Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.08.2007
Aktenzeichen: Not 10/07
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 6 Abs. 3
BNotO § 6 b Abs. 4
Zu den Voraussetzung für die Vergabe von Sonderpunkten für notarnahe Anwaltstätigkeit eines Bewerbers um eine Notarstelle.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: Not 10/07

In dem Verfahren

wegen Bestellung zum Notar

hat der Senat für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Kammergericht Erich, des Notars Dr. von Buttlar und des Richters am Kammergericht Frey

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Präsidentin des Kammergerichts vom 9. März 2007 - ... - wird nach einem Verfahrenswert von 50.000,00 Euro auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der 1967 geborene Antragsteller legte am 23. Juni 1995 vor dem Justizprüfungsamt Berlin die zweite juristische Staatsprüfung mit der Gesamtnote "befriedigend" ab. Im August 1995 wurde er durch die Senatsverwaltung für Justiz als Rechtsanwalt zugelassen. Im September 1995 erfolgte die Eintragung in die Liste der bei dem Landgericht Berlin zugelassenen Rechtsanwälte.

Der Antragsteller bewarb sich auf eine der im Amtsblatt für Berlin vom 8. April 2005 (ABl. S. 1242) ausgeschriebenen 37 Notarstellen für Bewerberinnen und Bewerber mit zweiter juristischer Staatsprüfung nach dem Deutschen Richtergesetz.

In seiner Bewerbung vom 31. Mai 2005 machte er geltend, seit fast zehn Jahren ununterbrochen in einem der im Hinblick auf das Urkundenaufkommen größten Anwaltsnotariate als Rechtsanwalt tätig und regelmäßig auch unabhängig von Bestellungen zum Notarvertreter mit Fragen des Entwurfs und der Abwicklung von Urkundsgeschäften aller Art befasst zu sein. Damit verfüge er im Sinne von Ziffer 2 Buchst. f) cc) der Ausschreibung über sonstige Kenntnisse, die ihn in besonderer Weise für das Notaramt qualifizierten.

Am 27. Februar 2006 wies die Antragsgegnerin ihn darauf hin, dass für die Prüfung, ob insoweit Zusatzpunkte angerechnet werden könnten, nähere Erläuterungen erforderlich seien. Dies könne in Form einer Fallliste geschehen, aus der Art und Umfang (Zeitangabe) des bearbeiteten Mandats hervorgehen. Die Angaben - so die Antragsgegnerin - sollten sie in die Lage versetzen, festzustellen, ob dem Antragsteller für die Dauer seiner anwaltlichen Tätigkeit mit Notarbezug zusätzliche Punkte je Monat angerechnet werden könnten oder ob für außergewöhnliche Leistungen (z.B. schwierige/zeitaufwändige Entwürfe) Sonderpunkte je Fall gutgeschrieben werden könnten.

Mit Schreiben vom 4. April 2006 legte der Antragsteller eine Bestätigung des Notars ... vor, in der es heißt, dass der Antragsteller zumindest in den letzten zehn Jahren durchschnittlich zwischen 15 % und 20 % seiner Vollzeitbeschäftigung als Rechtsanwalt für das Notariat tätig gewesen sei. Auch unabhängig von Bestelllungen zum Notarvertreter sei der Antragsteller regelmäßig mit solchen Vorgängen des Notariats befasst gewesen, die - so der Notar - seine "hervorragend ausgebildeten Notariatsfachangestellten nicht selbständig bewältigen können".

Am 10. April 2006 teilte die Antragsgegnerin mit, dass der von Notar ... bestätigte Umfang der Mitarbeit im Notariat für eine Anrechnung von Punkten je Monat des betreffenden Zeitraums nicht ausreiche. Nach ihrer gängigen Praxis - so die Antragsgegnerin - sei eine notarnahe Anwaltstätigkeit ab einem Umfang von mindestens 30 % berücksichtigungsfähig. Es bestehe auch die Möglichkeit, zusätzliche Punkte für einzelne Mandate anzurechnen, was jedoch genauere Angaben erfordere.

