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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.02.2005
Aktenzeichen: 25 U 169/03
Rechtsgebiete: MauerG, GG


Vorschriften:

MauerG § 2
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Die in § 2 MauerG vorgesehene Berechtigung des Erwerbs ehemaliger Mauer- und Grenzgrundstücke zu 25% des Verkehrswerts verstößt weder gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) noch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Bundesgesetzgeber war trotz der Inanspruchnahme der Mauergrundstücke durch die DDR-Behörden für offenkundig rechtsstaatswidrige Zwecke verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine gesetzliche Grundlage für die kostenfreie Restitution dieser Grundstücke zu schaffen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 25 U 169/03

verkündet am: 11.02.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Böhrenz, die Richterin am Kammergericht Diekmann und den Richter am Kammergericht Helmers auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 28. August 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Ergänzend ist anzumerken, dass die Rechtsvorgängerin der Kläger, Frau Hnn Hnnnn , zum Zeitpunkt der Enteignung des streitgegenständlichen Grundstücks in Hnnn wohnhaft war. Der Inanspruchnahmebescheid vom 25.9.1968 wurde ihr zu keinem Zeitpunkt zugestellt, eine Entschädigung wurde nicht festgesetzt.

Die Kläger rügen mit der Berufung, dass die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung beruhe und die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Soweit das Landgericht die Klageabweisung darauf gestützt habe, dass die Kläger den Bescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 19.9.1997 nicht angegriffen hätten, sei die Rechtsprechung zu § 44 VwVfg verkannt worden. Das Landgericht habe sich nicht mit dem tragenden Begründungsansatz befasst, dass bei Außerachtlassung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze ein Verwaltungsakt nichtig sei. Eine Bindung der Gerichte an die Entscheidung der Oberfinanzdirektion Berlin bestehe ebenfalls nicht; eine solche Bindung würde gegen das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. III GG) als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips verstoßen. Die Kondiktion des Kaufpreises sei auch nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Die hierfür erforderliche positive Kenntnis der Kläger hinsichtlich der fehlenden Verpflichtung zur Leistung des Kaufpreises liege nicht vor.

Im Übrigen wiederholen die Kläger in der Berufungsinstanz ihre bereits erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung, dass die Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Grundstücks seitens der DDR-Behörden zum Zwecke des Mauerbaus niemals zu einem Eigentumsverlust zu Lasten ihrer Rechtsvorgänger geführt habe. Der alleinigen Zielrichtung beim Zugriff auf das Grundstück zur Sicherung des Mauerbaus hafte der Makel eines schlechthin untragbaren Ergebnisses an, der letztlich an den Eigentumsverhältnissen von Anfang an nichts geändert habe. Die Inanspruchnahme des Eigentums habe einen sittenwidrigen Zweck im Sinne von § 138 BGB verfolgt. Die Grenzanlagen hätten nicht der Grenzsicherung im Sinne des DDR-Verteidigungsgesetzes gedient, sondern allein dem Zweck, die Bevölkerung am Verlassen der DDR, notfalls unter Schusswaffengebrauch, zu hindern. Die Anwendung des Mauergrundstücksgesetzes (im Folgenden: MauerG) sei Kennzeichen einer Überschreitung des institutionellen Rechtsmissbrauchs, sie stelle einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dar. Der Grundstückskaufvertrag vom 16.12.1997 sei daher nichtig mit der Folge, dass den Klägern ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zustünde.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 76.758,97 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31.10.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass es an den Inhalt des bestandskräftigen Bescheides der Oberfinanzdirektion Berlin vom 19.9.1997 in Bezug auf die Vorfrage "Rückerwerb zu den im Kaufvertrag bewilligten Bedingungen" gebunden sei. Die Kläger könnten sich im Übrigen auch nicht darauf berufen, dass nach den Vorgaben des MauerG ein "schlechthin untragbares Ergebnis" verwirklicht würde. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass die Verpflichtung des Gesetzgebers zu einem gerechten und ausgewogenen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten verletzt worden sei. Das MauerG würde einen angemessenen Interessenausgleich beinhalten, welcher für die von Enteignungen von Mauergrundstücken Betroffenen eine wirtschaftlich günstigere Lösung darstelle als für andere Enteigungsbetroffene.

II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig.

Soweit die Beklagte Zweifel äußert, ob die Berufungsbegründung den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 520 ZPO genüge, sind diese nicht gerechtfertigt. Die Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO), sind in der Berufungsbegründung hinreichend bezeichnet.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass den Klägern gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zusteht.

Zwar hat die Beklagte durch Leistung der Kläger "etwas", nämlich den Kaufpreis in Höhe von 76.758,97 €, erlangt. Die Leistung ist aber nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt. Der Rechtsgrund für die vorgenommene Kaufpreiszahlung ist der zwischen den Parteien wirksam geschlossene Grundstückskaufvertrag vom 16.12.1997.

1) Allerdings scheitert die Klage nicht bereits daran, dass die Kläger grundsätzlich mit Einwendungen gegen den Kaufvertrag vom 16.12.1997 ausgeschlossen wären. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die Gerichte insbesondere nicht an den Bescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 19.9.1997 in Bezug auf die Vorfrage "Rückerwerb zu den im Kaufvertrag bewilligten Bedingungen" gebunden.

