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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.12.2004
Aktenzeichen: 24 W 298/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 III
WEG § 43 I Nr. 1
Die Zuständigkeit der WEG-Gerichte ist auch dann gegeben, wenn Wohnungseigentümer gegen einen Wohnungseigentümer vorgehen, der Mieter eines anderen Wohnungseigentümers ist und auf Unterlassung des ordnungswidrigen Gebrauchs der Mietsache in Anspruch genommen wird
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 298/03

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend Wohnanlage Wnnnnn Snnn nn 1nn Bnnn,

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 05. September 2003 - 85 T 93/03 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 13. Dezember 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 4.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten bilden die Eigentümergemeinschaft der im Rubrum bezeichneten Wohnanlage.

Die Antragsteller sind Eigentümer der Wohnung Nr. 5, die sie im Jahre 1988 gekauft haben, der Antragsgegner ist Eigentümer der Wohnung Nr. 3 und darüber hinaus gemäß Mietvertrag zunächst vom 21. September 1988 und dann ab 1999 Mieter des Teileigentümers der Einheit Nr. 1 im Erdgeschoss der Wohnanlage. In der Teilungserklärung vom 21. Mai 1979 wird die Teileigentumseinheit beschrieben als 15,460/100 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen - Teileigentum - im Erdgeschoss mit einer Größe von 111,74 qm, sowie Lagerraum im Keller Nr. 1. Sondernutzungsrechte werden in § 11 der Gemeinschaftsordnung behandelt, betreffen jedoch den vorliegenden Sachverhalt nicht. In dem Mietvertrag des Antragsgegners mit dem Teileigentümer heißt u.a.:

"Die Parteien sind sich darüber einig, dass die vermietete Fläche 111,74 qm beträgt. Vom Mieter dürfen mitgenutzt werden: ein Lagerraum (22,2 qm) und Pkw-Abstellplätze im hinteren Bereich des Grundstücks und der Vorgarten, hier sind behördliche Genehmigungen zu beachten. Es wird keine Haftung für den etwaigen Entzug der behördlichen Genehmigungen übernommen. Die Genehmigung für die Nutzung des Vorgartens wurde vom Mieter betrieben und steht allein in dessen Verantwortungsbereich. ...."

In einem Schreiben vom 11. August 1987, schrieb ein Notar alle Miteigentümer an, sie mögen einer Änderung der Teilungserklärung dahin gehend zustimmen, dass ein Sondernutzungsrecht zugunsten des Teileigentums Nr. 1 an dem davor liegenden Vorgarten insbesondere für Zwecke der zurzeit im Erdgeschoss betriebenen Gastwirtschaft als Biergarten oder für ähnliche Zwecke eingeräumt werden solle; diese Pläne wurden jedoch nicht verwirklicht.

Unter dem 24. Juni 1996 schrieb die Verwaltung an den Antragsgegner, dass er in den Vorjahren für die Nutzung einen Betrag von 800,00 DM gezahlt habe und dieser Betrag eine Kaution für den Fall darstelle, dass der Vorgarten nicht im guten Zustand wieder zurückgegeben werde und keineswegs mit dem Wohngeld verrechnet werden dürfe. Im Zuge seines Gewerbebetriebes hat der Antragsgegner seit 1989 die Grünfläche vor dem Restaurant mit Teppichrasen ausgekleidet und dort einige Stühle und Tische aufgestellt. Nachdem am 07. Juni 1989 zunächst eine Unterlassungsverfügung des Bezirksamts ergangen war, wurde mit Schreiben des Bezirksamts vom 28. März 1991 die Betriebserlaubnis auf den Vorgarten ausgedehnt.

Zwischenzeitlich hat der Antragsgegner in dem Vorgarten der Wohnanlage auch Lichterketten installiert und Schirme aufgestellt sowie einen Zigarettenautomaten installiert, der fest im Boden des Vorgartens verankert worden ist. Am 03. März 1994 wurde in einer Besprechung von Mietern und Eigentümern mit dem Antragsgegner eine Klärung darüber herbeigeführt, wie in Zukunft der Antragsgegner rücksichtsvoll den Vorgarten nutzen sollte. In der Eigentümerversammlung vom 04. April 2002 wurde zu TOP 8 ein einstimmiger Beschluss über die Aufrechterhaltung der Gartennutzung als nicht zustande gekommen festgestellt.

