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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 31.01.2007
Aktenzeichen: 3 WF 7/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 653 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 654
1. In Kindschaftssachen ist nicht generell schon wegen der Bedeutung der Statusfeststellung mit ihren weitreichenden Folgen für die Parteien grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen, sondern nur wenn dies nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich ist (§ 121 Abs. 2 Alternative 1 ZPO).

2. In einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich eine Notwendigkeit zur Anwaltsbeiordnung für denjenigen, der als Vater festgestellt werden soll, jedenfalls nicht, bevor nicht zumindest das zur positiven Vaterschaftsfeststellung ohnehin unerläßliche Abstammungsgutachten vorliegt.

3. Allein die üblichen Beratungs- und Vertretungsmöglichkeiten des Kindes durch das Jugendamt geben keinen Grund, dem Beklagten aus Gründen der Waffengleichheit in einem einfach gelagerten Kindschaftsverfahren von vornherein einen Rechtsanwalt beizuordnen.

4. Eine im Annexverfahren verfolgte Regelunterhaltsklage kann letztlich keine über die Vaterschaftsfeststellung als Grundlage hinausreichende Bedeutung haben, da möglicherweise beratungsbedürftige Einwendungen des Beklagten zu seiner Leistungsfähigkeit schon wegen § 653 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst im Rahmen einer Abänderungsklage nach § 654 ZPO geltend gemacht werden können. Rechtsbeschwerde ist beim BGH unter dem Aktenzeichen: XII ZB 27/07 anhängig.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 3 WF 7/07

In der Familiensache

wegen Feststellung der Vaterschaft und Zahlung des Regelbetrags nach § 653 ZPO

hat der 3. Zivilsenat des Kammergerichts - Senat für Familiensachen - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Becker, die Richterin am Kammergericht Haas und den Richter am Kammergericht Nielsen am 31. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten vom 22. Dezember 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee - Familiengericht - vom 28. November 2006 zu 15 F 3854/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Durch den angefochtenen Beschluss ist dem Antrag des Beklagten, der von der am 17. Februar 1994 ehelich geborenen Klägerin nach erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft des (damaligen) Ehemannes der Kindesmutter mit Hilfe des Jugendamts auf Feststellung der Vaterschaft und Zahlung des Regelbetrags nach § 653 ZPO in Anspruch genommen wird, ihm Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung im Feststellungsverfahren zu bewilligen, stattgegeben, sein Antrag vom 15. August 2006 aber, ihm auch seinen Dresdner Rechtsanwalt zu den im Schriftsatz vom 15. November 2006 näher spezifizierten Bedingungen beizuordnen, jedoch zurückgewiesen worden.

Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig, da die Notfrist von einem Monat nach den §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingehalten ist.

Die Beschwerde des Beklagten ist allerdings unbegründet und mit den im Hinweis vom 12. Januar 2007 angesprochenen Kostenfolgen zurückzuweisen, da auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz vom 29. Januar 2007 nicht festgestellt werden kann, dass hier ausnahmsweise die Voraussetzungen zur Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten nach § 121 Abs. 2 ZPO vorliegen.

Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine anwaltliche Vertretung der Parteien vor dem Familiengericht in einem Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft oder deren Nichtbestehen gemäß § 78 Abs. 2 ZPO nicht vorgeschrieben ist. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist regelmäßig auch nicht erforderlich, weil die in der zitierten Kommentierung von Zöller / Philippi (auch in 25. Auflage zu § 121 ZPO Rn. 6) seit langem vertretene Auffassung, der sich auch andere Oberlandesgerichte angeschlossen haben (zuletzt OLG Frankfurt in NJW 2007, 230 ff.), von dem für Kindschaftssachen in Berlin zuständigen 3. Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur FamRZ 1994, 1937 m. w. N. NJW-FER 1997, 209 m. w. N.) jedenfalls nicht in der Allgemeinheit geteilt wird, wonach in Kindschaftssachen generell schon wegen der Bedeutung der Statusfeststellung mit ihren weitreichenden Folgen für die Parteien grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen sei.

