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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 15.02.2005
Aktenzeichen: 7 U 140/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 315 Abs. 3
§ 315 Abs. 3 BGB ist auf die Vertragsverhältnisse zwischen den Berliner Wasserbetriebe und ihren Kunden anwendbar, da auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vom 17. Mai 1999 (TeilPrivG) mit Wirkung zum 1. Januar 2000 in Kraft eine einseitige Leistungsbestimmung durch die Berliner Wasserbetriebe erfolgt.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit ihrer Tarife liegt zwar bei der Klägerin. Wenn die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast aber entsprochen hat, genügt es nicht, dass der Beklagte die Billigkeit der Tarife schlicht bestreitet. Der Beklagte muss sich vielmehr substanziiert zu den Tatsachen erklären, die seinen Bereich betreffen.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 140/04

verkündet am : 15.02.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstr. 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 15.02.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Renner und Sellin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 25. Mai 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin - 9 O 253/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

B.

Die materielle Rechtslage richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts geltenden Fassung, denn das den Rechtsbeziehungen der Parteien zu Grunde liegende Schuldverhältnis ist vor dem 1. Januar 2002 entstanden (Art. 229 § 5 EGBGB). Die zitierten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beziehen sich daher auf diese Fassung des Gesetzes.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bezahlung von restlichen 2.941,08 EUR für Be- und Entwässerungsleistungen, die sie für ihn in der Zeit vom 9. Februar 2001 bis zum 11. Februar 2002 erbracht hat.

1. Der Billigkeitseinwand ist im Entgeltprozess der Klägerin gegen den Verbraucher nicht durch § 30 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) bzw. § 30 der Vertragsbestimmungen für die Wasserversorgung in Berlin (VBW) und § 19 der Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin (ABE) ausgeschlossen.

Nach § 30 AVBWasserV und § 19 ABE berechtigen Einwände "gegen Rechnungen und Abschlagsrechnungen" nur dann zur Zahlungsverweigerung, wenn ein offensichtlicher Fehler vorliegt. Dazu gehört nicht die Feststellung der Leistungspflicht des Kunden, der im Fall der Unangemessenheit des verlangten Preises von Anfang an nur den vom Gericht festgesetzten Preis schuldet; denn dabei handelt es sich nicht um Rechen- und Ablesefehler oder andere Abrechnungsgrundlagen (BGH NJW 2003, 3131). Die in der zitierten Entscheidung vertretene Ansicht des Bundesgerichtshofs wird dadurch gestützt, dass § 315 Abs. 3 BGB auch nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden kann, weil darin eine unangemessene Benachteiligung des Kunden liegen würde, § 9 AGBG, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 3). Diese Beschränkung gilt gemäß § 310 Abs. 2 BGB auch für Wasserversorgungsunternehmen.

Die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Ansicht des Landgerichts, die maßgeblich auch darauf gestützt wird, dass sich die Kunden ihrer Zahlungspflicht nachhaltig durch den Billigkeitseinwand entziehen könnten, weil in jedem Fall in eine aufwendige Beweisaufnahme eingetreten werden müsste, überzeugt jedenfalls nach dem Inkrafttreten der Zivilprozessordnung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung nicht mehr. Nunmehr könnte ein ggf. in einem Rechtsstreit einzuholendes Sachverständigengutachten gemäß § 411 a ZPO in allen anderen Verfahren, in denen die Klägerin für den betreffenden Zeitraum Be- und Entwässerungsentgelte geltend macht, Verwendung finden. Dass die Geltendmachung der Entgelte wesentlich länger in Anspruch nehmen würde, als es der Fall wäre, wenn die Kunden auf Rückforderungsprozesse zu verweisen wären, ist danach nicht mehr zu befürchten.

