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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: 7 U 5/07
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 304
HGB § 354 Abs. 1
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Erstattung von Kosten für die Einlagerung von Baumaterialen (hier: zur Wiederverwendung bestimmte Fußbodendielen) vom Unternehmer verlangt werden können.

2. Mehraufwendungen im Sinne des § 304 BGB ist auch das Lagergeld gemäß § 354 Abs. 1 HGB.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 5/07

verkündet am: 25.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 25.09.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Sellin und Renner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden das am 22. Dezember 2006 verkündete Teilurteil der Zivilkammer 20 des Landgerichts Berlin - 20 O 207/04 - und das zugrunde liegende Verfahren aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten u.a. darum, ob dem klagenden Unternehmer, der zur Wiederverwendung bestimmte Dielen aus dem Bauvorhaben des beklagten Bestellers bei sich eingelagert hat, nach der Kündigung des Bauwerksvertrages ein Lagergeld beanspruchen kann. Das Landgericht hat die darauf gerichtet Klage nach Beweisaufnahme durch Teilurteil abgewiesen. Die Berufung des Klägers führte zur Aufhebung des Teilurteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht.

Gründe:

A.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

B.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist mit der Maßgabe begründet, dass das angefochtenen Teilurteil aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO zurückzuverweisen ist; denn der Rechtsstreit ist hinsichtlich der Lagerkosten entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht zur Entscheidung reif.

I.

1. Der Senat folgt der Ansicht des Landgerichts, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst keine Vereinbarung zwischen den Parteien über das kostenpflichtige Einlagern alter Dielen in den Geschäftsräumen der Klägerin zustande gekommen ist. Weder der Zeuge Snn noch der Zeuge Hnnnnn haben eine derartige Abrede zwischen den Parteien bestätigt. Dafür spricht auch, dass die Klägerin bis zur Kündigung des Bauwerkvertrages mit der Beklagten keine Lagerkosten geltend gemacht hat.

2. Das Landgericht hat jedoch übersehen, dass die Beklagte nach der Kündigung des Bauwerkvertrages und der vergeblichen Aufforderung im Schreiben vom 17. November 2003 (Anl. K 39) bis zum 26. November 2003 einen anderen Lagerplatz zu benennen, grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung hat.

a) Liegt in dem Schreiben vom 17. November 2003 eine Kündigung des Verwahrungsvertrages durch die Klägerin nach § 696 BGB, ist die Beklagte mit ihrer Rücknahmepflicht in Schuldnerverzug geraten, weil sie die Dielen am Ort der Einlagerung abzuholen hat (§ 697 BGB). Demnach stünde der Klägerin gemäß § 286 BGB ein Schadenersatzanspruch zu. Daneben ist die Beklagte gemäß § 293, 295 BGB mit der Rücknahme der hinterlegten Dielen in Annahmeverzug geraten, weil sie keinen anderen Lagerplatz genannt hat, mit der Folge, dass die Klägerin Ersatz von Mehraufwendungen aus § 304 BGB verlangen kann.

b) Liegt in dem Schreiben vom 17. November 2003 keine Kündigung des Verwahrungsvertrags durch die Klägerin folgt der Anspruch auf Lagergeld aus §§ 6 Abs. 1, 354 Abs. 1 HGB. Dieser Anspruch entsteht für Handelsgewerbetreibende ohne entsprechende Vereinbarung und wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die kostenlose Lagerung auch für die Zeit nach der Beendigung des Bauwerksvertrages zwischen den Parteien vereinbart worden wäre. Dazu ergibt sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein konkreter Anhaltspunkt. Die Dielen sollten nur solange kostenlos eingelagert werden, bis sie zum Einbau wieder verwendet werden. Mit der Kündigung des Bauwerkvertrages ist diese Vertragsbedingung entfallen, so dass danach auch ohne Vereinbarung Lagergeld verlangt werden kann.

3. An dieser Rechtslage ändert sich auch nichts durch das Schreiben der Beklagten vom 3. Mai 2004 (Anl. B 21), in dem sie die Klägerin aufgefordert hat, an sie "von den eingelagerten Dielen mindestens 200 m² spätestens bis zum 10. 5. 2004" herauszugeben. Spätestens mit diesem Schreiben ist der Verwahrungsvertrag gemäß §§ 695 BGB beendet worden. Soweit die Beklagte die Klägerin in dem Schreiben vom 3. Mai 2004 außerdem aufgefordert hat, "die übrigen Dielen weiterhin auf ihre Kosten einzulagern", kommt dem schon deshalb keine rechtserhebliche Bedeutung zu, weil die Klägerin selbst davon ausgeht, dass nur ca. 190 m² bei ihr lagern, so dass der Verwahrungsvertrag auch nicht teilweise fortbestehen kann.

