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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 01.10.2001
Aktenzeichen: 8 U 3861/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 537
BGB § 544
BGB § 242
BGB § 542
BGB § 539
BGB § 538
BGB § 540
BGB § 541
BGB § 535 Satz 2
BGB § 543 Satz 1
BGB § 552 Satz 3
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 3861/00

Verkündet am: 1. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Eilinghoff-Saar und die Richterin am Kammergericht Spiegel auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Beklagten gegen die am 16. März 2000 und am 10. Januar 2001 verkündeten Urteile der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,-- DM nicht.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beklagten sind unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 535 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung des für die Monate Dezember 1998, Januar und Februar 1999 geltend gemachten Gesamtmietzinses in Höhe von 13.398,00 DM. Er hat ferner gegen die Beklagte gemäß § 535 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Mietzins für die Monate März bis einschließlich August 1999 in Höhe von insgesamt 26.929,98 DM und auf Zahlung der für die Monate September 1999 bis März 2000 geltend gemachte Mietzinsdifferenz in Höhe von insgesamt 11.448,50 DM.

Das Mietverhältnis ist durch die Kündigungen der Beklagten vom 20. und 24. November 19978 nicht vorzeitig beendet worden. Der Mietzins ist auch nicht gemäß § 537 BGB gemindert.

Ein Kündigungsrecht gemäß § 544 BGB besteht nicht.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte die behauptete Gesundheitsgefährdung nicht ausreichend substantiiert dargelegt hat.

Gemäß § 544 BGB kann ein Mieter das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn die Benutzung der Mieträume mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Dabei muss eine Gesundheitsgefährdung konkret drohen, und diese Gesundheitsgefährdung muss erheblich sein, das heißt es muss die Gefahr einer deutlichen und nachhaltigen Gesundheitsbeschädigung bestehen (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, IV, Rdnr. 155).

Genauere Angaben über Art und Umfang des Abgasrücktritts macht die Beklagte nicht. Insbesondere geht sie auch nicht auf die detaillierte Schilderung des Klägers über die Form eines, nach seiner Auffassung harmlosen, stoßweisen Abgasrücktritts ein. Sie behauptet pauschal, an vier von sechs Werktagen sei ein Gasgeruch vorhanden gewesen. An welchen Tagen und in welchen Wochen dies gewesen sein soll, lässt die Beklagte im Dunkeln. In erster Instanz hat die Beklagte zunächst vorgetragen, zu Beginn der Heizperiode 1998 sei es zu stoßweisen Abgasrücktritten gekommen. Diese Angaben hat sie im Laufe des Prozesses dahingehend konkretisiert, dass ab Mitte September 1998 Gasgeruch aufgetreten sei. In der zweiten Instanz trägt die Beklagte vor, der Abgasrücktritt sei bereits im November 1997 aufgetreten. Wann und wie oft die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen aufgetreten sein sollen, trägt die Beklagte nicht vor.

Da diese Beschwerden auch ohne Abgasrücktritt auftreten können, hätte die Beklagte konkret vortragen müssen, an welchen Tagen der Abgasrücktritt in welcher Form aufgetreten sein soll und wann und wie oft die Beschwerden aufgetreten sein sollen. Sicherlich verfügt die Beklagte nicht über Messgeräte um die chemische Zusammensetzung des Abgases und die Schadstoffkonzentration in der Luft zu messen. Sie hätte aber Fachleute, die über solche Geräte verfügen, mit der Messung der Raumluft beauftragen können. Da sich die Situation mangels Angaben über die vorhandene Schadstoffkonzentration nachträglich nicht rekonstruieren lässt, könnte ein Sachverständiger heute keine Angaben darüber machen, ob die von der Beklagten behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen tatsächlich auf den Abgasrücktritt zurückzuführen waren. Darüber hinaus ist aber nach wie vor nicht bekannt, wie oft die angeblichen gesundheitlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen tatsächlich aufgetreten sein sollen.