Mit Schreiben vom 5. Juni 2006 machte der Antragsteller geltend, dass der lange Zeitraum, in dem er zu 15 bis 20 % eine notarnahe Anwaltstätigkeit ausgeübt habe, berücksichtigt werden müsse. Ein Bewerber, der nur vorübergehend mehr als 30 % notarnahe Anwaltstätigkeit ausgeübt habe, sei für das Notaramt i.S.v. Ziffer 2 Buchst. f) cc) der Ausschreibung nicht besser qualifiziert. Eine Fallliste könne er nicht vorlegen. Zu berücksichtigen sei auch, dass er Prozessmandate in Notarhaftungssachen bearbeitet habe.

Mit Bescheid vom 9. März 2007 teilte die Antragsgegnerin mit, dass beabsichtigt sei, die Notarstellen anderen Bewerbern zu übertragen. Die in der Besetzungsliste auf den Plätzen 1 bis 37 geführten Bewerberinnen und Bewerber hätten Punktzahlen von 206,65 (Rang 1) bis 141,80 (Rang 37) erreicht. Die fachliche Eignung des Antragstellers sei mit 136,36 Punkten zu bewerten. Wertungspunkte nach Ziffer 2 Buchst. f) cc) der Ausschreibung rechnete die Antragsgegnerin nicht an.

Gegen diesen, ihm am 12. März 2007 zugestellten Bescheid wendet sich der Antragsteller mit seinem am 12. April 2007 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Der Antragsteller verweist auf sein Vorbringen im Bewerbungsverfahren. Er beanstandet die unterbliebene Anrechnung von Sonderpunkten.

Eine den Umfang der notarnahen Anwaltstätigkeit wiedergebende Fallliste könne er nicht vorlegen. Soweit er unterstützend für die seiner Sozietät angehörenden Anwaltsnotare tätig geworden sei, sei er nicht nach außen aufgetreten. Den Nachweis der konkreten Mitwirkung im Einzelfall könne er nicht führen. Die Praxis der Antragsgegnerin, Sonderpunkte erst ab einem Mindestumfang an notarbezogener Anwaltstätigkeit von 30 % anzurechnen, sei nicht nachvollziehbar und ermessensfehlerhaft.

Zu Unrecht habe die Antragsgegnerin auch die von ihm bearbeiteten Notarhaftungssachen nicht berücksichtigt. Dies stehe im Widerspruch zu ihrer Entscheidungspraxis, im Auswahlverfahren nachzufragen, ob Umstände vorlägen, die in das Punktesystem keinen Eingang gefunden hätten. Die Antragsgegnerin gestatte den Bewerbern, Nachweise wie Falllisten oder Bestätigungen auch nach Ablauf der Bewerbungsfrist einzureichen. Dem Grunde habe nach habe er - so der Antragsteller - die anwaltliche Vertretung in Notarhaftungssachen bereits in seinem Anschreiben zur Bewerbung geltend gemacht.

Das von der Antragsgegnerin festgestellte Ungleichgewicht zwischen 6,00 Fortbildungspunkten einerseits und 59,00 Punkten aus Beurkundungstätigkeit rechtfertige ein Abweichen von dem über das Punktesystem gefundene Ergebnis nicht. Unabhängig davon habe die Bearbeitung der Notarhaftungssachen eine intensive theoretische Befassung mit den Amtspflichten eines Notars erfordert.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheids vom 9. März 2007 (Az. ...) zu verpflichten, eine der im Amtsblatt für Berlin vom 8. April 2005 (ABl. S. 1242) für Bewerberinnen und Bewerber mit zweiter juristischer Staatsprüfung nach dem Deutschen Richtergesetz ausgeschriebenen 37 Notarstellen dem Antragsteller zu übertragen,