Die Argumentation der Beklagten geht dahin, dass die Kläger im Ergebnis die Gewährung der Eigentumsrechte an dem streitgegenständlichen Grundstück ohne Erbringung einer Gegenleistung begehren würden. Diesen Anspruch hätten die Kläger bereits im Verfahren nach dem Vermögensgesetz (VermG) geltend gemacht und der Anspruch sei dort mit bestandskräftigem Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen Köpenick-Treptow (AROV III) vom 21.8.1996 abgelehnt worden. Weiterhin sei mit dem Bescheid der Oberfinanzdirektion vom 19.9.1997 bestandskräftig entschieden, dass den Klägern eine Rückerwerbsmöglichkeit (nur) nach Maßgabe der Bestimmungen des MauerG gegen Zahlung der darin vorgesehenen Gegenleistung zustehe. Da auch eine auf das kontradiktorische Gegenteil einer in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung gerichtete Klage unzulässig sei, seien die Kläger nun nicht mehr berechtigt, den kostenfreien Eigentumserwerb an dem Grundstück geltend zu machen.

Dieser Ansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die vorgenannten Bescheide, die Verwaltungsakte darstellen, führen vorliegend nicht zu einer Bindung der Zivilgerichte. Eine Bindungswirkung ergibt sich weder aus Gründen der materiellen Bestandskraft noch aus der Tatbestandswirkung der Verwaltungsakte. Aus der materiellen Bestandskraft eines Verwaltungsaktes folgt, dass Behörde und Beteiligte grundsätzlich an die im Verwaltungsakt getroffene Regelung gebunden sind. Die Bindung bezieht sich allerdings nur auf den Entscheidungssatz, nicht auf wesentliche Gründe der Entscheidung, auf Vorfragen und auf präjudizielle Rechtsverhältnisse (BGH, MDR 2004, 766, 767; Kopp, VwVfG, 8. Aufl., § 43 Rn. 32).

Die bereits mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes, nicht erst mit dessen Unanfechtbarkeit, eintretende Tatbestandswirkung bedeutet, dass außer der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, sowie den Verfahrensbeteiligten auch alle anderen Behörden sowie grundsätzlich auch alle Gerichte die Tatsache, dass der Verwaltungsakt erlassen wurde und rechtlich existent ist, als maßgeblich akzeptieren müssen. Sie sind nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung auch weiteren Entscheidungen zugrunde zu legen (vgl. Kopp, a.a.O., Rn. 18 f.). So bindet beispielsweise die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über das Vorliegen eines Dienstunfalls auch die Gerichte, die über Schadensersatzansprüche aus Anlass des Unfalls zu entscheiden haben (BGH NJW 1993, 1790). Eine Bindung hat der Bundesgerichtshof ferner hinsichtlich rechtsgestaltend wirkender Auflagen in behördlichen Genehmigungsbescheiden bejaht (BGH NJW 1993, 1580, 1581).

Durch den Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen Köpenick-Treptow (AROV III) vom 21.8.1996 wurde der Antrag der Kläger auf Rückübertragung der Eigentumsrechte an dem streitgegenständlichen Grundstück abgelehnt. Die Entscheidung erging auf der Rechtsgrundlage des Vermögensgesetzes und verneinte einen Restitutionsanspruch, weil das Grundstück nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen sei und die damaligen Antragsteller und jetzigen Kläger somit nicht Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes seien. Der Bescheid hat demnach keine Feststellungen zu Ansprüchen getroffen, die durch das Vermögensgesetz nicht erfasst werden. Die Kläger stützen im hiesigen Zivilprozess ihre Klage darauf, dass ihre Rechtsvorgänger auf Grund der Nichtigkeit der Enteignung durch die DDR-Behörden das Eigentum am streitgegenständlichen Grundstücks nicht verloren hätten bzw. der Grundstückskaufvertrag vom 16.12.1997 sittenwidrig und damit nichtig sei. Hieran sind sie durch den Bescheid des AROV III vom 21.8.1996 nicht gehindert.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts führt auch der Bescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 19.9.1997 nicht zu einer Bindung der Gerichte. Die Oberfinanzdirektion hatte über einen Antrag der Kläger auf käuflichen Rückerwerb des streitgegenständlichen Grundstücks nach dem MauerG zu entscheiden. Die Behörde stellte in dem Bescheid lediglich das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für die Erwerbsberechtigung nach den §§ 1, 2 und 4 MauerG fest, ohne dass sie sich mit einem Anspruch der Kläger auf unentgeltlichen Rückerwerb des Grundstücks, der nach den Regelungen des MauerG ohnehin nicht in Betracht kam, hätte auseinandersetzen müssen. Über die Berechtigung eines unentgeltlichen Rückerwerbs wurde in dem Verwaltungsverfahren nicht entschieden. Die Zivilgerichte waren aufgrund des Bescheides nur an die Feststellung gebunden, dass ein Anspruch der Kläger auf einen käuflichen Rückerwerb unter den im Bescheid genannten Bedingungen bestand. Die Bewilligung eines begünstigten käuflichen Rückerwerbs schließt aber eine auf andere Rechtsgrundlagen gestützte Klage, mit der im Ergebnis ein unentgeltlicher Eigentumserwerb verfolgt wird, nicht aus. Es handelt sich insbesondere nicht um eine auf das kontradiktorische Gegenteil des Entscheidungssatzes gerichtete Klage.

