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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 26 U 230/01
Rechtsgebiete: JVEG, ZSEG, UStG, BGB


Vorschriften:

JVEG § 4 Abs. 1
JVEG § 4 Abs. 1 Satz 1
JVEG § 7 Abs. 2
JVEG § 9
JVEG § 9 Abs. 1
JVEG § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
JVEG § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
JVEG § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
JVEG § 24
JVEG § 25
JVEG § 25 Satz 1
JVEG § 25 Satz 2
ZSEG § 18
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 13 Abs. 1
UStG § 13 Abs. 1a
BGB § 631
BGB § 640
1. Die Vorschriften des JVEG sind auf die Honorierung eines Sachverständigen für ein Ergänzungsgutachten anzuwenden, auch wenn der Sachverständige mit der Erstbegutachtung noch im Geltungszeitraum des ZSEG beauftragt worden war, nach In-Kraft-Treten des JVEG aber eine ergänzende Begutachtung erforderlich wurde, die nicht auf Mängel des Erstgutachtens beruhte.

2. Der Sachverständige hat Anspruch auf den zum Zeitpunkt der Fertigstellung seines Gutachtens maßgeblichen Mehrwertsteuersatz, auch wenn er seine Leistung bereits vor der Erhöhung des Steuersatzes begonnen hatte.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 26 U 230/01

In Sachen

Tenor:

Das dem Sachverständigen Dr.-Ing. Mnnn Fnnnn für die Erstellung des Ergänzungsgutachtens vom 16. Januar 2007 zu gewährende Honorar wird auf 1.755,30 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Sachverständige ist auf Grund des Senatsbeschlusses vom 31. Juli 2002 unter dem 3. Januar 2003 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden, eine ergänzende Beauftragung des Sachverständigen erfolgte unter dem 12. Mai 2003. Der Sachverständige legte sein Gutachten am 28. Juni 2005 vor. Der Senat hat die Entschädigung des Sachverständigen für dessen Erstgutachten durch Beschluss vom 5. Dezember 2005 auf 33.645,48 EUR einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt.

Nach Übersendung des Gutachtens an die Parteien und die Streithelferin der Klägerin erhob die Streithelferin Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen, dem mit Beschluss vom 7. Juni 2006 aufgegeben wurde, hierzu im Wege eines Ergänzungsgutachtens Stellung zu nehmen. Die Übersendung der Gerichtsakten an den Sachverständigen erfolgte unter dem 20. Oktober 2006. Am 16. Januar 2007 übersandte der Sachverständige sein Ergänzungsgutachten dem Gericht und reichte zugleich eine Liquidation ein, mit der er auf der Basis von § 9 Abs. 1 JVEG ein Stundenhonorar von 75,00 EUR (Honorargruppe 6) berechnete und die ab dem 1. Januar 2007 gültige Umsatzsteuer von 19 % ansetzte. Für den Fall, dass das Honorar nicht in vollem Umfang anerkannt werde, beantragte der Sachverständige die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung nach § 4 Abs. 1 JVEG.

Die Berechnungsstelle für Zeugen- und Sachverständigengebühren des Kammergerichts teilte dem Sachverständigen unter dem 30. Januar 2007 mit, dass ihm lediglich eine Entschädigung nach den Bestimmungen des ZSEG gewährt werden könne und er im Übrigen in seiner Rechnung zwischen den vor 2007 und ab dem 1. Januar 2007 geltenden Umsatzsteuersätzen differenzieren müsse. Der Sachverständige hat der Auffassung der Berechnungsstelle widersprochen, weshalb die Sache dem Senat zur Festsetzung der Entschädigung vorgelegt worden ist.

II.

Dem Sachverständigen ist auf dessen Antrag im Wege gerichtlicher Festsetzung ein Honorar i.H.v. 1.755,30 EUR einschließlich Mehrwertsteuer zu gewähren.

