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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.04.2003
Aktenzeichen: 15 Sa 11/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 56
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 519 Abs. 3 a. F.
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 n. F.
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 2 lit. b
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 15 Sa 11/03

verkündet am 28.04.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Hellwig, und den ehrenamtlichen Richter Würth auf die mündliche Verhandlung vom 28.04.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Ka. Aalen vom 7. November 2002 - Az: 13 Ca 191/02 - wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 28. März zum 30. April 2002 sowie über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen verhaltensbedingten Kündigung vom 23. Juli 2002. Hilfsweise erstrebt die Beklagte im zweiten Rechtszug die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Der am 04. April 1949 geborene Kläger ist verheiratet und drei Kindern unterhaltspflichtig. Er ist auf Grund eines Arbeitsvertrages vom 06. März 2000 "in den Betrieb" der Beklagten eingestellt worden, die bundesweit einen Elektrogroßhandel betreibt. Im ersten Rechtszug ist von ihr nicht bestritten worden, sie beschäftige 1 000 Arbeitnehmer. Im zweiten Rechtszug trägt sie vor, sie beschäftige 200 Arbeitnehmer. Der Kläger wurde für die Filiale in Aalen eingestellt. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich auf 2.800,00 €. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am 28. März 2002 zum 30. April 2002 gekündigt. In dem Kündigungsschreiben war als Begründung angegeben: "Die bisherige Strukturierung in unserem Hause ist so nicht kostendeckend, deshalb müssen wir eine Umstrukturierung vornehmen. Infolge des Wegfalls Ihres Arbeitsplatzes sprechen wir diese Kündigung aus betriebsbedingten Gründen aus." Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 15. April 2002 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage gewandt.

Das Arbeitsgericht hat in der Sitzung vom 18. Juli 2002 der Beklagten im Einzelnen aufgegeben, die Kündigungsgründe vorzutragen. Mit dem an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichteten und per Telefax übermittelten Schreiben vom 19. Juli 2002 forderte die Beklagte den Kläger auf, seine Arbeitsleistung ab Montag, den 22. Juli um 08:45 Uhr in der Filiale in Rothenburg o. d. Tauber aufzunehmen. In dem Schreiben war der Hinweis enthalten, die "Aufforderung stelle natürlich keine Rücknahme der Kündigung dar". Das Schreiben schloss mit dem Satz ab: "Sollte Ihre Mandantschaft dieser Aufforderung nicht nachkommen, bleibt eine erneute Kündigung vorbehalten." Die Entfernung vom Wohnort des Klägers in Ellwangen bis nach Rothenburg beträgt ca. 60 km und erfordert eine Fahrzeit von rd. 45 min. Die Entfernung Aalen-Ellwangen beträgt knapp 20 km; die geschätzte Fahrzeit beläuft sich auf 30 min. Der Kläger war ab Montag, den 22. Juli 2002 für drei Wochen im Urlaub. Nach Urlaubsende sprach er in der Filiale Aalen vor, ob er dort weiterbeschäftigt werden könne. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis fristlos am 23. Juli 2002 gekündigt. Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem weiteren Antrag vom 26. Juli 2002.

Der Kläger hat geltend gemacht, die betriebsbedingte Kündigung vom 28 März 2002 sei unwirksam. Er sei als Abteilungsleiter in der TV-Abteilung beschäftigt gewesen und habe die Fotoabteilung aufgebaut. Er hat geltend gemacht, der Betriebsrat sei nicht oder nicht ordnungsgemäß angehört worden. Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagten, ist ein B9-triebsrat erst im Oktober 2002 gebildet worden. Des Weiteren hält der Kläger die fristlose Kündigung vom 23. Juli 2002 für unwirksam. Die Aufforderung, am 22. Juli 2002 zur Arbeit zu erscheinen, habe er erst nach Ende des Urlaubs im August 2002 erhalten. Er sei auch nicht verpflichtet, in der Filiale Rothenburg zu arbeiten.

