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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 8 U 129/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 147 Abs. 2
BGB § 550 Satz 1
Die Schriftform des § 550 Satz 1 BGB ist nicht gewahrt, wenn im Falle einer Nachtragsvereinbarung zwar "Schriftlichkeit" eingehalten wird, die Annahmeerklärung aber nicht mehr rechtzeitig i. S. d. § 147 Abs. 2 BGB zugeht.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 129/06

verkündet am: 25. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber und die Richterinnen am Kammergericht Spiegel und Dr. Henkel auf die mündliche Verhandlung vom 25.01.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.7.2006 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 91 des Landgerichts Berlin abgeändert:

Die Klage wird - auch in der Fassung des Schriftsatzes vom 18.1.2007 - abgewiesen.

2) Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3) Die Streithelfer haben die ihnen entstandenen Kosten zu tragen.

4) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5) Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

6) Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

1. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 14.07.2006 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 91 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagte verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie meint, dass das Landgericht zu Unrecht von der Einhaltung der Schriftform des Mietvertrages vom 08./10.09.1993 ausgegangen sei. Schon der Beginn des Mietverhältnisses lasse sich nicht feststellen, weil dieser nicht schriftlich festgehalten worden sei. Jedenfalls aber habe der 5. Nachtrag zum Mietvertrag die gesetzlich erforderliche Schriftform nicht eingehalten, weil eine rechtzeitige Annahme ihres Angebots auf Vertragsänderung durch die Klägerin nicht erfolgt sei. Sie sei deshalb zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrages berechtigt gewesen, so dass das Mietverhältnis am 31.03.2006 beendet sei und der Klägerin von diesem Zeitpunkt an Mietansprüche nicht mehr zustünden. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf ihre Schriftsätze vom 18.09.2006 und 15.01.2007 verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin und deren Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das Urteil des Landgerichts für zutreffend und meinen, dass das Schriftformerfordernis für den auf 20 Jahre abgeschlossenen Vertrag eingehalten sei. Jedenfalls verstoße aber die Geltendmachung der fehlenden Schriftform gegen Treu und Glauben, da die 5. Nachtragsvereinbarung zugunsten der Beklagten ergangen sei.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Kläger und der Streithelfer in der Berufungsinstanz wird auf ihre Schriftsätze vom 14.12.2006 und 10.01.2007 Bezug genommen.

2. Die Berufung der Beklagten ist begründet, weil die von ihr unter dem 21.09.2005 ausgesprochene Kündigung das Mietverhältnis nach § 580 a Abs. 2 BGB zum 31.03.2006 beendet hat. Entgegen der Auffassung der Kläger und der Streithelfer geht der Senat davon aus, dass der Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der nach §§ 550 Satz 1, 126 Abs. 2 BGB erforderlichen Schriftform als für unbestimmte Zeit geschlossen galt mit der Folge der jederzeitigen, nicht durch § 242 BGB ausgeschlossenen Möglichkeit der ordentlichen Kündigung durch die Beklagte.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt zwar ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis der §§ 566 Satz 1 BGB a.F., 550 Satz 1 BGB n.F., 126 Abs. 2 BGB nicht darin, dass die in § 3 Ziff. 1 des Vertrages für den Beginn des Mietverhältnisses vorgesehene "Bezugsfertigkeit" nicht schriftlich festgehalten worden ist. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen des Urteils des Landgerichts. Ergänzend hierzu ist auf § 4 Ziff. 2 des Mietvertrages zu verweisen, wonach die Miete, Nebenkosten und Umsatzsteuer "ab Bezugsfertigstellung" zu zahlen waren. Durch Vorlage von Überweisungsträgern oder Kontoauszügen lässt sich hierdurch der Beginn und damit die Dauer des Mietverhältnisses bestimmen. Dies reicht für den Zweck der vorgesehenen Schriftform, nämlich dem potenziellen Grundstückserwerber zu ermöglichen, Gewissheit über den Inhalt und den Umfang eines Mietverhältnisses zu erlangen in das er nach § 566 Abs. 1 BGB eintritt, aus. Erforderlich ist nicht, das sämtliche wesentlichen Vertragsbedingungen (schriftlich) bestimmt sind; ausreichend ist vielmehr - wie bei der Abtretung künftiger Forderungen - deren Bestimmbarkeit (BGH, GE 2004, 1163 = NJW 2004, 2962; GE 2006, 50; GE 2006, 184 = NJW 2006, 140). Diese Bestimmbarkeit liegt hier nach Auffassung des Senats ohne Zweifel vor, so dass für den Grundstückserwerber feststellbar ist, in welche langfristigen Vereinbarungen er gegebenenfalls (BGH, GE 2004, 1163) eintritt.