Schließlich führt auch der Umstand, dass die Kläger nicht vor Abschluss des Grundstückskaufvertrages eine Klage auf Eigentumsherausgabe (§ 985 BGB) bzw. auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) erhoben haben, nicht dazu, dass sie sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr auf die Unwirksamkeit des Kaufvertrages berufen dürften. Ein solches Unterlassen könnte den Klägern nur dann angelastet werden, wenn eine rechtliche Verpflichtung zu einer entsprechenden Rechtsverfolgung bestand, was nicht der Fall war. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann nicht angenommen werden, dass die Kläger mit dem vorbehaltslosen Abschluss des Grundstückskaufvertrages auf etwaige Rechte auf kostenfreie Rückführung des Eigentums verzichtet hätten.

Angesichts der bestehenden Antragsfrist nach § 4 MauerG ist es durchaus nachvollziehbar, dass sie sich zunächst die Möglichkeit des käuflichen Rückerwerbs des streitgegenständlichen Grundstücks sicherten.

2) Entgegen der Ansicht der Kläger ist der Grundstückskaufvertrag vom 16.12.1997 nicht gemäß den §§ 134, 138, 242 BGB, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung der Drittwirkung von Grundrechten nichtig.

Richtig ist, dass der Kaufvertrag vom 16.12.1997 an den vorangegangenen Bewilligungsbescheid der Oberfinanzdirektion Berlin anknüpfte und dem Vollzug des Mauergrundstücksgesetzes vom 15.7.1996 diente. Entgegen der Ansicht der Kläger verstößt der Vertrag jedoch weder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) noch ist er sittenwidrig (§ 138 BGB) noch führt die Vollziehung des Vertrages zu einer Rechtsfolge, die zu einem mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbaren, schlechthin untragbaren Ergebnis führt.

Die Grundrechtsartikel des GG wirken über die Generalklauseln, insbesondere auch über die §§ 138, 242 BGB in das Privatrecht ein. Sie sind zwar grundsätzlich keine Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB (Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 134 Rn. 4), die öffentliche Hand ist aber auch dann unmittelbar an die Grundrechte gebunden, wenn sie öffentliche Aufgaben in privatrechtlichen Rechtsformen wahrnimmt (BGH NJW 2003, 1658 m.w.N.), so dass Grundrechtsverstöße der öffentlichen Hand zur Anwendbarkeit des § 134 BGB führen können.

Bei der Frage, ob der zwischen den Parteien geschlossene Grundstückskaufvertrag gegen die guten Sitten verstößt, kommt es im vorliegenden Fall maßgeblich auf die Bewertung der verfassungsrechtlichen Implikationen an. Im Kern geht es darum, ob die mit dem Kaufvertrag vom 16.12.1997 vorgenommene Vollziehung des Mauergrundstücksgesetzes, also der käufliche Erwerb des Grundstücks zu einem Preis in Höhe von 25 % des Verkehrswertes, gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) bzw. gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt oder anders ausgedrückt, ob der Gesetzgeber auf Grund der Inanspruchnahme der Mauergrundstücke durch die DDR-Behörden für offenkundig rechtsstaatswidrige Zwecke verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen wäre, eine gesetzliche Grundlage für die kostenfreie Restitution dieser Grundstücke zu schaffen. Auf nichts anderes läuft letztlich auch die Argumentation der Kläger hinaus, die Vollziehung des Kaufvertrages beinhalte eine Rechtsfolge, die zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren, schlechthin untragbaren Ergebnis führe und sei Kennzeichen einer Überschreitung der Grenzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs. Hier ist die Treuwidrigkeit durch unzulässige Rechtsausübung in der Form des institutionellen Rechtsmissbrauchs angesprochen. Bei ihm geht es darum, dass die sich aus einem Rechtsinstitut oder aus einer Rechtsnorm (scheinbar) ergebenden Rechtsfolgen unter Umständen zurücktreten müssen, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren, schlechthin untragbaren Ergebnis führen (BGHZ 29, 10; 48, 398 zur unzulässigen Berufung auf die Formnichtigkeit eines Vertrages; vgl. auch Palandt, a.a.O., § 242 Rn. 40).

