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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 08.10.2001
Aktenzeichen: 25 W 6875/99
Rechtsgebiete: RPflG, BRAGO, ZPO


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
BRAGO § 20
ZPO § 91
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 25 W 6875/99

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Neuhaus, den Richter am Kammergericht Nielsen und die Richterin am Kammergericht Dr. Kasprik-Teperoglou am 8. Oktober 2001 beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 11. August 1999 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Berlin vom 28. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 2.605,00 DM zu tragen.

Gründe:

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Berlin vom 28. Juni 1999 ist gemäß § 104 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz (RPflG) statthaft.

II. Die Beschwerde ist unbegründet, da der Klägerin keine weiteren erstattungsfähigen Kosten zustehen als diejenigen, die im angefochtenen Beschluss festgesetzt worden sind.

Die in Frankfurt ansässige Klägerin kann die geltend gemachten Kosten für die in München eingeschalteten Rechtsanwälte nicht erstattet verlangen. Grundsätzlich können nach § 91 ZPO nur die Kosten eines Rechtsanwalts in Ansatz gebracht werden. Zusätzliche Kosten für die Einschaltung eines Verkehrsanwaltes sind nur erstattungsfähig, wenn sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Die Erforderlichkeit ist dabei nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen und nicht danach, ob die Partei, die eine Erstattung verlangt, sie von ihrem Standpunkt aus glaubte aufwenden zu können (KG, 1. Zivilsenat, JurBüro 1966, 420). Jede Partei ist erstattungsrechtlich gehalten, die Entstehung nicht unbedingt notwendiger Kosten zu vermeiden (KG, a.a.O.; JurBüro 1968, 149).

Ausnahmsweise kann die Einschaltung eines Verkehrsanwalts erforderlich sein, wenn eine unmittelbare Information ihres Prozessbevollmächtigten der Partei nicht möglich ist, z.B. wegen geringer Schreibgewandtheit, wegen Alters oder Krankheit (KG, 1. Zivilsenat, Rpfleger 1966, 157; JurBüro 1968, 149). Derartige Gründe sind hier nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Nichts anderes folgt aus dem von der Klägerin herangezogenen Umstand, die Verkehrsanwälte seien quasi ihre "Hausanwälte", da sie ständig von der Klägerin mit der Beitreibung ihrer Factoring-Forderungen anwaltlich betraut seien. Zwar mag es für eine häufig mit rechtlichen Auseinandersetzungen bzw. Fragestellungen befasste Partei durchaus sinnvoll und zweckmäßig sein, sich zu deren Abwicklung eines sie ständig beratenden Anwalts zu bedienen, der die Mandatsbearbeitung auch automatisiert vornehmen kann. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass ein Prozessgegner dieser Partei, nur weil diese wiederholt mit den Fragen befasst ist, zusätzlich die Kosten eines als Verkehrsanwalt tätig werdenden Vertrauensanwalts zu tragen hat, die, handelte es sich bei der rechtlichen Auseinandersetzung um einen Einzelfall, nicht erstattungsfähig wären. Es kann keiner Partei ein kostenrechtliches Privileg nur deswegen eingeräumt werden, weil sie regelmäßig oder häufig mit Rechtsstreitigkeiten bzw. -fragen befasst ist (vgl. KG, 1. Zivilsenat, JurBüro 1981, 168; OLG Koblenz JurBüro 1978, 1373, OLG Bamberg JurBüro 1988, 625 und 1989, 1284; OVG Lüneburg JurBüro 1987, 607).

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die Verkehrsanwälte seit Jahren mit der streitgegenständlichen Materie und den Besonderheiten ihres Factoring-Geschäfts vertraut seien, rechtfertigt dies ebenfalls keine Kostenerstattung. Zwar kann die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts in Betracht kommen, wenn der Verkehrsanwalt in tatsächlicher Hinsicht zu einer besseren Information des Prozessbevollmächtigten als die Partei selbst in der Lage ist. Dies hat die Klägerin aber nicht behauptet und es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ohne die Hilfe ihrer Verkehrsanwälte nicht in der Lage gewesen sein könnte, ihre Berliner Prozessbevollmächtigten in tatsächlicher Hinsicht in hinreichendem Umfang zu informieren. Ungeachtet des anerkennenswerten Interesses einer Partei an qualifiziertem Rechtsschutz kann sie sich diesen jedenfalls grundsätzlich nicht auf Kosten des Gegners verschaffen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., 2001, § 91 ZPO, Rdnr.13).