2. § 315 Abs. 3 BGB ist auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien anwendbar, da auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vom 17. Mai 1999 (TeilPrivG) mit Wirkung zum 1. Januar 2000 in Kraft eine einseitige Leistungsbestimmung durch die Klägerin erfolgt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist die richterliche Billigkeitskontrolle einseitig vorgenommener Entgeltbestimmungen von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, grundsätzlich nicht schon dann ausgeschlossen, wenn bei der Festsetzung der Tarife und Entgelte öffentlich-rechtliche Vorgaben, zu denen auch behördliche Genehmigungsvorbehalte gehören, zu beachten sind (BGH NJW 1998, 3188 m.w.N.). Vielmehr trifft denjenigen, der die Entgelte einseitig festgesetzt hat, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht (BGHZ 115, 311, 322 m.w.N.).

Das gilt insbesondere dann , wenn die Genehmigung sich auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger beschränkt und im Übrigen der privatautonomen erwerbswirtschaftlichen Entscheidungsbefugnis der Vertragspartner freier Raum gelassen werde und das Fehlen der behördlichen Genehmigung auf die privatrechtliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ohne Einfluss ist (BGH NJW 1998, 3188 ff.).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Klägerin für ihre Monopoldienstleistungen nur die von einer Aufsichtsbehörde genehmigten Leistungsentgelte erheben darf und genehmigungsbedürftige Entgelte nicht vor Erteilung der Genehmigung durch die Behörde wirksam werden (vergl. BGH a.a.O.). Wenn ein privatautonomer Spielraum der Klägerin hinsichtlich der von ihren Kunden zu erhebenden Tarife und Entgelte nicht mehr vorhanden ist, besteht keine Rechtfertigung dafür, dass die ordentlichen Gerichte die genehmigten Tarife nach den Maßstäben des § 315 Abs. 3 BGB überprüfen. Die Rechtslage ist insoweit nicht anders als in den Fällen, in denen das zu entrichtende Entgelt unmittelbar durch Verwaltungsakt festgesetzt wird (BGH a.a.O.; BGHZ 73, 114, 116 f). § 315 Abs. 3 BGB kommt dann deshalb nicht zur Anwendung, weil Verträge mit nicht genehmigten Preisvereinbarungen nach § 134 BGB nichtig sind (BGH NJW 1998, 3188).

Davon kann für den Geschäftsbereich der Klägerin aber auch nach dem Inkrafttreten des TeilPrivG zum 1. Januar 2000 nicht ausgegangen werden. Zwar ist gemäß §§ 3, 4 TeilPrivG i.V.m. der Verordnung über die Tarife der Berliner Wasserbetriebe (Wassertarifverordnung, WTVO) das Inkrafttreten der Tarife der Klägerin nunmehr von einem Genehmigungsverfahren abhängig, in welchem gemäß § 6 Abs. 2 WTVO die Begutachtung durch einen in Abstimmung mit der Tarifgenehmigungsbehörde bestellten Gutachter eingeschlossen ist. Nach § 3 Abs. 5 TeilPrivG unterliegen die hier im Streit befindlichen Tarife ab 1. 1. 2000 den Regelungen des § 3 Abs. 1 - 4 TeilPrivG. Der Landesgesetzgeber hat damit verbindliche Richtlinien für die Ermittlung der Tarife aufgestellt, die das Ermessen der Klägerin weitgehend einschränken. Konkretisiert wird dies durch § 5 der WTVO. Der Klägerin sind damit gesetzliche Vorgaben gemacht worden, die eine reine Billigkeitsentscheidung ganz überwiegend ausschließen. § 3 Abs. 5 S. 3 TeilPrivG lässt zwar eine Änderung der Tarifstruktur zu. Sie darf aber nicht zu einer höheren Belastung aller Kunden führen. Hinzu kommt die behördliche Genehmigungspflicht in § 4 TeilPrivG. Es geht hier, anders als etwa bei § 12 der Bundestarifordnung Elektrizität (BTO Elt), nicht nur um eine bloße Höchstpreisgenehmigung, sondern um eine vollständige Überprüfung der nach vorgeschriebenen gesetzlichen Regeln zu ermittelnden Tarife. Dazu kann die Genehmigungsbehörde nach § 6 Abs. 2 WTVO die Einschaltung eines unabhängigen Gutachters verlangen.