Der Senat vermag der Argumentation der Kläger insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht beizupflichten. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Beschluss vom 9.12.1997 (NJW 1998, 1697) und nachfolgend im Nichtannahmebeschluss vom 31.3.1998 (NJW 1999, 3326) mit verfassungsrechtlichen Fragen in Bezug auf in der DDR durchgeführte Enteignungen auseinandergesetzt und hierzu wesentliche Grundsätze aufgestellt. Danach gewährt die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dem in der DDR enteigneten früheren Eigentümer keinen Rückerwerbsanspruch, wenn der Zweck der Enteignung nicht verwirklicht wurde. Dies gelte auch dann, wenn das Vorhaben, für das enteignet worden sei, erst nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland endgültig aufgegeben worden sei. Ein verfassungsunmittelbarer Rückübereignungsanspruch komme nur in Betracht, wenn bereits die Enteignung im Zeitpunkt ihrer Vornahme den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG unterlegen habe. Dagegen lasse er sich nicht auch für solche Fälle begründen, in denen vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes oder außerhalb seines räumlichen Geltungsbereichs eine dem Grundgesetz nicht verpflichtete Staatsgewalt auf vermögenswerte Rechte zugegriffen habe. Für Enteignungen, die in der DDR durchgeführt worden seien, hätten die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht gegolten, weil sich der Geltungsbereich des Grundgesetzes nicht auf das Gebiet der DDR erstreckt habe. Auch sei der Bundesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet gewesen, für in der DDR vollzogene Enteignungen, deren Zweck nach der Wiedervereinigung aufgegeben worden sei, einen Rückübereignungstatbestand zu schaffen. Eine verfassungsrechtliche Pflicht, Personen, die im Beitrittsgebiet gelebt hätten, nachträglich so zu stellen, als hätten sie unter dem Recht der Bundesrepublik Deutschland gelebt, bestünde nicht.

Auf die vorzitierten Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht auch in seinem Nichtannahmebeschluss vom 3.8.1999 (VIZ 1999, 654) betreffend die Verfassungsbeschwerden gegen das Mauergrundstücksgesetz ausdrücklich Bezug genommen und festgestellt, die hilfsweise erhobene Rüge der Beschwerdeführer, das Mauergrundstücksgesetz verletze wegen des Fehlens von Regelungen über eine Rückenteignung ihre Eigentumsgrundrechte aus Art. 14 GG, sei jedenfalls unbegründet.

Entgegen der Ansicht der Kläger stand diesen bzw. deren Rechtsvorgängern auch kein Anspruch auf Rückübereignung des streitgegenständlichen Grundstücks nach dem Recht der DDR zu, der nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland von der Beklagten zu erfüllen gewesen wäre. Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst einmal nicht aus Art. 16 der DDR-Verfassung (vgl. BVerwG, NJW 1994, 2712; BGH, NJW 1995, 1280; LG Dresden, VIZ 1994, 191, 193 f.). Der Rechtsordnung der DDR waren Grundrechte als verfassungsverbürgte subjektive Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat fremd. Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der DDR (Verfassungsgrundsätze) vom 17.6.1990 (GBl DDR I, 299) zwingt schon deshalb nicht zu einer anderen Einschätzung, weil es ausweislich seines Art. 10 Geltung nur für die Zeit vom 17.6.1990 bis zur Inkraftsetzung eines Grundgesetzes beanspruchte. Die Verfassungsgrundsätze regelten die Rechtslage der DDR also nur für die Zukunft, sie änderten sie dagegen nicht rückwirkend. Von daher ist kein Raum für die Annahme, dass vor dem Inkrafttreten der Verfassungsänderung vollzogene Enteignungen nachträglich unter den Vorbehalt der Rückgängigmachung beim Wegfall des Enteignungszwecks gestellt worden sind (BVerfG, NJW 1998, 1697, 1698).

Auch aus § 9 S. 1 der Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik (Grenzverordnung) vom 25.3.1982 lässt sich kein Rechtsanspruch auf unentgeltliche Rückübereignung des Grundstücks herleiten, den die Beklagte zu erfüllen hätte. Gemäß § 9 S. 1 der Grenzverordnung sind Grundstücke, die nicht mehr für Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze benötigt werden, an die Rechtsträger, Eigentümer oder sonstigen Nutzer zu übergeben. Es ist zu berücksichtigen, dass dem Recht der ehemaligen DDR subjektive Rechte des Bürgers gegen den Staat grundsätzlich unbekannt waren. Dementsprechend ist in der vorgenannten, in einer Durchführungsverordnung enthaltenen Bestimmung kein unmittelbarer Anspruch des Bürgers auf Rückübereignung zu sehen. Sie statuierte (lediglich) eine Pflicht der Staatsorgane, die allerdings nicht einklagbar war (vgl. auch Drobnig, DtZ 1994, 228, 232).

Diese Sichtweise steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Ohne ausdrücklich auf § 9 der DDR-Grenzverordnung einzugehen, ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 4.4.2003 (ZOV 2003, 239) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Ausschluss des Berechtigten vom Flächenerwerb gemäß § 3 MauerG (Verwendung des Grundstücks im öffentlichen Interesse) nicht gegen die Eigentumsgarantie verstoße. Den Eigentümern der Mauer- und Grenzgrundstücke sei nach der Enteignung in der ehemaligen DDR keine Rechtsposition verblieben, die nach dem Beitritt in den Schutzbereich des Art. 14 GG habe einrücken können. Da der Geltungsbereich des Grundgesetzes sich nicht auf das Gebiet der DDR erstreckt habe, sei der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei gewesen, ob und unter welchen Voraussetzungen er eine Rückgewähr des Eigentums habe vornehmen wollen. Dem Interesse der Berechtigten habe er durch die in § 3 MauerG vorgesehene Entschädigung in Höhe von 75 % des Verkehrswertes sowie durch die weiteren, nicht unbeträchtlichen Vergünstigungen des MauerG (keine Rückzahlung bzw. Anrechnung eines erhaltenen Kaufpreises oder einer Entschädigung, Befreiung von der Grunderwerbssteuer und weitere einkommenssteuerliche Vorteile) Rechnung getragen.