Dass eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit bestand, wird auch nicht dadurch indiziert, dass ein Mitarbeiter der G am 23. Oktober 1998 stoßweisen Abgasrücktritt festgestellt und eine Frist zur Beseitigung des Mangels von 14 Tagen gesetzt hat. Wenn eine solche erhebliche Gesundheitsgefährdung bestanden hätte, hätte der Mitarbeiter der G die Anlage sofort geschlossen. Wenig glaubhaft ist die Behauptung der Beklagten, sie habe den G-Mitarbeiter überreden können, von einer Schließung abzusehen. Wenn eine tatsächliche Gefährdung bestanden hätte, hätte sich kein vernünftiger Mensch auf einen solchen Handel eingelassen. Wenn die Beklagte tatsächlich, wie von ihr behauptet, bedingt durch den stoßweisen Abgasrücktritt unter Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen gelitten hätte, hätte sie vernünftigerweise davon abgesehen, den G-Mitarbeiter von einer Schließung der Anlage abzuhalten.

Von einer wirksamen fristlosen Kündigung gemäß § 544 BGB könnte aber auch dann nicht ausgegangen werden, wenn die Beklagte eine Gesundheitsbeeinträchtigung im Sinne von § 544 BGB ausreichend substantiiert dargelegt hätte.

Nachdem die Beklagte das klägerische Schreiben vom 23. November 1998, in dem konkrete Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen für die behauptete Gesundheitsbeeinträchtigung angekündigt wurden, erhalten hatte, wäre sie gemäß § 242 BGB aus Treu und Glauben verpflichtet gewesen, die Beendigung der Arbeiten, die spätestens für die folgende Woche angekündigt waren, abzuwarten. Grundsätzlich setzt § 544 BGB, da es eine sozial motivierte Ausnahme von § 542 BGB ist, keine Fristsetzung voraus; aber nichts hindert den Mieter, dem Vermieter zuvor eine Frist zu setzen, zumal er ohnehin stets statt nach § 544 BGB nach § 542 BGB vorgehen kann (Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994, § 544 BGB, Rdnr.20). Im vorliegenden Fall muss sogar davon ausgegangen werden, dass aufgrund des Verhaltens der Beklagten eine Fristsetzung gemäß § 242 BGB nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten war. Die dem Kläger mit Schreiben vom 6. November 1998 gesetzte Frist war bei Ausspruch der formell wirksamen fristlosen Kündigung vom 24. November 1998 zwar abgelaufen, gleichwohl war die Beklagte gemäß § 242 BGB gehindert, sofort die fristlose Kündigung auszusprechen. Die Beklagte hat die behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung nach ihrem eigenen Vortrag von November 1997 bis zum 6. November 1998 hingenommen, ohne dem Kläger eine Frist zur Beseitigung der Ursachen zu setzen oder gar fristlos zu kündigen. Nach Lage der Akten muss sogar davon ausgegangen werden, dass der Kläger sogar erst mit Schreiben der Beklagten vom 6. November 1998 von dem Gasgeruch erfahren hat.

Soweit die Beklagte behauptet, sie habe die Hausverwaltung des Klägers vor dem 6. November 1998 über den bereits im November 1997 von ihr festgestellten Gasgeruch informiert, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Die bestrittene Behauptung, der Zeuge J sei im Auftrag der Hausverwaltung erschienen und habe den Gasgeruch festgestellt, ist unsubstantiiert und beweislos vorgetragen. Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Behauptung, der Zeuge L sei im Auftrag der Hausverwaltung erschienen. Es mag zwar sein, dass der Zeuge L erschienen ist, die Beklagte hat aber nicht substantiiert vorgetragen, dass dieser von dem Kläger bzw. seiner Hausverwaltung beauftragt worden sei. Auch in der Mängelliste vom 24. Februar 1998 ist von dem behaupteten Gasgeruch keine Rede. Selbst wenn man die Monate, in denen nicht geheizt wird außer acht lässt, so ist zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Gasgeruch das erste mal aufgetreten ist und dem Zeitpunkt zu dem die Beklagte den Kläger zur Beseitigung des Abgasrücktrittes aufgefordert hat ein Zeitraum von (November 1997 bis März 1998 und September 1998 und Oktober 1998) 7 Monaten vergangen.

