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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 4 VAs 47/06
Rechtsgebiete: StVollzG, EGGVG, GVG, StVollstrO


Vorschriften:

StVollzG §§ 109 ff.
EGGVG §§ 23 ff.
GVG § 17 a Abs. 2
StVollstrO § 26 Abs. 3 Satz 3
1. Lehnt die oberste Vollzugsbehörde die Verlegung eines in einer Vollzugsanstalt ihres Zuständigkeitsbereiches einsitzenden Strafgefangenen in ein anderes Bundesland ab, so ist dagegen der Rechtsweg zur Strafvollstreckungskammer nach den §§ 109 ff. StVollzG eröffnet. Ein auf die §§ 23 ff. EGGVG gestützter Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist deshalb entsprechend § 17 a Abs. 2 GVG an die zuständige Strafvollstreckungskammer zu verweisen.

2. Der Rechtsweg zum Oberlandesgericht nach den §§ 23 ff. EGGVG ist hingegen dann eröffnet, wenn die oberste Vollzugsbehörde des Bundeslandes, in das der Strafgefangene verlegt zu werden begehrt, die nach § 26 Abs. 3 Satz 3 StVollstrO erforderliche Zustimmung nicht erteilt.


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 4 VAs 47/06

In der Justizverwaltungssache

betreffend (...) , geboren am (...) in (...), zurzeit in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt (...), Gef.B.Nr. (...),

wegen Verlegung in eine Vollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 10. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Senatsverwaltung für Justiz vom 28. April 2006 wird an die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin verwiesen.

Gründe:

Der Antragsteller verbüßt zurzeit in der Justizvollzugsanstalt (...) eine Freiheitsstrafe; das Strafende ist auf den (...) 2009 notiert. Er erstrebt die Verlegung in eine Vollzugsanstalt des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Senatsverwaltung für Justiz seinen Antrag, der Verlegung zuzustimmen und das Land Mecklenburg-Vorpommern um dessen Zustimmung zu ersuchen, abgelehnt. Der dagegen gerichtete, auf die §§ 23 ff EGGVG gestützte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nicht zulässig. Der Senat verweist ihn nach Anhörung des Betroffenen entsprechend § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin.

1. Der Senat ist für die Entscheidung über den Antrag nicht zuständig. Der subsidiäre Rechtsweg nach den §§ 23 ff EGGVG ist nur eröffnet, wenn - anders als im vorliegenden Fall - keine andere Möglichkeit besteht, eine gerichtliche Entscheidung zu erlangen (§ 23 Abs. 3 EGGVG). Ziel der Regelung dieser Vorschrift ist es, in Erfüllung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Entscheidungskompetenz der ordentlichen Gerichte aus Gründen der Sachnähe zu erweitern (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 6. Dezember 2004 - 4 VAs 65/04 - m.w.Nachw.).

a) Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Beschluss vom 12. Februar 1990 - 4 VAs 14/89 -), handelt es sich bei der Verlegung eines Gefangenen abweichend vom Strafvollstreckungsplan nach § 8 StVollzG um eine Maßnahme zur Regelung einer Angelegenheit auf dem Gebiet des Strafvollzuges, wenn der Gefangene im Zuständigkeitsbereich der die Ablehnung aussprechenden obersten Vollzugsbehörde - in Berlin die Senatsverwaltung für Justiz - einsitzt. Gegen solche Maßnahmen im Vollzug gegen Erwachsene ist gemäß den §§ 109 Abs. 1, 110 StVollzG der Rechtsweg zu den Strafvollstreckungskammern eröffnet. § 109 StVollzG, der seinem sachlichen Gehalt nach den §§ 23 Abs. 1 und 2, 24 EGGVG entspricht, regelt umfassend den gerichtlichen Rechtsschutz für den Bereich des Strafvollzuges und damit für die Rechtsbeziehungen, die sich zwischen dem Staat und dem Gefangenen aufgrund des StVollzG ergeben. Der Rechtsweg nach den §§ 23 ff EGGVG ist insoweit nicht eröffnet (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2004 aaO m.w.Nachw.) Das gilt im Fall der Verlegung unabhängig davon, ob der Gefangene innerhalb desselben Bundeslandes oder - wie hier - in ein anderes Bundesland verlegt zu werden begehrt (vgl. Brandenburgisches OLG ZfStrVo 2004, 179; Thüringer OLG, Beschluss vom 23. Februar 2005 - 1 VAs 1/05 - bei juris; Arloth in Arloth/Lückemann, StVollzG, § 8 Rdnr. 10, § 153 Rdnr. 7; Callies/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 153 Rdnr. 2; Feest/Joester in Feest, StVollzG 5. Aufl., § 8 Rdnr. 19; Rotthaus/Freise in Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG 4. Aufl., § 8 Rdnr. 13; Jabel in Pohlmann/Jabel/Wolf, StVollstrO 8. Aufl., § 26 Rdnr. 21). In beiden Fällen handelt es sich um eine Maßnahme im Vollzug der Strafe, wenn - wie hier - die Verlegung nach dem Strafantritt beantragt wird und damit allein die Zuständigkeit der Vollzugsbehörde gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StVollstrO (vgl. Isak/ Wagner, Strafvollstreckung, 7. Aufl., Rdnrn. 87, 89; Jabel in Pohlmann/Jabel/Wolf aaO § 26 Rdnr. 9) gegeben ist. Die Entscheidung der Vollzugsbehörde des Landes, in dem der Gefangene einsitzt, hat im Übrigen gemäß § 8 StVollzG nach denselben Grundsätzen zu erfolgen, die für eine Verlegung innerhalb desselben Bundeslandes gelten. Es kommt deshalb für die Frage, welcher Rechtsweg eröffnet ist, auch nicht darauf an, dass es für das Verfahren der Verlegung in ein anderes Bundesland - im Gegensatz zur Verlegung innerhalb desselben Landes, für das § 153 StVollzG gilt - keine gesetzliche Normierung gibt, sondern lediglich in § 26 Abs. 2 StVollstrO das Erfordernis des Einverständnisses der obersten Vollzugsbehörden der beteiligten Länder geregelt ist.

Der Rechtsweg nach den §§ 23 ff EGGVG ist hingegen dann eröffnet, wenn die oberste Vollzugsbehörde desjenigen Bundeslandes, in das der Gefangene verlegt zu werden begehrt, die nach § 26 Abs. 3 Satz 3 StVollstrO erforderliche Zustimmung nicht erteilt. Diese Entscheidung stellt keine Maßnahme im Vollzug der Strafe, sondern einen Justizverwaltungsakt anderer Art auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, mithin eine Justizverwaltungssache dar (vgl. KG ZfStrVo 1995, 112, 113; Beschluss vom 5. Februar 1996 - 4 VAs 96/95 -; herrschende Meinung, vgl. etwa BGH NStZ-RR 2002, 26; Hanseatisches OLG Hamburg ZfStrVo 2005, 175 f; OLG Hamm ZfStrVo 2002, 315; 2004, 110, 111; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 11. Februar 2002 - 2 VAs 1/02 - bei juris; OLG Rostock StraFo 2000, 33, 34; OLG Stuttgart NStZ 1997, 103, 104; Callies/Müller-Dietz aaO § 109 Rdnr. 8; Feest/Joester in Feest aaO § 8 Rdnr. 19; Rotthaus/ Freise in Schwind/Böhm/Jehle aaO § 8 Rdnr. 13). Das ergibt sich bereits daraus, dass die Strafe in dem um Aufnahme ersuchten Bundesland (noch) nicht vollstreckt wird (vgl. OLG Rostock aaO; OLG Stuttgart aaO).

b) Entgegen dem Vorbringen des Betroffenen führt die Verweisung der Sache an die zuständige Strafvollstreckungskammer entsprechend § 17 a Abs. 2 GVG nicht zu einer "Verkürzung des nachgesuchten Rechtsschutzes". Die gebotene gerichtliche Nachprüfbarkeit der in dem mehrstufigen Verfahren nach § 26 Abs. 2 StVollstrO ergangenen angefochtenen Entscheidung ist durch das Verfahren nach den §§ 109 ff StVollzG gewährleistet. Der Betroffene kann zudem im Anschluss an die Entscheidung der zuständigen Strafvollstreckungskammer über seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Rechtsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG erheben, über die das nach § 117 StVollzG zuständige Oberlandesgericht - in Berlin das Kammergericht - zu entscheiden hat. Der Senat ist nach dem Geschäftsplan des Kammergerichts nicht für eine Entscheidung über eine solche Rechtsbeschwerde zuständig.

2. Der Senat verweist die Sache nach alldem in entsprechender Anwendung des § 17 a Abs. 2 GVG an die nach § 110 Satz 1 StVollzG zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin, die auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben wird (§ 17 b Abs. 2 GVG in entsprechender Anwendung).

Ende der Entscheidung

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