4. Welche Ansprüche die Klägerin ab dem 11. Mai 2004 noch geltend machen kann, ist allerdings in der Literatur und Rechtsprechung umstritten. Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Ansprüche richten sich nach den Bestimmungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, wenn der Verwahrer dem Herausgabeverlangen mit einem Zurückbehaltungsrecht wegen des Lagergeldes entgegentritt. Das vertraglich vereinbarte Verwahrungsentgelt könne danach nicht mehr verlangt werden (OLG Celle, NJW 1967, 1967; Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 693 Rn. 1). Nach anderer Ansicht soll sich der Anspruch ausschließlich aus § 304 BGB ableiten (Prütting/Wegen/Weinreich/, BGB, Aufl. 2006, § 689 Rn. 2, Hüffer in Münchener Kommentar, 4. Aufl., § 689 BGB Rn. 6).

Die Entscheidung darüber hängt maßgeblich von der Beantwortung der Frage ab, ob das von der Klägerin geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB gibt und damit die Vindikationslage ausgeschlossen wird.

Auch diese Frage ist umstritten. Während eine Ansicht ein Recht zum Besitz mit der Begründung vereint, dass Zurückbehaltungsrecht beschränke nur die Vollstreckung des Herausgabeanspruchs (Palandt/Bassenge, a.a.O., § 986 Rn. 5 m.w.N.), vertritt der Bundesgerichtshof grundsätzlich die gegenteilige Ansicht (BGH NJW 2002, 1050). Der Senat schließt sich der Ansicht des Bundesgerichtshofs an. Danach begründet das Zurückbehaltungsrecht nur dann kein Recht zum Besitz, wenn das Rechtsverhältnis, welches das Besitzrecht begründet, eine Regelung der Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und Verwendungsersatz nicht enthält (BGH NJW a.a.O. 1052). Das ist hier wegen § 693 BGB nicht der Fall.

Am Gläubigerverzug der Beklagten hat sich gemäß § 295 BGB nichts geändert; denn sie hat zwar die Herausgabe der Dielen verlangt, nicht jedoch die Abholung der Dielen angeboten, sondern die kostenlose Anlieferung verlangt. Demzufolge kann die Klägerin für die Zeit nach der Kündigung die Mehraufwendungen nach § 304 BGB ersetzt verlangen. Auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 994 BGB) muss nicht zurückgegriffen werden.

5. Der Klägerin steht nach alledem ab dem 27. November 2003 Anspruch auf Lagergeld dem Grunde nach zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich der Anspruch aus § 354 Abs. 1 HGB oder § 304 BGB ergibt. Eine genaue Abgrenzung dieser Ansprüche ist nicht erforderlich. Zu den Mehraufwendungen im Sinne des § 304 BGB gehört der tatsächliche Aufwand, den die Klägerin seit der Vertragsbeendigung und dem Eintritt des Gläubigerverzuges gehabt hat. Für den Fall des Annahmeverzugs eines Käufers mit der gekauften Ware hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich der Mehraufwand ebenfalls nach § 354 Abs. 1 HGB richtet, wonach der ein Handelsgewerbe ausübende Verkäufer, der die vom Käufer grundlos abgelehnten Kaufsachen bei sich verwahrt, grundsätzlich auch Ersatz der üblichen Lagerkosten verlangen kann (BGH NJW 1996, 1464, 1465). Der Senat ist der Ansicht, dass dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn Gegenstand des Vertrages die Einlagerung von Waren ist; denn es spielt für die Berechnung des Mehraufwands keine Rolle, aufgrund welcher vertraglichen Grundlage die Einlagerung beruht. An den mit der Einlagerung verbundenen Kosten ändert sich nichts. Die Klägerin kann daher auch für die Zeit nach Beendigung des Verwahrungsvertrages die ortsüblichen Lagerkosten beanspruchen.

6. Entscheidungsreife über diesen Anspruch besteht jedoch nicht, weil sich die Höhe der Vergütung nicht einmal ansatzweise schätzen lässt.

a) Keine Zweifel hat der Senat, dass die Klägerin Dielen eingelagert hat, die im Eigentum der Beklagten stehen. Obwohl die Beklagte das bestreitet, spricht bereits der Umstand dafür, dass sie die Herausgabe der Dielen in einer Größenordnung von 200 m² verlangt hat. Substanziierter Vortrag, warum bei der Klägerin keine Dielen der Beklagten lagern sollen, fehlt. Nach dem Ergebnis der bereits durchgeführten Beweisaufnahme steht zudem fest, dass Dielen im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer der Beklagten aussortiert und schließlich bei der Klägerin gelagert worden sind. Das hat der Zeuge Simon dem Grunde nach glaubhaft bestätigt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen Hnnnnn . Allein der Umstand, dass der Geschäftsführer der Beklagten nach der Besichtigung der Dielen im Lager der Klägerin in Mnnnnnn Zweifel an seinem Eigentum geäußert hat, reicht grundsätzlich nicht aus.

b) Völlig unklar ist allerdings, um welche Menge es sich handelt, und welche Vergütungsansprüche sich daraus ergeben könnten. Der bisherige Vortrag der Klägerin genügt auch nicht für eine Schätzung des Entgelts nach § 287 ZPO.