Gleichwohl bleibt es bei der vom Bundesgerichtshof in den Entscheidungen vom 30. April 2003 - VIII ZR 278/02 (WuM 2003, 458) und VIII ZR 279/02 (NJW 2003, 3131) vorgegebenen Rechtslage, dass bereits im Entgeltprozess zu klären ist, ob die Tarife der Klägerin der Billigkeit entsprechen. Entscheidend ist, dass das TeilPrivG anders als § 5 des Gesetzes über die Regelung der Telekommunikation und des Postwesens (also anders als bei dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH vom 2. Juli 1998, Az: III ZR 287/97 (NJW 1998, 3188) zugrunde lag, keine Regelung enthält, dass die Tarife nicht vor der Genehmigungserteilung wirksam werden. Anders als bei der Telekom hat der Landesgesetzgeber für der Geschäftsbereich der Klägerin keine Regulierungsbehörde geschaffen.

Die Klägerin geht selbst - zutreffend - davon aus, das die behördliche Genehmigung nach § 4 TeilPrivG keine privatrechtsgestaltende Wirkung hat (S. 16 des Schriftsatzes vom 5. April 2004). Nach § 4 Abs. 3 TeilPrivG gelten die beantragten Tarife als genehmigt, wenn die Genehmigungsbehörde nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang des vollständigen Antrags entscheidet. Die fehlende Genehmigung kann aber nur dann privatrechtsgeltende Wirkung entfalten, wenn das Rechtsgeschäft an ein gesetzliches Verbot anknüpft (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 134 Rdn. 11a). Das ist hier nicht der Fall, weil die Genehmigung sich nur auf die Tarife, nicht jedoch auf die Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Kunden bezieht.

Hinzu kommt, dass es auch fraglich ist, wie die Rechtsweggarantie für die Überprüfung der Tarifgestaltung sonst gewahrt werden soll, wenn man § 315 BGB nicht für anwendbar hält. Insoweit hat auch das Landgericht zu Recht festgestellt, dass die Rechtsweggarantie in nicht hinnehmbarer Weise eingeschränkt werden würde, weil die nach § 4 TeilPrivG erteilte Genehmigung vom Kunden verwaltungsgerichtlich nicht angegriffen werden könne. Es bleibt deshalb dabei, dass die Tarifgestaltung der Klägerin auch nach dem Inkrafttreten des TeilPrivG zum 1. Januar 2000 weiterhin einer Billigkeitsprüfung zu unterziehen ist.

Im Übrigen kann man selbst dann, wenn man der Auffassung ist, das § 315 BGB keine Anwendung findet, die Überprüfung der Tarifgestaltung nicht in den Rückforderungsprozess verlagern, denn es geht auch in diesem Fall nicht um die Rechnungsstellung im Sinne des § 30 AVBWasserV, sondern um die Rechtsgrundlage für die Gebühren. Bei der gebotenen einschränkenden Auslegung der AGB erstreckt sich auch § 19 ABE nicht auf die Grundlage für die Bemessung der Gebühren.

Der Bundesgerichtshofs hat in den Entscheidungen vom 30. April 2003 - VIII ZR 278/02 (WuM 2003, 458) und VIII ZR 279/02 (NJW 2003, 3131) festgestellt, dass den Belangen des Kunden, der die Preisbestimmung der Klägerin für unbillig hält, nur dadurch hinreichend Rechnung getragen werden kann, dass es ihm gestattet wird, sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Versorgungsunternehmens entsprechend dem in § 315 Abs. 3 BGB enthaltenen Schutzgedanken auf die Unangemessenheit und damit Unverbindlichkeit der Preisbestimmung zu berufen und diesen Einwand im Rahmen der Leistungsklage zur Entscheidung des Gerichts zu stellen. Es reicht danach nicht aus, dass ein Kunde, der substanziierte Zweifel an der Billigkeit der Tarife hat, diese in einem Rückforderungsprozess vorbringen kann.