Ob eine anwaltliche Vertretung erforderlich erscheint, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalles, wobei Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache sowie die Person des Antragstellers, insbesondere seine Gewandtheit zu berücksichtigen sind, sodass es auch in Kindschaftssachen stets einer am Maßstab des § 121 Abs. 2 Alternative 1 ZPO orientierten Einzelfallprüfung bedarf (so auch z. B. OLG Köln, FamRZ 1995, 1126; OLG Schleswig, FamRZ 1993, 197; OLG Schleswig, FamRZ 1993, 197; MDR 2003, 393).

Gerade in einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich eine Notwendigkeit der Anwaltsbeiordnung für denjenigen, der als Vater festgestellt werden soll, jedenfalls nicht, bevor nicht zumindest das zur positiven Vaterschaftsfeststellung ohnehin unerläßliche Abstammungsgutachten vorliegt, das nach derzeitigem Stand der Wissenschaft regelmäßig auch zu ganz eindeutigen und selbst bei Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung unangreifbaren Feststellungen führt; ob für Vaterschaftsanfechtungsverfahren wegen der dort zu beachtenden besonderen Fristenproblematik oder in sonstigen Kindschaftssachen eine Anwaltsbeiordnung eher geboten ist, bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung. Damit ein solches Abstammungsgutachten eingeholt wird, muss der aufgrund von Angaben der Kindesmutter zu einem Geschlechtsverkehr innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit als potentieller Vater in Anspruch genommene Beklagte an sich gar nichts veranlassen, außer zu dem vom Familiengericht zu beauftragenden Gutachter zu gehen, wodurch er zum einen seiner Verpflichtung aus § 372 a Abs. 1 ZPO entsprechen würde, zum anderen aber, um im Eigeninteresse die jedem Abstammungsgutachten - natürlich auch bei unstreitigem Geschlechtsverkehr im relevanten Empfängniszeitraum - innewohnende Chance zu nutzen, als Erzeuger des fraglichen Kindes definitiv ausgeschlossen zu werden. Insoweit liegt gerade bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren eine Besonderheit vor, die die Notwendigkeit einer Anwaltsbeiordnung noch vor Vorliegen des unverzichtbaren Abstammungsgutachtens als ausgesprochen fernliegend erscheinen lässt, denn selbst bei völliger Untätigkeit oder unzureichender Einlassung könnte der Beklagte gemäß den §§ 612 Abs. 4, 640 Abs. 1 ZPO nicht einmal durch Versäumnisurteil als Vater festgestellt worden. Da es auch für die Entscheidung zur Einholung des Abstammungsgutachtens letztlich auf sein Vorbringen gar nicht abschließend ankommt, kann dahinstehen, dass der um Beiordnung bemühte Beklagtenvertreter nun ausgesprochen pauschal meint, dass sein Mandant als juristischer Laie in Wort und Schrift ungewandt und geschäftlich unerfahren sei, so dass es ihm schwer falle, ihm wichtige Fragen hinreichend klar zu formulieren. Dass der mittlerweile fast 50-jährige, also zumindest lebenserfahrene und verheiratete Beklagte nicht weiß, worauf es für die Abstammung eines Kindes ankommen soll, ist nicht ersichtlich. Im Rahmen der dem Familiengericht in Kindschaftssachen obliegenden Amtsermittlungspflicht (§§ 616 Abs. 1, 640 Abs. 1 ZPO) müssen aber ohnehin, damit abschließend geklärt werden kann, ob die Vaterschaft gerichtlich festgestellt werden kann oder ob dem schwerwiegende Zweifel entgegenstehen (§ 1600 d Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB), im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte zu den Aufklärungspflichten in Kindschaftssachen (vgl. BGH, FamRZ 1991, 426 ff.; BGH, FamRZ 1986, 663 ff.; BayObLG, FamRZ 1999, 1363 ff.; OLG Zweibrücken, OLGR 2005, 788 f.) selbst bei nicht weiter substantiierten Mehrverkehrseinreden wegen der Bedeutung der Statusfeststellung primär alle zur Feststellung der biologischen Vaterschaft zur Verfügung stehenden, eine weitere Aufklärung versprechenden Beweismittel erhoben werden, so dass vor Ausschöpfung der insoweit ganz im Vordergrund stehenden medizinisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten letztlich auch gar kein Rückgriff auf eine nach den bisherigen Angaben der Mutter in Betracht kommende Vaterschaftsvermutung nach § 1600 d Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BGB genommen werden kann.

