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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 03.06.2005
Aktenzeichen: 6 U 12/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VVG


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 529
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 546
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 330
BGB § 331
BGB § 372
BGB § 812 Abs. 1
VVG § 1
VVG § 166 Abs. 1
VVG § 166 Abs. 2
VVG § 167 Abs. 1
Zur Auslegung der Erklärung des Versicherungsnehmers bei einer Kapital-(lebens-)versicherung, an die Stelle des bezugsberechtigten Dritten einen anderen zu setzen (§ 166 Abs.1 VVG).
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 6 U 12/04

verkündet am: 03. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2005 durch den Richter am Kammergericht F.nnn als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 5 des Landgerichts Berlin vom 1. Dezember 2003 teilweise geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, die Herausgabe des beim Amtsgericht Hannover unter dem Aktenzeichen 84 HL nn/02 sowie dem Kassenzeichen nnnnnnnn hinterlegten Betrages in Höhe von 19.812,31 EUR nebst monatlichen Zinsen in Höhe von 1 Promille seit 1. Februar 2003 aus 19.787,00 EUR an die Klägerin zu bewilligen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/20 und der Beklagte 19/20 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer beider Parteien liegt jeweils unter 20.000,00 EUR.

Tatbestand:

Die Klägerin - die Schwester der am nnnnnn verstorbenen Manuela A.nnn - nimmt den Beklagten - Witwer der vorgenannten Verstorbenen - auf Freigabe der restlichen Hälfte der von der "H.nnnnnn Lebensversicherung a. G." bei dem Amtsgericht Hannover hinterlegten Versicherungssummen aus zu Gunsten der verstorbenen Versicherungsnehmerin Manuela A.nnn abgeschlossenen Lebensversicherungen in Höhe von noch 19.812,31 EUR nebst Zinsen in Anspruch.

Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Dezember 2003 Bezug genommen, durch das das Landgericht die Klage abgewiesen hat, da der Klägerin nur die - bereits erhaltene - Hälfte der Versicherungssummen zustehe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils

1. den Beklagten zu verurteilen, die Herausgabe des bei dem Amtsgericht Hannover unter dem Aktenzeichen 84 HL nn/02 sowie dem Kassenzeichen nnnnnnnn hinterlegten Betrages in Höhe von 19.812,31 EUR nebst monatlichen Zinsen in Höhe von 1 Promille seit dem 1. Februar 2003 aus 19.787,00 EUR an sie zu bewilligen,

2. pp.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

sowie widerklagend,

die Klägerin zu verpflichten, die Freigabe des von der H.nnnnnn Lebensversicherung a. G. Nr. nnnnnnnnnnn bei dem Amtsgericht Hannover - 84 HL nn/02 -, Kassenzeichen nnnnnnnn, hinterlegten Betrages in Höhe von 19.812,31 EUR nebst monatlichen Zinsen in Höhe von 1 Promille seit dem 1. Februar 2003 aus 19.778,00 EUR an ihn zu bewilligen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 511 ff. ZPO).

Auch die Widerklage ist zulässig, da sie sachdienlich und ausschließlich auf Tatsachen gestützt ist, die das Gericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 ZPO).

B. Die zulässige Berufung hat auch zum überwiegenden Teil in der Sache Erfolg, da der Freigabeantrag der Klägerin begründet ist, während der Feststellungsantrag ebenso wie die Widerklage unbegründet ist.

I.

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung der gemäß § 372 BGB hinterlegten Versicherungssumme(n) in Höhe von 19.812,31 EUR aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB (vgl. hierzu BGH, NJW RR 1994, 847) zu. Denn die Hinterlegung des Geldbetrages für die Parteien durch die Versicherung verschaffte dem Beklagten auf Kosten der Klägerin eine günstige Rechtsstellung, da materiell im Verhältnis zur Versicherung der Klägerin und nicht dem Beklagten ein Zahlungsanspruch aus §§ 1, 166 Abs. 2 VVG in Verbindung mit §§ 330, 331 BGB zusteht.