Der Kläger hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28. März 2002 nicht aufgelöst ist, sondern über den 30.04.2002 hinaus fortbesteht.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 23.07.2000, zugegangen am 24.07.2000 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 24.07.2002 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klagabweisungsantrags geltend gemacht, in den ersten vier Monaten des Jahres 2002 sei in der Filiale Aalen ein Umsatzrückgang von 19,3 % aufgetreten. Der damit verbundene Rohertragsverlust habe zur Kündigung gezwungen. Die Fotoabteilung, in der der Kläger auch gearbeitet habe, sei stark verkleinert worden. Im Februar 2002 sei zwar eine grobe Urlaubsplanung besprochen worden, wonach der Kläger Ende Juli/Anfang August 2002 eine Woche Urlaub nehmen würde. Er habe jedoch keinen Urlaubsantrag gestellt. Der Kläger sei nach Beendigung des Urlaubs nicht zur Arbeit erschienen, weder an der ursprünglichen Arbeitsstelle noch in Rothenburg.

Das Arbeitsgericht hat durch sein Urteil vom 07. November 2002, welches an den Beklagtenvertreter am 17. Januar 2003 zugestellt worden ist, dahin erkannt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigungen vom 28. März und 23. Juli 2002 nicht beendet worden. Die ordentliche Kündigung sei unwirksam, weil nicht ersichtlich sei, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sei, und weil nicht erkennbar sei, dass deshalb der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei. Die fristlose Kündigung sei ebenfalls unwirksam. Der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, die Arbeit in Rothenburg aufzunehmen. Selbst bei einer Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag sei der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, jeder Versetzungsanweisung nachzukommen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 06. Februar 2003 eingereichten Berufung, die sie zunächst mit dem Schriftsatz vom 12. März 2003 ausgeführt hat. Mit zwei weiteren nach Ablauf der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätzen hat sie das Rechtsmittel weiter begründet. Sie hat zunächst geltend gemacht, auf Grund des nachgewiesenen Umsatzrückgangs und des damit verbundenen Verlustes sei sie zu einem Stellenabbau und Kündigungen gezwungen gewesen. Der betriebsbedingte Grund liege im Umsatzrückgang. Sie sei gezwungen gewesen, die Fotoabteilung stark zu verkleinern bzw. die dortige Stelle zu streichen. Die Sozialauswahl sei auf den Kläger gefallen wegen seiner geringen Beschäftigungsdauer. Mit einem weiteren Schriftsatz hat sie vorgetragen, der Gesamtumsatz im Handel innerhalb eines Jahres sei um ungefähr 19 % zurückgegangen; im Bereich "Braune Ware" belaufe sich der Umsatzrückgang auf ca. 27 %. Schließlich hat sie dann geltend gemacht, der Umsatz in der Filiale sei um 9,48 % zurückgegangen, die Personalkosten seien jedoch um 16 % gestiegen. Die außerordentliche Kündigung komme zum Tragen. Sie habe ihr Direktionsrecht ordnungsgemäß ausgeübt. Es könne stets von einem stillschweigend vereinbarten Versetzungsvorbehalt ausgegangen werden. Da Arbeitnehmer allgemein für den Betrieb eingestellt würden, könne ein solcher im Rahmen der geschuldeten Arbeitsleistung innerhalb des Betriebes umgesetzt werden.

Die Versetzung habe sich auch im Rahmen billigen Ermessens gehalten. In ihrem Schriftsatz vom 07. April 2003 macht die Beklagte geltend, die Entscheidung des Arbeitsgerichts verstoße gegen höchstrichterliche Rechtsprechung. Insbesondere habe das Arbeitsgericht sein Fragerecht nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Sie meint, die Entscheidung, Stellen abzubauen, um dadurch Kosten einzusparen, stelle ein schutzwürdiges Interesse dar. Der Kläger sei nicht Abteilungsleiter gewesen sondern einfacher Fachverkäufer im Bereich TV und Hi-Fi. Sie habe die Entscheidung getroffen, zur Kosteneinsparung Stellen abzubauen. Allein im Jahre 2002 seien 7 Mitarbeiter der Filiale Aalen ausgeschieden. Sie habe für die Abteilung "Braune Ware" die Entscheidung getroffen, mit weniger Personal auszukommen. Für den Fall, dass die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam seien, wobei sie anregt, die außerordentliche Kündigung in eine ordentliche umzudeuten, begehrt die Beklagte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Dazu führt sie aus, das Vertrauensverhältnis des Klägers zu Kollegen und Vorgesetzten sei erheblich gestört; insbesondere wegen der Behauptung, er sei Abteilungsleiter gewesen und sie, die Beklagte, beschäftige 1 000 Arbeitnehmer. Auch als Verkäufer sei der Kläger wenig engagiert. Ein Verkäufer im Bereich "Braune Ware" erziele in Deutschland durchschnittlich einen Jahresumsatz in Höhe von 475.000,00 €. Der Abteilungsleiter des Klägers erreiche einen Jahresumsatz von durchschnittlich 626.000,00 €, der Kläger dagegen nur einen solchen in Höhe von 375.000,00 €. Außerdem habe der Kläger ein in ihrem Eigentum stehendes Autoradio mitgenommen und 6 Monate ohne ihre Kenntnis in Gebrauch gehabt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen v. 07. November 2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen.