Ob im Einzelfall unter Berücksichtigung konkreter fehlerhafter Verfahrensweisen des mit der Sache befassten Amtsgerichts oder des eingeschalteten Gutachters bzw. wegen spezieller Einwendungen gegen die Begutachtungsanordnung oder das vorliegende Begutachtungsergebnis später eine Anwaltsbeiordnung gerechtfertigt sein kann, braucht hier derzeit nicht entschieden zu werden, da eine solche theoretisch mögliche Konstellation keine Veranlassung geben kann, dem Beklagten bereits jetzt einen Rechtsanwalt beizuordnen, der von Dresden aus zu dem vom Familiengericht für den 20. Februar 2007 vorgesehenen Termin mit besonderem Kostenaufwand anreisen will, obwohl - zumal für einen rechtlich so beschlagenen Berater - klar sein müsste, dass in diesem nicht mehr passieren wird, als dass die Kindesmutter und der Beklagte persönlich angehört werden und sodann - unabhängig von Anträgen eines Beklagtenvertreters - der notwendige Beweisbeschluss zur Einholung des Abstammungsgutachtens ergehen wird, dem der Beklagte schon im Eigeninteresse Folge leisten sollte. Dass eine bemittelte Partei, die - anders als der von SGB II-Leistungen lebende Beklagte - ihren Rechtsanwalt einschließlich der Anreisekosten selbst bezahlen müsste, bei sachgerechter Überlegung im jetzigen Verfahrensstadium auf den Beistand eines Rechtsanwalts Wert legen würde, um effektiveren Rechtsschutz zu erlangen, kann unter den gegebenen Umständen nicht angenommen werden.

Es steht dem Beklagten natürlich frei, sich nach Vorliegen des Abstammungsgutachtens mit konkreten Fragen zur Nachbeantwortung durch den Gutachter oder mit substantiiertem Sachvortrag zu einer etwaigen Befangenheit des Sachverständigen erneut an das Familiengericht zu wenden, um unter Hinweis auf die dann eben gegebenen besonderen Umstände eine Rechtsanwaltsbeiordnung zu erreichen.

Da es nach zutreffender Auffassung stets auf die Einzelfallumstände ankommen muss, kann dahinstehen, aus welchen Gründen in anderen der Amtsermittlungspflicht unterliegenden Verfahren eine Rechtsanwaltsbeiordnung erfolgt ist. Allein die üblichen Beratungs- und Vertretungsmöglichkeiten des Kindes durch das Jugendamt geben aus der Sicht des Senates keinen Anlass, dem Beklagten aus Gründen der Waffengleichheit in dem bisher einfach gelagerten Kindschaftsverfahren von vornherein einen Rechtsanwalt beizuordnen. Auch die im Annexverfahren verfolgte Regelunterhaltsklage kann letztlich keine über die Vaterschaftsfeststellung als Grundlage hinausreichende Bedeutung haben, da möglicherweise beratungsbedürftige Einwendungen des Beklagten zu seiner Leistungsfähigkeit schon wegen § 653 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst im Rahmen einer Abänderungsklage nach § 654 ZPO geltend gemacht werden können.

Der Senat hat nicht durch den an sich gemäß § 568 Satz 1 ZPO zuständigen Einzelrichter entschieden, sondern nach Übertragung gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO in Senatsbesetzung, da im Hinblick auf die bekannte, mit generalisierender Betrachtungsweise abweichende OLG-Rechtsprechung und die zitierte Kommentarliteratur die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Rechtsvereinheitlichung angebracht ist.

Ende der Entscheidung

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