzung entsprechend § 321 ZPO hätte einleiten müssen. Jedenfalls kann auch im Rechtsbeschwerdeverfahren insoweit ein Verfahrensfehler des Landgerichts erfolgreich gerügt werden. Mit der rechtsfehlerfreien Ablehnung des Unterlassungsanspruchs aus verfahrensrechtlichen Gründen muss der Schadensersatzanspruch nicht notwendig zugleich entfallen.

Das Landgericht hat unter Zitierung von OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 81 = ZMR 2001, 910 ein Selbsthilferecht nach § 910 BGB verneint. Den vom Antragsteller verfolgten Unterlassungsanspruch gegen die seitlich und hinten an seine Sondernutzungsfläche angrenzenden sondernutzungsberechtigten Antragsgegner hat das Landgericht mit der Begründung abgesprochen, dass der Antragsteller selbst zum Rückschnitt der übermäßig überwachsenden Zweige verpflichtet sei. Dem vermag der Senat rechtlich nicht zu folgen. Denn es erhebt sich gerade die Frage, ob die Antragsgegner, wenn der Antragsteller seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, im Wege der Ersatzvornahme tätig werden dürfen. Da zur Durchsetzung materieller Ansprüche regelmäßig Eigenmacht verboten, vielmehr der Rechtsweg zu beschreiten ist, müsste der gegen die Selbsthilfe der Antragsgegner gerichtete Unterlassungsantrag eher Erfolg haben, wenn die Selbsthilfe auch bei überwachsenden Zweigen ausgeschlossen ist.

Im Gegensatz zum Landgericht und zum OLG Düsseldorf hält der Senat wegen der völlig gleich liegenden Interessenlage das Selbsthilferecht benachbarter Sondernutzungsberechtigter analog § 910 BGB für gegeben und einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch für ausgeschlossen, weil damit die vom Gesetzgeber aus guten Gründen gewollte Umkehrung der Parteirollen im Prozess wieder zunichte gemacht würde. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf veranlasst eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 FGG nicht, weil zwar im Leitsatz die Nichtanwendbarkeit des § 910 BGB im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer dekretiert wird, der dortige Sachverhalt aber mit dem vorliegenden im entscheidenden Punkt nicht vergleichbar ist. Von Sondernutzungsrechten ist in dem dortigen Fall nicht die Rede. Es ging vielmehr um benachbarte Terrassen, die das OLG Düsseldorf als Sondereigentum qualifiziert. Dies würde die Vergleichbarkeit mit ausschließlichen bloßen Nutzungsrechten vielleicht noch nicht ausschließen. Der rechtliche Unterschied besteht aber darin, dass es um Pflanzenkübel ging, die mit Edeltannen bestückt waren, die von dem Terrassennachbarn eigenmächtig beschnitten wurden. Die Pflanzenkübel stellen zweifellos bewegliches Vermögen dar, auf das § 910 BGB ("Eigentümer eines Grundstücks") überhaupt nicht anwendbar ist. Bei beweglichen Sachen setzt die Selbsthilfe nach § 229 BGB voraus, dass obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und unmittelbar eine Gefahr droht, wobei übrigens nach § 231 BGB auch bei irrtümlicher Selbsthilfe eine schuldunabhängige Schadensersatzpflicht besteht. Die inzwischen ergangene und in der Kommentarliteratur in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des BayObLG ZMR 2004, 841 befasst sich nicht mit dem Überwuchs, sodern mit der Verwilderung einer ganzen Sondernutzungsfläche, die im Wege der Ersatzvornahme ausgelichtet wurde, wobei freilich nicht ganz klar wird, weshalb aus einer positiven Forderungsverletzung nicht durch Verzug mit der Naturalherstellung auch auf Geld gerichtete Schadensersatzansprüche werden können.

