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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 17.10.2000
Aktenzeichen: 5 U 5552/99
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 3 n. F.
1. Zur Prozessführungsbefugnis von Verbraucherverbänden gem. § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG n. F.

2. Die Verwendung des Begriffes "vorbörsliche Aktien" als solcher ist nicht irreführend. Eine Irreführung kann aber dann in Betracht kommen, wenn der Begriff im Zusammenhang mit einem konkreten Werbetext den unzutreffenden Eindruck erweckt, der Börsengang stehe bereits unmittelbar bevor und sei durch die Emittenten bereits fest beschlossen.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 5552/99 15.O.55/99 Landgericht Berlin

Verkündet am: 17. Oktober 2000

Lohey, Justizsekretärin

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, den Richter am Kammergericht Crass sowie die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 1. Juni 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Aktiengeschäfte mit folgenden Angaben zu werben:

"... Einstieg über vorbörsliche Aktien. Das bedeutet, Sie erwerben neue, ertragsorientierte Inhaberstammaktien vor der Einführung an der Börse zu einem sehr günstigen Einstiegspreis (z. B. nur das 2,5-fache des Nennwertes). Mit Börseneinführung steigt der Bezugspreis erfahrungsgemäß auf das 6- bis 20-fache des Nennwertes!...".

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Parteien beträgt jeweils 30.000,00 DM.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein Verbraucherverein. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört es, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen und zu fördern. Nach der Satzung verfolgt er insbesondere den Zweck, unlauteren Wettbewerb zu unterbinden, der sich zum Nachteil der Verbraucher auswirkt, und gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen vorzugehen, die gegenüber Nichtkaufleuten verwendet oder empfohlen werden. Zu seinen Mitgliedern zählen die Verbraucherzentralen sämtlicher Bundesländer, die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V. und die Stiftung Warentest.

Die Beklagte, die bis zum 16. Juli 1998 als S C GmbH firmiert hat, betreibt allgemeine Wirtschaftsberatung, die Vermittlung und den Verkauf von Immobilien und Beteiligungen sowie Finanzierungsberatung. Zu Zwecken der Werbung verwendet sie den noch unter ihrem früheren Namen herausgegebenen Prospekt "Wo Kapital Karriere macht - Investieren in die Zukunft", Untertitel "Vorbörsliche Technologie-Aktien innovativer Unternehmen".

Der Kläger hat den Hinweis auf "vorbörsliche Aktien" als irreführend im Sinne des § 3 UWG beanstandet, weil die Beklagte durch die Verwendung dieses Begriffs den Eindruck eines bereits eingeleiteten aufsichtsrechtlichen Börsenzulassungsverfahrens erwecke bzw. den Eindruck vermittle, der Börsengang sei bereits beschlossen und sicher. Der im Antrag zitierte konkrete Werbetext sei ebenfalls in diesem Sinne irreführend.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung der im Gesetz vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Aktiengeschäfte mit folgenden Angaben zu werben:

"vorbörsliche... Aktien..."

und/oder

"... Einstieg über vorbörsliche Aktien. Das bedeutet, Sie erwerben neue, ertragsorientierte Inhaberstammaktien vor der Einführung an der Börse zu einem sehr günstigen Einstiegspreis (z. B. nur das 2,5-fache des Nennwertes). Mit Börseneinführung steigt der Bezugspreis erfahrungsgemäß auf das 6- bis 20-fache des Nennwertes!..."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, der Begriff "vorbörsliche Aktien" bedeute nur, dass die Aktien vor einer etwaigen späteren Börseneinführung erworben werden könnten. Der Verbraucher entnehme diesem Begriff jedoch nicht, dass der Börsengang von Seiten der Emittenten bereits sicher beschlossen sei. Der Hinweis "sehr günstiger Einstiegspreis" beziehe sich allein auf das Verhältnis von Ausgabekurs zum Nennwert, suggeriere jedoch ebenfalls nicht einen unmittelbar bevorstehenden Börsengang.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, die angegriffene Werbung erweise sich als irreführend im Sinne des § 3 UWG. Durch die Verwendung des Begriffs der "vorbörslichen Aktien" erwecke die Beklagte bei den angesprochenen Verkehrskreisen den unzutreffenden Eindruck, die angebotenen Wertpapiere stünden auf der Schwelle, auf dem Sprung zur Börseneinführung.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und macht geltend, die Werbung richte sich an ein aufgeklärtes Publikum, das die Risiken kenne und davon ausgehe, dass ein Börsengang auch erst sehr viel später oder auch gar nicht stattfinden könne. Im Übrigen werde es durch Emissionsprospekte weiter aufgeklärt.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verteidigt es mit Rechtsausführungen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die - zulässige - Berufung ist teilweise begründet.