Die Antragsteller verlangen mit dem vorliegenden Verfahren von dem Antragsgegner die Unterlassung der Vorgartennutzung, die Beseitigung der Einrichtungen und der Lichterkette sowie die Entfernung des Zigarettenautomaten in dem Vorgarten. Sie haben den Vorgartenbetrieb des Antragsgegners seit 1990 beanstandet und gehören nicht zu den Bewohnern und Eigentümern, die im Laufe der Zeit schriftlich ihr Einverständnis mit der Vorgartennutzung durch den Antragsgegner abgegeben haben. Sie tragen zur Begründung Ihres Antrags vor, dass die Vorgartenfläche nicht mitvermietet worden sei und dass sie in der Nutzung ihrer Wohnung erheblich beeinträchtigt seien durch den Lärm und die Lichteinflüsse, die aus der Vorgartennutzung durch den Antragsgegner resultierten.

Das Amtsgericht hat trotz der Rüge des Antragsgegners keine Vorabentscheidung über die Zuständigkeit der WEG-Gerichte getroffen, sondern den Hauptantrag als unzulässig verworfen, weil der Antragsgegner vor allem als Mieter in Anspruch genommen werde und demgemäß das Wohnungseigentumsgericht nicht zuständig sei. Auf die Erstbeschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Verpflichtung des Antragsgegners ausgesprochen. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners hiergegen bleibt erfolglos.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den das Rechtsmittel mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

1. Da der Antragsgegner bereits in erster Instanz die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts rügt, das Amtsgericht jedoch keine Vorabentscheidung gemäß § 17 a Abs. 2 GVG getroffen hat, kommt § 17 a Abs. 5 WEG nicht in Betracht, vielmehr ist auch in dritter Instanz noch die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts zu prüfen (BayObLG NJW-RR 2000,1540 = ZMR 2000, 623). Zutreffend hat das Landgericht die Zuständigkeit der WEG-Gerichte bejaht. Deren Zuständigkeit ist auch dann gegeben, wenn Wohnungseigentümer gegen einen Wohnungs- oder Teileigentümer vorgehen, der Mieter eines anderen Wohnungs- oder Teileigentümers ist und auf Unterlassung des ordnungswidrigen Gebrauchs der Mietsache in Anspruch genommen wird. In ständiger Rechtsprechung (BGH NJW 1996, 714 = ZMR 1996, 147; OLG München ZMR 1992, 307; OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 146; KG ZMR 2002, 458 = NZM 2002, 221) wird angenommen, dass Wohnungseigentümer unmittelbar gegen den störenden Mieter eines anderen Wohnungseigentümers Abwehransprüche aus § 1004 WEG haben, soweit dieser eine Nutzung verfolgt, die über die Gemeinschaftsordnung hinausgeht. Die Begründung liegt darin, dass der Mieter gegenüber den anderen Wohnungseigentümern nicht mehr Rechte aus seinem Mietvertrag haben kann, als sie dem vermietenden Wohnungs- oder Teileigentümer zustehen. Bei dieser Konstellation reicht es für die Zuständigkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG aus, wenn sich das Verfahren gegen einen anderen Wohnungseigentümer der Wohnanlage richtet, auch wenn dieser selbst nicht der vermietende Wohnungs- oder Teileigentümer ist. Zum einen ist dieser Antragsgegner Mitglied der Eigentümergemeinschaft und als solcher selbst unmittelbar an die Gemeinschaftsordnung gebunden. Zum anderen spricht für die gerichtliche Zuständigkeit, dass es auch im Verhältnis der übrigen Wohnungseigentümer zu dem Mieter um die Grenzen der Nutzungsmöglichkeit gemäß der Gemeinschaftsordnung geht und dass der vermietende Wohnungs- oder Teileigentümer gemäß § 43 Abs. 4 WEG in das Verfahren einzubeziehen ist bzw. ihm - wie hier - der Streit verkündet werden und er sich auf der einen oder anderen Seite durch Beitritt an dem Verfahren beteiligen kann. Zumindest mittelbar sind seine Rechte und Pflichten auch betroffen, weil gegebenenfalls die aus dem Mietvertrag resultierenden Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt werden und er gegenüber dem Mieter schadensersatzpflichtig sein kann (BGH NJW 1996, 714).