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Festsetzung der Kosten einer fiktiven Informationsreise zu Lasten der Beklagten. Zwar kann eine auswärtige Partei gegenüber einer am Ort des Prozessgerichts wohnenden Partei benachteiligt sein, wenn sie ihre Prozessvertreter nicht in gleicher Weise informieren kann. Dies ist aber bei nicht ganz einfachen oder der Partei geläufigen Sachverhalten regelmäßig anzunehmen, wenn die auswärtige Partei auf einen Schriftwechsel mit einem Prozessbevollmächtigten verwiesen wird. Eine ausreichende Information des Prozessbevollmächtigten kann nämlich nicht schon darin gesehen werden, dass die Parteien ihm die nach ihrer Meinung erheblichen Umstände mitteilt. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Prozessbevollmächtigten die Tatsachen mitgeteilt werden, auf die es wirklich ankommt. Diese sind für eine Partei, von den genannten Ausnahmen abgesehen, meist erst nach einer eingehenden Erörterung des Sachverhalts mit einem Rechtsanwalt erkennbar. Da als geeignete Form hierfür regelmäßig nur die mündliche Erörterung in Betracht kommt, muss jeder auswärtigen Partei, von den genannten Ausnahmefällen abgesehen, das Recht zugebilligt werden, den Sachverhalt wenigstens einmal mit einem Rechtsanwalt eingehend mündlich zu erörtern (grundlegend: KG, 1. Zivilsenat, JurBüro 1970, 1092 f.). Allerdings ist hierzu berücksichtigen, dass die Kanzlei der Verkehrsanwälte nicht am Geschäftssitz der Klägerin, sondern an einem sogenannten Drittort befindlich ist. In einem solchen Fall ist es für die Festsetzung hypothetischer Reisekosten erforderlich, dass die Erstattung verlangende Partei schlüssig behauptet und glaubhaft macht, dass sie die Angelegenheit in einer persönlichen Besprechung - nicht schriftlich oder telefonisch - mit den Anwälten an diesem dritten Ort erörtert hat. Da eine solche Darlegung gegenüber dem Senat nicht erfolgt ist, kommt eine Erstattung in Höhe ersparter Informationsreisekosten nicht in Betracht, weil dann davon auszugehen ist, dass die Beklagte ihre Berliner Prozessbevollmächtigten ebenfalls schriftlich oder fernmündlich zu informieren in der Lage war (KG, 1. Zivilsenat, JurBüro 1972, 996; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., 1995, § 52, Rdnr. 25 "Verkehrsanwalt am dritten Ort"). Auch der Umstand, dass die Klägerin es ihren Verkehrsanwälten gestattet, zur Informationsbeschaffung direkt mit den Kunden Kontakt aufzunehmen, rechtfertigt den Ansatz der Kosten einer fiktiven Informationsreise nicht, denn es ist nicht ersichtlich, wieso eine entsprechende Verfahrensweise gegenüber den Berliner Prozeßanwälten so nicht möglich sein sollte, zumal die von der Klägerin als Factoringbank geltendgemachten Zahlungsansprüche aus den Geschäftsbeziehungen einer Berliner Baustoffhandelsfirma hervorgegangen sind.

Die Klägerin kann Verkehrsanwaltsgebühren auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer ersparten Ratsgebühr nach § 20 BRAGO ersetzt verlangen, denn eine solche kann nur in eng begrenzten Ausnahmefallen als erstattungsfähig anerkannt werden (OLG Hamm OLGR 2000, 49; OLG Düsseldorf, OLGR 1996, 150), wobei alle Fallumstände zu würdigen sind (OLG Karlsruhe OLGR 1998, 284). Bei einer Partei, die wie die als Kreditinstitut im Factoringgeschäft tätige Klägerin in der Rechtsform der GmbH typische Geschäftsforderungen einklagt, bedarf es regelmäßig keiner anwaltlichen Beratung über einen geeigneten, am Ort des Gerichts tätigen Rechtsanwalt oder sonstige Vorfragen, da eine ausreichende Geschäfts- und Rechtserfahrung im allgemeinen vorausgesetzt werden kann. Besondere Umstände, aus denen sich ergibt, daß die Klägerin einer solchen Beratung bedurft hätte, hat sie nicht dargetan und sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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