Der Kläger wendet ein, die Beklagte sei mit ihrem Vortrag im Berufungsrechtszug ausgeschlossen. Die Beklagte habe nach der Kündigung seine Stelle mit einem Mitarbeiter aus Rothenburg besetzt, welcher ursprünglich dort Abteilungsleiter gewesen sei. In der TV-Abteilung sei eine Umsatzsteigerung zu verzeichnen gewesen. Außerdem sei ihm als einzigem Arbeitnehmer gekündigt worden. Er sei für die Filiale in Aalen eingestellt gewesen. Nach seinen Informationen solle die Filiale Rothenburg geschlossen werden. Die Arbeitspapiere seien ihm am 18. Juli 2002 ausgehändigt worden. Ihm sei es nicht zumutbar, während des Kündigungsschutzverfahrens in Rothenburg zu arbeiten.

Entscheidungsgründe:

I.

1. Die Berufung der Beklagten gegen das den Feststellungsanträgen des Klägers stattgebende Urteil ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG). Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig ausgeführt worden. In dem innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eingereichten Schriftsatz hat sich die Beklagte im Wesentlichen mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auseinandergesetzt, während sie bezüglich der vom Arbeitsgericht wegen eines unzureichenden Vorbringens als nicht sozial gerechtfertigt erkannten ordentlichen Kündigung zum 30. April 2002 sich mit Ausführungen begnügt hat, die im Wesentlichen eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens beinhalten. Die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung ergeben sich aus § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO n.F. Zweck der gesetzlichen Bestimmung ist es, wie schon der Zweck des § 519 Abs. 3 ZPO a.F., formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch eine Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug zu bewirken. Aus der Berufungsbegründung müssen das Gericht und der Rechtsmittelgegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will (vgl. BAG, Urteil v. 29. November 2001 - 4 AZR 729/00, EzA § 519 ZPO Nr. 13; Urteil v. 15. August 2002 - 2 AZR 473/01, EzA § 519 ZPO Nr. 14).