b) Nach Auffassung des Senats ist jedoch wegen der von der Hausverwaltung erst mit Schreiben an die Beklagte vom 21.04.2004 vorgenommene Übersendung des Nachtrags Nr. 5 die Schriftform des Mietvertrages insgesamt nicht (mehr) eingehalten. Die Beklagte hat ihre entsprechende Erklärung am 01.03.2004 unterzeichnet, die Klägerin ihrerseits am 12.03.2004. Diese (Annahme)erklärung der Klägerin ist der Beklagten aber erst am 23.04.2004 und damit nach Ablauf der üblichen Frist im Sinne des § 147 Abs. 2 BGB zugegangen, so dass dieses nach § 150 Abs. 1 BGB als (neues) Angebot nunmehr der Klägerin an die Beklagte zu werten ist. Diese hat das Angebot allerdings nicht in Schriftform, sondern konkludent durch Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den abgeänderten Bedingungen angenommen. Damit ist die für § 550 Satz 1 BGB notwendige Schriftform aber nicht eingehalten worden. Der Senat vermag der in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Auffassung, wonach es in solchen Fällen nur auf die Schriftlichkeit der vorhandenen Erklärungen und damit nur die äußere Form ankommt (z.B. OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2005 - 30 U 45/05 -, ZMR 2006, 2005; Stiegele, NZM 2004, 606 ff.; Wichert, ZMR 2005, 593 ff.) nicht zu folgen. § 550 Satz 1 BGB setzt den Abschluss bzw. die Abänderung des Vertrages in "schriftlicher Form" voraus, also in der Form des § 126 Abs. 2 BGB (MüKO/Einsele, 5. Auflage, § 126 Rdn. 3). Diese ist unter anderem dann nicht gewahrt, wenn eine Partei das schriftliche Angebot nur mit Änderungen "annimmt" (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 126 Rdn. 12). Gleiches muss für den Fall gelten, dass - wie hier - das schriftliche Angebot verspätet "angenommen" wird. Der § 515 Satz 2 BGB zwei Elemente beeinhaltet, nämlich das Schriftformerfordernis und den formentsprechenden Vertragsschluss (Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 9. Auflage, § 550 Rdn. 25), muss von einem Verstoß hiergegen schon dann ausgegangen werden, wenn nur eines dieser Elemente nicht eingehalten ist. Diese Betrachtungsweise entspricht auch der Entstehungsgeschichte der Norm.

Wegen des in § 571 BGB a. F. bzw. § 566 BGB n.F. enthaltenen Grundsatzes "Kauf bricht nicht Miete" ist bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches davon ausgegangen worden, dass ein Eingriff in das bestehende Grundbuchsystem vorliegt, wenn die Verpflichtungen des Vermieters aus dem Mietvertrag zu einer "Belastung" des Grundstücks gemacht werden, ohne dass zur Wirksamkeit gegen den (dritten) Erwerber des Grundstücks eine Eintragung in das Grundbuch erforderlich sei (vgl. Mugdan, Materialien, II. Bd., Seite 825). Der "einzig mögliche Ersatz" bestehe deshalb in der Schriftlichkeit des Mietvertrages und außerdem darin, "mündliche Abänderungen und Ergänzungen eines schriftlichen Vertrages dem Erwerber gegenüber für unwirksam zu erklären" (Mugdan, a.a.O.). Der Senat ist der Auffassung, dass die hiernach notwendige Schriftform nur gewahrt ist, wenn der langfristige Mietvertrag oder bedeutsame Änderungen durch schriftliche Erklärungen der Vertragspartner abgeschlossen werden, die ihrerseits unmittelbar selbst zum Vertragsschluss in der Form des § 126 Abs. 2 BGB führen. Stellt sich - wie im vorliegenden Fall - eine Erklärung als nicht ausreichend zur Wahrung der gesetzlichen Form dar, kann deren Einhaltung nicht zugleich mit der Einhaltung lediglich der Schriftlichkeit begründet werden. Entgegen der von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung hat der Bundesgerichtshof in diesem Sinne nicht bereits in seinem Urteil vom 14.07.2004 - XII ZR 68/02, NJW 2004, 738 -, entschieden. Dort ging es - nur - um die Frage, ob entsprechend Auffassung des Reichsgerichts eine nochmalige Unterzeichnung des Vertrages durch den zuerst Unterzeichnenden nach Unterzeichnung und Rückkehr der Vertragsurkunde erforderlich ist. Auszugehen ist im Gegensatz hierzu vielmehr davon, dass auch der Bundesgerichtshof die Einhaltung des Schriftformerfordernisses in Fällen der vorliegenden Art verneint. Mit Urteil vom 02.02.1999 - KZR 51/97, NJW-RR 1999, 689, hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass im Falle des §150 Abs. 2 BGB, der hinsichtlich der Auswirkungen abändernder Angebotsannahmen dem § 150 Abs. 1 BGB gleichsteht, eine mündliche oder konkludente erklärte Annahme eines Angebots dem Schriftformerfordernis nicht genügt.