2. Ohne Rechtsirrtum bejaht das Landgericht einen Individualanspruch (BayObLGZ 2004, 1 = ZMR 2004, 445) der Antragsteller gegen den Antragsgegner gemäß § 1004 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG. Sie können von dem Antragsgegner das Unterlassen einer übermäßigen Nutzung von Gemeinschaftseigentum und das Rückgängigmachen von Umbauten und Einrichtungen verlangen.

Rechtlich einwandfrei verneint das Landgericht ein Sondernutzungsrecht an der Vorgartenfläche. Ein solches ist weder in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen noch später durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer begründet worden.

Nach seinen verfahrensfehlerfreien Feststellungen hat das Landgericht auch das Zustandkommen eines Mietvertrages zwischen dem Antragsgegner und der Wohnungseigentümergemeinschaft verneint. Der Antragsgegner leitet sein Nutzungsrecht betreffend den Vorgarten aus dem mit dem Teileigentümer geschlossenen Mietvertrag ab, dem aber im Verhältnis des Antragsgegners zu den übrigen Wohnungseigentümern die Gemeinschaftsordnung vorgeht. Das Einbehalten einer Kaution von 800,00 DM für die ordnungsgemäße Rückgabe der faktisch genutzten Vorgartenfläche vermag für sich kein dauerhaftes Nutzungsrecht zu begründen. Selbst nach dem Mietvertrag mit dem Eigentümer der Einheit Nr. 1 ist durchaus zweifelhaft, ob der Vorgarten überhaupt mitvermietet ist. Soweit der Antragsgegner sich auf Gespräche mit den Wohnungseigentümern vom 03. März 1994 und 15. April 1999 bezieht, zeigen diese Besprechungen nur, dass die Angelegenheit viele Jahre kontrovers war. Der Abschluss eines Nutzungsvertrages mit dem Antragsgegner lässt sich daraus nicht entnehmen. Auch soweit der Antragsgegner als Gegenleistung für die Nutzung die Garten- und Heckenpflege unentgeltlich übernommen hat, ergibt sich daraus keine Bindung der Eigentümergemeinschaft in dem Sinne, dass sie ihm die Vorgartennutzung weiterhin überlassen müsste. Mit der Ablehnung des Eigentümerbeschlusses über die Aufrechterhaltung der Gartennutzung am 04. April 2002 zu TOP 8 hat die Eigentümergemeinschaft auch deutlich gemacht, dass sie die weitere Nutzung des Vorgartens durch den Antragsgegner nicht gestattet.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht weiter ausgeführt, dass die Antragsteller vom Antragsgegner den Rückbau baulicher Veränderungen fordern können, für die es weder einen einstimmigen Beschluss der Gemeinschaft noch einen Mehrheitsbeschluss gibt. Die Installationen auf der Vorgartenfläche sind nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts als eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG anzusehen, die eine erhebliche optische Veränderung der Gesamtanlage bewirken und die Antragsteller in erheblichem Maße beeinträchtigen. Dies gilt auch für die inzwischen installierten Lichterketten und den im Vorgarten verlegten Kunstrasen sowie den Zigarettenautomaten.

Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht eine Verwirkung der Ansprüche der Antragsteller verneint hat. Die Antragsteller haben unbestritten vorgetragen, sie hätten bei jeder Eigentümerversammlung gegen die Vorgartennutzung interverniert. Selbst wenn dies eine geraume Zeitlang unterblieben und damit das sogenannte Zeitmoment als erfüllt gelten sollte, ist zumindest das ebenfalls erforderliche sogenannte Umstandsmoment nicht gegeben. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts hat der Antragsgegner zu keiner Zeit den Umständen entnehmen können, die Antragsteller würden auf die Geltendmachung ihrer Rechte verzichten.

Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsgegner die Gerichtskosten dritter Instanz trägt (§ 47 Satz 1 WEG). Dagegen besteht kein hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten dritter Instanz anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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