1. Die Berufung ist unbegründet, soweit das Landgericht der Beklagten die Verwendung der konkreten Werbeaussage beginnend mit den Worten "... Einstieg über vorbörsliche Aktien..." untersagt hat.

a) Der Kläger ist prozessführungsbefugt im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Diese Vorschrift ist durch Artikel 4 Nr. 1 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. 2000, Seite 897 ff.) mit Wirkung vom 30. Juni 2000 dahin geändert worden, dass die vormalige Klagebefugnis der rechtsfähigen Verbraucherverbände nunmehr "qualifizierten Einrichtungen" zusteht, "... die nachweisen, dass sie in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22 a des AGB-Gesetzes oder in dem Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 4 der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L166 S. 51) eingetragen sind...". Dies ist vorliegend zu beachten, denn im Prozessrecht besteht in zeitlicher Beziehung der Grundsatz, dass Änderungen des Prozessrechts auch schwebende Verfahren ergreifen, die daher, nach altem Recht begonnen, nach neuem Recht zu Ende zu führen sind, soweit nicht das neue Recht durch Übergangsbestimmungen etwas anderes vorschreibt (BVerfGE 39, 156, 167; BVerfG NJW-RR 1993, 253; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Auflage Einl. Rdnr. 104 m. w. N.). Der maßgebende Zeitpunkt, zu dem die Klage zulässig sein muss, ist grundsätzlich der Schluss der Revisionsverhandlung (BGH NJW 1980, 520; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Auflage Vorbem. § 253 Rdnr. 11). Ob der Kläger prozessführungsbefugt ist, d. h. die erforderliche Qualifikation für die Prozessführung besitzt, ist von Amts wegen zu prüfen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage UWG § 13 Rdnr. 32 m. w. N.). Dies ist zu bejahen. Der Kläger hat eine Bescheinigung des Bundesverwaltungsamtes über die Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 22 a des AGB-Gesetzes vom 25.09.2000 - II B 4 - 8 VSV BE - vorgelegt, mit der dem Kläger bestätigt wird, dass er die Voraussetzungen gemäß § 22 a AGBG erfüllt. Soweit es dort weiter heißt"... Er wird mit Wirkung zum 01.01.2001 mit folgenden Angaben in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen:..." (es folgen die konkreten Daten des Klägers), ergeben sich daraus keine durchgreifenden Bedenken, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Prozessführungsbefugnis des Klägers im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht zu bejahen. Der Senat vermag den Worten "mit Wirkung zum 01.01.2001" nicht die Bedeutung beizumessen, dass die Bescheinigung als solche erst zum genannten Zeitpunkt wirksam werden sollte. Nach Auffassung des Senats handelt es sich vielmehr um eine unschädliche Falschbezeichnung, die daraus resultiert, dass gemäß § 22 a Abs. 1 AGBG n. F., der durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro (BGBl. 2000, Seite 897, 903) in das AGBG eingefügt wurde, die Liste qualifizierter Einrichtungen mit dem Stand zum 1. Januar eines jeden Jahres im Bundesanzeiger bekannt gemacht wird, nach Inkrafttreten des Gesetzes am 30. Juni 2000 also erstmals am 01.01.2001 bekannt zu machen ist. Dass der Bescheinigung des Bundesverwaltungsamtes keine rechtsbegründende Wirkung zum 01.01.2001 zukommen kann, ergibt sich auch daraus, dass anderenfalls für die bislang gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG a. F. klagebefugten Verbraucherverbände für den Zeitraum vom 30. Juni 2000 bis zum 31. Dezember 2000 ein rechtliches Vakuum entstehen würde, in welchem sie nicht klagebefugt wären. Es liegt ohne weiteres auf der Hand, dass dies nicht den gesetzgeberischen Absichten entsprochen haben kann.

Entgegen ihrem Antrag war der Beklagten für die Prüfung dieser Fragen keine Erklärungsfrist gemäß § 283 ZPO zu gewähren, obwohl die Bescheinigung des Bundesverwaltungsamtes ihr erst am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat zur Kenntnis gebracht wurde. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte zu einer sofortigen Erklärung außer Stande gewesen sein sollte. Letztlich hat ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung für sie dahingehend Stellung genommen, dass er in der Kürze der Zeit die Echtheit der Urkunde nicht prüfen könne. Soweit er damit bestreiten wollte, dass die Urkunde echt sei, ist zu bemerken: Es gelten nicht die strengen Beweisregeln der Zivilprozessordnung, sondern vielmehr der Freibeweis, weil es um die Feststellung von Prozessvoraussetzungen geht (Thomas/Putzo a.a.O. Vorbem. § 284 Rdnr. 6 m. w. N.). Der Freibeweis senkt die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht, sondern stellt das Gericht im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens im Beweisverfahren und bei der Gewinnung der Beweismittel freier (BGH NJW 1997, 3319, 3320). Der erkennende Senat hat sich unter Beachtung dieser Grundsätze die volle Überzeugung davon gebildet, dass es sich bei der fraglichen Bescheinigung um eine echte Urkunde handelt, von der der Kläger eine Fotokopie vorgelegt hat. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger die Fotokopie von einem unechten Original gefertigt hat oder die Urkunde nachträglich verändert wurde.