hilfsweise,

die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheids vom 9. März 2007 (Az. ...) zu verpflichten, über die Bewerbung des Antragstellers für eine der im Amtsblatt für Berlin vom 8. April 2005 (ABl. S. 1242) für Bewerberinnen und Bewerber mit zweiter juristischer Staatsprüfung nach dem Deutschen Richtergesetz ausgeschriebenen 37 Notarstellen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass eine berücksichtigungsfähige notarbezogene Anwaltstätigkeit fehle. Eine Anrechnung von Punkten nach Ziffer 2 Buchst. f) cc) komme daher nicht in Betracht.

Die Vorlage einer Fallliste sei möglich, wie andere Bewerbungen zeigten. Ein die Anrechnung von Sonderpunkten rechtfertigender Qualifizierungszugewinn könne erst ab einem Mindestumfang an notarbezogener Anwaltstätigkeit von 30 % angenommen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die rein vorbereitende Unterstützung eines amtierenden Notars nur beschränkt überprüfbar sei. Einer anwaltlichen Tätigkeit, die nur zu 15 % bis 20 % Bezüge zum angestrebten Notaramt aufweise, komme bei der täglichen Arbeit eine nur untergeordnete Bedeutung zu. Eine besondere Notarnähe der anwaltlichen Tätigkeit geschweige denn ein "Schwerpunkt der Anwaltstätigkeit" könne hierin nicht gesehen werden. Eine notarnahe Tätigkeit honoriere sie auch bei einem Mindestumfang an notarbezogener Anwaltstätigkeit von 30 % erst dann mit Sonderpunkten, wenn die Tätigkeit über einen längeren Zeitraum ausgeübt worden sei. Die Vergabe von Sonderpunkten sei auf Ausnahmefälle zu beschränken, da eine zu großzügige Handhabung zu einer unzulässigen Zurückdrängung der vom Gesetz hervorgehobenen Eignungsmerkmale führte.

Die zusätzlichen Leistungen und Erfahrungen bei der Bearbeitung von Notarhaftungsklagen habe der Antragsteller nicht bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist eingebracht. Eine Nachfrage bei den Bewerbern erfolge nur in Fällen, in denen die zu berücksichtigende Leistung dem Grunde nach schon eingebracht sei, es aber noch einer genaueren Darstellung bedurfte. Daran fehle es hier, weil die Angabe, "unabhängig von Notarvertretungen mit Fragen des Entwurfs und der Abwicklung von Urkundsgeschäften aller Art befasst zu sein", die Bearbeitung von Notarhaftungsprozessen nicht einschließe.

Schließlich sei dem Antragsteller auch deshalb nicht der Vorrang vor den auf den letzten Rängen der Besetzungsliste liegenden Bewerbern zu geben, weil die auf den Rängen 30 bis 37 liegenden Mitbewerber anders als der Antragsteller über ausgewogene Erfahrungen sowohl aus theoretischer Fortbildung als auch aus praktischen Beurkundungstätigkeiten verfügten. Eine weitere Zurechnung von Punkten für die Mitarbeit im Notariat und die Bearbeitung von Notarhaftungsklagen führte beim Antragsteller zu einer weiteren Verlagerung des Gewichts zugunsten einer rein praktischen Vorbereitung.

Dem Senat lagen die bei der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin und der Rechtsanwaltskammer Berlin geführten Personalakten des Antragstellers sowie die Bewerbungsakte des Antragstellers für das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Auswahlverfahren (...) vor.

II.

1. Der Antrag zur Hauptsache ist zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 111 Abs. 2 Satz 1 BNotO eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat er keinen Erfolg. Der Antragsteller kann weder verlangen, zum Notar bestellt zu werden, noch steht ihm ein Anspruch auf Neubescheidung (§ 111 Abs. 1 Satz 3 BNotO) zu. Die Auswahlentscheidung ist rechtsfehlerfrei. Die Antragsgegnerin hat den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum auf Grundlage des § 6 Abs. 3 BNotO, der Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notare vom 22. April 1996 (ABl. S. 1741), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschriften vom 30. November 2004 (ABl. S. 4714) - AVNot 2004 - sowie der Stellenausschreibung 2005 zutreffend und erschöpfend angewandt.