Soweit die Kläger demgegenüber damit argumentieren, dass sich die Beklagte an dem Unrecht der Enteignung zum Zwecke des Mauerbaus bereichere, kann auch dies nicht überzeugen. Vielmehr lag ein Hauptanliegen des Mauergrundstücksgesetzes in der Vermeidung einer Bereicherung des Staates an diesem Unrechtsgut (vgl. BGH, a.a.O. unter Bezugnahme auf den Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drucks. 13/120, S. 1 u. 5). Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 MauerG sieht daher die Errichtung eines Fonds zur Förderung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zwecken zu, dem die Einnahmen aus der Veräußerung der Mauer- und Grenzgrundstücke zufließen. Gemäß § 5 Abs. 2 MauerG dürfen die Mittel des Fonds nicht zur Erfüllung von rechtlichen Verpflichtungen eingesetzt werden, so dass auch eine mittelbare Bereicherung der Beklagten durch Entlastung von Verpflichtungen nicht stattfindet.

Soweit sich die Kläger weiterhin auf Art. 23 GG i. d .F. vom 1.1.1964, wonach Groß-Berlin zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehörte, berufen, verfängt dies ebenfalls nicht. Zum einen vermag der Senat die Relevanz dieser Bestimmung für den vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weil nicht ersichtlich ist, dass sich das streitgegenständliche Grundstück zum Zeitpunkt der Enteignung auf dem Gebiet von "Groß-Berlin" befand. Das Grundstück befindet sich in Staaken, das an Westberlin angrenzte und seinerzeit hinsichtlich des westlichen Teils zur DDR gehörte. Auch der Umstand, dass der hier maßgebliche Inanspruchnahmebescheid vom 25.9.1968 vom Rat des Kreises Nauen erlassen wurde, deutet darauf hin, dass das Grundstück auf dem Gebiet der DDR belegen war. Gegenteiliges haben die Kläger trotz Erörterung im Berufungstermin nicht darlegen können. Abgesehen davon lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1999, 3326) aus dem Wortlaut des Art. 23 GG i. d. F. vom 1.1.1964 kein Anspruch auf Rückenteignung entnehmen, weil das Grundgesetz im Ostteil Berlins jedenfalls faktisch nicht durchgesetzt werden konnte.

Das Mauergrundstücksgesetz verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der Klageerwiderung vom 2.6.2003 (Seite 6/7) und in der Berufungserwiderung vom 30.3.2004 (Seite 7/8) Bezug. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches ohne sachlich rechtfertigenden Grund ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln (BVerfG, NJW 1998, 1697, 1698 m.w.N.). Auch wenn der Zweck der Enteignung der Mauergrundstücke nach bundesdeutschen Rechtsvorstellungen schweres Unrecht darstellte, ist zu berücksichtigen, dass die Enteignung gemäß § 10 des Verteidigungsgesetzes der DDR von der Rechtsordnung der DDR gedeckt war (vgl. BVerwG, VIZ 1995, 161; VIZ 1997, 684; ZOV 2001, 55). Schon deshalb liegt ein Unterschied zu den in § 1 Abs. 3 VermG geregelten Fällen, bei denen dies nicht der Fall ist und bei denen es um einzelfallbezogene Manipulationsvorwürfe geht, vor. Außerdem erfolgte die Enteignung nach § 10 DDR-VerteidigungsG gegen die in der DDR übliche Entschädigung (§ 10 Abs. 2 VerteidigungsG i. V. m. dem Entschädigungsgesetz vom 25.4.1960). Dass diese im Einzelfall - wie auch hier - nicht festgesetzt oder ausgezahlt wurde, ist rechtlich ohne Belang, weil es in diesem Zusammenhang allein auf die gesetzlich vorgesehene Regelung ankommt (vgl. dazu BGH NJW 1995, 1833, 1834 m. w. N).

Soweit sich die Kläger schließlich auf den rechtlichen Aspekt einer "legitimen Erwartungshaltung" zur vollständigen kostenfreien Rückführung des streitgegenständlichen Mauergrundstücks berufen, verfängt auch dies nicht. Trotz des von ihren Rechtsvorgängern erlittenen schweren Unrechts konnten diese nach dem Zusammenbruch der DDR keine berechtigte Erwartung für sich in Anspruch nehmen, dass der Nachfolgestaat, der an der Entziehung des Eigentums nicht beteiligt war, zwingend eine ungekürzte Wiedergutmachung in der Form der vollständigen Restitution anordnen werde.

3) Der Grundstückskaufvertrag vom 16.12.1997 ist auch nicht wegen anfänglicher Unmöglichkeit gemäß § 306 BGB a.F., der gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB auf das Vertragsverhältnis noch Anwendung findet, nichtig.

