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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.07.2005
Aktenzeichen: 3 Ws 323/05
Rechtsgebiete: StPO, RVG


Vorschriften:

StPO § 68 b
StPO § 141
RVG § 48 Abs. 5 Satz 1
RVG § 61 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 3 Ws 323/05

In der Strafsache gegen

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz,

hier nur betreffend das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des dem Zeugen W. beigeordneten Rechtsanwalts S.,

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 18. Juli 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 18. Mai 2005 wird verworfen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Am 20. Verhandlungstag der Hauptverhandlung gegen Boußonville, dem 8. Dezember 2004, meldeten sich der geladene Zeuge W. und als Zeugenbeistand Rechtsanwalt S. Letzterer beantragte seine Beiordnung. Der Vorsitzende ordnete daraufhin dem Zeugen Rechtsanwalt S gemäß § 68 b StPO als Zeugenbeistand bei. Rechtsanwalt S beantragte mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2004, seine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) wie folgt festzusetzen:

Grundgebühr gem. VV 4100, 4101 162 Euro Gerichtliches Verfahren gem. VV 4112, 4113 151 Euro Terminsgebühr gem. VV 4114, 4115 263 Euro Post-/Telekommunikationspauschale gem. VV 7002 20 Euro 16 % Umsatzsteuer gem. VV 7008 95,36 Euro Gesamtsumme 691,36 Euro.

Nach dem Vortrag Rechtsanwalt S. hatte der Zeuge W. ihm am 6. Dezember 2004 das Mandat als Zeugenbeistand übertragen und am 7. Dezember 2004 hatte der Rechtsanwalt den Zeugen in der Haft aufgesucht.

Mit Beschluß vom 24. März 2005 setzte der Kostenbeamte des Landgerichts insgesamt lediglich 191,40 Euro als aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung fest. Zur Begründung führte er aus, daß die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung anwendbar sei, da Rechtsanwalt S. in vorliegender Sache bereits im April 2004 als Zeugenbeistand tätig gewesen und seine Beiordnung vom 8. Dezember 2004 sich nur auf die Dauer der Vernehmung in der Verhandlung von demselben Tage beschränkt habe. Daher sei nur eine Gebühr in Höhe von 150,-- Euro (§§ 83 Abs. 1, 97, 95 zweiter Halbsatz BRAGO) zuzüglich 15,-- Euro Postpauschale und 26,40 Euro Mehrwertsteuer erstattungsfähig. Nach dem Vernehmungsprotokoll vom 23. April 2004 ist der Zeuge W. an diesem Tage durch die Staatsanwaltschaft in vorliegendem Verfahren in Anwesenheit von Rechtsanwalt S. als Zeugenbeistand vernommen worden.

Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts hat die Strafkammer des Landgerichts durch die angefochtene Entscheidung den Beschluß vom 24. März 2005 aufgehoben und die Vergütung entsprechend der Kostenrechnung in einer Gesamthöhe von 691,36 Euro festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin als Vertreterin der Landeskasse ist unbegründet.

1. Zutreffend hat die Strafkammer das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz angewendet. Das Kammergericht hat in seinem Beschluß vom 17. Januar 2005 - (1) 2 StE 10/03-2 (4/03) - für den Fall der Beiordnung eines Pflichtverteidigers, der zuvor Wahlverteidiger gewesen ist, ausgeführt, § 61 Abs. 1 RVG sei dahin auszulegen, daß auf den Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung abzustellen sei [Rechtspfleger 2005, 276; RVGreport 2005, 186 f]. Dies ist inzwischen die einhellige Auffassung der Oberlandesgerichte (vgl. u. a. OLG Jena und OLG Frankfurt, beide in RVGreport 2005, 221; OLG Schleswig NJW 2005, 234). Vorliegend erfolgte die Beiordnung am 8. Dezember 2004, mithin nach dem Stichtag des § 61 Abs. 1 RVG, dem 1. Juli 2004. Diese Rechtsprechung gilt auch für die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68 b StPO, denn ebenso wie für die Beiordnung nach § 141 StPO ist für die Beiordnung nach § 68 b StPO Voraussetzung, daß das Wahlmandat geendet hat; damit steht es als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Übergangsrechts nicht mehr zur Verfügung (anders für die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Beistand eines Nebenklägers: KG, Beschluß vom 9. Juni 2005 - 4 Ws 47/05; KG, Beschluß 13. Juni 2005 - 5 Ws 253/05 -).

2. Soweit die Bezirksrevisorin des Landgerichts zu bedenken gibt, ob für den Fall, daß das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz anwendbar wäre, nicht ausschließlich die Verfahrensgebühr VV 4302 Ziff. 3 als Einzelgebühr für eine andere nicht in den Nummern VV 4300 oder 4301 erwähnte Beistandsleistung vergütet werden sollte, ist ihr entgegenzuhalten, daß gemäß Teil 4 Strafsachen, Vorbemerkung 4 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses [Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2 RVG)] in Verbindung mit Abschnitt 1 des Teiles 4 Strafsachen des Vergütungsverzeichnisses unter anderem für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Beistand eines Zeugen die Vorschriften für die Gebühren eines Verteidigers entsprechend anzuwenden sind, daher der als Beistand beigeordnete Rechtsanwalt für seine Tätigkeit die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhält (vgl. Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl., VV Teil 4 Vorbem. 4 Rdn. 22 (S. 678); Hartung in Hartung/Römer-mann, RVG VV Teil 4 Rdn. 27; Volpert in RVG, Burhoff Hrg., Vorbemerkung 4.3 Rdz. 16 (S. 835; s. auch KG, Beschluß vom 29. Juni 2005 - 5 Ws 164/05 -; Burhoff, RVGreport 2004, 16; siehe auch Bundestagsdrucksache 15/1971 S. 145, abgedruckt bei Göttlich/ Mümmler, RVG, Stichwort Beistand Ziff. 3 [für Zeugen und Sachverständige] S. 128 f.). Dies meint auch Madert in Gerold/ Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 16. Aufl., VV 4100 bis 4105 Rdn. 33 (S. 1309); soweit er zu VV 4300 bis 4304 (S. 1365 f) Rdz. 58 allerdings dem gegenüber anführt, eines der Beispiele für die Nr. 3 der VV 4302 sei die Vergütung eines Rechtsanwalts, der nach § 68 b StPO einem Zeugen beigeordnet worden ist, ist diese Auffassung seit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes nicht mehr haltbar. Gleiches gilt für die Kommentierung in Hartmann, Kostengesetze 35. Aufl., VV 4302 Rdn. 2 (S. 1877), auf die sich die Bezirksrevisorin bezieht, sowie die Entscheidung des OLG Düsseldorf in JurBüro 2001, 26 f.).

3. Soweit die Beschwerde meint, die Pauschale der VV Nr. 7002 könnte deshalb nicht erstattungsfähig sein, weil die Beiordnung lediglich die Dauer der Vernehmung des Zeugen umfasse, steht dem entgegen, daß aus den oben genannten Gründen die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Beistand der des Pflichtverteidigers gleichgestellt ist und sich sein Vergütungsanspruch gemäß § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG auch auf seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage, erstreckt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Ende der Entscheidung

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