3. Gleichwohl kann die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben, weil die in dem vorliegenden Rechtsstreit vorzunehmende Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB nicht zu der Feststellung führt, dass die von der Klägerin getroffene Bestimmung der Entgelte unbillig ist.

a) Haben die Vertragspartner vereinbart, dass einer von ihnen die Vertragsleistung bestimmen soll, so hat dieser die Bestimmung im Zweifel nach billigem Ermessen vorzunehmen. Die getroffene Bestimmung ist nach § 315 Abs. 3 BGB für den anderen Teil nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Der Vertragspartner, der sich der Bestimmung durch den anderen unterworfen hat, soll hierdurch gegen willkürliche Vertragsgestaltung geschützt werden. Dieser allgemeine Schutzgedanke ist auch dann heranzuziehen, wenn das Gesetz einer Vertragspartei das unter § 315 BGB fallende Bestimmungsrecht zuweist (BGHZ 126, 109, 120)

b) § 315 Abs. 3 BGB stellt lediglich darauf ab, ob die von dem einen Vertragspartner getroffene Bestimmung der vertraglichen Leistung "der Billigkeit" entspricht, und erfordert damit im wesentlichen eine Prüfung und Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessenlage nur bei den beiden Vertragspartnern (BGHZ 41,271, 279, BGHZ 18, 149, 152).

Dabei ist nicht nur ein einziges "richtiges" Ergebnis denkbar. Dem Bestimmungsberechtigten steht ein Ermessensspielraum zu; die Bestimmung ist erst dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch § 315 Abs. 3 BGB mit dem dortigen Hinweis auf die Billigkeit gezogenen Grenzen überschritten sind, nicht dagegen schon, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGH NJW-RR 1991, 1248).

c) Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit liegt bei der Klägerin (vergl. BGH NJW 2003, 3131; NJW 1987, 1828). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und allgemeiner Meinung im Schrifttum trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der festgesetzten Entgelte das Versorgungsunternehmen (BGH BGHZ 154, 5, 8 m.w.N.).

Wenn die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast aber entsprochen hat, genügt es nicht, dass der Beklagte die Billigkeit der Tarife schlicht bestreitet. Der Beklagte muss sich vielmehr substanziiert zu den Tatsachen erklären, die seinen Bereich betreffen. Deshalb muss er zunächst darlegen, warum er die Tarife aus seiner Interessenlage für unbillig hält.

Der Senat ist nicht verpflichtet, von Amts wegen alle in Betracht kommenden Gesichtspunkte, die gegen die Billigkeit sprechen könnten, zu berücksichtigen. Im Zivilprozess gilt der Grundsatz der Parteimaxime, nicht der Amtsermittlungsgrundsatz. Das gilt auch für eine nach § 315 Abs. 3 BGB zu treffende Billigkeitsentscheidung. Auch nach dem Sinn und Zweck der gerichtlichen Bestimmung der Billigkeit durch Urteil ist es geboten, dass die Parteien ihre Gründe, die für bzw. gegen die Billigkeit sprechen, dem Gericht darlegen. Das Gericht hat dann eine Abwägung vorzunehmen, wobei bei streitigem Tatsachenvortrag die Beweislast bei der Partei liegt, die die Bestimmung vorgenommen hat.

d) An die Darlegungungslast der Klägerin für die Überprüfung der Entgelte auf ihre Billigkeit sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Soweit es sich um Standardleistungen handelt, ist der Versorgungsträger insbesondere nicht verpflichtet, die von ihm verlangten Pauschalen im Einzelnen aufzuschlüsseln. Hinreichend sind insoweit nachvollziehbare Ausführungen dazu, dass die Entgelte sachgerecht sind, insbesondere, dass keine leistungsfremden Kosten in diesen "versteckt" werden. Kommt der Versorger dieser Mindestdarlegung nach, ist es Sache des Kunden, diese im Einzelnen zu entkräften (vergl. BGH NJW 1987, 1828).