Zwar ist es zutreffend, dass ein Vertrag rechtlich unmöglich und somit unwirksam ist, der die Übertragung eines Rechts oder die Einräumung einer Befugnis zum Gegenstand hat, die dem Erwerber bereits zusteht, so etwa der Verkauf einer dem Käufer bereits gehörenden Sache (Staudinger-Löwisch, BGB, Neubearb. 2001, § 306 Rn. 29 m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Enteignung des streitgegenständlichen Grundstücks durch die DDR-Behörden hat zu einem Eigentumsverlust der Rechtsvorgängerin der Kläger und zu einer wirksamen Überführung in Volkseigentum geführt.

Das streitgegenständliche Grundstück ist mit dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 21 Abs. 1 des Einigungsvertrages Bundesvermögen geworden.

Die Wirksamkeit der Enteignung durch den Inanspruchnahmebescheid des Rates des Kreises Nauen vom 25.9.1968 ist nicht nach bundesdeutschen Maßstäben, sondern nach dem Recht der ehemaligen DDR zu beurteilen (vgl. BGH, NJW 1995, 1833, 1834 f. m. w. N.). Dies schließt an den im intertemporalen Zivilrecht des Einigungsvertrages festgelegten Grundsatz an, dass die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften aus der Zeit der DDR sich nach dem damals geltenden Recht bestimmt (Art. 232 § 1 EGBGB) und dieses entsprechend der seinerzeitigen Praxis anzuwenden ist (BGH, a.a.O., S. 1835 m.w.N.).

aa) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Grundstücks gemäß § 10 DDR-VerteidigungsG vom 20.9.1961 (GBl. der DDR, Teil I, S. 175) und des § 28 der Verordnung über die Inanspruchnahme von Leistungen im Interesse der Verteidigung und des Schutzes der Deutschen Demokratischen Republik - Leistungsverordnung - vom 16.8.1963 (GBl. der DDR, Teil II, S. 667) lagen vor. Gemäß § 10 VerteidigungsG konnten Grundstücke im Interesse der Verteidigung der Republik, wenn sie nicht durch Kauf zu erwerben waren, gegen Entschädigung in Volkseigentum überführt werden. § 28 der Leistungsverordnung präzisierte die Vorschrift insbesondere hinsichtlich der mit der Inanspruchnahme verfolgten Zwecke. Danach konnten Grundstücke aller Eigentumsformen im Interesse der Verteidigung der Republik und des Schutzes der Bevölkerung in Anspruch genommen werden, beispielsweise zur Errichtung von Verteidigungsanlagen oder zur Durchführung von Sicherungsmaßnahmen, z. B. an der Staatsgrenze und in Sperrgebieten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VIZ 1995, 161; ZOV 2001, 55) sind Enteignungen für die Errichtung der Sperranlagen auf der Grundlage des § 10 des Verteidigungsgesetzes von 1961 generell nicht als unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen, auch wenn die Sperranlagen "sinnfälliger Ausdruck des Unrechtsregimes in der früheren DDR" waren. Danach waren sowohl die Enteignungen als auch die Zwangsverkäufe, um einer drohenden Enteignung zuvorzukommen, von der Rechtsordnung der DDR unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und der Rechtspraxis der DDR gedeckt. Für die Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "im Interesse der Verteidigung der Republik" ist die seinerzeit in der DDR herrschende Rechtsanschauung zugrunde zu legen. Die in § 28 der Leistungsverordnung vom 16.8.1963 beispielhaft aufgezählten Sachverhalte machen deutlich, dass der Begriff der Verteidigungsinteressen weit verstanden wurde. Dass die Konkretisierung des Verteidigungszwecks bei den Grenz- und Mauergrundstücken sich tatsächlich primär gegen die Abwanderung der eigenen Bürger richtete, führte nach dem Rechtsverständnis der DDR nicht zur Unwirksamkeit der Enteignung.

bb) Die Kläger berufen sich weiterhin darauf, dass die Enteignungen von Grund und Boden zum Bau der Berliner Mauer auf der Grundlage von § 10 DDR-VerteidigungsG gegen den entmilitarisierten Status Berlins verstoßen hätten. Die auch im Schrifttum vertretene Argumentation (vgl. Blumenwitz, DtZ 1996, 156; Alich, ZOV 2004, 227, 230) geht dahin, aufgrund der fortbestehenden Viermächteverantwortung für Groß-Berlin hätten die DDR-Organe im Berliner Sowjetsektor mangels Rechtskompetenz keine völkerrechtlich erheblichen Akte setzen können, so dass die Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin vom 26.1.1982, die das Verteidigungsgesetz der DDR vom 20.9.1961 auf den Ostsektor Berlins ausgedehnt habe, unwirksam sei mit der Folge, dass die darauf beruhenden Enteignungen auf dem Mauerstreifen nichtig gewesen seien.

Der Senat vermag bereits die Relevanz dieser Argumentation für den vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Denn das streitgegenständliche Grundstück befand sich hier nicht im Ostsektor Berlins, sondern in Staaken. Für die DDR (ohne Ostberlin) war aber das Verteidigungsgesetz vom 20.9.1961 mit seiner Verkündung geltendes Recht.

