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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 09.09.2002
Aktenzeichen: 8 U 159/01
Rechtsgebiete: BGB, SchuldRAnpG, SachenRBerG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 553
BGB § 556 a
BGB § 564 a
BGB § 569 a.F.
BGB § 571 a.F.
BGB § 891 Abs. 1
SchuldRAnpG § 1
SachenRBerG § 1
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 159/01

Verkündet am: 9. September 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergericht in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Spiegel und die Richterin am Landgericht Dr. Henkel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. März 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks sowie Abriss des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes verurteilt (§ 556 Abs. 1 BGB).

I.

Die Klägerin ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - aktivlegitimiert. Die Klägerin ist am 28.04.2000 als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. Für die Klägerin als eingetragene Eigentümerin streitet die gesetzliche Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB, dass ihr das Eigentumsrecht an dem Grundstück zusteht (BGH NJW 1980, 1047; Senatsurteil vom 08.09.97- 8 U 4342/96, KG- Report 1998,276). Die Klägerin als Eigentümerin ist daher auf Vermieterseite in den Mietvertrag vom 23./30.06.1988 gemäß § 571 BGB a.F. eingetreten.

Die Beklagten können sich auf die rechtswidrige Zuordnung oder die Nichtigkeit des Zuordnungsbescheides nicht berufen.

Nach dem Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (§ 20 EneuOG) kann das Bundeseisenbahnvermögen Liegenschaften und sonstige Vermögenswerte an die Klägerin übertragen, sofern das Grundstück bahnnotwendig ist. Die Klägerin beansprucht das Gelände - unstreitig - nicht für unmittelbare Betriebszwecke, sondern für den Wohnungsbau. Dennoch ergibt sich nicht eine offensichtlich fehlerhafte Zuordnung. Nach dem Schreiben der Hauptverwaltung Bundeseisenbahnvermögen vom 24.04.2001 wurden durch Entscheidung des Bundeskabinetts bereits vor Inkrafttreten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes die Liegenschaften in betriebsnotwendige und nichtbetriebsnotwendige Grundstücke aufgeteilt. Der spätere Übergabebescheid ist damit lediglich eine Umsetzung der zuvor getroffenen Entscheidung und bereits erfolgter Zuordnung. Ferner hat die Klägerin zuletzt unbestritten vorgetragen, dass bereits 1993 das Gelände wegen der Lage als betriebsnotwendig eingestuft worden sei, da das Verladegleis/Auto im Reisezug unmittelbar an die Grundstücksgrenze des von den Beklagten genutzten Grundstücks grenzt.

Im übrigen ist der Übergabebescheid vom 04.02.00 bestandskräftig, zumindest haben die Beklagten gegenteiliges nicht vorgetragen. Daher ist davon auszugehen, dass die anderen betroffenen Rechtsträger, die möglicherweise gleichfalls eine Zuordnung hätten beanspruchen können, den Bescheid hingenommen haben. Den Beklagten als Dritte hätte ein Rechtsmittel dagegen ohnehin nicht zugestanden. Der bestandkräftige Zuordnungsbescheid wirkt rechtsgestaltend und den Zivilgerichten ist eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit verwehrt.

II.

Das Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 13. Februar 2001 wirksam beendet worden.

1.

Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, war die zunächst ausgesprochene Kündigung vom 02.01.2000 nicht wirksam, weil sie nicht gegenüber beiden Beklagten erklärt worden ist. Das an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerichtete Kündigungsschreiben konnte keine Rechtswirkungen entfalten, weil der Prozessbevollmächtigte vorprozessual allein vom Beklagten zu 1) bevollmächtigt war.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann in der Klageschrift eine Kündigungserklärung nicht gesehen werden. Wenn der Vermieter mit seiner Räumungsklage zugleich das Mietverhältnis kündigen will, dann muss die Klageschrift klar und eindeutig erkennen lassen, dass Gegenstand des Schriftsatzes neben der Prozesshandlung zugleich eine sachlich- rechtliche Willenserklärung ist und, dass mit der Klage nicht nur eine frühere Kündigung verfolgt und durchgesetzt werden soll (Bub/Treier/Grapentin, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, IV, Rn. 24; BGH- NJW-RR 1997, 203). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hat in der Klageschrift nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie neben der prozessualen Erklärung auch eine materiell- rechtliche abgeben wollte. Vielmehr hat sie ihr Räumungsverlangen auf die bisherige Kündigung gestützt.

2.