Auf die Vergütung des Sachverständigen für das Ergänzungsgutachten sind die Vorschriften des JVEG anzuwenden. Der Senat folgt hinsichtlich der Anwendbarkeit der Honorar- bzw. Entschädigungsvorschriften in Übergangsfällen der wohl herrschenden Auffassung, dass ein nach Inkrafttreten einer Änderung der gesetzlichen Entschädigungs- und Honorarregelungen dem Sachverständigen erteilter Auftrag zur Erstellung eines Ergänzungsgutachtens oder zur mündlichen Gutachtenerläuterung jedenfalls dann nach den zum Zeitpunkt der weiteren Auftragserteilung geltenden Vorschriften zu vergüten ist, wenn die Gutachtenergänzung oder -erläuterung nicht deshalb erforderlich wird, weil das vorgelegte Gutachten Mängel aufweist oder der Sachverständige im Hinblick auf ihm von den Parteien gemachte Vorhalte Fehler in seiner Begutachtung feststellt, die er korrigieren muss (OLG Hamburg, MDR 1990, 64; OLG Celle, JurBüro 2005, 551; BayVGH, Beschl. v. 10. Oktober 2005 - 1 B 97.1352 - in juris).

Die Vorschrift des § 25 JVEG gebietet keine hiervon abweichende Betrachtung. Insbesondere § 25 Satz 2 JVEG hat nicht zur Folge, dass die Vergütung des Sachverständigen sich auch dann nach den Vorschriften des ZSEG richtet, wenn die Erstbeauftragung vor dem 1. Juli 2004 erfolgt ist. Die Vorschrift bezieht sich lediglich auf Heranziehungen, nicht aber auf Beauftragungen. Wie sich aus dem Wortlaut von § 25 Satz 1 JVEG ergibt, differenziert der Gesetzgeber zwischen der Beauftragung von Sachverständigen und Dolmetschern sowie der Heranziehung anderer Personen, wie Zeugen und ehrenamtlichen Richtern. Hinsichtlich der Sachverständigen ergibt sich das maßgebliche Übergangsrecht hingegen aus § 24 JVEG, der inhaltlich der Vorschrift des § 18 ZSEG entspricht.

Grundsätzlich ist der dem Sachverständigen erteilte Auftrag erfüllt, wenn dieser ein mängelfreies verwertbares Gutachten vorlegt. Die Beauftragung mit einer ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme stellt in diesen Fällen eine neue Beauftragung dar, die nach den zum Zeitpunkt der Beauftragung geltenden Vergütungsvorschriften zu behandeln ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Vorschriften des ZSEG und des JVEG erlassen worden sind, um den dort erfassten Personenkreisen einen angemessenen Ausgleich für ihr Tätigwerden zu verschaffen. Bei gerichtlichen Sachverständigen, insbesondere bei Berufssachverständigen, sind die Vergütungsregeln deshalb regelmäßig den gestiegenen Betriebs- und Lebenshaltungskosten angeglichen worden. Die Vorschriften sollen einen billigen Ausgleich zwischen dem Interesse der Parteien und der Staatskasse daran, dass die Aufwendungen für eine Beweisaufnahme nicht allzu unermesslich steigen, und dem Interesse der gerichtlichen Hilfsperson an einem angemessenen Ausgleich für ihre Tätigkeit schaffen. Deshalb erscheint es nach Auffassung des Senats auch unbillig, allein den Zeitpunkt der Erstbeauftragung eines Sachverständigen als maßgeblich für seine gesamte während des Verfahrens verdiente Vergütung anzusehen. Insbesondere kann und muss der Sachverständige, soweit sein Gutachten mangelfrei und verwertbar ist, nicht damit rechnen, möglicherweise noch über Jahre für Ergänzungsgutachten sowie schriftliche und mündliche Erläuterungen herangezogen zu werden. Als Unternehmer ist er in diesen Fällen gar nicht in der Lage, seine zukünftigen Einkünfte verantwortlich zu schätzen, zumal er gegebenenfalls neue Aufträge ablehnen muss, weil er weiterhin im Zusammenhang mit Altaufträgen tätig wird.