2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung bezüglich des Streitgegenstandes der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 28. März 2002 nicht gerecht. Ausweislich des Inhalts des Kündigungsschreibens ist die Kündigung damit begründet worden, die bisherige Strukturierung sei nicht kostendeckend, deshalb müsse eine Umstrukturierung vorgenommen werden. In Folge des Wegfalls des Arbeitsplatzes des Klägers werde die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen. Unter Ziffer. 3 des Beschlusses vom 18. Juli 2002 ist der Beklagten gemäß § 56 ArbGG aufgegeben worden, den bisherigen Arbeitsplatz des Klägers zu beschreiben und darzulegen, warum welche der bisher dem Kläger obliegenden Arbeiten völlig entfallen oder auf andere Arbeitnehmer übertragen worden seien. Innerhalb der gesetzten Frist hat die Beklagte keinen Vortrag dazu geleistet, sondern nur zu der nach dem Gerichtstermin am 18. Juli 2002 erklärten fristlosen Kündigung vorgetragen. Mit dem am Tage vor dem Kammertermin per Telefax übermittelten Schriftsatz hat sie ausgeführt, in der Filiale, in der der Kläger beschäftigt gewesen sei, sei in den ersten vier Monaten des Jahres 2002 ein Umsatzrückgang von 19,3 % zu verzeichnen gewesen. Der damit verbundene Rohertragsverlust habe sie im Bereich Personal zum Ausspruch von Kündigungen gezwungen. Aufgrund dessen sei die Fotoabteilung, in der auch der Kläger gearbeitet habe, stark verkleinert worden. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung, dass die rechtzeitig angegriffene Kündigung vom 28. März 2002 sozial nicht gerechtfertigt sei, im Wesentlichen darauf abgestellt, die Beklagte hätte nachvollziehbar vortragen müssen, aufgrund welcher unternehmerischer Entscheidung der bisherige Arbeitsplatz weggefallen sei. Auch das Vorbringen im Schriftsatz vom 06. November 2002 lasse nicht erkennen, weshalb der Arbeitsplatz des Klägers, der vorgetragen habe, er sei als Abteilungsleiter in der TV-Abteilung beschäftigt gewesen und habe den Aufbau der Fotoabteilung durchgeführt, weggefallen sei. Der Berufungsbegründungsschriftsatz vom 10. März 2003 enthält weder Ausführungen zur Art und zum Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung noch zum Wegfall des Arbeitsplatzes. Es wird allein die Behauptung zum Umsatzrückgang wiederholt und ausgeführt, aufgrund der Wirtschaftslage sei die Beklagte gezwungen gewesen, "die Fotoabteilung, in der der Kläger beschäftigt war, stark zu verkleinern bzw. die dortige Stelle zu streichen". Damit setzt sich die Beklagte mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend auseinander. Das Vorbringen aus den erst nach Ablauf der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätzen vom 07. und 15. April 2003 kann insoweit keine Berücksichtigung finden. Eine unzulässige Berufung kann nicht durch späteres Vorbringen zulässig werden.

Im übrigen war schon das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten zur Begründung der angegriffenen betriebsbedingten Kündigung völlig unzureichend. Eine auf die Reduzierung des Personalbestandes abzielende Unternehmerentscheidung ist hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit so zu verdeutlichen, dass geprüft werden kann, ob sie nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG, Urteil v. 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 und 522/98, BAGE 92, 71 und 92, 61 = AP Nrn. 101 und 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Daran hat es die Beklagte in jeder Hinsicht fehlen lassen.

3. Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, die Berufungsbegründung genüge gerade noch den zu stellenden Anforderungen, kann das Rechtsmittel im Hinblick auf die ordentliche Kündigung keinen Erfolg haben. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 lit. b KSchG ist eine Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat deshalb der Kündigung schriftlich widersprochen hat. Darauf, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten erst im Oktober 2002 bei ihr ein Betriebsrat gebildet worden ist, kommt es nicht an. Der Arbeitgeber muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien, vergleichbaren Arbeitsplatz im Unternehmen zuweisen bzw. statt einer Beendigungs- eine Änderungskündigung erklären, falls eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht (vgl. BAG, Urteil v. 27. September 1984-2 AZR 62/83, BAGE 47, 26 = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969; Urteil v. 29. März 1990-2 AZR 369/89, BAGE 65, 61 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Urteil v. 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; KR-Etzel, 6. Auflage, § 1 KSchG Rz. 217 und 545).