c) Ist somit die Schriftform des Nachtrags Nr. 5 und damit die Schriftform des gesamten Mietvertrages nicht eingehalten, konnte die Beklagte auch nach § 580 a BGB die ordentliche Kündigung des Vertrages erklären. Anhaltspunkte dafür, dass die Geltendmachung der Unwirksamkeit ausnahmsweise (BGH, Urteil vom 18.10.2000 - XII ZR 179/98 - Rdn. 20 - GE 2001, 342 = NJW 2001, 221) als Rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, sind nicht ersichtlich. Der Zeitraum allein, der zwischen der (unwirksamen) Nachtragsvereinbarung von März/April 2004 und der unter dem 21.09.2005 ausgesprochenen Kündigung liegt, kann für sich allein einen "Missbrauch" des Kündigungsrechts nicht begründen und hierfür nicht ausschlaggebend sein (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 05.11.2003 - XII ZR 134/02 -, GE 2004, 176 = NJW 2004, 1103). Insoweit gibt auch das Urteil des OLG Dresden vom 31.08.2004 - 5 U 946/04 -, NZM 2004, 826, keinen Anlass zu einer anderen Betrachtungsweise: Dort Betrug der verstrichene Zeitraum immerhin 12 Jahre. Eine Aussetzung des Rechtsstreits wie angeregt, bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Revision kam deshalb nicht in Betracht, wobei die entsprechenden Anträge schon deshalb ins Leere gehen, weil die beim Bundesgerichtshof zu XII ZR 182/04 anhängige Revision inzwischen zurückgenommen ist.

Soweit die Streithelfer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, dass der 5. Nachtrag zugunsten der Beklagten abgeschlossen worden und ihr deshalb nach Treu und Glauben einberufen auf die Formunwirksamkeit verwehrt sei, gibt der Akteninhalt hierfür nichts her. Die Beklagte hat vielmehr mit ihrem Schriftsatz vom 07.06.2006, auf Seite 4 (Bl. 101 d. A.) im einzelnen Folgendes vorgetragen:

"Auslöser für den Nachtrag war die Insolvenz des früheren Hauptmieters ........mbH. Diese betrieb in separaten Räumen des 4. OG eine EDV-Zentrale, von der aus die Telefon- und EDV-Versorgung aller Mieter erfolgte. Um die weitere Versorgung der Mieter nach der Insolvenz des bisherigen Mieters sicherzustellen, mietete die Beklagte im Tausch gegen eine Teilfläche von 401,09 m², welche die Beklagte bis dahin im 6. OG des Gebäudes angemietet hatte, jetzt 370,19 m² im 4. OG an."

Diesem Vortrag sind weder die Klägerin noch deren Streithelfer entgegen getreten, so dass weiterer Vortrag hierzu in der Berufungsinstanz nach § 531 ZPO nicht zu berücksichtigen ist. Abgesehen davon lässt sich dem Vortrag der Streithelfer in deren Schriftsatz vom 10.01.2007 auf Seite 5 (Bl. 199 d. A.) auch in keiner Weise entnehmen, weshalb die Beklagte "Vorteile aus dem 5. Nachtrag gezogen haben soll".

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Nach § 543 Abs. 2 ZPO war die Revision zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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