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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: 5 W 85/06
Rechtsgebiete: ZPO, UWG


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 99 Abs. 2
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 569
UWG § 4 Nr. 9 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 85/06

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Richter am Kammergericht Dr. Pahl und Dr. Lehmbruck und die Richterin am Landgericht Johansson am 11. September 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin werden die Kostenentscheidungen im Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2006 - 16 O 636/05 - geändert:

a) Die Kostenentscheidung in der einstweiligen Verfügung der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 6. September 2005 - 16 O 636/05 - wird geändert:

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

b) Die weiteren Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin nach einem Wert von bis zu 2.500,00 EUR zu tragen.

Gründe:

I.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. OLG Frankfurt, GRUR 2006, 264; OLG Hamburg, Beschluss vom 31. Oktober 2005, 5 W 116/05) und zulässig, § 569 ZPO.

II.

Sie hat auch in der Sache Erfolg, § 93 ZPO. Die Antragsgegnerin hat sofort anerkannt. Sie hat der Antragstellerin auch keinen Anlass gegeben, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zu stellen.

1.

Die Abmahnung der Antragstellerin vom 17.8.2005 (Ast. 4) bezog sich auf den mehrseitigen Text, den die Antragsgegnerin unter der Adresse "en -ennnnnnn .de" unter der Rubrik "Downloads" eingestellt hatte. Diese Abmahnung war nur auf urheberrechtliche Ansprüche gestützt.

a.

Soweit die Antragstellerin in dieser Abmahnung eine Unterlassung der Verwendung des (vollständigen) Textes gefordert hatte, ist dem die Antragsgegnerin mit ihrer Unterlassungserklärung vom 23.8.2005 (Ast. 5) hinreichend nachgekommen.

b.

Soweit die Antragstellerin in der vorgenannten Abmahnung auch eine Unterlassung der Verwendung "in Teilen" gefordert hatte, ging dieses Verlangen materiell-rechtlich zu weit und erforderte auch keine eingeschränkte Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin auf die noch eben zulässige und begründete Verallgemeinerung des Unterlassungsbegehrens.

aa.

Das Unterlassungsverlangen der Antragstellerin bezog sich uneingeschränkt auf jeden abgrenzbaren Teil des oben genannten mehrseitigen Textes, mithin auf jedwede Absätze, Satzgefüge, Einzelsätze, Satzteile bis hin letztlich zu jedem einzelnen Wort, und zwar auch in den verschiedensten Kombinationen. Da urheberrechtlicher Schutz für Werkteile nur begründet ist, soweit auch die einzelnen Teile des Werkes ihrerseits eine hinreichende Schöpfungshöhe aufweisen, stellt sich das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin in weitem Umfang als überzogen dar. Das etwa jedes einzelne Wort oder auch nur jeder Satzteil, Einzelsatz- oder jedes Satzgefüge Schöpfungshöhe aufweisen würde, trägt selbst die Antragstellerin nicht vor. Dies liegt auch fern, denn der o.g. mehrseitige Text erschöpft sich vielfach in einer allgemein gebräuchlichen Darstellung sachlicher Gegebenheiten einer Erbenermittlung.

bb.

Die konkrete Verletzungshandlung bestand in der Verwendung des mehrseitigen Textes in seiner Gesamtheit. Die Untersagung der Verwendung nur einzelner Teile dieses Textes geht grundsätzlich über die konkrete Verletzungsform hinaus und stellt eine Verallgemeinerung dar. Eine solche Verallgemeinerung ist im Interesse eines umfassenden Rechtsschutzes zwar grundsätzlich zulässig. Geht die Verallgemeinerung aber über das materiell-rechtlich Begründete hinaus, ist es schon nicht Sache des Gerichtes, diese Verallgemeinerung auf das noch oben Begründete zurückzuführen; es bleibt dann allenfalls ein Verbot der konkreten Verletzungsform (BGH, GRUR 1998, 489, 492 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III; GRUR 2002, 187, 188 - Lieferstörung; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 12 Rdn. 2.44). Ebensowenig kann aber dem Abgemahnten aufgegeben werden, die noch eben zulässige und begründete Verallgemeinerung aufzufinden und entsprechend eine - eingeschränkte - Unterlassungserklärung abzugeben. Dies gilt jedenfalls in den vorliegenden Fallgestaltungen eines pauschal gerügten Urheberverstoßes in einem mehrseitigen Text, wenn die Verallgemeinerung auf - jedwede - Teile dieses Textes bezogen ist.

cc.