Da der Kläger der Beklagten noch vor Ausspruch einer wirksamen fristlosen Kündigung mitgeteilt hat, dass er sofort nach Erhalt der Mangelmitteilung die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung eingeleitet habe und dass die erforderlichen Arbeiten spätestens in der folgenden Woche durchgeführt werden würden, war die Beklagte im Hinblick darauf, dass sie die behauptete Gesundheitsbeeinträchtigung über einen so langen Zeitraum hingenommen hat, ohne konkrete Maßnahmen zur Beendigung dieses Zustandes einzuleiten, nach Treu und Glauben verpflichtet, die für die folgende Woche angekündigte Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten abzuwarten.

Auch ein Kündigungsrecht gemäß § 542 BGB besteht nicht.

Zum einen hat die Beklagte, wie auch vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, nicht glaubhaft dargelegt, dass der beanstandete Abgasrücktritt einen erheblichen Sachmangel im Sinne von § 537 BGB darstellt, der zu einer partiellen oder vollständigen Nichtgewährung des Gebrauchs im Sinne von § 542 BGB führte.

Die Chronologie der Ereignisse weckt, insoweit muss dem Landgericht gefolgt werden, erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Behauptungen der Beklagten, insbesondere zur Erheblichkeit des Mangels. Diese Zweifel vermochte die Beklagte auch mit der Berufungsbegründung nicht aus dem Weg zu räumen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte den angeblich so unerträglichen Gasgeruch nicht mit Schreiben vom 15. Oktober 1998 gegenüber dem Kläger gerügt hat. Die Begründung, sie habe nicht gewusst, woher der Geruch kommen, ist in keiner Weise überzeugend. Wenn sie tatsächlich, wie von ihr behauptet, aufgrund des Gasgeruchs unter Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen gelitten hätte, hätte sie diesen Geruch beanstandet, auch ohne zu wissen, was die Ursache des Geruches ist. Als weiteres Moment der Unglaubwürdigkeit kommt hinzu, dass die Beklagte nun in der Berufungsinstanz behauptet, sie habe den Gasgeruch bereits im November 1997 festgestellt. Weshalb hat sie diesen Geruch in der Mängelliste vom 24. Februar 1998 nicht erwähnt?

Letztlich steht einem etwaigen Kündigungsrecht aber auch § 539 BGB entgegen. Nach § 539 BGB kann der Mieter die ihm in den §§ 537, 538 BGB eingeräumten Gewährleistungsrechte regelmäßig nicht geltend machen, wenn er den Mangel der Mietsache beim Abschluss des Vertrages gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat oder wenn er eine mangelhafte Sache vorbehaltlos entgegengenommen hat, obwohl er den Mangel kannte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, kann es in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift ebenfalls zum Ausschluss von Gewährleistungsrechten führen, wenn der Mieter nach Vertragsschluss Kenntnis von einem Mangel erlangt und dennoch den ungeminderten Mietzins über eine gewisse Zeit vorbehaltlos weiterzahlt. § 543 Satz 1 BGB bestimmt ausdrücklich, dass auf das dem Mieter nach § 542 BGB zustehende Kündigungsrecht die Vorschriften der §§ 539 bis 541 BGB entsprechende Anwendung finden. Diese Verweisung des § 543 Satz 1 BGB auf § 539 BGB greift auch dann, wenn § 539 BGB in analoger Anwendung nur deshalb anzuwenden ist, weil der Mieter trotz eines während der Mietzeit aufgetretenen Mangels den Mietzins über eine gewisse Zeit vorbehaltlos weitergezahlt hat (BGH in NJW 2000, 2663).