Die Substanziierung der Billigkeit einer Preisbestimmung, die der Versorgungsträger gemäß §§ 315 BGB getroffen hat, erfordert regelmäßig, dass er seine Preiskalkulation offen legt (BGH MDR 1992, 346). Angesichts der gesetzlichen Vorgaben und dem Genehmigungsvorbehalt entsprechen die Tarife jedenfalls dann der Billigkeit, wenn sich die Klägerin bei der Ermittlung der Tarife für Be- und Entwässerung an die Regelungen im TeilPrivG und der WTVO gehalten und keine Fehler gemacht hat, die betriebswirtschaftlichen Grundsätzen mit der Folge zuwiderlaufen, dass das Kostendeckungsprinzip in § 3 Abs. 1 TeilPrivG nicht beachtet wird und die Wasserbetriebe damit einen Gewinn machen, der nicht mehr als angemessen im Sinne des § 6 TeilPrivG angesehen werden kann.

Das Kostendeckungsprinzip belässt der Klägerin bei der Festsetzung der Tarife und Entgelte einen Spielraum. Das Prinzip der Kostendeckung hindert deshalb den Kläger nicht, innerhalb des ihm verbleibenden Spielraums dem Gesichtspunkt billigen Ermessens Rechnung zu tragen (BGHZ 115, 311, 320).

e) Vorliegend hat die Klägerin ihre Abwasserentgeltkalkulationen und ihre Wassertarifkalkulationen für die Jahre 2000 und 2001 eingereicht. Sie hat außerdem ein Gutachten der WIBERA Wirtschaftsberatung AG (in Folgenden: WIBERA) zur Prüfung ausgewählter Kalkulationsansätze für die Tarifkalkulation der Klägerin für das Jahr 2002 und ein Gutachten der WIBERA über die zukünftige Kostenverteilung im Betriebsbereich Entwässerung der Berliner Wasserbetriebe zur Ermittlung getrennter Entgelte für die zentrale Entsorgung von Schmutz und Niederschlagswasser vom 11. November 1999 eingereicht, mit denen die betriebswirtschaftliche Richtigkeit ihrer Kalkulationen in wesentlichen Punkten bestätigt wird. Außerdem hat sie den Genehmigungsbescheid der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie eingereicht. Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast entsprochen.

e) Es wäre nun Sache des Beklagten gewesen, im Einzelnen aufzuzeigen, in welchen Punkten die Klägerin gegen zwingende betriebswirtschaftliche Grundsätze verstoßen hat, die ihr einen Vorteil verschaffen, weil damit das Kostendeckungsprinzip in § 3 Abs. 1 TeilPrivG verlassen wird und der Gewinn unangemessen erhöht wird.

Anhaltspunkte für derartige Fehler bei der Tarifbestimmung hat der Beklagte nicht dargetan, sodass der Senat offen lassen kann, ob der Genehmigung durch die zuständige Senatsverwaltung indizielle Wirkung für die Billigkeit zukommt (ebenso offengelassen von BGHZ 154, 5, 10).

Die von dem Beklagten vorgebrachten Beanstandungen sind weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit geeignet, die von der Klägerin dargelegte Billigkeit ihrer Tarife im Rahmen der oben dargelegten Grundsätze in Frage zu stellen.