b) In der Sache selbst ergibt sich der Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 3 UWG, weil mit dem beanstandeten Werbetext das Publikum über die eine Kaufbereitschaft günstig beeinflussende Eigenschaft der künftigen Börsenzulassung und Börsennotierung der beworbenen vorbörslichen Aktien getäuscht wird. Die Werbung wendet sich grundsätzlich an alle privaten Anleger und nicht etwa an bestimmte, über die Risiken der beworbenen Anlage aufgeklärte Investoren, denn es handelt sich um ein normales Werbeprospekt, das die Beklagte an ihre Kunden, also breite Verbraucherkreise, vertreibt. Zu dem generell angesprochenen allgemeinen Publikum gehören auch die Richter des erkennenden Senats, die demnach das Verständnis der angegriffenen Werbeaussage aus eigener Kenntnis beurteilen können. Hinsichtlich des Verkehrsverständnisses ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen. Bei ihm erweckt die konkrete Werbeaussage mit der gewählten Formulierung den Eindruck, die Beklagte biete Aktien an, bezüglich derer der Börsengang bereits beschlossene Sache der Emittenten sei, weil ihre objektive und subjektive Börsenreife bereits hergestellt sei. Der Werbetext bewirbt die Aktien dergestalt, dass sie vor der Einführung an der Börse zu sehr günstigen Einstiegspreisen erworben werden könnten und sodann mit Börseneinführung eine Steigerung ihrer Bezugspreise zu erwarten sei und sie damit Gewinn abwürfen. All dies setzt aber voraus, dass der Börsengang tatsächlich stattfindet, während er jedoch bei den hier beworbenen Aktien im Ungewissen liegt. Damit rechnet der interessierte Anlager bei dieser Art der Bewerbung aber nicht. Nach seinem Allgemeinverständnis findet der Wertpapierhandel an der Börse statt, die der eigens hierfür geschaffene Marktplatz ist (Schwark, Börsengesetz § 1 Rdnr. 1). Wird die Aktie nicht börsennotiert, mangelt es ihr an der üblicherweise erwarteten Handelsfähigkeit, die gerade auch Neueinsteiger im Zuge der ständig wachsenden Bereitschaft des Publikums zur Kapitalanlage auf dem Aktienmarkt erwarten. Für den Anleger ist es deswegen von erheblichem Interesse, ob die erworbenen Aktien entweder erst in nicht absehbarer Zeit oder auch gar nicht an der Börse gehandelt werden können, denn an den Börsenhandel, durch den erst die Taxierung des Aktienwertes für den Investor konkretisiert wird, ist die Realisierung der Gewinne geknüpft, an denen er in erster Linie interessiert ist. Dies spricht auch der beanstandete Werbetext an, in dem einem Einstiegspreis von beispielsweise dem 2,5-fachen des Aktiennennwertes vor der Einführung an der Börse ein mit Börseneinführung erfahrungsgemäß zu erwartender Bezugspreis des 6- bis 20-fachen Nennwertes gegenübergestellt wird, womit Gewinnspannen in Aussicht gestellt werden, die eine Börsennotierung voraussetzen. Aus dem Gesamtzusammenhang bildet sich das Publikumsverständnis dahin, dass die Emission der beworbenen Aktien alsbald bevorstehe, jedenfalls dass sie sicher ist, und nicht lediglich ein Börsengang als unternehmerisches Ziel geplant ist.

Dagegen kann eine Irreführung über den genannten Einstiegspreis und die zu erwartende Steigerung der Bezugspreise nicht angenommen werden. Der Kläger hat insoweit nicht substantiiert dargelegt, dass die genannte Erfahrungsaussage für Aktien von Energie- und Recyclingunternehmen generell nicht zutreffend ist. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ablichtung eines Artikels aus der Süddeutschen Zeitung vom 7. September 2000, denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass es sich bei den dort genannten Unternehmen um Energie- und Recyclingfirmen bandelt, hinsichtlich derer die Zeitung den vorbörslichen Handel mit Neuemissionen als "Gefährliches Spiel für Privatanleger" bezeichnet hat. Aus dem Artikel ergibt sich auch nicht der Nennwert der Aktien. Wohl ist aber daraus ersichtlich, dass der erste Börsenkurs jeweils über dem Ausgabepreis lag.

Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, mit dem Prospekt würden Aktien bestimmter Firmen beworben, für die die Börseneinführung für einen späteren Zeitpunkt fest im Unternehmensziel verankert ist. Dass letzteres nicht ausreicht, ist bereits ausgeführt worden. Im Übrigen werden keine konkreten Firmen beworben, sondern allgemein "vorbörsliche Technologie-Aktien innovativer Unternehmen". Dass die Beklagte die Aktien auch nur eines Unternehmens vermittelte, bei dem der Börsengang alsbald bevorstand oder jedenfalls als sicher prognostiziert werden konnte, hat sie selbst nicht vorgetragen. Sie geht vielmehr selbst davon aus, dass, solange eine Aktie nicht an der Börse gehandelt ist, ihr Börsengang nicht sicher sei. Diese Unsicherheit entnimmt der Verkehr der konkreten Formulierung, die mit dem Verbotstenor untersagt wird, nicht. Weil die Werbung insoweit missverständlich ist, muss sie sofort im Text klargestellt werden. Eine spätere Beratung der zukünftigen Investoren durch die Beklagte genügt dagegen nicht, um den Irreführungstatbestand entfallen zu lassen. Er ist verwirklicht, weil zu diesem Zeitpunkt der beabsichtigte Anlockeffekt bereits erreicht war (Baumbach/Hefermehl a.a.O. UWG § 3 Rdnr. 89 a). Sollte die Beklagte zukünftig Aktien eines Unternehmens bewerben und vermitteln, dessen Börsengang tatsächlich unmittelbar bevorsteht, kann sie gegebenenfalls mit der Vollstreckungsgegenklage gegen den Titel vorgehen (Baumbach/Hefermehl a.a.O. Einl. UWG Rdnr. 483).

Soweit sich die Klägerin auch darauf gestützt hat, dass die Beklagte verschweige, dass die von ihr beworbene Anlageform mit der im geregelten Verkehr gehandelten Aktie in keiner Weise vergleichbar sei und über das Risiko nicht aufgeklärt werde, das mit ihr verbunden sei, wird das gerügte Verschweigen nicht vom Antrag abgedeckt. Denn mit einem Unterlassungsanspruch betreffend verschwiegene Tatsachen lässt sich nicht ein völliges Verbot der Werbeangabe, sonder nur erreichen, dass für die Ware oder Leistung mit einem aufklärenden Zusatz geworben wird (Baumbach/Hefermehl a.a.O. UWG § 3 Rdnr. 48). § 3 UWG enthält zudem ein Irreführungsverbot, begründet aber kein Informationsgebot (BGH GRUR 1996, 367 - umweltfreundliches Bauen).

Soweit der Kläger in der Klageschrift zusätzlich auf einen "weiteren Irreführungstatbestand" im Zusammenhang damit abgestellt hat, dass die Werbung hinsichtlich der Gewinnerwartung feststehende Eckdaten suggeriere, während auf den Gewinn tatsächlich keinerlei Einfluss genommen werden könne, handelt es sich lediglich um eine zusätzliche rechtliche Begründung desselben Anspruchs, nicht um einen zweiten Streitgegenstand.

Im Hinblick auf die insoweit erfolglose Berufung war der Beklagten auch keine weitere Erklärungsfrist zuzubilligen. Die Entscheidung des Senats wird nicht auf neue rechtliche Gesichtspunkte gestützt.

2. Die Berufung hat jedoch Erfolg, soweit das Landgericht der Beklagten die Verwendung des Begriffes "vorbörsliche Aktien" als solches untersagt hat.

Hierauf hat der Kläger keinen Anspruch. Dem Begriff "vorbörsliche Aktie" ohne konkreten Bezug zur beanstandeten Werbung wohnt kein Irreführungspotential inne, weil er lediglich aussagt, dass es sich um eine Aktie handele, die noch nicht an der Börse gehandelt wird, dafür aber vorgesehen ist. Ein Zeitmoment kann dem nicht entnommen werden, über die Börsenreife als solche wird nichts ausgesagt. Der Begriff "vorbörsliche Aktien" wird innerhalb des Aktienmarktes vielmehr ganz allgemein sowohl von den Anbietern als auch von den Abnehmern verwendet, die für den Börsengang vorgesehen sind, aber noch nicht börsennotiert sind. Das ist gerichtsbekannt und bedarf mithin keines Beweises.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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