Der Sachverständige hat für sein Ergänzungsgutachten einen Zeitaufwand von 19 Stunden abgerechnet. Die von ihm erbrachten Leistungen sind der Honorargruppe 6 der Anlage 1 zu § 9 JVEG zuzuordnen (Schäden an Gebäuden). Nach § 9 Abs. 1 JVEG kann der Sachverständige deshalb ein Stundenhonorar von 75,00 EUR verlangen.

Hinsichtlich der Nebenkosten ergibt sich das geltend gemachte Honorar aus §§ 7 Abs. 2, 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 JVEG entsprechende der Aufstellung des Sachverständigen in seiner Liquidation vom 16. Januar 2007 mit 50,04 EUR. Die Porto- und Telefonkosten konnten dabei auch ohne Nachweis mit 6,90 EUR geschätzt werden.

Insgesamt ermittelt sich das Nettohonorar des Sachverständigen deshalb wie folgt:

 Zeitaufwand 19 Stunden à 75,00 EUR1.425,00 EUR
Nebenkosten (§§ 7 Abs. 1, 12 Abs. 1 JVEG)50,04 EUR
Summe1.475,04 EUR

Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG hat der Sachverständige darüber hinaus Anspruch auf die auf die Vergütung entfallende Mehrwertsteuer. Diese bemisst sich mit 280,26 EUR entsprechend dem seit dem 1. Januar 2007 geltenden allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 19 %.

Auf die Gutachtenerstellung als steuerbare Leistung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist der Steuersatz von 19 % anzuwenden, da die Leistung erst im Jahre 2007 i.S.v. § 13 Abs. 1 UStG ausgeführt worden ist (vgl. Rundschreiben BMF vom 11. August 2006, BStBl. I, 477, Rdnr. 19). Der Auftrag zur Gutachtenergänzung ist rechtlich wie ein Werkvertrag zu behandeln. Die Werkleistung ist nach §§ 631, 640 BGB frühestens dann erbracht, wenn die Werkleistung körperlich übergeben worden ist. Die körperliche Übergabe der Leistung liegt hier in der Übersendung des Gutachtens, die erst im Jahre 2007 erfolgt ist. Aus dem Ergänzungsgutachten lässt sich auch nicht ersehen, dass dieses bereits vor dem 1. Januar 2007 fertig gestellt war und lediglich dessen Übersendung verzögert worden ist.

Entgegen der Auffassung der Berechnungsstelle stellt der Gutachtenauftrag keine teilbare Leistung i.S.v. § 13 Abs. 1a UStG dar. Die Abrechnung nach Zeitaufwand dient lediglich der Ermittlung des Honorars, hat aber nicht zur Folge, dass der Sachverständige im Rahmen eines Gutachtenauftrags lediglich eine nur nach dem Zeitaufwand bemessene Tätigkeit schuldet. Er hat gegenüber dem Gericht nicht lediglich Arbeitsstunden abzurechnen, wie es bei einem Dienstvertrag der Fall ist, sondern er hat ein bestimmtes Arbeitsergebnis abzuliefern, dessen Zeitaufwand er erstattet erhält. Da Leistung ist daher - anders als etwa bei der Abgrenzung zwischen Ursprungs- und Ergänzungsgutachten - gerade nicht teilbar, sondern stellt steuerlich eine einheitliche Leistung dar.

Damit ergibt sich ein Bruttohonorar des Sachverständigen von 1.755,30 EUR (1.475,04 EUR netto zuzüglich 280,26 EUR MWSt.), das entsprechend dem Antrag des Sachverständigen gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG entsprechend festzusetzen war.

Berlin, den 21. Februar 2007

Ende der Entscheidung

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