Nach § 6 Abs. 3 BNotO richtet sich die Reihenfolge bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern nach der persönlichen und fachlichen Eignung unter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen. Bei der Bestellung von Anwaltsnotaren (§ 3 Abs. 2 BNotO) können insbesondere in den Notarberuf einführende Tätigkeiten und die erfolgreiche Teilnahme an freiwilligen Vorbereitungskursen, die von den beruflichen Organisationen veranstaltet werden, in die Bewertung einbezogen werden. Die Dauer der Zeit, in der der Bewerber hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig war, ist angemessen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Bewerbungsverfahren richtet sich die Reihenfolge bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern nach den in der Ausschreibung vorgegebenen Maßgaben (Abschnitt III Nr. 12 der AVNot 2004).

Der Senat hat die Auswahlentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wobei deren Charakter als Akt wertender Erkenntnis zu beachten ist. Die Auswahlentscheidung ist nicht zu wiederholen, sondern nur darauf zu überprüfen, ob ihr ein zutreffendes Verständnis des gesetzlichen Auswahlmaßstabs zugrunde liegt, ob allgemein gültige Wertmaßstäbe beachtet und sachwidrige Erwägungen ausgeschlossen sind und ob schließlich der zu beurteilende Tatbestand verfahrensfehlerfrei festgestellt wurde (BGH, NJW 1994, 1874, 1875; BGH, NJW-RR 2006, 55, 56).

Auf dieser Grundlage ist die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden.

a) Die Ausschreibung von zwei getrennten Kontingenten für Bewerberinnen und Bewerber einerseits mit zweiter juristischer Staatsprüfung nach dem Deutschen Richtergesetz und andererseits mit juristischem Diplomabschluss nach der Prüfungsordnung der DDR ist nicht zu beanstanden. Auch der Antragsteller rügt dies nicht.

b) Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Eignungskriterien des § 6 Abs. 3 BNotO durch Beschlüsse vom 20. April 2004 (NJW 2004, 1935, 1936) und vom 8. Oktober 2004 (NJW 2005, 50) gebilligt, weil sie bei der Auswahl der Anwaltsnotare eine angemessene Berücksichtigung solcher Kenntnisse und Fähigkeiten erlauben, die sich speziell auf den Zweitberuf des Notars beziehen. Es hat jedoch die durch Verwaltungsvorschriften einzelner Bundesländer konkretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 BNotO normierten Auswahlmaßstäbe für die Besetzung freier Notarstellen für verfassungswidrig erklärt, weil die chancengleiche Bestenauslese nach diesen Maßstäbe nicht sichergestellt war. Die für die Auswahl der Bewerber geltenden Maßgaben werden den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht.

Die Regelungen zur Berücksichtigung der Punktzahl in der Staatsprüfung, der Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt, der anrechenbaren Urkundsgeschäfte sowie der erfolgreichen Teilnahme an notarspezifischen Fortbildungskursen in Ziffer 2. Buchst. a) bis d) der Ausschreibung entsprechen nun inhaltlich im Wesentlichen § 17 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8. März 2002 (JMBl. NRW S. 69) in der geänderten Fassung vom 4. November 2004 (JMBl. NRW S. 256; im Folgenden AVNot NRW 2004). Der Bundesgerichtshof hat zur Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben durch § 17 AVNot NRW 2004 in Beschlüssen vom 26. März 2007 (NotZ 38/06; ZNotP 2007, 234 - NotZ 39/06 -) Stellung genommen und das in Nordrhein-Westfalen durchgeführte Auswahlverfahren gebilligt. Der Senat folgt den Ausführungen des Bundesgerichtshofs, die für das in der Ausschreibung der Antragsgegnerin enthaltene Punktesystem entsprechend gelten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die genannten Entscheidungen Bezug genommen. Auch der Antragsteller beanstandet die Durchführung des Auswahlverfahrens auf Grundlage des Punktesystems nicht.

c) Die zugrunde gelegten Einzelkriterien ermöglichen eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Beurteilung der fachlichen Eignung. Dies gilt auch für die Berücksichtigung einer "notarnahen" Anwaltstätigkeit der Bewerber.