Dahingestellt bleiben kann, ob das Unternehmen der Beklagten zumindest zwei Betriebe, nämlich einen in Aalen und einen in Rothenburg ob der Tauber unterhält, jedenfalls bestand für den Kläger nach dem Inhalt des Schreibens der Beklagten an den Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. Juli 2002 in der Filiale in Rothenburg eine Beschäftigungsmöglichkeit. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit habe sich erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ergeben. Darauf, dass und warum der Kläger der Aufforderung nicht Folge geleistet hat, kommt es nicht an. Der Kläger hat allein schriftsätzlich geltend gemacht, das an seinen Prozessbevollmächtigten per Fax übermittelte Schreiben, welches ihm mit normaler Post zugeleitet worden sei, habe ihn erst erreicht, als er sich im Urlaub befunden habe. Das Arbeitsgericht hat im Rahmen der Überprüfung der außerordentlichen Kündigung angenommen, der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, der Versetzungsanweisung der Beklagten nachzukommen, weil sich die Versetzung nicht im Rahmen billigen Ermessens gehalten habe. Dies ist vom Kläger selbst im ersten Rechtszug nicht ausdrücklich geltend gemacht worden. Erst in der Berufungsbeantwortungsschrift hat sich der Kläger auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts berufen.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Behauptung des Klägers, nach seiner Kündigung sei sein bis dahin eingenommener Arbeitsplatz sofort wieder mit einem Mitarbeiter aus Rothenburg besetzt worden, und dass dies der ursprüngliche Abteilungsleiter in Rothenburg gewesen sei, der bereits nach einem Monat gekündigt habe, nicht ausdrücklich bestritten. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, es sei unzutreffend, dass der Arbeitsplatz des Klägers noch zur Verfügung stehe.

II.

Soweit das Arbeitsgericht angenommen hat, das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die fristlose verhaltensbedingte Kündigung vom 23. Juli 2003 beendet worden, genügen die Ausführungen dazu in dem Schriftsatz vom 10. März 2002 den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung. Somit ist die Berufung bezüglich dieses Streitgegenstandes zulässig. Sie kann jedoch unabhängig von den Erwägungen des Arbeitsgerichts keinen Erfolg haben.

1. Die Beklagte verkennt, dass ein gekündigter Arbeitnehmer während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses nicht arbeiten muss, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nicht zurücknimmt (vgl. LAG Köln, Urteil v. 09. August 1996 - 11 Sa 75/96, ZTR 1997, 95; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 23. November 2000 - 1 Sa 249/00, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 43; KR-Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 435). Ist der Arbeitnehmer jedoch nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, kann er im Falle der Nichtbefolgung der Aufforderung, die Arbeit wieder aufzunehmen, keine vertragliche Pflicht verletzen, so dass kein wichtiger Grund i.S. des § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist.

Ausweislich des an den Prozessbevollmächtigten des Klägers per Fax übermittelten Schreibens haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten darauf hingewiesen, die Aufforderung, die Arbeitsleistung in der Filiale Rothenburg wieder aufzunehmen, stelle "natürlich keine Rücknahme der Kündigung dar". Nach Ablauf der Kündigungsfrist mit dem 30. April 2002 war der Kläger, da die gerichtlich angegriffene Kündigung ausdrücklich nicht zurückgenommen worden ist, nicht verpflichtet, überhaupt für die Beklagte zu arbeiten. Sie kann nicht einerseits eine erklärte Kündigung ausdrücklich aufrecht erhalten und andererseits gleichwohl eine Arbeitsleistung von dem gekündigten Arbeitnehmer verlangen und, weil der gekündigte Arbeitnehmer, der die nicht zurückgenommene Kündigung gerichtlich überprüfen lässt, der Aufforderung nicht nachkommt, das Arbeitsverhältnis deswegen erneut und dazu noch fristlos kündigen.

2. Dahin gestellt bleiben kann, ob die unwirksame außerordentliche in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann. Für eine Umdeutung kommt es nicht allein, wie die Beklagte geltend macht, darauf an, dass bei ihr erkennbar eindeutig der Wille bestand, das Arbeitsverhältnis in jedem Fall aufzulösen. Vielmehr muss dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar sein (vgl. BAG, Urteil v. 15. November 2001 - 2 AZR 310/00, AP Nr. 13 zu § 140 BGB). Zu dieser Voraussetzung enthält sich die Beklagte eines erforderlichen Vorbringens.

III.

Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sind offensichtlich nicht erfüllt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die (ordentliche) Kündigung nicht aufgelöst ist - im Falle einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung kann nur der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag stellen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG) -, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

1. Das mit Wirkung vom 02. März 2002 begründete Arbeitsverhältnis ist weder durch die ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 28. März zum 30. April 2002 noch durch - ihre Umdeutung unterstellt - die aus verhaltensbedingten Gründen erklärte Kündigung vom 23. Juli mit dem 31. August 2002 aufgelöst worden, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt. Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihres Auflösungsbegehrens darauf, das Vertrauensverhältnis des Klägers zu seinen Kollegen und Vorgesetzten sei erheblich gestört, der Kläger sei als Verkäufer wenig engagiert und er habe ein in ihrem Eigentum stehendes Autoradio mitgenommen und sechs Monate im Gebrauch gehabt. Weder der einzelne zur Auflösung vorgetragene Sachverhalt noch die Gesamtwertung der Sachverhalte können eine Auflösung rechtfertigen.

