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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 09.08.2004
Aktenzeichen: 8 U 57/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 535 Abs. 2
BGB § 536
BGB § 550
BGB § 556 b
ZPO § 520
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 57/04

verkündet am: 09.08.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. August 2004 durch die Richterin am Kammergericht Spiegel als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 8. Januar 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Auf die im Berufungsrechtszug erweiterte Klage wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 6.547,59 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 2.366,60 € seit dem 1. März und 1. April 2004 sowie aus 1.814,39 € seit dem 1. Mai 2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 8. Januar 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Der Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

Die Klägerin habe entgegen der Auffassung des Landgerichts selbst eine Bedingung dafür gesetzt, dass ein wesentlicher Bestandteil der mietvertraglichen Regelung, nämlich Anlage 7, entfallen sei. Gemäß § 10 des Gesellschaftsvertrages habe die Werbegemeinschaft nicht gegen den Willen der Klägerin aufgelöst werden können (Bl.90).

§ 24 Nr. 7 des Mietvertrages sei eine überraschende Klausel, die zudem eine unangemessene Benachteilung des Beklagten darstelle.

Bei der Auflösung der Werbegemeinschaft handele es sich nicht nur um die Änderung einer unwesentlichen Nebenabrede (Bl.91).

Die Kündigung des Mietvertrages zum 30. Juni 2003 sei wirksam. Das Landgericht habe den Inhalt des § 550 BGB verkannt (Bl.91).

Zudem habe wegen des Wegfalls wesentlicher Vertragsbestandteile unter Beachtung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach Treu und Glauben eine Anpassung der Vertragsgrundlage stattzufinden. Diese Anpassung musste zu einer Kündbarkeit des ursprünglichen Mietvertrages führen (Bl.107, 108).

Mit der Vereinbarung vom 19. September 2001 habe er der Beklagte nicht auch für den Zeitraum nach Abschluss der Vereinbarung auf Mietminderungsrechte verzichtet (Bl.92).

Die zusätzlichen Forderungen, die die Klägerin in der Berufungsinstanz geltend mache, seien nicht zulässig (Bl.113).

In Höhe eines Teilbetrages von 286,32 € betreffend die Nebenkostenvorauszahlung für den Monat Dezember 2002 haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Beklagte beantragt,

das am 8. Januar 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin abzuändern und die Klage abzuweisen

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Klageerweiternd beantragt sie nach teilweiser Klagerücknahme in Höhe von 552,21 €,

den Beklagten zur Zahlung weiterer 6.547,59 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 2.366,60 € seit dem 1. März und 1. April 2004 sowie aus 1.814,39 € seit dem 1. Mai 2004 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt insoweit,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:

Für die Verurteilung des Beklagten sei es irrelevant, ob die Werbegemeinschaft gegen den Willen der Klägerin habe aufgelöst werden können (Bl.100, 102).

§ 24 Nr.7 des Mietvertrages sei wirksam (Bl.101).

Das Landgericht habe § 550 BGB richtig angewandt (Bl.102).

Der Mietvertrag habe frühestens zu Ende März 2004 gekündigt werden können.

Die Beschlussfassung über die Auflösung der Werbegemeinschaft verstoße als untergeordnete vertragliche Regelung aber ohnehin nicht gegen das Schriftformerfordernis (Bl.102).

Mietminderungsrechte stünden dem Beklagten nicht zu. Beeinträchtigungen durch Bauarbeiten habe es nicht gegeben (Bl. 103).

Mit der Klageerweiterung verlangte die Klägerin von dem Beklagten Zahlung des Bruttokaltmietzinses für die Monate Februar, März und April 2004 (Bl.109, 110).

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß § 535 Absatz 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung restlichen Mietzinses für den Monat November 2002 in Höhe von 1.869,57 € , auf Zahlung des Bruttokaltmietzinses für den Monat Dezember 2002 in Höhe von 2.297,39 €, auf Zahlung des Bruttowarmmietzinses für den Monat Januar 2003 in Höhe von 2.583,71 €, auf Zahlung restlichen Mietzinses für den Monat Februar 2003 in Höhe von 117,69 €, sowie auf Zahlung des Bruttowarmmietzinses für die Zeit von März bis Juni 2003 in Höhe von monatlich 2.652,92 €, sowie auf Zahlung des Bruttokaltmietzinses in Höhe von monatlich 2.366,60 € für die Monate Juli bis Dezember 2003, also insgesamt 31.679,64 €.