Soweit in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass eine Abmahnung nicht deshalb wirkungslos wird, weil der Gläubiger darin mehr gefordert habe als ihm zustehe (OLG Köln, WRP 1988, 56; OLG Hamburg, WRP 1977, 808; Bornkamm, a.a.O., § 12 Rdn. 1.17), folgt daraus nichts Gegenteiliges. Denn die Verpflichtung des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche - gegebenenfalls eingeschränkte - Unterlassungserklärung zu finden und abzugeben, betrifft grundsätzlich nur die konkrete Verletzungsform in ihren - unter Umständen verschiedenen - rechtlich angreifbaren und angegriffenen rechtlichen Aspekten und - allenfalls - voneinander abgrenzbare und leicht überschaubare Verallgemeinerungen.

Vorliegend war der Bezug auf eine Unterlassung der Verwendung jedweder Teile des mehrseitigen Textes aber uferlos. Denn er erfasste - wie erörtert - bis hin zu mehreren hundert unterschiedlichen Abstraktionen (alle Textteile - zudem unterschiedlich kombiniert). In der Abmahnung hat die Antragstellerin auch nicht im Einzelnen konkrete Textteile benannt, aus denen sich die urheberrechtliche Schutzfähigkeit ergeben soll.

2.

Mit ihrem Verfügungsantrag vom 30.8.2005 hat die Antragstellerin - wiederum nur unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten - hinsichtlich des "nachfolgend abgedruckten Text" (es) "vollständig und/oder in Teilen" Unterlassung der Verwendung begehrt. Zwar war im Antrag der "nachfolgend abgedrucke" Text nicht dargestellt. Aus der Anspruchsbegründung folgt allerdings, dass die Antragstellerin jedenfalls eine Unterlassung der noch immer auf der Homepage "en -ennnnnnn .de" der Antragsgegnerin unter der Rubrik "Berufungsbild" verwendeten "Teile des Textes" begehrt hat (Ast. 6).

a.

Nicht genannte weitere oder abweichende Verletzungsformen werden von einer Abmahnung nicht erfasst; sie erfordern eine weitere Abmahnung (OLG Koblenz, GRUR 1981, 671, 674; OLG Stuttgart, WRP 1982, 492; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kapitel 41, Rdn. 15 m.w.N.).

Der Text gemäß Anlage Ast. 6 unterscheidet sich vom mehrseitigen, in der Abmahnung genannten Text hindlich des Ortes seiner Verwendung und hinsichtlich seines - weit kürzeren - Inhalts. Er wird deshalb nicht mehr von der in der Abmahnung - wie erörtert - allein wirksam gerügten konkreten Verletzungsform umfasst. Insoweit war schon deshalb eine weitere Abmahnung erforderlich. Angesichts der jeweils eigenständig materiell-rechtlich zu prüfenden Schöpfungshöhe von bloßen Textteilen wird auch die Verwendung solcher Textteile in der Regel nicht vom Kernbereich der konkreten Verletzungsform (dem Charakteristischen) mit umfasst, soweit nicht nur - offensichtlich unerhebliche - Textteile entfernt worden sind. Davon kann vorliegend schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Anlage Ast. 6 nur einzelne, wenige Sätze des mehrseitigen Textes umfasst und in der Abmahnung der Antragstellerin auch nicht im Einzelnen die Wendungen genannt worden sind, aus denen sich die urheberrechtliche Schutzfähigkeit ergeben soll.

b.

Wenn die Antragstellerin darüber hinaus in der nachfolgenden Antragsfassung im Schriftsatz vom 2. September 2005 nunmehr - auf Beanstandung des Landgerichts - ein Verbot von "Teilen" des verwendeten Textes (Ast. 6) nicht mehr begehrt hat, lag darin eine teilweise Antragsrücknahme. Insoweit trägt die Antragstellerin die Kosten anteilig zudem entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

3.

Auch hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 2. September 2005 vorgenommenen Antragserweiterung bezüglich der Verwendung des weiteren Textausschnittes auf der Internetadresse "annnnnnn .net" (Anlage Ast. 7, Ziff. 5) hat die Antragsgegnerin keinen Anlass zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegeben.

a.

Dieser Textausschnitt befand sich wiederum an einem anderen Ort als der "abgemahnte" mehrseitige Text und er unterschied sich auch nach der Textlänge erheblich. Insoweit wird auf die vorstehenden Erwägungen (Ziff. 2 a.) Bezug genommen.

b.

Soweit sich die Antragstellerin im Schriftsatz vom 2. September 2005 zudem nunmehr auf eine unlautere unmittelbare Leistungsübernahme nach § 4 Nr. 9 c UWG berufen hat, ist ein neuer Streitgegenstand eingeführt worden (vgl. BGH, GRUR 2001, 756, 757 - Telefonkarte; Köhler, a.a.O., § 12 Rdn. 2.23 m.w.N.). Auch insoweit fehlte eine - gesonderte - Abmahnung.

III.

Die Nebenentscheidungen zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 91 Abs. 1, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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