Der Entscheidung BayObLG ZMR 2004, 841, die mangels Überwuchses keine Veranlassung hatte, auf § 910 BGB einzugehen, ist allerdings darin beizupflichten, dass zur Durchsetzung materiellrechtlicher Ansprüche regelmäßig der Rechtsweg zu beschreiten ist und das Recht zur Selbsthilfe (wie etwa in §§ 229, 910 BGB, vgl. aber auch die gesetzlich zulässigen Ersatzvornahmen) ausdrücklich normiert sein muss. Auch wenn OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 81 = ZMR 2001, 910 Mobiliarvermögen betraf und dennoch § 910 BGB (negativ) erörtert wurde, ist auf die dort erwähnten angeblich gegen das Selbsthilferecht sprechenden Argumente einzugehen. Die Unterscheidung, dass nach § 903 BGB der Eigentümer andere von "jeder Einwirkung ausschließen", nach § 13 WEG der Wohnungseigentümer (nur) "andere von Einwirkungen ausschließen" kann, überzeugt nicht, weil dieses Argument mit angeblichen Quantitäten arbeitet, es hier aber um Qualitäten geht, wenn das Sondernutzungsrecht gerade ausschließliche Nutzungsrechte gewährt und insoweit ebenso wie das Eigentum negatorisch wirkt, wie auch die Anwendung des § 1004 BGB im Rahmen von § 15 Abs. 3 WEG zeigt. Die Abgrenzungen in § 14 Nr. 1 und Nr. 3 WEG enthalten sicher eine allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, beantworten aber nicht in Konfliktfällen die Frage nach dem Vorrang vereinbarter Ausschließlichkeitsrechte. Soweit das "inten-sivierte Nachbarschaftsverhältnis" der Wohnungseigentümer herangezogen wird, erklärt dies nicht, warum die vom Gesetzgeber im Grundstücksnachbarschaftsverhältnis aus guten Gründen aufgestellten Regeln nicht darauf übertragen werden dürfen. Überhaupt bewegt sich die ganze Argumentation auf der materiellrechtlichen Ebene, ob der Rückschnitt überwachsender Zweige verlangt werden kann oder geduldet werden muss. Selbstverständlich kann zur Klärung dieser Ansprüche auch der Rechtsweg (über §§ 15 Abs. 3, 1004 BGB) beschritten werden (BGHZ 60, 235; BGHZ 97, 231; BGH NJW 2004, 603; zur Anwendung des § 1004 BGB auf herüberwachsende Zweige BGHZ 157, 33 = NJW 2004, 1037; BGH NZM 2005, 318). Fraglich ist nur, ob ausnahmsweise das Selbsthilferecht der Grundstücksnachbarn wegen der völlig identischen Interessenlage auf benachbarte Gartenflächen-Sondernutzungsberechtigte übertragen werden kann. Das Bestehen einer wie immer gearteten (engeren oder ferneren) "Gemeinschaft" unter den "Nach-barn" ist rechtlich unerheblich, solange das Gemeinschaftsverhältnis nicht für diesen spezifischen Fall eine Sonderregelung trifft. Im vorliegenden Verfahren ist in einer reihenhausähnlichen Anlage die Sondernutzung an den den Terrassen vorgelagerten Flächen mit dem Recht zur gärtnerischen Gestaltung und sogar zur Zaunziehung (unter dem Vorbehalt der Einheitlichkeit) bestimmt. Äußerlich ist ein Unterschied zu einer echten Reihenhausanlage mit getrennten Grundstücksflächen nicht oder kaum zu erkennen.

Die gesetzliche Regelung für Grundstücksnachbarn in § 910 BGB bestimmt offenkundig auch zur Schonung der Ressourcen der Justiz in einem keineswegs seltenen typischen Bagatellfall (vgl. MüKomm-Säcker BGB § 910 Rn. 8 unter Hinweis auf Prot.III S. 142) die Abkehr von der sonst statuierten verbotenen Eigenmacht (§§ 858 ff. BGB), indem es nach Fristsetzung die Selbsthilfe des beeinträchtigten Nachbarn gestattet. Auch dieses Recht besteht nicht uneingeschränkt. Denn nach § 910 Abs. 2 BGB ist das Selbsthilferecht nicht gegeben, wenn die überwachsenden Zweige die Benutzung des Nachbargrundstücks nicht beeinträchtigen. Der auf dem Rechtsweg auszutragende Streit über das Ausmaß der Beeinträchtigung wird also nicht ausgeschlossen. Durch das Selbsthilferecht wird auch die gerichtliche Geltendmachung des Störungsbeseitigungsanspruches nach § 1004 BGB nicht untersagt (BGH NJW 2004, 603). Der beeinträchtigte Eigentümer hat aber wahlweise auch das Selbsthilferecht. Bei einem Streit über das Ausmaß der Beeinträchtigung ordnet das Gesetz eine Umkehr der Parteirollen im Prozess an. Der Nachbar, der eine Fristsetzung hat verstreichen lassen, muss seinerseits tätig werden und ein gerichtliches Verfahren einleiten, wobei er nach der Fassung des § 910 Abs. 2 BGB auch die Beweislast dafür hat, dass die Beeinträchtigung unerheblich war (MüKomm-Säcker a.a.O. Rn.7). Da es sich um typische Bagatellfälle handelt, wird der Nachbar sich überlegen, ob er deshalb, weil der Nachbar auf seiner Seite überhängende Zweige gestutzt hat, das Prozessrisko mit Kosten und Beweislast eingeht.