Nach den Angaben der Beklagten in der Berufungsinstanz ist der beanstandete Gasgeruch bereits im November 1997 und auch in der Folgezeit aufgetreten. Soweit die Beklagte behauptet, sie habe die Hausverwaltung des Klägers hierüber informiert, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Die bestrittene Behauptung, der Zeuge J sei im Auftrag der Hausverwaltung erschienen und habe den Gasgeruch festgestellt, ist unsubstantiiert und beweislos vorgetragen. Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Behauptung, der Zeuge L sei im Auftrag der Hausverwaltung erschienen. Es mag zwar sein, dass der Zeuge L erschienen ist, die Beklagte hat aber nicht substantiiert vorgetragen, dass dieser von dem Kläger bzw. seiner Hausverwaltung beauftragt worden sei.

In der Mängelliste vom 24. Februar 1998 ist von dem behaupteten Gasgeruch keine Rede. Erstmals mit Schreiben vom 6. November 1998 wird der Kläger überhaupt davon in Kenntnis gesetzt, dass ein Abgasrücktritt besteht. Selbst wenn man die Monate, in denen nicht geheizt wird außer acht lässt, so ist zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Gasgeruch das erste mal aufgetreten ist und dem Zeitpunkt zu dem die Beklagte den Kläger zur Beseitigung des Abgasrücktrittes aufgefordert hat ein Zeitraum von (November 1997 bis März 1998 und September 1998 und Oktober 1998) 7 Monaten vergangen. Bereits ein Zeitraum von 6 Monaten reicht in der Regel aus, Gewährleistungsrechte des Mieters auch für die Zukunft auszuschließen (BGH in GE 1997, 1163). Insbesondere im Hinblick darauf, dass der Gasgeruch bereits im November 1997 aufgetreten sein soll und sich die Beklagte bereits im Winter 1997/1998 um die Feststellung der Ursache und um die Möglichkeit einer Beseitigung gekümmert haben will, ist der Vortrag, der Geruch habe sich in der Zeit von September 1998 bis November 1998 nach und nach gesteigert, unerheblich. Immerhin soll der Geruch im Jahr vorher schon so erheblich gewesen sein, dass mehrere Personen sich mit der Feststellung der Ursache befasst haben sollen.

Auch die behauptete mangelhafte Beheizbarkeit der Gewerberäume gibt der Beklagten kein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 542 BGB, denn es ist ebenfalls analog § 539 BGB ausgeschlossen.

Berücksichtigt man nur die Monate, in denen geheizt wird, so ist in der Zeit von Oktober 1997 bis zum Schreiben vom 15. Oktober 1998, in dem der Beklagte unter Fristsetzung zur Beseitigung des Mangels aufgefordert worden ist, ein Zeitraum von 6 1/2 Monaten vergangen, in der die Beklagte den Mietzins in Kenntnis des Mangels vorbehaltlos weitergezahlt hat. Die bloße Mängelanzeige am 24. Februar 1998 stellt keinen Vorbehalt der Rechte dar (Münchener Kommentar, Voelskow, § 539 BGB, Rdnr.14).