Nur ergänzend verweist der Senat auf Art. 19 S. 1 des Einigungsvertrages, wonach vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam bleiben. Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbare Verwaltungsakte können aufgehoben werden (Art. 19 S. 2 EVertr), wobei sich die Voraussetzungen und das Verfahren hierfür nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) richten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (DtZ 1996, 155) waren die Vertragsparteien des Einigungsvertrages auch befugt, in die Regelungen Verwaltungsakte von Behörden der DDR im Bereich des Ostsektors von Berlin einzubeziehen, selbst wenn diese gegen den besatzungsrechtlichen Status Berlins verstoßen haben sollten. Denn die Vertragsschließenden hätten insoweit mit dem Einigungsvertrag über das im vereinten Deutschland nach Beendigung des Besatzungsstatus geltende Recht disponieren können (vgl. Art. 7 des Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12.9.1990, BGBl II, 1318, Zwei-plus-Vier-Vertrag) und hätten dies getan (ebenso nachfolgend KG, 27. ZS, ZOV 1998, 134).

cc) Der Inanspruchnahmebescheid des Rates des Kreises Nauen vom 25.9.1968 ist auch nicht wegen der unstreitig nicht erfolgten Zustellung an die damalige Grundstückseigentümerin, Frau Hnn Hnnnn , geb. Knnn , wohnhaft in Hnnn , nichtig.

Die Frage der Nichtigkeit des Bescheides ist ebenfalls nach dem Recht der ehemaligen DDR zu beurteilen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH NJW 1995, 1833, 1835) ist im Hinblick darauf, dass die DDR nicht zu einer Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts gelangt ist, für die Frage der Wirksamkeit von Verwaltungsentscheidungen der DDR entscheidend eine Kontrolle der Nichtigkeitsmerkmale anhand der speziellen Rechtsvorschriften durchzuführen, die auf den maßgeblichen Sachverhalt heranzuziehen sind. Dementsprechend haben der Bundesgerichtshof (a.a.O. sowie BGH, NJW 2000, 2419, 2420) und ihm nachfolgend das Kammergericht (KG, ZOV 2003, 104) Enteignungsbeschlüsse nach dem DDR-Baulandgesetz, die dem Eigentümer oder Verfügungsberechtigten nicht bekanntgemacht wurden, als rechtlich nicht existent angesehen. Dies wurde damit begründet, dass das DDR-Baulandgesetz vom 15.6.1984 spezialgesetzliche Regelungen zur Bekanntgabe des Inanspruchnahmebescheides enthielt. Der Inanspruchnahmebescheid musste eine Rechtsmittelbelehrung enthalten und war dem Eigentümer oder Verfügungsberechtigten auszuhändigen bzw. zuzustellen. Darüber hinaus konnte der Eigentümer gegen den Bescheid binnen vier Wochen ab Bekanntgabe Beschwerde einlegen, die aufschiebende Wirkung hatte (vgl. auch Schnabel, DtZ 1996, 335). Dagegen hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, VIZ 1996, 397) eine Inanspruchnahme nach dem DDR-Aufbaugesetz vom 6.9.1950 nicht deshalb als unwirksam erachtet, weil es an einer Zustellung des maßgeblichen Bescheides an den Verfügungsberechtigten fehlte. Der BGH stellte maßgeblich darauf ab, dass anders als bei Enteignungen nach dem Baulandgesetz im Aufbaugesetz bzw. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung weder eine Benachrichtigung des betroffenen Eigentümers noch ein Rechtsmittel gegen die ergangene Entscheidung vorgesehen war.

Das Gleiche hat im Falle der fehlenden Bekanntgabe eines nach dem DDR-VerteidigungsG ergangenen Inanspruchnahmebescheides zu gelten.

Das DDR-VerteidigungsG vom 20.9.1961 selbst enthielt keine Bestimmungen über die Bekanntmachung eines Inanspruchnahmebescheides. Lediglich in § 38 Abs. 1 der hierzu ergangenen Leistungsverordnung vom 16.8.1963 war - praktisch gleichlautend wie in der DVO zum Aufbaugesetz - vorgesehen, dass die Inanspruchnahme durch Zustellung des Inanspruchnahmebescheides an den Verfügungsberechtigten erfolgt. Gemäß § 44 der Leistungsverordnung war zwar die Möglichkeit eines Einspruchs gegen den Inanspruchnahmebescheid gegeben, der an das staatliche Organ, das den Bescheid erteilt hat, zu richten war. Soweit dieses Organ, wohl regelmäßig der Rat des Kreises (vgl. § 38 Abs. 1 der LeistungsVO), dem Einspruch nicht abhalf, war eine endgültige Entscheidung des übergeordneten Organes herbeizuführen. Einsprüche hatten im Übrigen keine aufschiebende Wirkung (§ 44 Abs. 2 LeistungsVO).