Zu den Beanstandungen des Beklagten im Einzelnen sind folgende Feststellungen zu treffen:

aa) Fehlerhafte Berücksichtigung des Abzugskapitals

Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, inwieweit die Klägerin für die vorhandenen Anlagen eine kalkulatorische Verzinsung des darin steckenden Kapitals berücksichtigen darf und dabei die von den Kunden für die Errichtung der Anlagen geleisteten Beiträge in Abzug zu bringen sind ("Abzugskapital").

Der Beklagte behauptet dazu, mindestens 90 % aller Anlagen der Klägerin seien durch Beiträge fremdfinanziert, während die Klägerin darauf verweist, dass Beiträge nur für die Rohrnetzleitungen, nicht jedoch für Klärwerke, Pumpwerke oder Wasserwerke erhoben werden, die aus den tariflichen Gebühren finanziert werden.

Es ist gerichtsbekannt, dass der Bürger keine Beiträge zu entrichten hat, wenn die Beklagte ein Wasserwerk, ein Pumpwerk oder eine ähnliche Einrichtung errichtet. Der Bürger hat sich durch Beiträge nur an dem Anschluss an das Rohrnetz zu beteiligen. Das räumt auch der Beklagte durch seinen Hinweis auf die Beispielrechnung für Schöneberg von Lobeck ein, die sich auf die Kosten der Kanalisation beziehen soll. Bereits deshalb ist der Einwand des Beklagten, für sämtliche Anlagen der Wasserbetriebe dürfe kein kalkulatorischer Zinssatz berücksichtigt werden, nicht nachvollziehbar.

Des Weiteren beanstandet der Beklagte die seiner Ansicht nach fehlerhafte Berücksichtigung erwirtschafteter Abschreibungen als zusätzliches Abzugskapital. Er behauptet, die Klägerin habe kundenfinanzierte Anlagen, die betriebswirtschaftlich oder steuerrechtlich längst abgeschrieben waren, erneut in ihrer Bilanz als betriebsnotwendiges Vermögen aktiviert und als verzinsungsfähiges Eigenkapital gebucht. Die Klägerin habe durch die Abschreibung kein zusätzliches Kapital erhalten, dass bei der kalkulatorischen Verzinsung zu berücksichtigen wäre.

Demgegenüber trägt die Klägerin vor, Abschreibungen seien abgezogen worden. Der kalkulatorische Zinssatz sei nur auf den verbleibenden Restbuchwert des betriebsnotwendigen Kapitals anzuwenden. Das sei durch den externen Gutachter WIBERA AG (Anl. K 15) bestätigt worden. Der verbleibende Restwert werde um das Abzugskapital (Beiträge und Zuschüsse zur Herstellung einer Anlage) vermindert. Vollständig abgeschriebene Anlagen spielten beim betriebsnotwendigen Vermögen keine Rolle. Bei teilweise abgeschriebenen Anlagen könne das Abzugskapital nur in Höhe des verbleibenden Restbuchwertes berücksichtigt werden. Zinsgewinne aus Abschreibungserlösen stünden dem Träger der öffentlichen Einrichtung zu, denn Zweck der Abschreibungen sei der mit der Anlagennutzung verbundene Werteverzehr zu Gunsten des Kunden. Das abgeschriebene Kapital wandele sich daher in Kapital der öffentlichen Einrichtung um, der deshalb auch die Zinsgewinne zustünden.

Danach lässt sich nicht feststellen, dass die von der Klägerin getroffene Bestimmung der Entgelte unbillig ist. Es ist unbedenklich, dass wenn der Versorgungsträger die kalkulatorischen Abschreibungen von dem gesamten Anlagevermögen vornimmt; auch die Abschreibung zuschussfinanzierten Anlagevermögens ist rechtlich nicht zu beanstanden (vergl. OVG NW, KStZ 1994, 213, 214). Anschlussbeitrage werden nur als Gegenleistung dafür erhoben, dass dem Kunden durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Abwässerbeseitigungseinrichtung und ihrer Anlagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden (OVG NW, a.a.O.). Der Kunde wird durch die Zahlung von Beiträgen nicht (Mit-) Eigentümer von Einrichtungen der Klägerin, etwa von Teilen des Rohrnetzes. Wenn die Einrichtungen abgeschrieben sind, ein Restwert also nicht mehr vorhanden ist, so muss der Klägerin das Kapital für die Ersatzbeschaffung nicht nur anteilmäßig, sondern in vollem Umfang zu Verfügung stehen. Der beitragsfinanzierte Anteil muss deshalb an der kalkulatorischen Abschreibungen teilhaben; andernfalls wäre dies nicht gewährleistet. Dies widerspricht weder betriebswirtschaftlichen Grundsätzen noch dem Berliner Landesrecht. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass in den Jahren 1992 bis 2003 nur durchschnittlich 6,6 % der Investitionskosten für die Erweiterung des Rohrnetzes über Baukostenzuschüsse finanziert worden sind; diese seien zu 100 % in der Tarifkalkulation ertragswirksam aufgelöst worden und damit den Kunden zugute gekommen. Der Beklagte hat das nicht widerlegt. Dass die Kunden der Klägerin von dieser doppelt zur Finanzierung des Rohrnetzes herangezogen werden würden, ist danach nicht ersichtlich,

Der Begründung des Berliner Landesgesetzgebers zu § 3 TeilPrivG (Drucksache 13/3367 des Abgeordnetenhauses von Berlin) ist zu entnehmen, dass eine angemessene Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten gebührenrechtlichen Grundsätze stattzufinden hat. Dabei hat die Klägerin, wie sich aus § 6 TeilPrivG ergibt, im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Nach § 1 Abs. 3 der WTVO zählen zu den kalkulatorischen Kosten Abschreibungen sowie kalkulatorische Wagnisse und Zinsen. Abschreibungen gehören nach Abschnitt III der Anl. 1 zu § 2 WTVO nicht zu dem bei der Berechnung des betriebsnotwendigen Kapitals in Ansatz zu bringenden Abzugskapital.

Danach kann nicht festgestellt werden, dass die Kalkulation der Klägerin gegen Berliner Landesrecht verstößt. Abschreibungsmethoden sind grundsätzlich zulässig, soweit sie betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen. Dass das bei den von der Klägerin angewandten, von der Gutachterin WIBERA gebilligten und von der zuständigen Senatsverwaltung genehmigten Tarifen nicht der Fall gewesen wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich.

bb) Überhöhte Personalkosten

Der Beklagte beruft sich auf Berichte des Rechnungshofes von 2000 - bis 2003 und beanstandet die Verkürzung der Arbeitszeit der unter das Tarifrecht Ost fallenden Mitarbeiter um 1,5 Std. bei vollem Lohnausgleich. Waschzeiten zur körperlichen Reinigung der Mitarbeiter als entgeltliche Arbeitszeit seien tarifvertraglich nicht geregelt. Trotz zu hohen Personalbestandes seien betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen worden. Die Klägerin habe damit gegen ihre Verpflichtung zu wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltsführung verstoßen, was billigerweise nicht über die Tarife auf den Kunden abgewälzt werden könne.

Auch daraus ergibt sich keine Unbilligkeit der Tarife der Klägerin. Die einheitliche Vergütung nach BAT-West ist wegen der besonderen Situation der Stadt berechtigt und auch in anderen Bereichen, z.B. Justiz, durchgeführt worden. Die Gewährung von Waschzeiten ist insbesondere im Abwasserbereich nicht zu beanstanden.

Im Übrigen könnte selbst eine fehlerhafte Personalpolitik nicht über das Gebührenrecht korrigiert werden. Die Wasserbetriebe müssen ihre Tarife zumindest kostendeckend kalkulieren. Ist der Personalbestand zu hoch, muss ggf. über die Politik zu dienstrechtlichen Maßnahmen gegriffen werden, um den Personalbestand zu verringern. Die schlichte Verringerung des Gebührenaufkommens würde die Wasserbetriebe möglicherweise in die Insolvenz treiben, was angesichts der Notwendigkeit einer funktionierenden Wasser- und Abwasserversorgung nicht hingenommen werden kann.