Die Klägerin hat das Mietverhältnis jedoch gemäß Schreiben vom 13. Februar 2001 gegenüber beiden Beklagten außerordentlich und hilfsweise ordentlich wirksam gekündigt.

a)

Gemäß § 553 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn der Mieter ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters einen vertragswidrigen Gebrauch der Sache fortsetzt, der die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt. Nach § 2 Abs. 1 des Mietvertrages war die Mietsache - so heißt es darin wörtlich - "ausschließlich für folgende Zwecke: Freizeitnutzung" vermietet. Bereits daraus ergibt sich, dass die vollständige Wohnungsnutzung durch die Beklagten vertragswidrig war. Ungeachtet der streitigen Frage, ob die Anlage zu § 16 des Mietvertrages, in der ein Dauerwohnen untersagt ist, Bestandteil des Mietvertrages geworden ist, ergibt sich aus dem Vertrag hinreichend deutlich, dass die dennoch erfolgte Wohnnutzung nicht vertragsgemäß ist. Es kann deswegen dahinstehen, ob die Beklagten die Anlage bei Abschluss des Mietvertrages erhalten haben.

Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass das Gebäude fortgesetzt zu Wohnzwecken genutzt worden sei und dies dem jeweiligen Vermieter auch bekannt gewesen sei.

Es kann dahinstehen, ob den Eltern des Beklagten zu 1) aufgrund der dauerhaften geduldeten Wohnraumnutzung ein Recht hierzu zugestanden hätte. Denn die Beklagten haben einen eigenständigen neuen Mietvertrag über das Grundstück geschlossen, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem weder die Mutter des Beklagten zu 1) noch die Beklagten selbst das Gebäude fortgesetzt zu Wohnzwecken genutzt haben. Nach § 14 Abs. 3 des Mietvertrages vom 03.11.1981 zwischen der Mutter des Beklagten zu 1) und der Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens sollte das Mietverhältnis in jedem Falle beim Tode des Mieters erlöschen. Insoweit handelt es sich kraft vertraglicher Vereinbarung um ein für den Tod des Mieters auflösend bedingten Mietvertrag (Bub/Treier/Heile, a.a.O., II, Rn. 833). Das Mietverhältnis endete folglich durch Tod der Mutter des Beklagten zu 1) am 03.03.1988. Der Beklagte zu 1) konnte deswegen als Erbe nicht in das Mietverhältnis gemäß § 569 BGB a.F. eintreten. Der Beklagte hatte auch kein Recht, nach § 569 a BGB a.F. in dieses Mietverhältnis einzutreten. Er behauptet nicht, dass er in dem Zeitraum vor März 1988 - etwa neben seiner Mutter - in dem Gebäude dauerhaft gewohnt habe. Nach der Bescheinigung aus dem Melderegister hatte der Beklagte zu 1) in der Zeit von Dezember 1992 bis September 1999 dort nicht einmal eine Nebenwohnung angemeldet. Mit dem etwa drei Monate nach dem Tode der Mutter abgeschlossenen Mietvertrag ist ein neues Mietverhältnis begründet worden, welches auch eigenständig zu beurteilen ist. Der Vertragszweck, nämlich die Nutzung zu Freizeitzwecken, ist hinreichend deutlich hervorgehoben. Die Beklagten tragen nicht vor, zu welchen Zeiten genau sie ab Begründung des neuen Mietvertrages in dem Gebäude gewohnt haben. Vielmehr räumen sie selbst ein, dass dies nicht ihre alleinige Adresse war, sie dort teilweise ihre Nebenwohnung gehabt haben. Aus dem Melderegister hinsichtlich des Beklagten zu 1) ergibt sich dies - wie dargelegt - aber gerade nicht. Die Beklagten tragen auch nicht vor, woraus sich für den Vermieter ihre Absicht, das Grundstück zu anderen als Freizeitzwecken nutzen zu wollen, erkennbar war und, dass der Vermieter davon Kenntnis gehabt hat.

Nach Erlass des Übergabebescheides am 04. Februar 2000 wurde die vertragswidrige Nutzung mit dem an den Beklagten zu 1) gerichtetem Schreiben der mbH vom 20. Juni 2000 abgemahnt, nachdem bereits schon zuvor darauf hingewiesen worden war, dass dauerhaftes Wohnen nach dem Vertrag unzulässig sei. In der Klageschrift kann eine Abmahnung auch hinsichtlich der Beklagten zu 2) gesehen werden. Die Klägerin konnte das Mietverhältnis daher wirksam kündigen.

b)

Das Mietverhältnis wäre zudem - unabhängig von den Voraussetzungen des § 553 BGB - aufgrund ordentlicher Kündigung gemäß Schreiben vom 13. Februar 2001 beendet. Nach § 13 des Mietvertrages kann das Mietverhältnis zum Schluss eines Kalendervierteljahres, spätestens am dritten Werktag des Vierteljahres gekündigt werden. Die Kündigung vom 13. Februar 2001 beendete das Mietverhältnis fristgemäß zum 30. Juni 2001. Da es sich nicht um ein Wohnraummietverhältnis handelt, greifen die Kündigungsschutzbestimmungen der §§ 564 a, 556a BGB zugunsten der Beklagten nicht ein.

c)

Die Beklagten können ein Besitzrecht aus den Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachenRBerG) und Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) nicht herleiten.

ca)

Unmittelbar greifen diese Rechtsvorschriften nicht ein, da sie nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Vertragsverhältnisse im Beitrittsgebiet Anwendung finden. Dazu gehört das vorliegende Grundstück nicht. Zu Unrecht berufen sich die Beklagten darauf, dass dieses Grundstück in Anwendung von Art. 26 des Einigungsvertrages mit Grundstücksflächen im Beitrittsgebiet gleichgestellt werden müsste. Die Regelung zielt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf eine Gleichstellung von Flächen ab, sondern beinhaltet eine Vermögenszuordnung, nämlich, dass das Reichsvermögen in Berlin (West), welches zum Sondervermögen gehört, mit Wirksamwerden des Beitritts als Sondervermögen Vermögen der sein sollte. Dieses Sondervermögen unterlag weder dem Regime der (SMAD) von 1945 bis 1949 noch war es später unter Hoheit der DDR gestellt. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass das Grundvermögen der zum von den Westalliierten beschlagnahmten Vermögen nach dem Gesetz Nr. 52 gehörte und, dass die Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens als Treuhänder die Verfügungsbefugnis über das Grundvermögen der hatte. Dieses Gesetz wurde nur von den Westalliierten in den westlichen Besatzungszonen angewendet, hingegen galt es nicht im russischen Sektor (Dolle, Zweigert, Gesetz Nr. 52 über Sperre und Beaufsichtigung von Vermögen, 1947, Rn. 2, 11). Dass die Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens (West) das Grundstück verwaltete, ergibt sich auch aus dem Mietvertrag der Mutter des Beklagten zu 1) vom 24.05.1967, dem neuen Mietvertrag der Mutter vom 03.11.1981 und dem Mietvertrag der Beklagten vom 30.06.1988. In dem Mietvertrag vom 24.05.1967 heißt es, dass der Senat als für den in den "Westsektoren gelegenen Grundbesitz der bestellter Verwalter" tätig wird. Es handelte sich also um Grundvermögen, welches im Westteil der Stadt belegen ist und auch von dort verwaltet wurde und nicht um Gebiete, die nach Art. 3 des Einigungsvertrages zu behandeln wären.

cb)

Auch eine entsprechende Anwendung der beiden Gesetze kommt nicht in Betracht. Nach § 1 SchuldRAnpG und § 1 SachenRBerG werden hier Rechtsverhältnisses an Grundstücken im Beitrittsgebiet geregelt. Auszugehen ist davon, dass es sich hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs um einen positiven Katalog handelt, der grundsätzlich nicht erweitert werden kann und auf Verträge in den alten Bundesländern nicht anwendbar ist (Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Bd. IV, SchuldRAnpG, § 1, Rn 1; Kiethe, SchuldRAnpG, 1999, Einführung, Rn. 42; O.Vossius, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, 1996, § 1, Rn. 20; vgl. KG, Urteil vom 10.07.1998 - 7 U 5666/97 -, KG-Report 1999, 323). Die beiden Vorschriften haben abschließenden Charakter (BGH VIZ 1999, 333 für SchuldRAnpG). Aufgabe beider Gesetze ist es die in der DDR begründeten Rechtsverhältnisse an Grundstücken an das BGB und seine Nebengesetze anzupassen (Czub, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, Text- und Dokumentenband, 1994, Allgemeine Begründung zum Gesetzentwurf, S. 156). Während das SchuldRAnpG der Überführung vertraglich - in der DDR begründeter - Nutzungsverhältnisse in BGB- konforme Rechtsformen dient, sollen mit dem SachenRBerG bezüglich DDR- spezifischer dinglicher Nutzungsverhältnisse und die aus der mit Billigung staatlicher Stellen baulichen Nutzung fremder Grundstücke entstandenen Rechtverhältnisse an das Recht der BGB angepasst werden (BGH, a.a.O., BGH NJW 1998, 3033). Dabei sollen die Rechtspositionen von Nutzern, die mit Duldung staatlicher Stellen der DDR auf den von ihnen genutzten Grundstücken Vermögenswerte geschaffen hatten, gesichert und gleichzeitig ein Interessenausgleich zwischen Nutzern und Grundstückseigentümern hergestellt werden (Czub, a.a.O., S. 165/166). Ob die Eltern des Beklagten zu 1) sich darauf hätten berufen können, weil sie offenbar das Grundstück vom Magistrat von Ostberlin erhalten haben und zumindest mit dessen Duldung das Gebäude zu Wohnzwecken ausgebaut haben, braucht nicht entschieden zu werden. Jedenfalls liegt auf Seiten der Beklagten bei Abschluss des neuen Mietvertrages im Jahre 1988 kein einen Vertrauensschutz begründender Tatbestand vor. Sie können sich auch nicht darauf berufen, dass die Zuweisung des Grundstückes an die Eltern des Beklagten zu 1) seinerzeit zu Wohnzwecken bei ihnen weiter fortwirkt. Denn, wie dargelegt, haben sie in dem fraglichen Zeitraum in dem Gebäude zumindest nicht fortgesetzt gewohnt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Revisionszulassungsgründe sind nicht gegeben, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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