Die Klägerin rechnet ein monatliches Lagergeld von 250,00 € netto ab, ohne den geltend gemachten Betrag auch nur ansatzweise zu erläutern. Ihre Rechnungen verweisen nur auf eine Kostenankündigung vom 5. Februar 2004 (Anl. K 40), die aber keinen Aufschluss über die Berechnung gibt. Die schlichte Behauptung, es handele sich um den ortsüblichen Preis, ist unzureichend, weil die Klägerin zumindest vorzutragen hat, wie sie den ortsüblichen Preis ermittelt haben will. Das gilt hier insbesondere auch deshalb, weil sie für das (im vorliegenden Berufungsverfahren nicht streitgegenständliche) Einlagern neuer Dielen nur monatliche Lagerkosten von 80,00 € netto abrechnet (Schlussrechnung Titel 40, Pos. 5). Daher muss zunächst einmal geklärt werden, in welchem Umfang Dielen bei der Klägerin eingelagert worden sind, welchen Platz sie beansprucht und welcher Lohn dafür ortsüblich ist. Die Klägerin trägt hierzu zwar vor, es werde ein Platz von 3 Fächern in der Größe von 3x3 m² benötigt. Warum sich daraus aber ein ortsübliches Lagerentgelt von 250,00 € netto monatlich ergibt, das die Beklagte bestreitet, legt die Klägerin nicht dar. Bislang liefe eine Beweisaufnahme über die ortsüblichen Lagerkosten daher auf eine unzulässige Ausforschung des Sachverständigen hinaus. Das gilt auch, soweit sich die Klägerin auf den Aufwendungsersatzanspruch nach § 693 BGB beruft; denn sie trägt nichts dazu vor, wie sie ihre Aufwendungen berechnet hat.

Hinzu kommt, dass zwischen den Parteien Streit darüber besteht, ob die eingelagerten Dielen für die Verwendung wieder vorgesehen waren. Auch hierzu hat die Klägerin nichts Konkretes vorgetragen. Die bisherige Beweisaufnahme ist insoweit unergiebig. Der Zeuge Snn hat bekundet, dass über die Wiederverwendbarkeit von Dielen nur exemplarisch gesprochen worden sei. Ob die Menge der eingelagerten Dielen der vertraglichen Vereinbarung entspricht, lässt sich daher gegenwärtig nicht feststellen. Nur wenn feststeht, dass die Klägerin solche Dielen eingelagert hat, die die Beklagte zur Wiederverwendung vorgesehen hat oder die nach der vertraglichen Vereinbarung wieder einzubauen waren, lässt sich der Umfang der Lagerkosten berechnen. Ob die Klägerin in der Lage ist, den dafür erforderlichen Beweis zu führen, kann erst entschieden werden, wenn ihr Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben worden ist, weil dieses Problem bisher von ihr noch nicht gesehen worden ist (§ 139 Abs. 2 ZPO) und der Hinweis des Landgerichts im Beschluss vom 3. August 2006 sich nur auf die Vereinbarung eines Entgelts dem Grunde nach, nicht jedoch auf die Höhe der geltend gemachten Kosten erstreckt.

Der Vortrag auf S. 3 der Berufungsbegründung zum Verladen der Dielen reicht nach Auffassung des Senats nicht aus, um festzustellen, welche Dielen vertragsgerecht abtransportiert und eingelagert worden sind, zumal die eidesstattliche Erklärung des Zeugen Rnnn (Anl. KB 1a) die Behauptung der Klägerin, der Geschäftsführer der Beklagten habe den Abtransport wohlwollend bestätigt, nicht deckt. In der Berufungsbegründung behauptet die Klägerin, die zu entsorgenden Dielen seien vor dem Abtransport aussortiert worden. Demgegenüber ergibt sich aus der eidesstattlichen Erklärung des Zeugen Rnnn , dass die Dielen erst im Lager sortiert worden sein sollen.

Die Anlage KB 1 ist hinsichtlich des Umfangs der vertraglich einzulagernden Dielen völlig nichtssagend. Die mit der Berufungsbegründung eingereichten Fotos (Anl. KB 2) sind abgesehen von ihrer unzureichenden Qualität für die Beurteilung der Frage, welche Dielen vertragsgemäß einzulagern waren, als Beweismittel nicht geeignet. Selbst wenn man mithin zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass die bei ihr lagernden Dielen von der Beklagten stammen, ist damit noch nicht die Streitfrage geklärt, ob diese Dielen auch tatsächlich eingelagert werden sollten.

III.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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