Der Senat sieht kein Hindernis, § 910 BGB mit der Umkehr der Parteirollen auch bei Wohnungseigentümern anzuwenden, die über benachbarte Sondernutzungsflächen mit der Möglichkeit der Zaunziehung und Grenzbepflanzung verfügen und dem naturgemäß ständigen Konflikt ausgesetzt sind, dass Sträucher über die Sondernutzungs-Grenze wachsen. Aus dem Gemeinschaftsverhältnis und insbesondere dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ist zwar materiellrechtlich abzuleiten, welche Beeinträchtigungen hinzunehmen sind und welche nicht. Wie der Konfliktfall aber verfahrensrechtlich - Störungsbeseitigungsanspruch oder Selbsthilferecht - zu lösen ist, ergibt sich aus diesen Regelungen nicht. Die Gründe, die im Grundstücksnachbarrecht für die Selbsthilferegelung des § 910 BGB sprechen, sind gleichermaßen bei bepflanzten Grenzen zwischen Sondernutzungsrechten gegeben. Das illustriert der vorliegende Fall in besonderer Weise. Die Beteiligten streiten nicht einmal um die Pflicht zum Rückschnitt eines erheblichen Überwuchses, sondern über den Zeitpunkt des angemessenen Rückschnitts. Der Antragsteller möchte die überwachsenden Zweige möglichst lang werden lassen und sie erst nach Abschluss der Vegetationsperiode im November abschneiden. Die Antragsgegner fühlen sich gerade während der Vegetationsperiode auf ihrer schmalen Sondernutzungsfläche belästigt und wollen den Überwuchs bis zu dreimal in dieser Zeit zurückstutzen. Wären die Antragsgegner mit OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 81 auf den Rechtsweg beschränkt, müssten sie notfalls dreimal pro Jahr wegen des Rückschnitts das WEG-Gericht anrufen. Wegen der Dauer des Verfahrens wäre der Rückschnitt inzwischen erfolgt und das Verfahren in der Hauptsache erledigt, ohne dass die Belästigung in der Vegetationsperiode erfolgreich abgewehrt werden dürfte. Bei Anwendung des § 910 BGB können die Antragsgegner hingegen den Rückschnitt nach erfolgloser Fristsetzung vornehmen, während der Antragsteller ein gerichtliches Verfahren einleiten müsste, wenn er die Beeinträchtigung der Antragsgegner bestreitet, die den Rückschnitt immerhin nur auf ihrer Seite und Fläche vorgenommen haben.

Im Ergebnis rechtlich einwandfrei hat das Landgericht es abgelehnt, einen Unterlassungsanspruch des Antragstellers auf eigenmächtigen Rückschnitt gegen die Antragsgegner zu gewähren. Wenn im Rahmen analoger Anwendung des § 910 BGB ein Selbsthilferecht der Antragsgegner besteht, kann der Antragsteller weder generell noch etwa mit der Begründung fehlender Beeinträchtigung der Antragsgegner einen Unterlassungsanspruch mit Ordnungsmittelandrohung titulieren lassen. Denn damit würde die von § 910 BGB in diesem typischen Bagatellfall angeordnete und gewollte Umkehr der Parteirollen durch einen gerichtlichen Titel wieder rückgängig gemacht werden. Die Antragsgegner müssten bis zu dreimal während der Vegetationsperiode das Gericht anrufen, was vermutlich wegen des Zeitablaufes zu einer Hauptsachenerledigung führen würde, ohne dass die Antragsgegner die Beeinträchigung auf den schmalen Sondernutzungsflächen jemals faktisch abwenden könnten. Der zu titulierende Unterlassungsanspruch kann auch nicht auf die Fälle des § 910 Abs. 2 BGB eingeschränkt werden, weil der Ausschluss des Selbsthilferechts im Einzelfall erst vom Gericht zu prüfen ist und dies auch nicht dem Vollstreckungsverfahren zu überlassen ist.

Mit dem Wegfall eines titulierbaren Unterlassungsanspruches gegen die Antragsgegner entfällt aber nicht auch ein möglicher Schadensersatzanspruch des Antragstellers, wenn die Antragsgegner im Verlauf des Sommers 2001 das Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 BGB überschritten haben sollten. Nach der Regelung des § 910 Abs. 2 BGB liegt die Feststellungslast für die fehlende Beeeinträchtigung bei dem Antragsteller. Dieser behauptet einen Überwuchs von nur 10 bis 20 cm, während die Antragsgegner von 50 bis 70 cm sprechen und dies mit Fotos belegt haben. Hierzu fehlen bisher Feststellungen des Landgerichts. Aus dem Akteninhalt ergibt sich streitiges Vorbringen der Beteiligten. Da dem Senat als Rechtsbschwerdegericht Beweiserhebungen versagt sind, ist die Sache wegen des Schadensersatzanspruches an das Landgericht zurückzuverweisen.

Da bisher nur über den Unterlassungsanspruch in dritter Instanz zu befinden war, kann bereits ausgesprochen werden, dass die Gerichtskosten dritter Instanz dem Antragsteller wegen der Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels aufzuerlegen sind (§ 47 Satz 1 WEG). Dagegen besteht kein hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Den Geschäftswert dritter Instanz hat der Senat nur nach dem Unterlassungsanspruch bemessen, allerdings etwas höher, als vom Landgericht veranschlagt. Über den Schadensersatzanspruch konnte noch keine Entscheidung in der Sache ergehen. Infolge der Nichtbehandlung in zweiter Instanz erschien eine Einbeziehung in den Geschäftswert dritter Instanz nicht angebracht. Damit entfällt auch für das Landgericht die Veranlassung, wegen dieses Teils des Verfahrensgegenstandes noch eine Kostenentscheidung für die dritte Instanz zu treffen.

Ende der Entscheidung

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