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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 8 W 7/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 567 Abs. 1 Ziff. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 7/07

25.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber und die Richterinnen am Kammergericht Spiegel und Dr. Henkel am 25. Januar 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 19. Januar 2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei einem Beschwerdewert von 5.816,00 EUR zu tragen.

Gründe:

Die gemäß § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer Unterlassungsverfügung mit dem Inhalt, dass die Antragsgegnerin es bis zu einer rechtskräftigen Hauptsachenentscheidung zu unterlassen habe, die im Haus Tempelhofer Damm 181 in Berlin, Vorderhaus Erdgeschoss rechts gelegenen Gewerberäume an einen Dritten zur Nutzung zu übergeben, zu Recht zurückgewiesen.

Für den Fall der sog. Doppelvermietung ist es in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob ein Mieter seinen Anspruch auf Besitzüberlassung gegenüber dem zweiten Mieter durch einstweilige Verfügung sichern kann. Nach der einen Ansicht wird in diesem Falle der Erlass einer einstweiligen Verfügung als zulässig bejaht (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 336; Zimmermann in Beierlein/Kinne/Koch, Stackmann/Zimmermann, Der Mietprozeß, 2006, 11. Kapitel, Rdnr. 17 ff, 20; Staudinger/Emmerich, BGB, 2003, § 536 BGB; Rdnr. 48 differenziert danach, ob bereits einer der Verträge erfüllt ist; Bub/Treier/Fischer; Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, VIII, Rdnr. 118; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 938 ZPO, Rdnr. 12). Nach anderer - überwiegend in der jüngeren Rechtsprechung vertretenen Ansicht - wird bei dieser Konstellation der Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig angesehen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2004, 521; OLG Schleswig MDR 2000, 1428; Brandenburgisches OLG MDR 1998, 98; OLG Frankfurt MDR 1997, 137; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Auflage, § 536 BGB, Rdnr. 30; Schmidt/Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Auflage, § 536 BGB, Rdnr. 289, 261; Schmid, Mietrecht, 2006, § 940 a ZPO, Rdnr. 15 a; § 536 BGB, Rdnr. 145).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Meinung an und geht davon aus, dass der Überlassungsanspruch eines Mieters gegenüber den Rechten eines anderen Mieters im Wege der einstweiligen Verfügung nicht gesichert werden kann.

Im Falle der Doppelvermietung gilt nicht der Grundsatz der Priorität des Mietvertragsschlusses für die Frage, an wen der Vermieter die Mietsache zu übergeben hat. Der Vermieter kann und darf selbst entscheiden, welchen Vertrag er erfüllt und an welchen Mieter er ggf. Schadensersatz leistet. Dies entspricht dem Wesen der Privatautonomie, die auf dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Selbstbestimmung über die eigenen Interessen einer Partei beruht (Münchener Kommentar/Thode, BGB, 4. Auflage, § 305 BGB, Rdnr. 3 e; OLG Frankfurt, a.a.O.). Der Vermieter, der einen Mietvertrag abschließt, begibt sich noch nicht seines durch die Vertragsfreiheit geschützten Rechts, an einen Dritten erneut zu vermieten. Der Vermieter als Schuldner kann sich bis zur Zwangsvollstreckung entscheiden, an wen er leistet; dieses Wahlrecht ist als Ausfluss der Vertragsfreiheit schützenswert (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Wenn der Gegenansicht gefolgt wird, würde allein das Zufallsprinzip herrschen. Derjenige Mieter, der zuerst eine einstweilige Verfügung erwirkt, würde dem Vermieter ggf. auch gegen dessen zwischenzeitlich geänderten Willen als Vertragspartner aufgedrängt werden, so dass er gezwungen wäre, an diesen zu leisten. Dies widerspräche aber dem dargelegten Grundsatz der Privatautonomie.

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin mit der Beschwerde geltend, dass sie aufgrund des treuwidrigen Verhaltens des Vermieters, der in Kenntnis eines bestehenden Mietvertrags einen weiteren Mietvertrag schließe, weitgehend rechtlos gestellt werde. Denn der Mieter, dem infolge der Dispositionsfreiheit über das Mietobjekt dieses nicht mehr überlassen werden kann, ist durch Schadensersatzansprüche hinreichend geschützt (vgl. Brandenburgisches OLG, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht (§§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, § 574 ZPO, Rdnr. 4).

Ende der Entscheidung

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