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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.05.2004
Aktenzeichen: 4 Ws 7/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 369
StPO § 369 Abs. 4
Eine Beweisaufnahme nach § 369 StPO ist entbehrlich, wenn das Wiederaufnahmegericht den für einen gesetzlichen Wiederaufnahmegrund schlüssigen Sachvortrag des Antragstellers bereits aufgrund des Antragsvorbringens für genügend bestätigt erachtet. In diesem Fall bedarf es ausnahmsweise keiner Anhörung nach § 369 Abs. 4 StPO.
4 Ws 7/04

In der Strafsache

wegen versuchter räuberischer Erpressung u. a.

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 10. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 10. November 2003 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 22. Mai 1992 - 522 - 29/92 - unter anderem vom Vorwurf freigesprochen, am 10. Juni 1990 gemeinschaftlich mit anderen Personen erfolglos versucht zu haben, von dem Zeugen V. 75.000,-- DM zu erpressen, wobei der Angeklagte, um der unberechtigten Forderung Nachdruck zu verleihen, den Zeugen mit einer Pistole, eine der anderen Personen den Zeugen mit einem Springmesser bedroht haben soll. Nachdem der Zeuge seine ursprünglichen belastenden Angaben zurückgenommen hatte, war dem Angeklagten ein strafbares Verhalten nicht nachzuweisen. Zwischenzeitlich hat der Zeuge eingeräumt, vorsätzlich falsch zu Gunsten des Anklagten ausgesagt zu haben, und ist deswegen vom Amtsgericht Tiergarten rechtskräftig wegen falscher uneidlicher Aussage verurteilt worden. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht durch Beschluss vom 31. Januar 1996 die Wiederaufnahme des Verfahrens für zulässig erklärt. Durch den angefochtenen Beschluss hat es, nachdem der Termin zur Hauptverhandlung aufgehoben worden war, gemäß § 370 Abs. 2 StPO die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet. Die zulässige sofortige Beschwerde des Angeklagten (§§ 372 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO) hat keinen Erfolg.

Die Strafkammer hat es unterlassen hat, vor ihrer Entscheidung nach § 370 StPO die Staatsanwaltschaft und den Angeklagten unter Bestimmung einer Frist zu weiterer Erklärung aufzufordern (§ 369 Abs. 4 StPO). Eine solche Aufforderung ist nach herrschender Meinung grundsätzlich zwingende Voraussetzung für eine Entscheidung nach § 370 StPO (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Auflage, § 369 Rdn. 13; Schmidt in Karlsruher Kommentar, StPO 5. Auflage, § 369 Rdn. 12). § 369 Abs. 4 StPO findet jedoch vorliegend keine Anwendung.

§ 369 StPO regelt die nach Erlass des Zulassungsbeschlusses der Wiederaufnahme vorzunehmende Beweisaufnahme zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 370 StPO. Eine Beweiserhebung erfolgt jedoch lediglich, soweit sie erforderlich ist. Sie ist entbehrlich, wenn das Wiederaufnahmegericht den für einen gesetzlichen Wiederaufnahmegrund schlüssigen Sachvortrag des Antragstellers bereits aufgrund des Antragsvorbringens für genügend bestätigt erachtet.

Im hiesigen Verfahren liegt der Wiederaufnahmegrund der rechtskräftigen Verurteilung eines Zeugen wegen uneidlicher Falschaussage (§ 362 Nr. 2 StPO) vor. Da die Antragstellerin ein rechtskräftiges Urteil vorgelegt hat, aus dem die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags, insbesondere das Vorliegen des Verfahrensmangels des § 362 Nr. 2 StPO, ohne weiteres folgt, hat sich die Beweisaufnahme erübrigt (vgl. Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl., § 369 Rdn. 4).

Der ursächliche Zusammenhang zwischen der in § 362 Nr. 2 StPO bezeichneten Handlung und dem Urteil wird gesetzlich vermutet und ist lediglich dann widerlegt, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die Aussage des Zeugen auf die Entscheidung Einfluss gehabt hat (vgl. BGHSt. 19, 365). Dies ist vorliegend zweifellos nicht der Fall, weil der Freispruch unter anderem auf den Angaben des Zeugen V. beruht hat, er könne sich an die Tat nicht mehr erinnern. Die endgültige Entscheidung über die Glaubwürdigkeit des Zeugen, die mit der Beschwerdebegründung angegriffen wird, kann grundsätzlich nur in einer neuen Hauptverhandlung getroffen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Juli 2001 m.w.Nachw.; Gössel a.a.O. § 370 Rdn. 18).

Entgegen § 369 Abs. 4 StPO bedurfte es hier ausnahmsweise keiner Anhörung der Beteiligten. Die Erklärung nach dieser Bestimmung bezieht sich auf die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme (vgl. Gössel a.a.O. § 369 Rdn. 27). Es ist lediglich sicherzustellen, dass den Beteiligten vor der Entscheidung nach § 370 StPO rechtliches Gehör gewährt worden ist. Das ist vorliegend ausreichend geschehen. Die Verteidigung hat nach Akteneinsicht mit Schriftsätzen vom 24. Juni und 3. Juli 2002 zu der Frage einer umfänglichen Beweisaufnahme - in einer Hauptverhandlung - ausführlich Stellung genommen. Ferner hat der Vorsitzende der 20. Strafkammer in der Woche vor dem ursprünglich anberaumten Hauptverhandlungstermin am 10. November 2003 mit dem Verteidiger des Angeklagten telefonisch Rücksprache gehalten, ob der von ihm angekündigte Beschluss zur Begründetheit der Wiederaufnahme am Tag der Hauptverhandlung entgegengenommen und auf Rechtsmittel und Ladungsfristen verzichtet werde. Daraufhin hat der Verteidiger am Tag der Hauptverhandlung erklärt, der Angeklagte wolle gegen den angekündigten Beschluss Rechtsmittel einlegen. Der Angeklagte hat daher die Gelegenheit gehabt, sich zu der Frage der Begründetheit des Wiederaufnahmeersuchens zu äußern. Das in der Beschwerdebegründung beanstandete Aussageverhalten des Zeugen V. wird in der Hauptverhandlung zu klären sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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