Denn die verstorbene Versicherungsnehmerin Manuela A.nnn hat mit Schreiben vom 11. Oktober 1999 (Anlage K 5 zur Klageschrift, Bl. 10 d. A.) gemäß § 166 Abs. 1 VVG an die Stelle ihres bis dahin als Bezugsberechtigten bezeichneten Ehemannes - des Beklagten - ihre Schwester - die Klägerin - gesetzt. In dem Schreiben heißt es:

"... hiermit ändere ich das Bezugsrecht wie folgt ab:

1. Gerlinde A.nnn, Schwester, ....

2. Detlef N.nn, ...".

Wie die Einräumung ist auch die (Ab-) Änderung der Bezugsberechtigung eine einseitige empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung (vgl. BGH, VersR 1988, 1236), die - wie jede Willenserklärung - auslegungsbedürftig ist. Dabei ist abzustellen auf den Willen des Versicherungsnehmers, der in der Bestimmung der Bezugsberechtigung gegenüber dem Versicherer zum Ausdruck gekommen ist (vgl. BGH, VersR 1981, 371). Während § 167 Abs. 1 VVG eine Auslegungsregel lediglich im Hinblick auf die Höhe der Bezugsberechtigung mehrerer Bezugsberechtigter enthält (vgl. Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 167 Rdnr. 1) gelten in Fällen der nicht eindeutigen Bezugsrechtseinräumung - also auch hinsichtlich der Frage, wer Bezugsberechtigter sein soll - die allgemeinen Auslegungskriterien (vgl. BGH, a.a.O.).

Dabei hat auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung einer einseitigen Willenserklärung oder einer Individualvereinbarung gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO - auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen - in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt. Hält das Berufungsgericht - wie vorliegend - die erstinstanzliche Auslegung lediglich für eine zwar vertretbare, letztlich aber - bei Abwägung aller Gesichtspunkte - nicht für eine sachlich überzeugende Auslegung, so hat es selbst die Auslegung vorzunehmen, die es als Grundlage einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalles für geboten hält (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 - XIII ZR 164/03 -, NJW 2004, 2751). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin als Berufungsgrund nach § 513 Abs. 1 ZPO eine Rechtsverletzung nach § 546 ZPO durch eine nicht richtige Anwendung von Rechtsnormen, nämlich der §§ 133, 157 BGB, dargetan. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen so auszulegen, wie der Empfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen muss (vgl. BGH Z 47,75, 78). Dabei ist der Empfänger allerdings verpflichtet, unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend ist im Ergebnis der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu der Überzeugung des Senats, dass die verstorbene Versicherungsnehmerin mit Schreiben vom 11. Oktober 1999 die Klägerin als Bezugsberechtigte und nur für den Fall, dass diese bei Eintritt des Versicherungsfalles bereits verstorben sein sollte, den Beklagten als Bezugsberechtigten bestimmt hat.

Hierfür spricht bereits, dass nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Schreibens die verstorbene Versicherungsnehmerin das bis dahin bestehende Bezugsrecht des Beklagten, an dessen Stelle die Klägerin (nur) im Falle seines Todes treten sollte, "abändern" wollte.

Des weiteres ist auch die Verwendung der Ordnungszahlen "1." und "2." keine bloße Nummerierung, wie das Landgericht meint, sondern ein Anhaltspunkt dafür, dass die Verstorbene die Parteien dergestalt in eine - von der bisherigen abweichende - Rangfolge setzen wollte, dass fortan die Klägerin an erster (Rang-) Stelle stehen sollte.

Schließlich spricht für die von dem Senat vorgenommene Auslegung auch der Umstand, dass die H.nnnnnn Lebensversicherung a. G. - was auch das Landgericht erkannt, aber unzutreffend gewürdigt hat - bereits das Schreiben der Verstorbenen vom 7. Oktober 1998 (Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 7 d. A.), in dem es heißt, das "Bezugsrecht im Todesfall ändert sich auf:

1. Detlef N.nn ....

2. Gerlinde A.nnn, Schwester ...",

dahingehend verstanden hat, dass (nach der Versicherungsnehmerin) der Beklagte als Bezugsberechtigter und nur für den Fall, dass dieser bereits verstorben sein sollte, die Klägerin als Bezugsberechtigte bestimmt wird. Die Versicherungsnehmerin hat diese ihr mit Schreiben vom 12. Oktober 1998 (Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 8 d. A.) mitgeteilte Auslegung nicht nur "akzeptiert", sondern mit Schreiben vom 22. November 1998 (Anlage K 4 zur Klageschrift, Bl. 9 d. A.) ausdrücklich bestätigt. Sie wusste also bei Abfassung des Schreibens vom 11. Oktober 1999, mit dem sie eine Änderung der Bezugsberechtigung vornahm, dass die Versicherung eine Benennung mehrerer Bezugsberechtigter in der durch die Ordnungszahlen "1." und "2." gekennzeichneten Rangfolge dahingehend verstehen würde, dass die Klägerin Bezugsberechtigte und nur für den Fall, dass diese bei Eintritt des Versicherungsfalles bereits verstorben sein sollte, der Beklagte Bezugsberechtigter sein sollte. Wenn sie aber - wie geschehen - mit diesem Wissen und in dieser Kenntnis das Schreiben vom 11. Oktober 1999 verfasst hat, bleibt letztlich nur der Schluss, dass sie ihre Erklärung so gemeint hat, wie die Versicherung sie ausweislich ihres Schreibens vom 13. Oktober 1999 verstanden hat. Anderenfalls hätte es nämlich nahe gelegen, die Ordnungszahlen wegzulassen und statt dessen in geeigneter Weise - sei es durch Nennung einer Quote, eines Bruchteils oder durch die verbale Verbindung und Gleichstellung der Parteien durch den Begriff "und" - zum Ausdruck zu bringen, dass beide Parteien bezugsberechtigt sein sollten.

Soweit das Landgericht seine dem entgegenstehende Auslegung damit begründet, die verstorbene Versicherungsnehmerin habe die Auslegung ihrer Erklärung durch die Versicherung nicht mehr bestätigt, ist dies zwar richtig, aber unerheblich. Zum einen wird eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung mit ihrem Zugang beim Empfänger (und nicht mit der Bestätigung einer von dem Empfänger vorgenommenen Auslegung durch den Erklärenden) wirksam, zum anderen ist weder vorgetragen noch sonst - insbesondere nicht aus dem Schriftverkehr zwischen der Versicherungsnehmerin und der Versicherung - ersichtlich, dass die Versicherung eine Bestätigung ihres Schreibens vom 13. Oktober 1999 - für die Versicherungsnehmerin erkennbar - erwartete. Hierzu bestand auch gar kein Anlass, da die Versicherung aufgrund des vorausgegangenen Schriftverkehrs von Oktober / November 1998 ja wusste, wie die Versicherungsnehmerin eine Bezugsrechtsbenennung allein durch Aufzählung von jeweils mit Ordnungszahlen versehenen Personen verstanden wissen wollte.

Auch die durch keine konkreten Tatsachen in dem Parteivorbringen gestützte Überlegung des Landgerichts, es sei nicht auszuschließen, dass später aufgefallen sei, dass die vorangegangene Änderung der Bezugsberechtigung vom 7. Oktober 1998 missverständlich gewesen sei und es naheliege, dass die Versicherungsnehmerin durch eine erneute Änderung vom 11. Oktober 1999 deutlich machen wollte, dass die Parteien zu gleichen Teilen beteiligt sein sollten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn zum einen ist für ein erst ein Jahr später als solches erkanntes Missverständnis jedenfalls nach dem Schreiben der Versicherung vom 12. Oktober 1998 und dessen Bestätigung durch die Versicherungsnehmerin vom 22. November 1998 kein Raum, zum anderen ist es mehr als unwahrscheinlich, dass zur Beseitigung eines Missverständnisses wiederum gerade eine solche Formulierung gewählt wird, die zuvor zu dem (angeblichen) Missverständnis geführt haben soll.

2. pp.

II. Die nach den obigen Ausführungen unter A. zulässige Widerklage kann in der Sache keinen Erfolg haben, .... (wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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