Es ist somit festzustellen, dass die zum DDR-VerteidigungsG ergangene Leistungsverordnung bei weitem nicht die gleichen Verfahrensgarantien wie beispielsweise das zeitlich wesentlich später erlassene DDR-Baulandgesetz enthielt. Eine Zustellung des Bescheides an den Grundstückseigentümer war nicht vorgesehen. Die in Anspruch genommenen Grundstücke gingen mit dem im Inanspruchnahmebescheid festgesetzten Zeitpunkt in das Eigentum des Volkes über (§ 39 Abs. 1 LeistungsVO). Der Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigte konnte die Wirksamkeit des Inanspruchnahmebescheides nicht durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs bis zu einer abschließenden Entscheidung suspendieren. Zudem war über einen - theoretisch möglichen - Einspruch abschließend auf der Verwaltungsebene zu entscheiden, der Zugang zu den Gerichten war nicht eröffnet. Hinzu kommt, dass die Enteignungen auf der Grundlage des DDR-Verteidigungsgesetzes in der DDR auch dann als wirksam angesehen und behandelt wurden, wenn sie entsprechend der allgemeinen Behördenpraxis ohne Beteiligung des in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Eigentümers durchgeführt wurden. Wollte man dies anders sehen, müsste den zuständigen Stellen der DDR unterstellt werden, sie hätten in allen diesen Fällen bereits nach dem eigenen Selbstverständnis unwirksame Enteignungen beschließen wollen und auch beschlossen und durchgeführt. Davon kann nicht ausgegangen werden (ebenso KG, 27. ZS. ZOV 1998, 134; BVerwG, VIZ 1997, 348 zu Enteignungen auf der Grundlage des Aufbaugesetzes und des Baulandgesetzes). Aus den vorgenannten Gründen konnte ein Bekanntgabemangel im Rahmen einer Enteignung nach dem DDR-VerteidigungsG nach dem Verwaltungsrechtsverständnis der DDR (unter Einschluss der "gelebten Rechtswirklichkeit") die Nichtigkeit des Enteignungsaktes nicht begründen (KG, a.a.O.; Schnabel, DtZ 1996, 335 ff.).

Soweit der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (ZOV 2001, 41, 43) die Auffassung vertreten hat, Enteignungen nach dem Aufbaugesetz der DDR hätten zu ihrem Wirksamwerden zumindest der formlosen Bekanntgabe an den Verfügungsberechtigten bedurft, vermag der erkennende Senat dem aus den vorstehenden Gründen und unter Berücksichtigung der auch nach der Rechtsprechung des BGH heranzuziehenden "gelebten Rechtswirklichkeit" in der ehemaligen DDR jedenfalls für die hier in Rede stehende Enteignung nach dem DDR-Verteidigungsgesetz nicht beizutreten. Dessen ungeachtet liegen hier auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass nicht zumindest eine formlose Bekanntgabe an den Verfügungsberechtigten erfolgt ist.

dd) Die Kläger können sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf den ordre public (Art. 6 EGBGB) berufen. Der Einigungsgesetzgeber hat in Art. 19 des Einigungsvertrages festgelegt, dass vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam bleiben. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sind. Mit Rücksicht darauf ist es nicht angängig, bereits die Regelrechtsfolge des Art. 19 S. 1 EVertr dadurch in Frage zu stellen, dass schon die ursprüngliche Wirksamkeit der fraglichen DDR-Verwaltungsentscheidungen unter Hinweis auf rechtsstaatliche Mängel gemessen am bundesdeutschen Verwaltungsverfahrensrecht oder am ordre public geleugnet wird; vielmehr kommt es allein auf die Wirksamkeit nach den Maßstäben des seinerzeitigen DDR-Rechts an (vgl. Stelkens/Bonk-Sachs, a.a.O., § 43 Rn. 229 m.w.N. und § 44 Rn. 216; vgl. auch BGHZ 127, 297, 309; BVerwG, VIZ 1997, 348, KG, 24. ZS., VIZ 1992, 321, 322) Für die Berufung auf den ordre public ist insofern kein Raum mehr. Hoheitsakte im Beitrittsgebiet, die zur Enteignung von Grundstücken für Verteidigungszwecke geführt haben, sind daher auch bei Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze, sofern sie nicht bereits nach dem DDR-Rechtsverständnis nichtig sind, wirksam und können nur in einem Verwaltungsverfahren aufgehoben werden (ebenso KG, 24. ZS, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, DtZ 1996, 155, 156). Allein Art. 19 S. 2 des Einigungsvertrages schafft die Möglichkeit, Fortwirkungen von Entscheidungen, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sind, auszuschließen.

ee) Nach alledem kam es auf eine Prüfung gemäß Art. 237 § 1 bzw. § 2 EGBGB nicht an. Eine Prüfung der Voraussetzungen des Art. 237 § 1 EGBGB (Bestandsschutz) wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn nach dem maßgeblichen DDR-Rechtsverständnis eine wirksame Enteignung wegen fehlender Zustellung des Inanspruchnahmebescheides nicht vorgelegen hätte (vgl. insoweit auch Schnabel, DtZ 1997, 395).

Da ein Bereicherungsanspruch der Kläger nicht besteht, kam es auf den Einwand der Beklagten betreffend einen Rückforderungsausschluss nach § 814 BGB ebenfalls nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.



Ende der Entscheidung

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