Darüber hinaus hat die Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 535 Absatz 2 BGB Anspruch auf Zahlung des erst in der Berufungsinstanz geltend gemachten Bruttokaltmietzinses für die Monate Februar und März 2004 in Höhe von monatlich 2.366,60 €, sowie des für die Zeit vom 1. bis zum 23. April entstandenen Bruttokaltmietzinses in Höhe von 1.814,39 €, also insgesamt 6.547,59 €.

A. Berufung

Das Mietvertragsverhältnis zwischen den Parteien wurde erst aufgrund der Vereinbarung vom 23. April 2004 zum 23. April 2004 beendet.

Da der Vertrag auf bestimmte Zeit, nämlich für die Dauer von 5 Jahren geschlossen wurde, konnte der Beklagte sich nicht vorzeitig durch Kündigung vom Vertrag lösen. Der Vertrag galt auch nicht wegen eines etwaigen Schriftformverstosses als auf unbestimmte Zeit geschlossen, mit der Folge einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit gemäß § 550 BGB.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis zutreffend ausgeführt, dass ein Schriftformverstoss nicht vorliegt.

Die Parteien haben bei Abschluss der zusätzlichen Vereinbarung vom 18. September 2001 die Schriftform gewahrt, denn die Nachtragsurkunde nimmt auf den ursprünglichen Vertrag Bezug und bringt eindeutig zum Ausdruck, dass es unter Einbeziehung des Nachtrages bei dem verbleiben soll, was bereits formgültig niedergelegt war (BGH, NJW-RR 1992, 654).

Selbst wenn diese Vereinbarung vom 18. September 2001 nicht die Schriftform wahren würde, wäre es dem Beklagten gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die vermeintlich fehlende Schriftform zu berufen. Insoweit kann auf die in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.

Ein Schriftformverstoss liegt auch nicht etwa deshalb vor, weil die in § 14 Ziffer 1 und § 21 des Mietvertrages in Bezug genommene "Werbegemeinschaft Leibniz-Kolonnaden" durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 10. Februar 2003 aufgelöst wurde.

Die Auflösung der Gesellschaft hat keine Änderung der zwischen den Parteien getroffenen mietvertraglichen Vereinbarung zur Folge. Nur bei Änderung der mietvertraglichen Vereinbarung wäre die Beachtung der Schriftform erforderlich.

Der Beklagte war gemäß § 14 Ziffer 1 des Mietvertrages verpflichtet, mit Abschluss des Mietvertrages der "Werbegemeinschaft Leibniz Kolonnaden" beizutreten. Dieser Verpflichtung ist er nachgekommen. Er ist gemäß § 14 Ziffer 1 des Mietvertrages ferner verpflichtet während der Mietzeit die Mitgliedschaft ununterbrochen aufrechtzuerhalten. Diese Verpflichtung hat der Beklagte nicht verletzt, sie ist ihm lediglich aufgrund der Auflösung der Werbegemeinschaft unmöglich geworden.

Dadurch, dass der Gesellschaftsvertrag dem Mietvertrag als Anlage beigefügt worden ist, ist er nicht zu einem zweiseitigen Vertrag zwischen den Parteien geworden. Der Bestand des Gesellschaftsvertrages unterlag vielmehr, da bei seiner Entstehung auch Dritte beteiligt waren, seinen eigenen Regeln. Er war nicht Teil des Mietvertrages. Eine Änderung dieses Gesellschaftsvertrages hat daher auch keine Folgen für die Schriftform des Mietvertrages.

Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor.