Hinzu kommt, dass sich auch die Klägerin um einen Personalabbau bemüht hat (rd. 1000 Mitarbeiter von Ende 1999 bis Ende 2003, I 174). Im Übrigen ist aber auch weder dargetan noch ersichtlich, dass sich eventuelle Personalmehrkosten, die der Beklagte anhand der Rechnungshofberichte mit insgesamt jährlich rd. 6,7 Mio. EUR beziffert, maßgeblich aus die Tarifbemessung ausgewirkt hätten. Bereits deshalb sind Anhaltspunkte für Unbilligkeit der Tarife der Klägerin den Beanstandungen des Beklagten nicht zu entnehmen.

cc) Fehlerhafte Investitionen

Der Beklagte beanstandet aufgrund des Rechnungshofberichts für 2004 den Bau der Abwasserdruckleitung Biesdorf-Wassmannsdorf, unzulässige Kosten bei der Klärschlammentsorgung und Verluste durch den Erwerb der Sekundärrohstoff-Verwertungszentrum Schwarze Pumpe GmbH.

Auch diese Beanstandung führen nicht zu einer Feststellung der Unbilligkeit der Tarife der Klägerin. Selbst wenn hier im Einzelfall unternehmerische Fehlentscheidungen getroffenen worden sein sollten, was bei einem durchschnittlich gut geführten Unternehmen nicht ausgeschlossen werden kann, kann es bei Betrieben der Daseinsvorsorge nicht als unbillig angesehen werden, daraus resultierende Verluste über die Tarife auszugleichen. Keinesfalls kann im Rahmen der nach § 315 Abs. 3 BGB zu treffenden Billigkeitsentscheidung jede unternehmerische Entscheidung bei der Bemessung der Tarife auf ihre wirtschaftliche Notwendigkeit oder sachliche Rechtfertigung überprüft werden. Maßgeblich für das Tarifgefüge bleibt vielmehr allein das Prinzip der Kostendeckung.

f) Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin gegen zwingende betriebswirtschaftliche Grundsätze verstoßen hat, die ihr einen Vorteil verschaffen, weil damit das Kostendeckungsprinzip in § 3 Abs. 1 TeilPrivG verlassen wird und der Gewinn unangemessen erhöht wird. Stehen die kalkulatorischen Überlegungen der Klägerin nicht außerhalb jeglicher betriebswirtschaftlicher Grundsätze, sind sie mithin vertretbar, besteht kein Anlass zu der Annahme, die Tarife seien unbillig. Davon ist hier auszugehen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Tariffestsetzung der Klägerin gegen Bestimmungen des Berliner Landesrecht verstößt. Auch deshalb kann nicht festgestellt werden, dass die Tarife der Klägerin unbillig wären und deshalb eine gerichtliche Bestimmung durch Urteil gemäß § 315 Abs. 3 BGB getroffen werden müsste.

4. Die Berufung des Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, war nicht gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Senat hat keine Entscheidung darüber treffen müssen, ob die Entgelte der Klägerin allgemein der Billigkeit entsprechen, sondern nur darüber, ob der Beklagte in dem hier vorliegenden Leistungsprozess hinreichend Tatsachen vorgetragen hat, welche die Billigkeit der Entgelte der Klägerin in Frage stellen können. Er hat im Wesentlichen eine Prüfung und Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessenlage nur bei den beiden Vertragspartnern des vorliegenden Rechtsstreits vornehmen müssen. Damit betrifft diese Entscheidung letztlich nur einen Einzelfall, der keine grundsätzliche Bedeutung für alle Vertragsverhältnisse der Klägerin mit ihren Kunden hat.



Ende der Entscheidung

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