Der Bundesgerichtshof hat - in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1935) - die Bedeutung einer auf den angestrebten Zweitberuf des Anwaltsnotars spezifisch ausgerichteten berufspraktischen Erfahrung hervorgehoben (NJW-RR 2007, 63). Hat ein Bewerber in diesem Bereich Qualifikationen erworben, müssen sie das ihnen gebührende Gewicht erhalten. Dieser Anforderung genügt das Punktesystem der Antragsgegnerin (vgl. BGH, ZNotP 2007, 234 zu den Regelungen in § 17 AVNot 2004 NRW). Es ermöglicht auch eine angemessene Berücksichtigung einer "notarnahen" anwaltlichen Tätigkeit, da im Rahmen der Gesamtentscheidung weitere Punkte für im Einzelfall vorhandene besondere notarspezifische Qualifikationen angerechnet werden können. Dies kommt in der Regel in Betracht für sonstige Tätigkeiten, Leistungen und Kenntnisse, die in besonderer Weise für das Notaramt qualifizieren (Ziffer 2 Buchst. f) cc) der Ausschreibung). Hierfür können bis zu 15 Punkte erworben werden.

d) Dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller Sonderpunkte nach Ziffer 2 Buchst. f) cc) der Ausschreibung nicht angerechnet hat, ist nicht zu beanstanden. Die Einwände des Antragstellers gegen die Handhabung der Antragsgegnerin bei der Vergabe von Sonderpunkten für eine notarnahe Anwaltstätigkeit sind nicht stichhaltig.

Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, die "notarnahe" Anwaltstätigkeit des Antragstellers, die in der Mitarbeit im Notariat seiner Sozien außerhalb von Notarvertretungen bestand, mit Sonderpunkten zu honorieren.

Die Qualifikation durch praktische Notartätigkeit wird in Ziffer 2 Buchst. d) aa) der Ausschreibung für Urkundsgeschäfte während einer Notarvertretung erfasst. Der Bundesgerichtshof (BGH, NJW 2007, 1283, 1287) hat hervorgehoben, dass für eine darüber hinausgehende Berücksichtigung rein vorbereitender Unterstützung eines amtierenden Notars, der die Urkundsgeschäfte verantwortlich vornimmt, grundsätzlich kein Raum ist. Ein beachtenswerter zusätzlicher und - nicht zuletzt mit Blick auf Mitbewerber - auch nachprüfbarer Qualifizierungszugewinn für das angestrebte Amt sei in Ermangelung konkreter Anknüpfungspunkte oder auch nur vergleichbarer Erfahrungswerte für eine einigermaßen verlässliche Bewertung solcher Hilfstätigkeiten nicht auszumachen. Diese Leistungen, die zweifellos Sachkunde erfordern, könnten, ohne dass sie aussagekräftig zu objektivieren wären, von allen Bewerbern geltend gemacht werden, die - wie in einer Sozietät regelmäßig möglich - außerhalb von Vertretungen in die Tätigkeit eines Notars einbezogen werden.