Die Verwirklichung der Erwartung, in gemieteten Räumen als Unternehmer Gewinne zu erzielen und nicht in Verluste zu geraten, gehört grundsätzlich zum Risiko des Mieters und kann deshalb nicht Geschäftsgrundlage des Vertrages sein. Dieses gilt regelmäßig auch dann, wenn die Mieträume in ein nach einheitlichem Gesamtkonzept errichteten Geschäftszentrum integriert sind und damit faktisch ihr wirtschaftlicher Erfolg wesentlich von der Funktionsfähigkeit der Gesamtanlage abhängt. Die Erfolgsaussichten eines neu zu errichtenden Geschäftszentrums sind mit einer Vielzahl von Unwägbarkeiten behaftet, darunter auch mit dem Risiko, dass das zugrunde liegende Konzept sich überhaupt nicht, sich nur teilweise oder nicht auf Dauer verwirklichen lässt. Eine Konkretisierung dieser Gefahr stellt keinen billigerweise nicht vorherzusehenden Geschehensablauf dar, sondern ist Teil des allgemeinen unternehmerischen Risikos. Es ist vom Vermieter insoweit zu tragen, als es um die Vermietbarkeit der Ladengeschäfte geht, und vom Mieter bezüglich des Risikos einer Gewinnerzielung in dem von ihm angemieteten Geschäftslokal (OLG München, ZMR 1996, 256).

Eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall oder die Veränderung der Geschäftsgrundlage könnte deshalb nur in Betracht kommen, wenn die dargelegte Risikoverteilung einvernehmlich abgeändert worden wäre, z.B. durch den stillschweigend zum Ausdruck gebrachten Willen des Vermieters, die Funktionsfähigkeit der Gesamtanlage auch zu seinem Risiko machen zu wollen. Eine derartige Fallkonstellation ist grundsätzlich denkbar, jedoch entsprechend der strengen Rechtsprechung des BGH zur Risikoverteilung auf äußerste Ausnahmefälle zu beschränken (OLG München, a.a.O.).

Der Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages rechtfertigt nicht die Annahme, die Parteien hätten eine Verlagerung des unternehmerischen Geschäftsrisikos von dem Mieter auf den Vermieter vereinbart. Dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht entnommen werden, dass die Klägerin eine Gesamtverkaufsstrategie entwickelt hat, mit welcher sie über die übliche Verwaltung und Koordinierung einer Ladenzeile hinaus ein eigenes unternehmerisches Risiko für alle Einzelgeschäfte übernehmen wollte (vgl. BGH, NJW 2000, 1716).

Weder der Vortrag Parteien noch der Inhalt des Mietvertrages lässt darauf schließen, dass der Bestand der Werbegemeinschaft objektive Geschäftsgrundlage des Mietvertrages sein sollte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Mietvertrag nicht auch ohne das Bestehen der Werbegemeinschaft als sinnvolle Regelung Bestand hätte haben können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Werbegemeinschaft, der dem Mietvertrag als Anlage beigefügt war die Möglichkeit einer Auflösung der Werbegemeinschaft vorgesehen war. Diese Möglichkeit hat sich ja letztlich auch verwirklicht. In Kenntnis dieser Möglichkeit haben die Parteien gleichwohl keine vertragliche Regelung für den Fall der Auflösung der Werbegemeinschaft getroffen.

Dafür, dass der Bestand der Werbegemeinschaft nach der Vorstellung des Beklagten subjektive Geschäftsgrundlage sein sollte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Die Voraussetzungen für eine Minderung des Mietzinses gemäß § 536 BGB liegen gleichfalls nicht vor. Insoweit kann auf die in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.

B. Klageerweiterung

Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung ist zulässig. Sie ist nicht an die Frist des § 520 ZPO gebunden (Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 520, Rdnr.10) und ohne Einwilligung des Gegners möglich (Zöller, a.a.O, § 531, Rdnr.24).

Der Zinsanspruch besteht gemäß §§ 286 Abs.2 Nr.1 in Verbindung mit § 556 b BGB und 288 Abs.1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, Abs.2, 269 Abs.3, Satz 2 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes dem Beklagten aufzuerlegen. Der für Dezember 20023 geltend gemachte Nebenkostenvorschuss war bis zum Eintritt der Abrechnungsreife gemäß § 535 Abs.2 BGB begründet.

Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n. F.).

Ende der Entscheidung

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