Soweit die Beklagte meint, sie sei hinsichtlich der für den Zeitraum von September 1999 bis März 2000 geltend gemachten Mietdifferenz berechtigt, sich auf § 552 Satz 3 BGB zu berufen, hat die Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Gemäß § 552 Satz 3 BGB ist der Mieter zur Entrichtung des Mietzinses nicht verpflichtet, solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren. Da die Anwendung dieser Vorschrift zu grob unbilligen Ergebnissen führen kann, erfolgt in der Rechtsprechung eine Korrektur nach den Grundsätzen über den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Der BGH hat schon mehrfach entschieden, dass es dem Mieter wegen der besonderen Fallgestaltung des Einzelfalls nach Treu und Glauben versagt sein kann, sich auf § 552 Satz 3 BGB zu berufen. Auch außerhalb des Mietrechts ist allgemein anerkannt, dass es rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn jemand aus einem Verhalten seines Vertragspartners Rechte herleiten will, das er selbst durch einen groben Vertragsbruch erst herbeigeführt hat. Hat der Mieter eine grobe Vertragsverletzung begangen, indem er ohne Rücksicht auf den weiterbestehenden Mietvertrag endgültig ausgezogen ist und keine Miete mehr gezahlt hat, und hat er den Vermieter auf diese Weise veranlasst, die Mietsache zu einem niedrigeren Mietzins weiterzuvermieten, so handelt er regelmäßig rechtsmissbräuchlich, wenn er die Zahlung der Differenzmiete verweigern will mit der Begründung, der Vermieter sei wegen der Weitervermietung zur Gebrauchsüberlassung an ihn nicht mehr in der Lage gewesen. Die Annahme eines solchen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens führt dazu, dass der Mieter trotz der Weitervermietung entgegen § 552 Satz 3 BGB zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet bleibt und der Vermieter sich lediglich den Mietzins anrechnen lassen muss, den er aus der Weitervermietung erzielt (BGH in NJW 1993, 1645). Allerdings kann man nicht in allen Fällen, in denen der Mieter endgültig ausgezogen ist, obwohl das Mietverhältnis noch nicht endgültig beendet war, einen groben Vertragsbruch des Mieters annehmen, der in dem dargestellten Sinne den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigen würde. Es kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein, ob eine ausgesprochene Kündigung zur Beendigung des Mietvertrages geführt hat. Ist der Mieter in einem solchen Fall bei seinem Auszug aus nachvollziehbaren Gründen davon ausgegangen, das Mietverhältnis sei beendet, so kann man ihm keinen groben Vertragsbruch anlasten, auch wenn sich später herausstellt, dass er sich geirrt hat. Je weniger Anlass der Mieter zu der Annahme hatte, das Mietverhältnis sei beendet, um so eher handelt er rechtsmissbräuchlich, wenn er sich wegen der Weitervermietung auf mangelnde Erfüllungsbereitschaft des Vermieters beruft (BGH, a.a.O.; KG in NJW-RR 1997, 333).

Vorliegend hatte die Beklagte wenig Anlass, davon auszugehen, ihre Kündigung sei berechtigt. Zum einen hat die Beklagte die behauptete Gesundheitsbeeinträchtigung nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Darüber hinaus bestehen aber auch erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt hinsichtlich der Behauptungen der Beklagten, insbesondere auch im Hinblick auf die Erheblichkeit des Mangels. Keineswegs nachvollziehbar ist auch, weshalb die Beklagte erst im zweiten Winter, nach über 6 Monaten angeblich mangelnder Beheizung diesen Mangel rügt. Die Beklagte durfte auch als juristischer Laie keineswegs davon überzeugt sein, dass sie nach so langer Zeit eine fristlose Kündigung auf diesen angeblichen Mangel stützen kann.

Insbesondere spricht aber auch das Verhalten der Beklagten nach Erhalt des klägerischen Schreibens vom 23. November 1998, indem konkrete Mangelbeseitigungsmaßnahmen "für spätestens nächste Woche" angekündigt wurden, dagegen, dass die Beklagte nicht selbst Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung hatte. Trotz Ankündigung der lang ersehnten Maßnahmen zur Beseitigung der Ursache für die angeblich so lange hingenommene Gesundheitsbeeinträchtigung, hatte die Beklagte nichts eiligeres zu tun, als eine formell wirksame Kündigung nachzuschieben.

Dass sie aus Treu und Glauben verpflichtet war, die angekündigten Mangelbeseitigungsmaßnahmen abzuwarten musste sich ihr aufdrängen, zumal sie zu diesem Zeitpunkt auch anwaltlich beraten war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Absatz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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