2. Selbst wenn die Ausführungen des Klägers zur Anzahl der von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer und zu der von ihm eingenommenen Position eines Abteilungsleiters unzutreffend sein sollten, kann darauf der Auflösungsantrag nicht gestützt werden. Tatsachenbehauptungen sind, wenn sie nicht zutreffend sind, vom Gegner zu bestreiten. Die Beklagte hat im ersten Rechtszug die Behauptung des Klägers, sie beschäftige bundesweit rund 1.000 Arbeitnehmer, nicht bestritten. Dem gemäß hat das Arbeitsgericht im unstreitigen Teil seines Tatbestandes die Anzahl der Beschäftigten mit 1.000 Arbeitnehmern festgestellt. Auch das Vorbringen des Klägers, er sei als Abteilungsleiter in der TV-Abteilung beschäftigt gewesen und habe den Aufbau der Fotoabteilung durchgeführt, ist von der Beklagten im ersten Rechtszug nicht durch gegenteiliges Vorbringen bestritten worden. Auch in dem vor Ablauf der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist eingereichten Schriftsatz sind dazu keinerlei Ausführungen enthalten. Erstmals in dem nahezu ein Jahr nach Einreichung der Klagschrift übermittelten Schriftsatz vom 07. April 2003 sind zu diesen Tatsachenbehauptungen des Klägers gegenteilige Ausführungen enthalten. Wenn tatsächliches Vorbringen nahezu ein Jahr unbestritten geblieben ist, kann durch einen solchen Vortrag schwerlich das Vertrauensverhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten erheblich gestört sein.

3. Ohne Erfolg macht die Beklagte auch geltend, der Kläger sei als Verkäufer wenig engagiert gewesen. Insoweit lässt es die Beklagte an überprüfbaren Tatsachen fehlen. Das geltend gemachte fehlende Engagement kann allein nicht mit Durchschnittszahlen belegt werden. Dabei übersieht die Beklagte, dass sich eine solche Zahl aus darüber und darunter liegenden Umsätzen ergibt und der Kläger und sein Vorgesetzter zusammen einen durchschnittlichen Jahresumsatz erbracht haben, der über einem solchen liegt, den Verkäufer im Bereich "Braune Ware" in Deutschland angeblich erzielen. Schließlich war der Kläger nicht nur als Verkäufer sogenannter "Brauner Ware" tätig. Er war auch in der Fotoabteilung beschäftigt, so dass ein Vergleich mit dem durchschnittlichen Jahresumsatz eines Verkäufers im Bereich "Braune Ware" offensichtlich fehlgeht.

4. Schließlich kann der Auflösungsantrag auch nicht darauf gestützt werden, der Kläger habe ein im Eigentum der Beklagten stehendes Autoradio mitgenommen und sechs Monate in Gebrauch gehabt, ohne dass die Beklagte davon Kenntnis gehabt habe. Hier fehlt es an der Darlegung, wann dies gewesen sein soll. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat über zwei Jahre bestanden, so dass, selbst wenn die Behauptung der Beklagten zutreffend sein sollte - der Kläger jedenfalls hat sich dazu nicht geäußert -, es entscheidend mit darauf ankäme, wann sich dieser Vorfall ereignet hat. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, wann sie von diesem zur Auflösung angeführten Vorfall Kenntnis erlangt haben will. Sollte der Vorfall schon längere Zeit zurückliegen und die Beklagte davon geraume Zeit Kenntnis gehabt haben, wäre er als Auflösungstatsache ungeeignet.

V.

1. Die Kosten ihrer somit erfolglosen, weil zum Teil unzulässigen und zum Teil unbegründeten Berufung hat die Beklagte gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1ZPO zu tragen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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