Die Antragsgegnerin hat sich durch ihre Verwaltungspraxis dahin gebunden, dass sie Sonderpunkte im Rahmen der Gesamtentscheidung dann hinzurechnet, wenn der Mindestumfang an notarbezogener Anwaltstätigkeit 30 % beträgt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller nicht. Sein Argument, er habe sich aufgrund der langen Dauer seiner unterstützenden Tätigkeiten im Notariat ebenso in "besonderer Weise" (vgl. Ziffer 2. Buchst. f) cc) der Ausschreibung) für das Notaramt qualifiziert, wie ein Bewerber, der zwar in einem Umfang von 30 %, dafür aber kürzer "notarnah" tätig geworden ist, trägt nicht. Zunächst ist nicht zu beanstanden und von dem eingeräumten Beurteilungsspielraum gedeckt, dass die Antragsgegnerin Sonderpunkte erst anrechnet, wenn die Grenze von 30 % überschritten ist.

Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass einer anwaltlichen Tätigkeit, die nur zu 15 % bis 20 % Bezüge zum angestrebten Notaramt aufweist, bei der täglichen Arbeit nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Dies gilt auch dann, wenn die Tätigkeit, anders als beim Antragsteller, sich nicht in einer rein vorbereitenden Unterstützung eines amtierenden Notars erschöpft. Die Auffassung der Antragsgegnerin, es handele sich dabei nicht um "herausragende Leistungen" die - wie vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1935, 1940) gefordert - durch Sonderpunkte das ihnen gebührende Gewicht erhalten müssten, ist daher nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der der Landesjustizverwaltung durch § 6 Abs. 3 BNotO zur Verfügung gestellte Beurteilungsspielraum nicht überschritten, wenn sie die Vergabe von Sonderpunkten, die an keines der im Gesetz genannten Auswahlmerkmale anknüpft, auf Ausnahmefälle beschränkt (BGH, NJW-RR 1998, 60). Nicht an ein bestimmtes Qualifikationsmerkmal gebundene Eignungspunkte wirken zwar Verzerrungen entgegen, die mit dem schematisierten Eignungsraster der Ausschreibungsbedingungen verbunden sind; ihre zu großzügige Handhabung würde aber zu einer unzulässigen Zurückdrängung der vom Gesetz (§ 6 Abs. 3 BNotO) hervorgehobenen Eignungsmerkmale führen (BGH, NJW-RR 1998, 60).

Die Antragsgegnerin muss eine unterhalb der Schwelle von 30 % liegende "notarnahe" Anwaltstätigkeit, auch wenn diese über einen längeren Zeitraum ausgeübt worden ist, nicht durch die Vergabe von Sonderpunkten je Monat honorieren. Es ist von ihrem Beurteilungsspielraum gedeckt, dass sie die monatsbezogene Anrechnung von Sonderpunkten auf Bewerber beschränkt, bei denen aufgrund des Umfangs ihrer notarnahen Anwaltstätigkeit von über 30 % der Bezug zur Tätigkeit eines Notars klar zutage getreten ist. In diesen Fällen ist die "pauschale" Vergabe von Sonderpunkten gerechtfertigt, ohne dass im Einzelfall geprüft werden muss, worin die "notarnahe" Tätigkeit im Einzelnen bestanden hat. Hat ein Bewerber, der diese Grenze nicht erreicht, in Einzelfällen besonders "herausragende Leistungen" wie schwierige oder umfangreiche Notargeschäfte vorbereitet, kann er nach der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin hierfür Sonderpunkte erhalten. Dieser differenzierten Verwaltungspraxis liegen keine sachfremden oder gar willkürlichen Erwägungen zugrunde.

Es ist daher Sache des Notarbewerbers, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 64 a Abs. 2 BNotO) auf Umstände hinzuweisen, die seine persönliche Eignung im Verhältnis zu Mitbewerbern hervorheben. Zu "herausragenden Einzelleistungen" die durch Sonderpunkte honoriert werden könnten, hat er jedoch nichts vorgebracht. Es ist daher nicht dargetan, dass sich der Antragsteller wesentlich mehr qualifiziert hätte, was die Vergabe von Sonderpunkten nahe legen könnte.

e) Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, dass die Antragsgegnerin keine Sonderpunkte für die Bearbeitung von Notarhaftungssachen angerechnet hat.

Nach § 6 b Abs. 2 BNotO ist die Bewerbung innerhalb der in der Ausschreibung gesetzten - als gesetzliche Ausschlussfrist ausgestalteten - Bewerbungsfrist einzureichen; dementsprechend sind gemäß § 6 b Abs. 4 Satz 1 BNotO bei der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO nur solche Umstände zu berücksichtigen, die bei Ablauf der Bewerbungsfrist vorlagen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die in dieser gesetzlichen Regelung ihren Niederschlag gefunden hat, darf die Justizverwaltung die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt des Notars nur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen ist (BGH, NJW-RR 1998, 57, 58; NJW-RR 1998, 1599, 1600, jew. m.w.N.). Dies gilt auch für den Nachweis der fachlichen Leistungen, die im Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO zu berücksichtigen sind. Der erforderliche fristgemäße Nachweis der Leistungen setzt neben der Vorlage entsprechender Bescheinigungen voraus, dass der Bewerber der Justizverwaltung innerhalb der Bewerbungsfrist mitteilt, welche bei der Vorbereitung auf den Notarberuf bereits erbrachten Leistungen zu seinen Gunsten bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden sollen (BGH, NJW-RR 1998, 1599). Auch insoweit dient die Festlegung des Stichtags der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber auch der Gleichbehandlung aller Bewerber aufgrund einer einheitlichen Bewertungssituation, die nur gewährleistet ist, wenn zu Beginn des Auswahlverfahrens sämtliche für jeden Bewerber maßgeblichen Kriterien feststehen (vgl. BGH, NJW 1994, 3353).

Folgerichtig hat die Antragsgegnerin im Auswahlverfahren die in den Bewerbungsunterlagen nicht erwähnte anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Prozessmandaten in Notarhaftungssachen unberücksichtigt gelassen. Bewerbungsschluss für die ausgeschriebenen Notarstellen war der 31. Mai 2005. Dass der Antragsteller Notarkostenbeschwerdeverfahren, Verfahren nach § 15 BNotO und Zivilprozessverfahren in Notarhaftungssachen bearbeitet habe, hat er erstmals durch Vorlage der Bescheinigung des Notars ... vom 4. April 2006 in das Verfahren eingebracht. Dabei handelte es sich nicht um eine bloße nachträgliche Erläuterung eines bereits rechtzeitig eingebrachten Umstandes. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass die Angabe in dem Anschreiben zur Bewerbung, "auch unabhängig von Bestellungen zum Notarvertreter mit Fragen des Entwurfs und der Abwicklung von Urkundsgeschäften aller Art befasst" gewesen zu sein, die Bearbeitung von Notarhaftungssachen nicht einschließt. Bei der Bearbeitung von Prozessmandaten handelt es sich nicht um die "Abwicklung von Urkundsgeschäften". Damit ist vielmehr der Vollzug der beurkundeten Erklärungen und somit eine Tätigkeit gemeint, die typischerweise vom Urkundsnotar vorgenommen wird und rechtsgestaltenden Charakter aufweist.

Der Antragsteller kann sich nicht auf eine abweichende Praxis der Antragsgegnerin berufen, die ihren Ermessenspielraum unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung beschränkte. Die Antragsgegnerin hat ihre Verwaltungspraxis dahin erläutert, Vorbringen nach dem Stichtag nur dann zu berücksichtigen, wenn die Leistung dem Grunde nach schon eingebracht worden sei, es aber noch einer genaueren Darstellung bedurfte. Diese Voraussetzung ist - wie dargelegt - beim Antragsteller nicht erfüllt. Anhaltspunkte für eine davon abweichende Verwaltungspraxis hat er weder vorgetragen, noch ist dem Senat eine solche Praxis bekannt.

2. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO i.V.m. § 201 Abs. 1, § 202 BRAO, § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück