Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 13.07.2001
Aktenzeichen: 5 U 47/01
Rechtsgebiete: UWG, RBerG, 2. VO zur Ausführung des RBerG, BRAO


Vorschriften:

UWG § 1
RBerG Art. 1 § 1
2. VO zur Ausführung des RBerG § 1 Abs. 3
BRAO § 43 b
1. § 1 Abs. 3 2.AVO ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Werbemöglichkeiten für einen Rechtsbeistand in der Weise bestehen, wie das gemäß § 43b BRAO für Rechtsanwälte geregelt ist.

2. Wie dem Anwalt sind dem Rechtsbeistand nur noch irreführende Werbung und die direkte Mandats-/Auftragswerbung untersagt.

3. Um unzulässige Werbung um ein Einzelmandat handelt es sich, wenn ein Rechtsberater seine Dienste in einem direkten Anschreiben einer Person anbietet, auf die er in seiner weiteren Tätigkeit als Erbensucher aufmerksam geworden ist. Das gilt auch, wenn er auf seine Zulassung als Rechtsberater nicht eigens hinweist, sondern lediglich rechtsbesorgende Tätigkeiten andient.

4. Er tritt damit in Wettbewerb zu Rechtsanwälten.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 47/01

Verkündet am: 13. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht Grass als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 19. Dezember 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die einstweilige Verfügung vom 14. November 2000 wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsgegner wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs folgende Dienstleistungen anzubieten:

a) den Entwurf des Erbscheinsantrages und die Übersendung des Entwurfs an einen Notar zur Beurkundung und Unterzeichnung durch einen Erben;

b) die Einreichung des beurkundeten Erbscheinsantrags beim Nachlassgericht unter Beifügung der notwendigen Unterlagen;

c) die Abgabe der Erbschaftssteuererklärung;

d) das Betreiben der Auseinandersetzung über den Nachlass,

sofern dies geschieht wie in dem nachfolgend in Ablichtung beigefügten Schreiben vom 28. September 2000 an Herrn.

Der Antragsgegner hat die Urteilsgebühren des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Übrigen Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin 1/4 und der Antragsgegner 3/4 zu tragen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin ist eine Partnerschaftsgesellschaft, deren Mitglieder Rechtsanwälte in Berlin sind. Der Antragsgegner betätigt sich als Erbensucher. Er ist Dipl.-Kfm. und hat die Erlaubnis des Präsidenten des Landgerichts zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten in als Rechtsbeistand im Nachlassangelegenheiten.

Der Antragsgegner schrieb im Rahmen der Erbenermittlung nach S M geb. O Herrn mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Schreiben vom 28. September 2000 an.

Die Antragstellerin hat die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 14. November 2000 erwirkt, der zufolge dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die folgenden Dienstleistungen anzubieten und/oder zu erbringen:

a) den Entwurf des Erbscheinsantrages und die Übersendung des Entwurfs an einen Notar zur Beurkundung und Unterzeichnung durch einen der Erben;

b) die Einreichung des beurkundeten Erbscheinsantrags beim Nachlassgericht unter Beifügung der notwendigen Unterlagen;

c) die Abgabe der Erbschaftssteuererklärung;

d) das Betreiben der Auseinandersetzung über den Nachlass.

Nachdem der Antragsgegner Widerspruch eingelegt hat, hat das Landgericht die einstweilige Verfügung gemäß dem angefochtenen Urteil bestätigt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Berufung. Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, nachdem sie den weitergehenden Antrag zurückgenommen hat,

was erkannt worden ist.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Antragsgegners kann keinen Erfolg haben, der über die von der Antragstellerin vorgenommene Einschränkung auf die konkrete Verletzungsform hinausgeht. Der Antragstellerin steht ein im Wege der einstweiligen Verfügung sicherbarer Anspruch auf Unterlassung der im Tenor im Einzelnen beschriebenen Vorgehensweise des Antragsgegners zu.

Die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Berlin war in der Berufungsinstanz im Hinblick auf § 512 a ZPO nicht mehr zu problematisiert.

Das Anbieten der im Verbotstenor aufgeführten Dienste des Antragsgegners in der Form des Schreibens an Herrn O verletzt § 1 Abs. 3 der 2. Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes (2. AVO) und gibt der Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG.

§ 1 Abs. 3 AVO ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Werbemöglichkeiten für einen Rechtsbeistand in der Weise bestehen, wie dies gemäß § 43 b BRAO für Rechtsanwälte geregelt ist (vgl. Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., 2. AVO Rdnr. 31). Es ist anerkannt, dass § 43 b BRAO die Rechte aus Art. 12 GG in zulässiger Weise einschränkt. Damit ist dem Rechtsbeistand wie dem Rechtsanwalt nur noch die irreführende Werbung sowie die direkte Mandats-/Auftragswerbung untersagt (vgl. Rennen/Caliebe a. a. O.; Hensser/Prütting/ Eylmann, BRAO, § 43 b Rdnrn. 9 - 11). Ein Direktmarketing ist dem Anwalt und damit auch dem Rechtsbeistand untersagt. Dieses Verbot zielt auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Zwar sind Fälle denkbar, in denen die Bemühungen um ein Einzelmandat tolerabel erscheinen und sogar für den Mandanten Nutzen bringen können. In aller Regel wird allerdings ein unaufgefordertes Angebot zur Übernahme eines Mandats als Überrumpelungsversuch oder zumindest als unangemessenes Bedrängen empfunden. Die Gefahr, dass in dieser Weise jemandem auf unlautere oder zumindest bedenkliche Weise anwaltliche Dienstleistungen - also auch solche eines Rechtsbeistands - aufgedrängt werden, die er nicht oder jedenfalls nicht von diesem Auftragnehmer in Anspruch nehmen will, wird im Übrigen nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland als so hoch angesehen, dass nahezu überall gezielte Werbung um ein Einzelmandat als berufswidrig gilt (vgl. Eylmann a. a. O. Rdnr. 11). Eine solche verbotene Form des Direktmarketing nimmt der Antragsgegner vor, wenn er an Personen, auf die er in seiner Tätigkeit als Erbensucher aufmerksam geworden ist, in der geschehenen Weise anschreibt. Dieses Anschreiben zielt auf einen konkreten Auftrag, die Dienste des Antragsgegners als Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen. Denn die im Tenor unter a) bis d) im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten kann er nur deshalb erbringen, weil er als Rechtsbeistand zugelassen ist. Bietet er diese Tätigkeiten an, verstößt er daher gegen das aus § 43 b letzter Halbsatz BRAO folgende Verbot, um einen konkreten Auftrag zu werben, nachdem bei dem potentiellen Mandanten bereits ein ihm bekannt gewordener akuter Beratungs- und/oder Vertretungsbedarf entstanden ist (vgl. OLG Stuttgart NJW 1997, 2529; Eylmann a. a. O. Rdnr. 44 ff.; Feuerig/Braun, BRAO 5. Aufl., § 43 b Rdnr. 25, 29). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Antragsgegner zwei Geschäfte besorgt und auch besorgen darf, nämlich die Tätigkeit als Erbensucher ebenso wie die Tätigkeit als Rechtsbeistand. Im Hinblick auf das in verfassungskonformer Auslegung gemäß § 43 b BRAO auch für Rechtsbeistände geltende eingeschränkte Werbeverbot darf es jedoch nicht zu einer Verquickung der Tätigkeiten insoweit kommen, dass der Antragsgegner wie geschehen seine Dienste als Erbensucher und zugleich als Rechtsbeistand anbietet. Mit letzterem verstößt er gegen das Werbeverbot. Dem steht nicht entgegen, dass er auf den Umstand, dass er als Rechtsbeistand durch die Präsidenten des Landgerichts Baden-Baden dort zugelassen ist, in seinem Schreiben nicht hinweist. Er versteht das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. April 1995 - 6 U 246/94 (Bl. 83 ff. d. A.) schlicht falsch, wenn er aus ihm herausliest, dass ein Anbieten rechtsberatender Tätigkeiten ihm dann nicht als Verstoß gegen das Werbeverbot ausgelegt werden kann, wenn er nicht eigens auf seine Zulassung als Rechtsbeistand hinweist. Das OLG Karlsruhe hat (UA 8 f.) darauf hingewiesen, dass es an sich nicht zu beanstanden ist, wenn sich der Antragsgegner unaufgefordert an ermittelte Erben wendet und ihnen seine Dienste (als Erbenermittler) gegen eine prozentuale Beteiligung am Ergebnis anbietet. Er dürfe jedoch in diesem Zusammenhang nicht an den Kunden herantreten und ihnen eine rechtsbesorgende Tätigkeit andienen. Dies hat er seinerzeit im Wesentlichen dadurch getan, dass er auf seine Zulassung als Rechtsbeistand hingewiesen hat. Vorliegend hat er diesen Hinweis zwar fortgelassen, aber die im Tenor unter a) bis d) aufgeführten Tätigkeiten angeboten, die Angehörigen rechtsberatender Berufe vorbehalten sind. Derartige rechtsbesorgende Tätigkeiten darf er im Hinblick auf das Werbeverbot auch dann nicht anbieten, wenn er auf seine Zulassung als Rechtsbeistand nicht hinweist. Das OLG Karlsruhe (UA 10) hat in diesem Zusammenhang aufgeführt, dass das Verbot der gezielten Werbung um Praxis, um das es hier geht, - also das unaufgeforderte Herantreten an potentielle Mandanten mit dem Ziel einer Geschäftsanbahnung - indessen dem Rechtsbeistand wie dem Rechtsanwalt nicht gestattet ist. Dieser zutreffenden Auffassung schließt sich der Einzelrichter an. Wie bereits oben angedeutet, ist das Verhalten des Antragsgegners auch nicht deshalb zu billigen, weil es möglicherweise durchaus im Sinne der angeschriebenen Personen sein kann, Erbensuche und Besorgung verschiedener Nachlassangelegenheiten in einer Hand vereint zu wissen, zumal das Honorar nur für die Tätigkeit als Erbensucher verlangt wird. Es kann im Hinblick auf de Antragstellung der Antragstellerin ferner dahinstehen, ob es überhaupt zulässig ist, eine aus Sicht der umworbenen Kunden kostenfreie rechtsberatende Tätigkeit anzubieten. Dieser Punkt ist nicht Gegenstand des Antrags.

Dass die im Tenor unter a) bis d) erwähnten angebotenen Tätigkeiten der unter der Erlaubnispflicht gemäß Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz unterfallen, stellt auch der Antragsgegner nicht in Abrede (vgl. dazu auch BGH NJW 1989, 2125 f.). Da es sich bei dem Werbeverbot, gegen das der Antragsgegner verstößt, nicht um eine wertneutrale Norm, sondern um eine den Wettbewerb regelnde Vorschrift mit eigener Werthaltigkeit handelt, ist der Verstoß ohne das Hinzutreten weiterer Unlauterkeitsmerkmale wettbewerbswidrig i. S. d. § 1 UWG (so auch OLG Karlsruhe a. a. O.). Die Antragstellerin ist zur Verfolgung dieses Verstoßes als unmittelbar Verletzte berechtigt. Denn der Antragsgegner tritt - auch - zu ihr in unmittelbaren Wettbewerb, wenn er seine Leistungen hier in Berlin einer Person anbietet, die auch als Mandant der Antragstellerin in Betracht kommt. Denn er weist - allerdings unter Verschleierung des Umstandes, dass er Rechtsbeistand ist - die potentiellen Mandanten darauf hin, dass sie auch seine rechtsbesorgenden Tätigkeiten in Anspruch nehmen können und sich deshalb nicht an Rechtsanwälte, z. B. die in der Antragstellerin verbundenen, wenden müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück